Meine Damen und Herren! Der Antrag der Linksfraktion und der Alternativantrag der Koalitionsfraktionen, die beide dieselbe Zielstellung verfolgen, zeigen, dass es einen breiten parteiübergreifenden Konsens über das gibt, was heute zur Debatte und zur Abstimmung steht:
Über das Bekenntnis zum Rechtsstaat und zur Unabhängigkeit der Justiz. Das ist eine gute Nachricht. Die schlechte ist, dass diese Anträge überhaupt nötig sind. Vor drei Jahren wäre ein solches Bekenntnis schlicht überflüssig gewesen,
weil es für das gesamte Haus eine Selbstverständlichkeit gewesen wäre. Das ist heute leider nicht mehr so. Das ist eine Schande für den Landtag.
Meine Damen und Herren! In Köthen ist ein junger Mensch gestorben. Das ist für seine Familie, seine Freundinnen und Freunde in jedem Fall eine Tragödie. Die Umstände seines Todes waren dramatisch. Ob sein Tod eine Folge einer Gewalttat war, wird noch ermittelt. Doch was viel wichtiger ist: Es ist nicht unsere Aufgabe, zu ermitteln, anzuklagen oder zu Gericht zu sitzen. Das ist die ausschließliche Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden und - im Falle einer Anklage - eines unabhängigen Gerichts.
Die AfD hat in perfider Weise den Ermittlungsergebnissen von Staatsanwaltschaft und Rechtsmedizin alternative Fakten gegenübergestellt, um ihre politischen Verschwörungstheorien auf eine neue Stufe zu heben. Jetzt sieht die AfD nicht mehr nur ein Kartell von Altparteien am Werk, sondern sie bezichtigt praktisch jeden, der in diesem Staat für innere Sicherheit und für die Durchsetzung der Rechte sorgen soll, der Rechtsbeu
gung, der Illoyalität und der Dienstpflichtverletzung, Polizeibeamte, Staatsanwälte, Rechtsmediziner, Richter - einfach alle.
Damit fallen Sie diesen Institutionen in den Rücken. Sie beleidigen die Menschen, die dort arbeiten. Und Sie greifen eine der Grundlagen unseres Staates an mit dem Ziel, das Vertrauen der Menschen in Demokratie und Rechtsstaat zu zerstören. Deshalb sagen wir: Gegen diesen Angriff auf den Rechtsstaat müssen wir gemeinsam ein Stoppzeichen setzen.
Wir müssen gemeinsam bekunden, dass wir uns zu den Institutionen unseres Staates und zu ihrer Arbeit bekennen. Das tun wir heute mit unserem Antrag.
Meine Damen und Herren! Die Attacke gegen die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden ist aber nicht der einzige Skandal im Umgang mit dem Todesfall in Köthen. Der andere Skandal ist der zweifache Aufmarsch von Neonazis und Rechtsextremisten aller Couleur. Da sind die Rufe für nationalen Sozialismus in den Straßen von Köthen, die Drohung gegen Journalisten und das wiederholte Zeigen von NS-Symbolen. Damit ist ein Punkt erreicht, wo jede Form von Verständnis endet und nur noch Strafverfolgung weiterhilft.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN und von Sieg- fried Borgwardt, CDU)
Ich kann verstehen, dass die Menschen in Köthen von Demonstrationen dieser Art die Nase voll haben und dass sie sagen: Diese Aufmärsche gehören nicht in unsere Stadt. Ich bin aber überzeugt davon: Gegen solche ernst zu nehmenden Angriffe auf die Demokratie hilft nur das mutige Bekenntnis zur Demokratie.
Dafür gab es in Köthen verschiedene Aktionsformen und sie haben alle ihre Berechtigung. Eines will ich hier ausdrücklich unterstreichen: Alle Menschen, meine Damen und Herren, sind vor dem Gesetz gleich. Niemand will Verdächtige vor Verdacht oder Straftäter vor Strafverfolgung schützen, weil sie einen Migrationshintergrund haben. Solche kruden Vorstellungen gibt es nur in den Köpfen von Verschwörungstheoretikern und Rechtsextremisten.
Aber ebenso wenig darf jemand allein deswegen verdächtigt werden, weil er oder seine Familie zugewandert ist. Lassen Sie uns gemeinsam den Grundsatz bekräftigen, dass Ermittlungen und Urteile in unserem Land ohne Ansehen der Person erfolgen. Dafür bitte ich Sie um Zustimmung zu
unserem Alternativantrag und vor allem um die Zurückweisung von Verschwörungstheorien und von Angriffen auf die demokratischen Institutionen. - Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und bei der LINKEN - Zustimmung bei den GRÜNEN und von Siegfried Borgwardt, CDU)
Bevor Herr Kirchner das Wort ergreift - ich sehe gerade, wie unser Saalorganisator aufspringt, weil ich etwas vergessen habe -, begrüße ich Schülerinnen und Schüler des Förster-Gymnasiums in Haldensleben. Herzlich willkommen auf unserer Tribüne!
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Hohes Haus! „Angriffe auf Demokratie und Gewaltenteilung abwehren - rechtsextremer Raumnahme entschieden entgegentreten“ - aber nicht nur der, werte LINKE, sondern auch linksextremer und islamistischer Raumnahme entgegentreten. So wäre es richtig gewesen.
