Meine Damen und Herren von der Koalition, wir können es zukünftig so machen, dass ich einen Antrag schreibe und den gegebenenfalls an die CDU-Fraktion schicke, die diesen Antrag dann stellt. Wir würden uns der Zustimmung nicht verweigern, weil wir finden, gute Sachen dürfen auch hier im Parlament eine Zustimmung erhalten.
Nichtsdestotrotz sollten wir als Parlament mehr Selbstbewusstsein gegenüber den Beschlüssen, die wir gefasst haben, zeigen, auch mehr Selbstbewusstsein hinsichtlich der Aufträge, die wir einem Ministerpräsidenten für eine Ministerpräsidentenkonferenz mitgeben.
Wir werden Ihrem Alternativantrag nicht zustimmen. Ich werbe natürlich für Zustimmung zu unserem Antrag.
Fraktionen einsteigen, hat für die Landesregierung Frau Ministerin Keding das Wort. Bitte, Frau Ministerin.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Guten Morgen, meine Damen und Herren Abgeordneten! Das Grundgesetz vertraut die Rechtsprechung den Richterinnen und Richtern an. Aufgabe der Exekutive und der Legislative ist es, die Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Richterinnen und Richter ihren Aufgaben angemessen nachkommen können.
In den kommenden zwölf Jahren werden in Sachsen-Anhalt rund 55 % der Justizbediensteten altersbedingt ausscheiden; das heißt, sie werden pensioniert. In Reaktion auf diese Entwicklung hat das Ministerium für Justiz und Gleichstellung das „Feinkonzept zur Personalstrategie in der Justiz“ erarbeitet. Dieses ist am 8. Juni 2018 im Rechtsausschuss und am 20. Juni 2018 im Plenum behandelt worden.
Sie haben beschlossen, das Feinkonzept im Haushaltsaufstellungsverfahren für das Jahr 2019 zu berücksichtigen. Dementsprechend haben wir agiert und die Anmeldung in den Entwurf des Haushaltsgesetzes einfließen lassen. Wir unternehmen damit bereits große Anstrengungen, um die dritte Gewalt angemessen auszustatten.
Im Bund ist parallel dazu im Koalitionsvertrag durch die Union und die SPD - in der Einbringungsrede ist es bereits zitiert worden - Folgendes vereinbart worden:
„Wir werden den Rechtsstaat handlungsfähig erhalten. Dies stärkt auch das Vertrauen in die rechtsstaatliche Demokratie. Wir werden einen Pakt für den Rechtsstaat auf Ebene der Regierungschefinnen und -chefs von Bund und Ländern schließen. Bestandteil dieses Paktes sind 2 000 neue Richterstellen bei den Gerichten der Länder und des Bundes sowie entsprechendes Folgepersonal.“
Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund der technischen Entwicklung und der gestiegenen Anforderungen sind erhebliche Investitionen auch in die personelle und sachliche Ausstattung der Justiz erforderlich.
Auf eine Kleine Anfrage von Bundestagsabgeordneten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Bundesregierung ausgeführt, dass das Thema „Pakt für den Rechtsstaat“ neben den Justizressorts auch zwischen der Bundeskanzlerin und den Regierungschefinnen und -chefs der Länder zeitnah diskutiert und konkretisiert werden solle.
Darüber hinaus werden wir das Thema „Pakt für den Rechtsstaat“ bei der Herbstkonferenz in Berlin am 15. November 2018 im Einzelnen behandeln. Ich rechne dort mit einer sehr intensiven Diskussion zwischen Vertretern von Bund und Ländern. Die Länder werden die Bundesjustizministerin gemeinsam auffordern, ihre Vorstellungen zu formulieren. In der Hauptkonferenz im Juni 2018 in Eisenach ist sie diese konkreten Vorschläge leider schuldig geblieben.
Wir setzen auf eine Diskussion im November. Ich werde über die Ergebnisse der Justizministerkonferenz zu der Umsetzung des Paktes für den Rechtsstaat im Rechtsausschuss gern berichten.
Vielen Dank, Frau Ministerin. Es gibt keine Fragen. - Somit treten wir in die angekündigte Dreiminutendebatte der Fraktionen ein. Die erste Rednerin wird für die SPD-Fraktion die Abg. Frau Schindler sein. Sie haben das Wort, Frau Schindler. Bitte.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Damen und Herren! Ich will es zu Beginn meines Redebeitrages noch einmal deutlich sagen: Wir haben einen funktionierenden und verlässlichen Rechtsstaat. Wer ständig Zweifel sät, sät auch Zweifel am Rechtsstaat und beschädigt damit eine zentrale Säule der Demokratie in unserem Land.
Wir wissen aber auch aus den Diskussionen, die in den zwei Redebeiträgen zuvor genannt wurden, dass der Rechtsstaat das Engagement derjenigen braucht, die für diesen Rechtsstaat einstehen, die dafür sorgen, dass er funktioniert und sich diesen großen Herausforderungen stellt. Wir brauchen also dringend eine breite Unterstützung des Rechtsstaates und seiner Institutionen.
Ich bin daher dankbar, dass im Koalitionsvertrag auf Bundesebene die Vereinbarung „Pakt für den Rechtsstaat“ geschlossen werden konnte. Dieser Pakt für den Rechtsstaat birgt viele Verbesserungen in vielen Bereichen, etwa beim dringend benötigten Personal für Polizei und Justiz, bei der Ausgestaltung von Verwaltung, bei der Digitalisierung und bei effizienten Verfahren. All das ist richtig und wünschenswert. Deshalb unterstützen wir es.
Deshalb finden wir es bedauerlich, dass die Umsetzung des Paktes noch nicht vollzogen ist bzw. wir noch nicht vorangekommen sind. Wir brauchen endlich konkrete Umsetzungsvorschläge
vonseiten des Bundes. Es gibt verabredete Verfahren; die hat die Ministerin gerade dargestellt. Wir fordern unsere SPD-Abgeordneten im Bund immer wieder auf, dieses einzufordern.
Wir haben im Land bereits einen Teil unserer Vorstellungen in die Haushaltsberatungen eingebracht. Bei der Polizei und bei der Justiz werden personelle Verstärkungen vorgenommen. Jetzt ist es am Bund, seine Zusagen einzulösen und dafür Sorge zu tragen, dass die dringend benötigten Mittel auch dorthin gelangen, wo wir sie benötigen, nämlich hier vor Ort.
In diesem Sinne verstehen wir auch die Initiative der Fraktion DIE LINKE mit ihrem Antrag. Wir haben unseren Alternativantrag dazu formuliert, für den ich an dieser Stelle um Zustimmung bitte. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Abg. Schindler. Es gibt keine Fragen. - Wir kommen zum nächsten Debattenredner. Das wird für die AfD-Fraktion der Abg. Herr Kohl sein. Sie haben das Wort, Herr Abgeordneter.
Schönen guten Morgen, Frau Präsidentin. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch die AfD unterstützt den Pakt für den Rechtsstaat und die möglichst schnelle Umsetzung der vorgesehenen Maßnahmen, sprich: die Schaffung von 2 000 neuen Stellen bei Gerichten von Bund und Ländern.
Das sind auch Kernanliegen der hier vorliegenden Anträge, weshalb beiden Anträgen zugestimmt werden kann. Allerdings ist etwas unverständlich, wozu es des Alternativantrags der regierungstragenden Fraktionen bedurfte. Das erinnert mich doch stark an die Werbung mit den beiden TwixFabriken.
Die schnelle Umsetzung des Paktes für den Rechtsstaat ist dringend geboten; denn die deutsche Justiz ist dauerhaft überlastet. Die Große Koalition im Bund will das ändern, aber das dauert zu lange.
Die im Koalitionsvertrag zugesicherte Entlastung der Gerichte kommt aus der Sicht des Deutschen Richterbundes viel zu langsam voran. Die Ungeduld und die Skepsis unter den Kollegen in der Justiz wachsen, sagt der Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn. Einen solchen Hilferuf setzt der Deutsche Richterbund nicht ohne Not ab. Dieser ist ernst zu nehmen und es ist entsprechend zu handeln.
Aber der Pakt für den Rechtsstaat kommt nicht voran, weil im Bundesrat das CSU-regierte Bayern bremst und der Bund noch kein fertiges Konzept hat. Offenbar gibt es noch nicht einmal eine vorzeigbare Diskussionsgrundlage. Bedenkentragende Bundesländer und zögerliche Bundesminister dürfen das Vorhaben nicht länger ausbremsen. Hier muss sich die Landesregierung für eine Beschleunigung des Verfahrens einsetzen bzw. die schnelle Umsetzung einfordern.
Wir werden dem Antrag im Übrigen auch deshalb zustimmen, weil uns eine funktionierende Justiz im Land ein Grundanliegen ist, was sich an verschiedenen Anträgen, zum Beispiel zu den Themen „Abschaffung des einfachen Dienstes für die Justizwachtmeisterlaufbahn“ oder „Vollzugshilfe der Polizei für Gerichtsvollzieher“, und dem nachher zu behandelnden Antrag zur Laufbahnausbildung der Gerichtsvollzieher in Sachsen-Anhalt zeigt.
Leider wurden unsere Anträge von den anderen Fraktionen bisher abgelehnt. Immer dann, wenn konkrete Vorschläge für die Unterstützung des Justizbereiches gemacht wurden, wurden diese von Ihnen abgelehnt. Das lässt Zweifel an der Ernsthaftigkeit Ihrer Anträge zu.
