Protocol of the Session on June 3, 2016

„Güterkunden künftig bei Bedarf auf benachbarte Verladepunkte ausweichen lassen oder ihnen andere Verkehrsangebote machen.“

Das heißt nichts anderes als die Verlagerung des Güterverkehrs von der Schiene auf die Straße. Auf Seite 130 des Koalitionsvertrages spricht sich die Regierung für die Umsetzung des IVS aus. Dieser besagt - ich zitiere -:

„Aus einer Reduzierung der Staukosten um 2 % kann ein volkswirtschaftlicher Nutzen von jährlich rund 10 Milliarden € resultieren.“

Falls Sie das nachlesen möchten, es steht auf Seite 7 des IVS. Jedem hier im Saal wird klar sein, dass mehr LKW auch mehr Stau bedeuten, und das nicht nur auf unseren Autobahnen, sondern auch in den Städten und auf den Landstraßen.

Wenn Sie sich die Schließungspläne der Bahn genauer ansehen, werden Sie feststellen, dass es

auffallend viele Güterumschlagplätze an Binnenhäfen, zum Beispiel in Bülstringen am Mittellandkanal, in Aken und in Coswig an der Elbe und in Dornburg und in Könnern an der Saale, betrifft.

Es stellt sich mir also die Frage, ob mit der Transportlücke zwischen Schiene und Hafen der Zugang der Güter zur Binnenschifffahrt erschwert werden soll. Der Transport von Gütern auf unseren Kanälen und Flüssen ist nicht nur eine umweltfreundliche Alternative, sondern auch direkte Konkurrenz für die Bahn.

Aber nicht nur die Argumente des höheren Straßenverkehrsaufkommens und der höheren Umweltbelastung ließen uns diesen Antrag stellen. Es gibt noch zwei wesentliche Punkte.

Erstens. Es ist unbestritten, dass in Sachsen-Anhalt in die Infrastruktur investiert werden muss. Herr Minister Webel, Sie haben das erst Anfang dieser Woche in Verbindung mit den Pendlerbewegungen wieder betont.

Die Güterbahnhöfe, die jetzt geschlossen werden sollen, wurden mit Steuermitteln gebaut, modernisiert und betrieben. Die Bahn ist immer noch Eigentum des Bundes. Es kann doch nicht sein, dass die öffentliche Hand investiert und ein bundeseigenes Unternehmen diese Investitionen aus Steuergeldern dann für nutzlos erklärt.

(Zustimmung bei der LINKEN, von Frank Scheurell, CDU, und von Andreas Mrosek, AfD)

Liebe Abgeordnete! Sie müssen keine Arbeitsmarktexperten sein - das ist der zweite Punkt -, um vorauszusagen, dass Stellwerkerinnen, Rangierer und Wagenmeister in unserem Bundesland keine adäquate Beschäftigung finden werden. Vielleicht erinnert sich ja unser Herr Ministerpräsident auch an die Jahre 1992 und 1993 im Arbeitsamt, als massenhaft Eisenbahner entlassen wurden. Für diese Menschen, für die oft der Beruf auch Berufung ist, war es damals und wird es auch heute schwierig sein, neue Perspektiven zu finden.

Die Bahn spricht von bundesweit 3 500 Arbeitsplätzen, die von der Schließungen der Güterbahnhöfe betroffen sind. Natürlich werden einige der Mitarbeiter in Altersteilzeit gehen können. Aber eine Weiterbeschäftigung bei der Deutschen Bahn wird nur den wenigsten angeboten werden können.

Am 8. Juni, also Mittwoch nächster Woche, entscheidet der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn über die Schließungspläne. Nach diesem Termin wird es ein Kampf gegen Windmühlen sein, diese Güterbahnhöfe zu erhalten. Deswegen fordere ich heute auch die Direktabstimmung unseres Antrages.

Liebe Landesregierung, wenn Sie sich nicht sofort im Bundesrat und in der Verkehrsministerkonferenz dafür einsetzen, die Schließungen zu verhindern, sorgen Sie für mehr Stau auf unseren Straßen, zerstören die Umwelt, lassen zu, dass Steuergelder verschwendet werden, und schicken Menschen in die Arbeitslosigkeit. - Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Abg. Hildebrandt.

(Doreen Hildebrandt, DIE LINKE: Keine Fra- gen?)

- Nein, es wollte keiner fragen. - Für die Landesregierung spricht Herr Webel, Minister für Landesentwicklung und Verkehr.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Die Eisenbahn ist ein Verkehrsmittel im Wandel. Aus Umweltaspekten mehr als gewünscht, kämpft jedoch der Güterverkehrsbereich Schiene mit der Konkurrenz auf der Straße.