Werte Fraktion DIE LINKE, selbstverständlich schließt sich meine Fraktion Ihrer Aufforderung an, den Angehörigen und Hinterbliebenen des in Köthen zu Tode gekommenen Markus B. aufrichtige Anteilnahme und Beileid auszusprechen. Nur tun wir das nicht erst hier und heute im Plenarsaal, nein, bereits am 10. September 2018 versammelten wir uns zusammen mit Hunderten Bürgern auf dem Köthener Marktplatz und gingen anschließend friedlich und schweigsam zu jenem Ort, an welchem Markus B. leider sein Leben verlor.
Ich unterstreiche an dieser Stelle ausdrücklich meinen Dank an alle Teilnehmer unseres Trauerzugs für dieses würdevolle Gedenken und den damit einhergehenden Ausdruck der aufrichtigen Anteilnahme.
Werte Genossen, ich nehme es vorweg: Ihren vorliegenden Antrag lehnen wir mangels Qualität ab. Bei dem Alternativantrag werden wir uns wegen einer gewissen Unausgegorenheit der Stimme enthalten müssen.
Selbstverständlich müssen wir alles in unserer Macht Stehende dafür tun, dass Angriffe auf unsere Demokratie und die Gewaltenteilung im
Erlauben Sie mir bitte, auf Ihre Punkte im Einzelnen kurz einzugehen. Zu Punkt 1. Wer sonst als die zuständigen Behörden sollte die Todes- und Tatumstände des Köthener Falls denn ermitteln, aufklären oder ahnden?
Mit Ihrer Begründung zielen Sie unter anderem auf eine Pressemitteilung meiner Fraktion vom 11. September 2018 ab. Mit dieser bringen wir aber genau das zum Ausdruck, was die Bürger vor Ort - wir haben ausgiebig mit ihnen gesprochen - dachten, nachdem sich unsere Landesregierung zum Fall Köthen geäußert hatte. Das, was wir insbesondere kritisieren, ist die Kommunikationsstrategie der Regierung, bei der sich für uns aus der Pressekonferenz mehr Fragen als Antworten ergaben. Daraus abzuleiten, wir würden die Ermittlungen attackieren, ist nun wirklich an den Haaren herbeigezogen.
Eigentlich wollte ich an dieser Stelle noch einen Exkurs machen und Ihnen ein Beispiel bringen, welches geeigneter dafür wäre herauszuarbeiten, wer in diesem Land seit Jahren konsequent unqualifiziert Ermittlungen und Ermittlungsergebnisse infrage stellt. Aber lassen wir Oury Jalloh in Frieden ruhen.
Bleiben wir bei dem vorliegenden Antrag und kommen zu Punkt 2: „… Migranten pauschal als Tätergruppe zu diffamieren“. Wofür, bitte schön? - Das sollten Sie, werte LINKE, in Ihrem Antrag schon klar benennen. Davon ausgehend, dass Sie an dieser Stelle meinen, man sollte Migranten - ich nutze mal Ihren Alltagssprech - nicht pauschal als Straftäter diffamieren, haben Sie schon recht: nicht pauschal.
Es ist aber nun einmal so, dass Ausländer, bezogen auf ihren Anteil an der Mehrheitsbevölkerung, den größeren Anteil an Straftaten begehen. Sich dies klar vor Augen zu führen, ist nicht rechtsextrem, sondern das Ergebnis des Studierens der Faktenlage. Oder wollen Sie etwa behaupten, dass das Nennen der Zahlen aus einer polizeilichen Kriminalitätsstatistik rechtsextrem wäre?
Zu Punkt 3. Wissen Sie, werte Genossen, zu diesem Punkt möchte ich nicht viel sagen. Ich wiederhole gern, was ich bereits vor wenigen Tagen gegenüber dem MDR äußerte: Für mich ist jeder Rechtsextreme auf einer Demo einer zu viel, genau wie jeder Linksextreme oder auch jeder religiöse Extremist, Salafist oder Islamist.
ebenso und Raumnahme islamistischer Extremisten in jedem Fall auch. Keiner von uns hat die Absicht, die Bundesrepublik in ihren Grundfesten zu erschüttern, Genossen. Wir wollen sie sichern.
Letztendlich zu Punkt 5. Eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit von Personen im öffentlichen Raum ist für niemanden hinnehmbar, egal welche Herkunft diese Person hat; übrigens auch nicht für Deutsche.
Meine Damen und Herren! Wie bereits gesagt, werden wir Ihren Antrag ablehnen, und vielleicht überlegen Sie, werte Genossen, einmal: Könnte es sein, dass auch Sie mit dem vorliegenden Antrag den Tod von Markus B. für Ihre politischen Zwecke instrumentalisierten? Denn Trommeln und Pfeifen auf den Seelen der Toten ist nicht nur unanständig, sondern auch in besonderem Maße unredlich; so wie das auf der Demonstration dort passiert ist. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Wir fahren fort in der Debatte. Es spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Abg. Frau Lüddemann.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ein Mensch ist gestorben, ein junger Mensch. Das macht mich betroffen und traurig. Mein Mitgefühl ist bei seinen Angehörigen und bei seinen Freundinnen und Freunden.
Traurig und betroffen, aber auch wütend macht mich die Instrumentalisierung des Todes dieses jungen Menschen durch rechte, nationalistische und völkische Strömungen. Das hat kein Mensch verdient.
Das war und ist Anlass in der Stadt Köthen, auf sehr unterschiedliche Weise Gesicht zu zeigen, Gesicht zu zeigen gegen rechtes Gedankengut und zu zeigen: Nazis sind hier unerwünscht.