Protocol of the Session on May 24, 2018

Dabei ist es wichtig, dass Pfleger und Betreuungskräfte mit den körperlich und geistig zum Teil stark eingeschränkten zu Pflegenden vollumfänglich kommunizieren können und eine ähnliche Sozialisation aufweisen. Am allerbesten funktioniert dies immer noch in der Familie.

Die Zukunft der Pflege sieht anders aus, muss anders aussehen. Ermöglichen Sie den Betreibern der Pflegeeinrichtungen, ihr Personal anständig zu entlohnen, und den Angehörigen, die Pflege ihrer Verwandten ordentlich vergütet zu bekommen. Lösen Sie das Problem, indem Sie sich für die Angleichung und die Erhöhung der Pflegesätze starkmachen. Wenn die Landesregierung in diesem Bereich etwas Initiative entwickelt, kann sie durchaus mit der Unterstützung der AfDFraktion rechnen.

Dem Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE können wir leider nicht zustimmen, da wir unter anderem den Punkt 5 als unrealistisch ansehen. Deshalb werden wir uns bei der Abstimmung darüber der Stimme enthalten. - Danke.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank. Ich sehe auch hierzu keine Wortmeldung. - Der nächste Debattenredner ist der Abg. Herr Krull von der CDU-Fraktion. Sie haben das Wort, bitte.

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Wir haben uns hier bereits mehrfach mit dem Thema Pflege auseinandergesetzt, letztmalig vor kurzer Zeit. Damals habe ich angekündigt, dass das garantiert nicht die letzte Debatte zu diesem Thema gewesen sei. Wir beraten heute über einen entsprechenden Antrag der regierungstragenden Fraktionen.

Es ist uns wichtig, dass wir dieses Thema und die verschiedenen anderen Komplexe in diesem Zusammenhang immer wieder aufrufen. Denn Pflege ist - um es auf Neudeutsch zu sagen - ein Megathema, nicht nur für Deutschland, sondern auch für Sachsen-Anhalt.

In Sachsen-Anhalt sind rund 100 000 Personen pflegebedürftig. 70 % von ihnen werden von ihren Angehörigen, zum Teil mit Unterstützung, betreut. Im Bundesdurchschnitt übernimmt bereits jede 17. erwerbstätige Person Verantwortung für pflegebedürftige Personen. Die häusliche Pflege entspricht ausdrücklich dem Willen vieler Pflege

bedürftiger, die gern so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden, im Kreise ihrer Lieben bleiben möchten.

Auch der Gesetzgeber hat das bereits aufgegriffen. So findet sich in § 3 SGB XI der Vorrang der häuslichen Pflege. Als ein weiteres wichtiges Gesetz auf diesem Gebiet ist das Gesetz zur Verbesserung von Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf zu nennen, welches das Pflegezeitgesetz sowie das Familienpflegezeitgesetz geändert hat.

Ich denke, viele aus diesem Hause wissen aus eigener Erfahrung, welche physischen und psychischen Herausforderungen mit der Übernahme dieser Verantwortung für die Pflegenden verbunden sind. Auch aus meiner eigenen Familie kenne ich Beispiele dafür, wie aufopferungsvoll sich die Pflegenden um die zu pflegenden Angehörigen kümmern und dabei häufig auf die eigene Gesundheit wenig Rücksicht nehmen. In einem Fall war ein Hörsturz die gesundheitliche Folge.

Auch in dem neuen Koalitionsvertrag auf der Bundesebene wird das Thema aufgegriffen. So finden sich dort unter anderem folgende Sätze:

„Wir verbessern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf von erwerbstätigen Eltern, Alleinerziehenden, älteren Menschen und pflegenden Angehörigen durch Zuschüsse für die Inanspruchnahme von haushaltsnahen Dienstleistungen.“

Weiter heißt es:

„Um Angehörige besser zu unterstützen, gehören insbesondere Angebote in der Kurzzeit- und Verhinderungspflege sowie in der Tages- und Nachtpflege, die besonders pflegende Angehörige entlasten, zu einer guten pflegerischen Infrastruktur. Wir wollen die oben genannten Leistungen, die besonders pflegende Angehörige entlasten, zu einem jährlichen Entlastungsbudget zusammenfassen, das flexibel in Anspruch genommen werden kann. Damit können wir erheblich zur Entbürokratisierung in der ambulanten Pflege beitragen, die häusliche Versorgung stärken und pflegende Angehörige entlasten.

