Protocol of the Session on September 27, 2018

Tätergruppe diskreditieren und die Situation nutzen, um aus der Schleusenzeit, wie sie Höcke nannte, die Umsturzzeit herbeizureden.

(Zuruf)

In diesem Zusammenhang und im Vergleich zu dem, was in Chemnitz und in Köthen passiert ist oder eben auch nicht, ist Folgendes deutlich geworden: Köthen und Chemnitz gehören zusammen, aber Köthen ist nicht zum zweiten Chemnitz geworden, und das hat mehrere Gründe. Glück ist einer davon, aber natürlich ist auch festzustellen, dass wir in Sachsen-Anhalt ein anderes Agieren des Innenministeriums und der Polizei hatten als in Chemnitz.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zustimmung von Sieg- fried Borgwardt, CDU)

Offensichtlich wurde die Gefahr, die von rechtsextremen Demonstrationen und Mobilisierungen ausgeht, ernst genommen. Und offensichtlich wurde versucht, dem adäquat zu begegnen. Allein - es geht mir hier keineswegs um ein obligatorisches „‚Aber“, wie Sie es mit vielleicht unterstellen - die Tatsache, dass es überhaupt bemerkenswert ist, wenn die Polizei eine rechtsextreme Mobilisierung ernst nimmt und wie nachvollziehbar es ist, dass die Hochschule in Köthen ihren ausländischen Studierenden riet, sich an diesen Abenden nicht frei im Stadtgebiet zu bewegen,

(Daniel Roi, AfD, sich an die Stirn schla- gend: Am Sonntag sollten sie alle hin- gehen! Bescheuert!)

zeigt, wie alarmierend die Lage mittlerweile ist. Der Lack der Zivilisation ist dünn geworden.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Natürlich stellt sich die Frage, wie man damit umgeht. Es ist entscheidend, wie die Polizei damit umgeht. Bei aller Würdigung der Situation gibt es hierbei auch Kritikpunkte, die aufzuarbeiten sind. Klar ist: Hätte es Durchbruchsversuche gegeben und hätte es Versuche gegeben, Jagd auf Migrantinnen und Migranten zu machen, dann wären die eingesetzten Polizeikräfte nicht ausreichend gewesen, um das zu verhindern. Wichtiger ist aber noch die Frage, wie die Bevölkerung, wie die Politik und wie Verantwortliche mit dieser Situation umgehen.

In der „Zeit“ erschien ein Artikel unter dem Titel „Eine Stadt duckt sich weg“. Leider ist da viel dran. Ich muss eben auch sagen: Wäre es mal beim Wegducken geblieben; denn wenn angesichts der dritten bundesweiten rechtsextremen Mobilisierung innerhalb einer Woche ein Aufruf von zivilgesellschaftlichen Bündnissen und Initia

tiven existiert, Nazis als Nazis zu begreifen, ihnen friedlich und demokratisch entgegenzutreten und sich mit den von ihnen Angegriffenen zu solidarisieren,

(Volker Olenicak, AfD: Haben Sie die Bilder gesehen, am Bahnhof? - Weitere Zurufe von der AfD)

und der OB und andere das problematisieren, aber dabei nicht mit einer Silbe erwähnen, von wem Gewalt in der zweiten Septemberwoche verbal und tätlich ausging, dann ist das schlichtweg infam. Infam ist das gegenüber denjenigen, die ja nicht einem persönlichen Lusttrieb folgen, sondern Verantwortung für Gesellschaft und Demokratie wahrnehmen. Und es ist ein verheerendes Signal gegenüber denen, die bereits zum Opfer der von den Nazis betriebenen Hetze geworden sind.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Die Berichte der Opferberatungsstellen weisen ausdrücklich auf den deutlichen Anstieg der Fallzahlen rechtsextremer und rassistisch motivierter Gewalt nach Chemnitz hin.

Ich verstehe, wenn Menschen sagen, die Aktionsform der Gegendemonstration ist nicht ihre. Ich verstehe es gut, wenn Menschen Angst haben. Ich verstehe es sogar auch, wenn Menschen sagen, sie wollen nicht mit der LINKEN oder mit mir demonstrieren. Was ich aber für fatal und verantwortungslos halte, ist, vor Naziaufmärschen die Augen zu verschließen und die Rollläden runterzulassen;

(Zustimmung bei der LINKEN)

denn wer vor Nazis und ihren Aktionen die Augen verschließt, der verschließt sie auch vor ihren Opfern.

Sämtliche Erfahrungen der letzten fast 30 Jahre zeigen, dass überall dort, wo versucht wurde, Nazis mit Ignoranz zu strafen - was menschlich, ehrlich gesagt, völlig verständlich ist -, die Nazis gestärkt aus dieser Ignoranz hervorgingen. Wer Ruhe haben will, meine Damen und Herren, der muss an den richtigen Stellen laut werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Deswegen gilt der ausdrückliche Dank der LINKEN natürlich denen, die vor Ort widersprochen haben, die in unterschiedlicher Weise Protest kundgetan haben und deutlich gemacht haben, dass sie sich einer rechtsextremen Raumnahme auf den Straßen wie in der Gesellschaft entgegenstellen. Unser Dank gilt den Bündnissen, Gewerkschaften, Verbänden, Gruppen und allen Einzelnen, die sich nicht weggeduckt haben, ob sie aus Köthen kamen oder von außerhalb an

reisten. Und natürlich ausdrücklich und wie immer: Danke, Antifa!