Aber wir werden dennoch zustimmen und hoffen auf ein starkes Votum des Landtages - egal welcher Antrag sich durchsetzt -, damit sich die Landesregierung mit einem starken Mandat und mit Nachdruck für die Umsetzung des Paktes für den Rechtsstaat und damit auch für den Erhalt der Handlungsfähigkeit unseres Rechtsstaates einsetzen kann.
Unsere Unterstützung gilt nicht uneingeschränkt, und wir werden die laufende Berichterstattung der Landesregierung im Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung kritisch begleiten. - Vielen Dank.
Vielen Dank für Ihren Beitrag. Es gibt keine Fragen. - Wir kommen zum nächsten Debattenredner. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abg. Herr Striegel. Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Selbst ein vermeintlich trockenes Themengebiet wie die deutsche Gerichtsbarkeit vermag einen von Zeit zu Zeit zu einem mentalen Ausflug ins Schöngeistige zu animieren; denn mit Blick auf den von CDU/CSU und SPD im Koalitionsvertrag auf Bundesebene vollmundig ange
kündigten Pakt für den Rechtsstaat muss man bisher mit dem guten alten Brecht konstatieren: „Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen den Vorhang zu und alle Fragen offen.“
Die Bundesregierung stellt 2 000 neue Richterstellen bei den Gerichten der Länder und des Bundes sowie entsprechendes Folgepersonal in Aussicht; das ist deutlich geworden. Zudem wird erklärt, man werde die Digitalisierung der Justiz vorantreiben. An konkreten Schritten zur Umsetzung hapert es derzeit noch.
Auf eine Kleine Anfrage meiner Fraktion zur Umsetzung des Paktes für den Rechtsstaat antwortete die Bundesregierung relativ schmallippig, die konkrete Ausgestaltung und Umsetzung sei Gegenstand laufender Gespräche auf verschiedenen Ebenen. - Ja, aber mehr gab es nicht. Es wirkt ein wenig so, als seien die Fragen zur Umsetzung schlicht ungeklärt.
Unklar ist ein Stück weit bereits die verfassungsrechtliche Grundlage; denn eigentlich ist das der Zuständigkeitsbereich der Länder. Nach Artikel 104 Abs. 1 GG tragen der Bund und die Länder grundsätzlich jeweils gesondert die Aufgaben, die sich aus ihren Zuständigkeiten ergeben. Daran könnte man etwas ändern. Ich sage es einmal so: Wir hätten daran gern etwa geändert, wenn es um Förderung durch den Bund geht. Ich nenne die Stichworte „Schulen“ und „Hochschulen“. Das ist eine ähnliche Frage.
Ich will an dieser Stelle noch auf einen anderen Aspekt hinweisen. In ihrem Grundsatzpapier „Ideen für den Rechtsstaat“ weisen die grünen Justizminister und -senatoren von Berlin, Hamburg und Thüringen zu Recht darauf hin, dass es ein Instrument gibt, das vollkommen kostenfrei und bei entschlossenem Handeln ohne Verzögerung für eine Entlastung der Justiz und der Gerichte sorgt. Dieses einfache Mittel sind gute Gesetze.
Als Beispiel sei hier die mögliche Entrümpelung des Strafrechts genannt. Die Staatsanwaltschaften und Gerichte ächzen unter einer riesigen Anzahl zu bearbeitender Bagatelldelikte und werden unter Umständen von der gründlichen Bearbeitung schwerwiegender Delikte abgehalten.
Meine Damen und Herren! Mehr Sicherheit schaffen wir nicht, indem wir hochqualifizierte Juristinnen und Juristen mit der strafrechtlichen Verfolgung von Schwarzfahren und Cannabiskonsum beschäftigen. Auch überkommene Vorschriften wie das Informationsverbot des § 219a des Strafgesetzbuches müssen dringend aufgehoben werden. Wer die Justiz entlasten will, sollte sie daher von unsinnigen Aufgaben entlasten. Doch leider ist hierzu noch keine Initiative der Bundesregierung erkennbar.
Meine Damen und Herren! Der Rechtsstaat ist kein nettes Beiwerk der Demokratie. Er ist ihr Rückgrat und damit das Fundament, auf dem die Demokratie erst gelebt werden kann. In Zeiten, in denen sich Gerichte zunehmend populistischen Anfeindungen ausgesetzt sehen und sogar Landesregierungen die Umsetzung rechtskräftiger Urteile verweigern, gilt es nun, den Rechtsstaat zukunftsfest zu machen. Bloße Absichtsbekundungen sind dabei nicht gut genug.
Ich finde es gut, dass wir als Land hier deutlich werden und sagen, wir wollen tatsächlich in die Puschen kommen. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Striegel. Auch an Sie gibt es keine Fragen. - Der nächste Debattenredner wird für die CDU der Abg. Herr Kolze sein. Sie haben das Wort, Herr Abgeordneter.