Protocol of the Session on August 30, 2018

Bevor ich dem ersten Redner das Wort erteile, habe ich die ehrenvolle Aufgabe, Schülerinnen und Schüler des Fallstein-Gymnasiums Osterwieck recht herzlich bei uns im hohen Hause zu begrüßen. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Ich erteile nunmehr dem ersten Redner in der Aussprache das Wort. Das ist Herr Kirchner für die AfD-Fraktion. Sie haben das Wort, bitte.

Vielen Dank Frau Präsidentin. - Werte Abgeordnete! Hohes Haus! Immer wenn man denkt, es geht nicht schlimmer, kommen Sie, Herr Minister, mit einer solchen Rede um die Ecke, die teilweise schon sehr nachdenklich macht, und das nicht gerade im positiven Sinne.

Man könnte jetzt ganz populistisch, wie Sie es teilweise auch getan haben, die Überschrift auseinandernehmen. „Sachsen-Anhalt: unsere Heimat, starker Staat, gelebter Zusammenhalt“. Un

sere Heimat - da sitzen nun einige auf der linken Seite, die sie gerne abschaffen wollen. Der starke Staat wurde von einigen Parteien, die hier sitzen, kaputtgespart. Und der gelebte Zusammenhalt? - Da sollte man sich schon einmal fragen, ob Frau Merkel mit ihrer Flüchtlingspolitik nicht einen Riss durch die gesamte Gesellschaft und durch ganze Familienstrukturen zu verantworten hat.

(Beifall bei der AfD - Zuruf von der AfD: Wir schaffen das!)

Man könnte es so machen, aber wir machen es nicht so.

Sehr geehrter Herr Innenminister, für wen hielten Sie eigentlich diese Erklärung? Für die Bürger unseres Landes, also für die, die schon länger hier leben, oder für die, denen sie es attraktiv machen wollen, dazu zu kommen?

Für Ihren Herrn Ministerpräsidenten, der zuletzt die Berliner Debatte um die Zukunft der inneren Sicherheit Deutschlands im MDR als Sommertheater bezeichnete? Für Ihre Koalitionspartner, die sich selbst gerade herunterfahrenden Sozialdemokraten und die nur noch knapp über 5 % hüstelnden GRÜNEN?

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Mindes- tens!)

Für DIE LINKE hier im Haus? - Ich vermute, eher nicht.

Für die Opposition, also für meine Fraktion? - Diesen Vorwurf dürfen Sie sich sicherlich heute noch gefallen lassen. Für die paar Mitglieder der CDU-Fraktion hier im Haus, die sich soeben vielleicht dachten: Heimat - endlich darf man sich wieder trauen? Oder war es vielleicht doch eher eine Wahlkampfrede?

Schließlich sind Sie eines der Gesichter der CDU hier im Land; die Bürger kennen Sie in dieser Rolle. Die nächsten Kommunalwahlen stehen kurz vor der Tür. Da ergibt es schon Sinn, dass Sie als Heimatgestalter die Aufgaben des Kommunalministeriums hier so stark in den Fokus nehmen.

Sehr geehrter Herr Innenminister, Ihre Rede war voll des Nachdenkens und der reinen Absichtserklärungen, sodass Sie sie Ihrem Redenschreiber eigentlich noch einmal zum Überarbeiten geben müssten.

(Holger Stahlknecht, CDU: Das war frei ge- sprochen, mein Lieber!)

- Ja, ich beziehe mich hier aber auch auf die Regierungserklärung.

Zu den Widersprüchen, welche zu finden waren, komme ich gleich noch. Nehmen wir einmal ein

paar beispielhafte Aussagen aus der Regierungserklärung heraus.

(Oh! bei der CDU)

In dieser lesen wir „Daher muss es doch unser Anliegen sein […]“ oder „Die politische Aufgabe besteht darin […]“ oder „Darüber hinaus hilft […]“ und - hier noch ganz glasklar - „Mit der Aufstockung der Zahl der Polizeivollzugskräfte […] wollen wir die sichtbare Sicherheit landesweit gewährleisten und steigern“. Das sollte Beleg genug für das sein, was ich soeben über Nachdenken und Absichtserklärungen sagte.