(Starker Beifall bei der LINKEN - Unruhe bei der CDU und bei der AfD - Markus Kur- ze, CDU: Oh! - Daniel Roi, AfD: Da könnt ihr richtig zehn Minuten klatschen, dann fällt eure Maske! - Eva von Angern, DIE LINKE: Wir tragen keine Masken!)

Es gibt zwei Nachfragen, wie ich das sehe. Zum einen eine von Herrn Farle. - Der hat jetzt das Wort.

(Daniel Roi, AfD: Da können Sie Herrn Stahlknecht beglückwünschen, zur Antifa!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wurde heute zweimal, zuerst von Herrn Innenminister Stahlknecht und jetzt von Frau Quade, die Behauptung aufgestellt, dass sich die AfD am 16. September nicht von den Neonazis und den Rechtsextremem distanziert habe.

(Zuruf von der LINKEN: Richtig!)

Und es wurde die Behauptung aufgestellt, dass der Verein „Zukunft Heimat“ sich ebenfalls nicht von Rechtsextremen distanziert hat.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Zum Beispiel von Rechtsextremen!)

Habe ich das richtig verstanden? - Wenn das so ist, dann sage ich, Herr Stahlknecht und Frau Quade, Sie haben das Parlament heute belogen; denn es hat eine umfangreiche sofortige Distanzierung des Vereins „Zukunft Heimat“ gegeben, als einige gewaltbereite Rechtextreme versucht haben, zur Antifa und zu den Linksextremen vorzudringen und eine Klopperei zu machen. Das wurde vom Veranstalter gemeinsam mit der Polizei verhindert, weil wir nämlich mit der Polizei zusammenarbeiten, um so etwas zu verhindern, nämlich dass die Linksextremen Schlägereien provozieren können gemeinsam mit den Rechtsextremen, die zu so etwas hinkommen.

Und nehmen Sie noch etwas zur Kenntnis: Wir lassen es Ihnen nicht durchgehen, wenn Sie versuchen, das Recht auf Demonstrationsfreiheit dadurch einzuschränken, dass Sie sagen: Da kommen auch mal Rechtsextreme hin. Genauso werden sich die Linken nicht das Recht auf Demonstrationsfreiheit einschränken lassen, wenn dort einige Leute Parolen rufen, wie sie Frau Quade gerade genannt hat, nämlich antisemitische, die wir genauso verurteilen.

(Beifall bei der AfD)

Wir sind gegen jede Form von Extremismus. Da können Sie den Leuten im Land erzählen, was Sie wollen - die AfD ist keine extremistische Organisation.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: O doch!)

Nehmen Sie das zur Kenntnis

(Beifall bei der AfD)

oder Sie werden bei den Wahlen draufzahlen. Das sage ich Ihnen heute schon.

(Zuruf von Eva von Angern, DIE LINKE)

Denn Lügen haben kurze Beine, meine Damen und Herren.

Ich sehe bei der Rednerin keinen Bedarf zu reagieren. - Jetzt hat Herr Siegmund das Wort.

Sehr geehrte Frau Quade, ich war stolzer Augenzeuge, wie Sie gemeinsam mit Ihren Kollegen Herrn Swen Knöchel und Frau Christina Buchheim, gemeinsam mit Ihren verschleierten Kollegen

(Eva von Angern, DIE LINKE: Wir waren verschleiert?)

riefen - ich zitiere -: „Nie, nie, nie wieder Deutschland!“ Meine Frage an Sie ist jetzt: Was soll denn nach Deutschland Ihrer Meinung nach kommen und warum wollen Sie denn kein Deutschland mehr? - Ich würde mich über eine sachliche Antwort sehr freuen.

(Eva von Angern, DIE LINKE: Sie steht ja nicht mehr vorn! - Beifall bei und Zurufe von der AfD)

Ich sehe auch hier keine Reaktion. - Damit sind wir am Ende des einführenden Beitrags und kommen nunmehr zur Fünfminutendebatte. Doch zuvor spricht für die Landesregierung der Minister Herr Stahlknecht.

Herr Präsident, ich habe vorhin aufgrund der Befragung von Herrn Gallert alles gesagt. Ich verzichte.

Mit Ausnahme dessen, dass nicht ich Sie befragt habe, ist das nachvollziehbar. - Sie haben eben gesagt „mit der Befragung von Herrn Gallert“. - Es

ist gut. Alles in Ordnung. Alle im Raum wissen, was gemeint ist.

Dann fahren wir jetzt fort mit der Debatte der Fraktionen. Für die SPD-Fraktion spricht die Abg. Frau Dr. Pähle.

(Minister Marco Tullner: Das ist ja auch so ähnlich!)

Meine Damen und Herren! Der Antrag der Linksfraktion und der Alternativantrag der Koalitionsfraktionen, die beide dieselbe Zielstellung verfolgen, zeigen, dass es einen breiten parteiübergreifenden Konsens über das gibt, was heute zur Debatte und zur Abstimmung steht: