Protocol of the Session on June 2, 2016

Aber ein Blick in die Vergangenheit kann doch kein Fehler sein. Sie müssen doch überlegen, was zu diesen Problemen geführt hat, um ähnlich gelagerte Probleme in der Zukunft frühzeitig zu erkennen und um bereits jetzt vorausschauend zu handeln, um diese Probleme gar nicht erst entstehen zu lassen.

(Zuruf von Andreas Schumann, CDU)

- Ihr Kollege!

Ich glaube, ich habe in meiner Rede dargestellt, woraus die Probleme resultieren. - Danke.

Ich bin gespannt darauf, was Sie abstimmen. Sie können sich eventuell auch im Ausschuss darüber unterhalten. - Herzlichen Dank, Frau Prof. Dr. Kolb-Janssen. - Für die Fraktion der CDU spricht die Abg. Frau Gorr. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Über kaum ein Thema wurde im Bereich der Bildungspolitik so eingehend und ausführlich debattiert wie über das Thema der Unterrichtsversorgung. Deshalb hätte es bei mir größte Verwunderung ausgelöst, wenn sich nicht einer der ersten Anträge in dieser siebenten Wahlperiode dieses Themas angenommen hätte.

(Birke Bull, DIE LINKE, lacht)

Um denjenigen, die als Abgeordnete in diesem Hohen Haus neu sind, einen Eindruck zu vermitteln, ein kurzer Rückblick: Der Landtag hat angesichts der Brisanz des Themas im Jahr 2014 eine regelmäßige Berichterstattung über den aktuellen Stand der Unterrichtsversorgung an unseren Schulen im Ausschuss für Bildung und Kultur beschlossen. Diese Berichterstattung ist nun in die Praxis umgesetzt worden. Ich gehe davon aus, dass sie weitergeführt wird. Der Minister erwähnte schon, dass ich ihn bereits darum gebeten habe.

Darüber hinaus hat die CDU-Fraktion im letzten Jahr eine Große Anfrage zur Unterrichtsversorgung und Personalbedarfsplanung gestellt, die im Ergebnis notwendige Erklärungen und Schlussfolgerungen geliefert hat. Ich will diese Debatten nicht wieder im Einzelnen aufwärmen. Sie alle können sie in den Protokollen und Drucksachen nachlesen, auch die AfD-Fraktion.

Verwunderung wird bei mir aber dennoch ausgelöst, nimmt doch der Antrag der Fraktion DIE LIN

KE in der Begründung auf die im Koalitionsvertrag verankerte Zielstellung einer Unterrichtsversorgung von 103 % Bezug. Das freut die Koalition.

Weiterhin gibt die Fraktion DIE LINKE der Landesregierung Tipps, wie sie diese Zielstellung von mindestens 103 % erreichen kann.

(Swen Knöchel, DIE LINKE: Ist gut, was?)

Damit hat die Fraktion DIE LINKE das Hauptproblem erkannt und benannt,

(Minister Marco Tullner: Oh!)

vor dem wir im Land stehen,

(Swen Knöchel, DIE LINKE: Nicht erst seit heute!)

nämlich - Frau Prof. Dr. Kolb-Janssen sagte es auch schon -: Wie schaffen wir es überhaupt, den Bedarf für die aus Altersgründen ausscheidenden bzw. infolge von Langzeiterkrankungen nicht mehr zur Verfügung stehenden Lehrkräfte durch Neueinstellungen zu decken, um so die Unterrichtsversorgung sicherzustellen?

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der LINKEN! Sie werfen mit Ihrem Antrag durchaus wichtige Fragen auf, aber Sie geben nicht unbedingt aktuelle Antworten. So hat die Landesregierung - wir hörten es schon - in den zurückliegenden Monaten daran gearbeitet, sowohl die Wege für Seiteneinsteiger als auch die Möglichkeiten der Flexibilisierung des Lehramtsstudiums hinsichtlich der Einstellungsmodalitäten zu ebnen. Die Landesregierung hat damit erste wichtige Schritte unternommen.

Sie, meine lieben Kolleginnen und Kollegen der LINKEN, haben es als Opposition natürlich leicht, locker mehr als die von uns im Koalitionsvertrag vereinbarten zusätzlichen 270 Neueinstellungen für dieses Jahr zu fordern. Wir als regierungstragende Fraktionen müssen hingegen auf die Gesamtlage verweisen, unter der Politik und insbesondere Personal- und Finanzpolitik in diesem Land geleistet werden kann.

(Birke Bull, DIE LINKE: Das wird jetzt zur Staatsaktion!)

Diese Gesamtlage lässt die Wunschträume leider nicht in den Himmel wachsen.

Die Landesregierung ist bemüht, die Unterrichtsversorgung künftig bei 103 % zu halten. So, wie ich es bereits erwähnt habe, ist es zwischen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU vereinbart worden. Zur Ehrlichkeit gehört jedoch dazu, dass wir vielleicht Probleme haben werden, überhaupt angehende Lehrkräfte lehramts- und fachspezifisch in der notwendigen Zahl für den Schuldienst

in Sachsen-Anhalt zu gewinnen - wir hörten es schon.

(Swen Knöchel, DIE LINKE: Sagen wir seit Jahren!)

Auf regionale Probleme, die durchaus vielschichtig sein können, will ich gar nicht erst eingehen. Dieser Aspekt kommt zu den Überlegungen hinzu sowie zusätzlich die Belastungen der Lehrerinnen und Lehrer durch neue Anforderungen, wie zum Beispiel die Inklusion.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Bürgerinnen und Bürger richten an die neue Landesregierung hohe Erwartungen, insbesondere an das Ministerium für Bildung, von dem sie sich umgehende Verbesserungen in der Unterrichtsversorgung versprechen. Dieser Wunsch nach Verbesserungen umfasst natürlich auch die pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Da es um wichtige Weichenstellungen für das Land Sachsen-Anhalt geht, möchten wir um Überweisung des Antrages zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Bildung und Kultur sowie zur Mitberatung an den Ausschuss für Finanzen bitten, damit wir diese Probleme intensiv miteinander besprechen können. Ich denke, Herr Lippmann wird dort ein breites Spektrum an Berufserfahrung und Ideen einbringen können, von denen ich hoffe, dass sie in gewisser Weise auch umsetzbar sind. - Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Abg. Frau Gorr. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht der Abg. Herr Lippmann. Sie haben die Möglichkeit zu erwidern. Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Gern nehme ich diese Gelegenheit wahr. Zunächst Respekt für den Redebeitrag von Herrn Minister Tullner. Ich denke, das war eine gute Grundlage für eine konstruktive und vor allem fachlich ausgerichtete Diskussion. Denn es geht um das Wohl und Wehe des Schulsystems. Es geht um elementare, teilweise auch technische Fragen. Es geht also nicht um schulideologische Fragen, sondern um Dinge, die jeder machen muss, wie Hausaufgaben, die in der Tat schlecht erfüllt wurden. Daran muss man erinnern. Aber das muss man auch nicht ewig als Banner vor sich hertragen. Jeder andere an Ihrer Stelle würde vor dem gleichen Problem zumindest in dieser Frage stehen. Es ist klar, dass man sich darauf konzentrieren muss.

Ich will aber schon noch verdeutlichen, was ich versucht habe mit meinem Redebeitrag zur Ein

bringung des Antrags und mit dem Antrag selbst zum Ausdruck zu bringen. Dabei will ich darauf hinweisen, dass es ein bisschen zu eng geschaut ist, wenn man sagt, ihr macht gar keine Vorschläge. Das ist ein bisschen der alte Duktus. Den wollte ich gern überwunden sehen. Wir machen doch schon das Menschenmögliche. Nein, nein, menschenmöglich geht mehr. Das genau ist das Thema.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir brauchen die Reflexion im Parlament, ob wirklich das Menschenmögliche gemacht wird. Das fängt bei der Ausschreibung an. Ich nenne Ihnen meine Erwartungen, und wir schauen hinterher, was eingetreten ist. Die 270 zusätzlichen Einstellungen werden möglicherweise knapp oder nicht.