(Zustimmung bei der AfD)

Sehr geehrter Herr Innenminister, Sie sind am Drücker. Sie brauchen nicht lange darüber nachzudenken, worin die Aufgabe besteht oder was helfen würde. Sie brauchen uns auch nicht zu erzählen, was Sie wollen. Wir wollen sehen, dass die Sicherheit im Land gewährleistet wird. Wir hätten gerne gehört: „Wir werden wirtschaftliche und soziale Rahmenbedingungen schaffen.“ oder „Wir werden den ländlichen Raum unterstützen.“

(Holger Stahlknecht, CDU: Das machen wir doch auch! - Zuruf von Angela Gorr, CDU)

- Das machen Sie auch, ja? Aber wir möchten gerne einmal hören, dass man es einfach auch macht. Sie sehen doch gerade, wie gut das in Österreich funktioniert. Bei Ihren eben vorgebrachten Ausführungen zur kommunalen Selbstverwaltung ging es doch auch. Genau das meinte ich. Dort wird etwas gemacht, dort wird gehandelt. Warum sehen wir diesen Tatwillen nicht auch in den anderen Bereichen - bei der inneren Sicherheit, der Teilhabe oder bei dem Thema Zuzug?

Nebenbei: Ist es nur mir aufgefallen, dass bei den Ausführungen des Herrn Innenministers zwar von Zuzug gesprochen wurde, aber an keiner Stelle das Wort „Rückführung“ zu hören war? - Noch einmal, Herr Minister: Sie sind am Drücker. Sie und Ihre Kollegen haben das Heft des Handelns für ein besseres Sachsen-Anhalt in der Hand. Stellen Sie sich Ihrer Verantwortung. Selbstverständlich meine ich die Verantwortung nach Max Weber. Gesinnungsethik hatten wir in den letzten Jahren mehr als genug.

Nun noch ein paar Worte zu den bereits angesprochenen Widersprüchen, für die einige Beispiele aus Ihrer Regierungserklärung reichen sollten. Aus Ihrer Sicht sind für die zukunftsfeste Gebietsreform keine grundlegenden Veränderungen mehr nötig. Alles gut. Oder etwa doch nicht?

Ihren Ausführungen folgend war die Wiedervereinigung verbunden mit Identitätsbrüchen und Entwurzelungen vor Ort, die bis heute nachwirken. Ich meine, die rein strukturelle Zusam

menlegung von 37 Landkreisen zu 14 hat nicht wirklich heilend gewirkt. Wie meinte doch Kollege Hövelmann, damals selbst noch Minister? - Ich zitiere:

„Ich bin überzeugt, die Kreisgebietsreform ist ein Rohrkrepierer.“

Weiter meinte er, sie sei ein Kind, das in schwachen Stunden entstanden sei.

Sie, Herr Stahlknecht, benennen so etwas mit den Worten „langfristige und planbare Gestaltung“ sowie „Kontinuität und Verlässlichkeit“.

(Minister Holger Stahlknecht: Ja!)

Ihre Ansicht steht für uns im Widerspruch mit der Wirklichkeit.

(Beifall bei der AfD)

Sie meinten soeben, dass es die Aufgabe des Kommunalministeriums sei, Rahmenbedingungen für leistungsstarke Gemeinden zu schaffen. Diese sollen unter anderem auskömmlich finanziert sein. Sie wissen, dass derzeit 29 Verfahren anhängig sind, in denen Kommunen gegen die Kreisumlage klagen. Im Bund türmen sich die Überschüsse: 48 Millionen € allein im ersten Halbjahr.

(Tobias Krull, CDU: Milliarden! Schreiben Sie bitte die richtigen Zahlen!)

- Milliarden, Entschuldigung. - Wenn wir nicht bald ein Entschuldungsprogramm auf die Beine stellen, wird es nicht mehr lange dauern, bis die ersten Gemeinden zusammenbrechen.