Ein Sanierungskurs der DB Cargo soll nun die Wende bei der Güterverkehrssparte der Bahn einleiten. Der neue Transportvorstand will auf einen Teil der unrentablen Güterverkehrsstellen verzichten, die der Bahn weniger als 5 % des Umsatzes einbringen. Dies sind nach aktuellen Gesprächen 13 Verkehrsstellen, die sich in Sachsen-Anhalt befinden. Für die DB Cargo AG sind dies 14 Wagen pro Woche von mehr als 10 000 Wagen pro Woche landesweit.

Nach Gesprächen mit den Vertretern der DB bleiben die Verladestellen physisch erhalten, werden jedoch nicht mehr durch die DB Cargo bedient. Es werden Bedienverträge gekündigt. Damit wird jedoch eine Bedienung durch die Wettbewerber von DB Cargo nicht behindert.

So ist diesbezüglich eine Lösung für die Bedienung des Hafens Akten durch einen Drittanbieter in Vorbereitung. Gleiches gilt auch für die Anlegestelle in Bülstringen.

Es gibt die Befürchtung, die Infrastruktur würde abgebaut. Hier kann ich Sie beruhigen. Die Gleise und die Infrastruktur bleiben erhalten. Gegebenenfalls kann auch das Verladen von anderer Stelle aus organisiert werden, wenn der Kunde dies so wünscht. Bei einem stark ansteigenden Güteraufkommen des ursprünglichen Vertragspartners könnte die Verladung wieder durch DB Cargo erfolgen. Das Kriterium ist hier auch die Wirtschaftlichkeit.

In einem Schreiben, welches ich Mitte Mai an den Vorsitzenden des Vorstandes Dr. Grube geschickt habe,

(Heiterkeit bei der SPD)

wurde auf den Umstand hingewiesen, dass ich diese doch eher abrupte Umsetzung ohne einen eingehenden Dialog nicht für zielführend erachte und dass dieses politische Vorgehen für mich eher befremdlich ist, gerade im Hinblick darauf, dass uns in der Koalition die Umweltvorteile der Schiene gegenüber der Straße bewusst sind.

Laut einer Prognose des Bundesverkehrsministeriums soll der Schienengüterverkehr zwischen 2010 und 2030 um 43 % wachsen. Anstelle von 107 Milliarden tkm im Jahr 2010 sollen es im Jahr 2030 153 tkm sein. Der Bund muss die Frage beantworten, wie das geschehen und welchen Marktanteil DB Cargo daran haben soll und wo zum jetzigen Zeitpunkt auch von einer noch nicht näher zu beziffernden Stelleneinsparung ausgegangen werden kann. Deshalb wäre eine langfristige Planung, die über die üblichen fünf Jahre hinausgeht, zu begrüßen.

So könnte eine Produktivitätsoffensive eine Stärkung der doch sehr zukunftsträchtigen Branche auslösen. Infrastrukturbetreiber sollen bessere Trassenverfügbarkeit und bessere betriebsnahe Infrastruktur stellen. Fahrzeuge sollen beim Fahrzeugbau stärker standardisiert werden. Denn dies reduziert ebenfalls die Kapitalkosten und führt zu einer höheren Auslastung und damit verbunden zu einem höheren Informationsaustausch zur Bündelung von Transporten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden auch weiterhin unsere Anstrengungen fortsetzen, die Straßen dort, wo es sinnvoll ist, vom Güterverkehr zu entlasten und den Schienengüterverkehr in Sachsen-Anhalt weiter zu verstärken. Wir werden alle gemeinsam daran arbeiten. Darüber werde ich auch im Ausschuss berichten. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister Webel. - Wir treten in die Debatte ein. Es wurde eine Fünfminutendebatte - das heißt, fünf Minuten Redezeit je Fraktion - vereinbart. Es beginnt für die Fraktion der SPD der Abg. Herr Dr. Grube.

(Heiterkeit bei der SPD und bei den GRÜ- NEN)

- Ich habe Abgeordneter und nicht Aufsichtsratsvorsitzender gesagt. Aber ich denke mal, sie sind verwandt. Das ist kein Problem. - Das war ein Spaß.

Sehr geehrte Damen und Herren! Vielleicht eines vorweg zur Klarstellung: Sie werden im Abgeordnetenhandbuch bei mir nicht finden, dass ich noch eine große Nebentätigkeit anzugeben habe. Ich bin also nicht Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn. Das dürfte Ihnen bekannt sein. Ich bin übrigens auch nicht mit ihm verwandt.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Das wäre dann Stufe zehn!)

- Ich glaube, das wäre Stufe 20.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben heute einen Antrag vorliegen, der auf den ersten Blick irgendwie logisch klingt.

Als ich das erste Mal in der Presse gelesen habe, dass die Deutsche Bahn 215 von ihren 1 500 bundesweit vorhandenen Verladestationen abbauen will, ist bei mir auch so ein bisschen der „Deutsche-Bahn-Reflex“ eingekehrt. Sie kennen das. Die Deutsche Bahn wird teurer und kommt nicht pünktlich, zieht sich aus der Fläche zurück. Das kann nur schlecht sein.

Ich bin gebürtiger Magdeburger und weiß, wovon ich rede. Uns hat die Deutsche Bahn schon vor vielen Jahren den ICE gestohlen.

(Eva von Angern, DIE LINKE: Das ist richtig Mist!)

- Das ist richtig Mist. Jawohl, Frau Abgeordnete. Wir haben zusammen einen Wahlkreis.

(Zustimmung bei der SPD)

Deshalb finde ich es gut, dass die Koalition in den Koalitionsvertrag geschrieben hat - der Ministerpräsident hat das am Mittwoch in seiner Regierungserklärung erklärt -, dass wir bei diesem Problem am Ball bleiben werden.

Wir wissen aber, wie die Deutsche Bahn ist. Wenn ich mir das bei Lichte betrachte, dann glaube ich, dass wir eher die Flüge vom Flughafen Berlin-Brandenburg abheben sehen, als dass uns die Deutsche Bahn den ICE zurückgibt. Das, meine Damen und Herren, obwohl wir in Magdeburg mit dem Bahnhof und Tunnel wahrscheinlich eher fertig sein werden, als dass der Flughafen in Betrieb geht. Aber wir bleiben trotzdem im Rennen. Ich denke, eine Landeshauptstadt ohne ICE ist und bleibt einfach ein Schandfleck im Fahrplan.

(Beifall bei der SPD)

Heute geht es leider nicht um den ICE, heute geht es um den Güterverkehr. Dazu will ich mir kurz die betriebswirtschaftliche Seite dieser Operation anschauen. Der Minister hat es gesagt, die Bahn will 14,3 % ihrer Verladestationen schließen lassen - das sind die 215; in Sachsen-Anhalt wären

es 13 - und macht trotzdem noch 99,6 % ihres Umsatzes. In Sachsen-Anhalt sollen es angeblich nur 15 Waggons von 10 000 sein, die im Monat wegfallen. Rein betriebswirtschaftlich ist das eine relativ einfache Entscheidung. Das wird man wohl machen müssen.

Nun ist die Deutsche Bahn aber kein Unternehmen wie jedes andere, was nur auf Gewinnerzielung ausgerichtet ist. Sie ist eine 100%-ige Tochter des Bundes und hat damit einen öffentlichen Auftrag, nämlich für das Gemeinwohl und für die öffentliche Daseinsvorsorge.

An der Stelle - da kommen wir zu unserem Alternativantrag und zu einer anderen Bewertung als DIE LINKE - wollen wir das heute nicht gleich in Bausch und Bogen verdammen. Wir würden der Bahn als Partner gern die Möglichkeit geben, das nicht nur der Landesregierung zu erklären, sondern wir würden vorschlagen, das im Ausschuss zu machen. Wir haben nächste Woche die Konstituierung und in der übernächsten Woche die erste reguläre Sitzung. Ich denke, dann wird die Landesregierung auskunftsfähig sein, und auch die Deutsche Bahn sollte mit ihrem Bevollmächtigten vor Ort sein und Rede und Antwort stehen.

Meine Damen und Herren! Die Frage, die wir an die Deutsche Bahn als Land zu stellen haben, ist doch eine relativ einfache. Ja, ihr habt auf der einen Seite eure betriebswirtschaftliche Betrachtung - das ist eine Entscheidung, die man erst einmal zur Kenntnis nehmen muss; mit einer gewissen Sorge, das will ich hinzufügen - und auf der anderen Seite ist das, was uns wichtig ist und wo ihr Partner seid, nämlich die Landesentwicklung. Das bedeutet a) die Bereitstellung von Infrastruktur, von wirtschaftlichen Verkehren in der Fläche und b) die Aufrechterhaltung des gemeinsamen Zieles, Güter von der Straße auf die Schiene zu verlagern.