(Minister André Schröder stürzt beim Betre- ten des Plenarsaals zu Boden - Gabriele Brakebusch, CDU: Die Finanzen werden zu Fall gebracht!)

- Gestolpert. Wir wollen die Finanzen nicht am Boden sehen, auf keinen Fall. Das meine ich ganz aufrecht. - Können wir die Uhr anhalten? Das bekomme ich draufgerechnet.

Ich will meinen Beitrag dazu leisten, damit wir im Parlament wissen, worüber wir reden. Ich war zwar an den früheren Parlamentsdebatten selbst nicht beteiligt, ich habe aber die Protokolle gelesen und weiß, wie sich das Erstaunen und die Überraschung im Parlament dargestellt haben, als immer etwas beschlossen wurde, um hinterher festzustellen, dass nicht das eingetreten ist, was man glaubte zu beschließen. Damit, dass man nur glaubt, etwas zu beschließen und nicht weiß, was es bringen wird, muss Schluss sein.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Ich sage: Die 270 Einstellungen werden möglicherweise nicht einmal ausreichen, um das Ergebnis dieses Schuljahres, nämlich die 100,9 %, zu erreichen. Möglicherweise verschlechtert sich die Situation, wenn man die Personalabgänge und die Entwicklung der Schülerzahlen hinzurechnet.

(Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff: Wo- chenstunden!)

Deswegen muss man sagen, dass auch mehr ausgeschrieben werden kann. Wir müssen gemeinsam darauf schauen. Wir können es doch draußen nicht erklären.

Erst einmal ausschreiben und sagen, was wir brauchen. Sie wissen, dass ich gern mit Zahlen operiere. Ich könnte auch Zahlen nennen, aber das verkneife ich mir, um das Erschrecken nicht zu verbreitern. Aber es sind nicht die 270, auf gar keinen Fall. Darin bin ich mir völlig sicher.

Der zweite Teil ist, dass natürlich klar ist, dass die Versäumnisse der Vergangenheit in der Ausbildung ein großes Problem eröffnet haben. Es war klar: Irgendwann ist es egal, ob man 300, 600, 800 oder 1 000 Stellen ausschreibt, da man nur 300 oder 400 Stellen besetzen kann. Aber das weiß man erst, wenn man zumindest ausgeschrieben hat.

Darüber hinaus sagt unser Antrag eine ganze Menge aus. Wir glauben natürlich, dass alles das, was aufgeschrieben wurde, auch umsetzbar ist. Man muss die bisherige Doktrin der Verwaltung komplett über den Haufen werfen, weil das Problem so groß ist. Man muss bei der Ausschreibung anfangen, bei der Kraft, die man in der Verwaltung dafür einsetzt, bis hin zu Seiteneinsteigern - -

Bevor man gar keine Leute vor der Klasse hat, kann man natürlich auch Leute aus der ersten Phase nehmen. Natürlich muss man berufsbegleitend tätig sein. Das muss man bei allen machen. Man muss dafür sorgen, dass es ein berufsbegleitendes Referendariat gibt. Wir wollen, dass alle, die als Seiteneinsteiger kommen, zu vollwertigen Lehrern werden, dass sie das zweite Staatsexamen absolvieren. An dieser Stelle muss man sich eine Menge einfallen lassen. Dabei sind wir konstruktive Begleiter.

Es gibt Ideen, die allerdings erheblich anders sind als das, was wir bisher gemacht haben. Ich weiß, wie träge ein Apparat ist. Deswegen werbe ich dafür, sich auf den Hosenboden zu setzen und diese Dinge anzupacken.

(Beifall bei der LINKEN - Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff: Einschließlich Tarifver- träge!)

Sehr geehrter Herr Lippmann, es gibt eine Nachfrage des Abg. Lehmann. Möchten Sie die Nachfrage zulassen?

Herr Lehmann, bitte.