Sehr geehrter Herr Innenminister, dass die von Ihnen gelobte Gebietsreform in Wirklichkeit fehlgeschlagen ist, habe ich bereits gesagt. Einiges hat sich damals verschlechtert, nur weniges verbessert. Die Reform war das Gegenteil von Bürgerfreundlichkeit. Bewährte Strukturen wurden zerschlagen, Identität wurde zerstört und die Politikverdrossenheit wurde erhöht. Ob Bauantrag oder Führerschein: In weiten Teilen des Landes müssen Bürger längere Wege in Kauf nehmen. Trotzdem laufen die Kosten aus dem Ruder.

Einen weiteren Widerspruch denke ich, an anderer Stelle erkannt zu haben. Bereits der Titel Ihrer Erklärung beinhaltet den „starken Staat“. Im Laufe Ihrer Ausführungen kommen Sie darauf zurück. Auch wenn Sie sich in Ihrer Rede vielleicht auf die Sicherheit im Land bezogen, steht Ihr „starker Staat“ im Widerspruch zu Ihrer Aussage hinsichtlich der kommunalen Selbstverwaltung als - Zitat - „Gegenpol zur staatlichen Reglementierung“.

Man muss sich schon entscheiden, welche Reihenfolge es denn nun sein soll: Region, Nation, Europa - oder doch lieber andersherum? - Das Thema Europa - wem ist es noch aufgefallen? - haben Sie dieses Mal übrigens komplett ausge

blendet. Ich denke, Sie wollten uns damit einen weiteren Angriffspunkt ersparen. Aber bleiben Sie gespannt, ich habe noch einiges gefunden.

Sehr geehrter Herr Innenminister, Sie haben selbstverständlich recht, wenn Sie sagen, dass die Sicherheit der Bevölkerung zu den ureigenen Aufgaben des Staates gehöre. Der Staat ist in der Pflicht, die Bürger unseres Landes sichtbar und erlebbar zu schützen. Aber mehr noch: Die Bürger müssen sich auch sicher fühlen.

Einen oder zwei Beamte mehr im Einsatz zu sehen oder eine zusätzliche Streife bei ihrer Fahrt zu erleben, erzeugt noch lange kein ausreichendes Sicherheitsgefühl. Denn solange wir beinahe jeden Tag hören und lesen, was in unseren Städten und auf unseren Straßen Kriminelles passiert, fühlen sich die Bürger einfach nicht sicher.

(Beifall bei der AfD)

Chemnitz - wir haben gehört, es wurde angesprochen - ist das beste Beispiel dafür; aber leider nur eines von Tausenden. Und ja, wir lehnen Selbstjustiz ab. Und ja, wir lehnen Gewalt gegenüber Polizeikräften grundsätzlich ab. Aber ja, wir verstehen auch die Bürger, die zu Tausenden in Chemnitz auf die Straße gehen und friedlich gegen diese unhaltbaren Zustände demonstrieren. Auch das ist gelebte Demokratie.

(Lebhafter Beifall bei der AfD)

Sie alle kennen die unzähligen Berichte über Straftaten gegen das Leben, über Vergewaltigung, sexuelle Belästigung, Kindesmissbrauch, Körperverletzung, Bedrohung, Nötigung, Rauschgiftdelikte und hauseigenen politischen und importierten Extremismus und Terrorismus.

Nun kann man, wie es der Herr Innenminister macht, sagen, dass sich der Grad der Sicherheit faktenbasiert anhand von Statistiken zeige. Vielleicht vermitteln diese Statistiken das Bild, dass es gut ist oder zumindest besser wird. Doch was zeigen diese ganzen Statistiken nicht? - Sie zeigen nicht, was dahinter steht.

Für mich steht hinter jedem Mord, jedem Totschlag, jeder Vergewaltigung, jeder Nötigung, jedem missbrauchten Kind ein Schicksal - das Schicksal der Betroffenen selbst und das ihrer Familie, Freunde und Bekannten. Diese Schicksale werden in keiner Statistik erfasst. Deshalb taugen Statistiken auch nicht, um gegenüber den Bürgern in unserem Land zu argumentieren, dass sie sicher seien. Gefühlt ist dies nun einmal anders - ob man das will oder nicht, Herr Innenminister.

Zum Thema der gefühlten Sicherheit im Lande habe ich noch ein Beispiel. Wie die „Mitteldeutsche Zeitung“ vor einiger Zeit berichtete,