Wir werden die Angebote für eine verlässliche Kurzzeitpflege stärken, indem wir eine wirtschaftlich tragfähige Vergütung sicherstellen. Um die Situation pflegender Angehöriger zu verbessern, werden sie einen Anspruch auf medizinisch erforderliche Rehabilitationsleistung nach ärztlicher Verordnung erhalten.“

Sie sehen, der Antrag der LINKEN hat wesentliche Punkte des Koalitionsvertrages auf der Bun

desebene zusammengefasst. Da dieser bereits beschlossen ist, sehen wir auch keine Notwendigkeit, Ihrem Änderungsantrag an dieser Stelle zuzustimmen.

(Zustimmung von Dr. Verena Späthe, SPD)

Wir gehen also davon aus, dass auf der Bundesebene die Pflegestärkungsgesetze I bis III nicht die letzten Initiativen gewesen sind.

Auch im Land Sachsen-Anhalt haben wir uns bereits mit dem wichtigen Thema auseinandergesetzt, etwa bei der letzten Sitzung des runden Tisches zum Thema Pflege vor einigen Wochen in Dessau-Roßlau, bei dem mein Kollege Jens Kolze für unsere Fraktion anwesend war. Dies werden wir auch bei der morgigen Veranstaltung einer großen Krankenkasse tun.

Mit der vernetzten Pflegeberatung bietet SachsenAnhalt bereits jetzt ein gutes Informationsangebot für die Pflegebedürftigen und für die Pflegenden. Aber auch hierbei kann es natürlich Verbesserungen geben.

Welche Anliegen haben eigentlich pflegende Angehörige, gerade diejenigen, die selbst noch aktiv im Berufsleben stehen? - Hierauf gibt eine Metaanalyse Auskunft, die sich im Themenreport „Vereinbarkeit von Beruf und Pflege“ des Zentrums für Qualität in der Pflege auszugsweise wiederfindet.

Als besonders belastend werden dabei Verhaltensauffälligkeiten der zu Pflegenden und die Konflikte zwischen der eigenen Erwerbstätigkeit und den Pflegeaufgaben bezeichnet. Zugleich bietet die eigene Erwerbstätigkeit den Pflegenden die Chance, positive Erfahrungen und Zufriedenheit zu erfahren. Es bleiben aber die Vereinbarkeitskonflikte.

Vor dem Hintergrund des immer wieder diskutierten Fachkräftemangels ist es auch aus arbeitsmarktpolitischer Sicht wichtig, pflegende Angehörige zu unterstützen und so die eigene Erwerbstätigkeit zu ermöglichen. Aber das ist nur einer der vielen Aspekte, die bei diesem Thema eine Rolle spielen.

Mit dem beantragten Bericht wollen wir die Handlungsfelder von Sachsen-Anhalt aufzeigen und sie im zuständigen Ausschuss sowie im Plenum des Landtages behandeln. Auf das entsprechende Forschungsvorhaben wurde schon verwiesen.

Meine Ausführungen möchte ich mit einem großen Dank an all die Menschen beenden, die sich um die zu Pflegenden kümmern und die dafür häufig nicht die öffentliche Aufmerksamkeit und Anerkennung bekommen, die sie zweifelsohne verdienen.

(Zustimmung von Dr. Verena Späthe, SPD)

Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag und danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Abg. Krull. Ich sehe auch hierzu keine Fragen. - Wir kommen zur nächsten Debattenrednerin. Für die Fraktion DIE LINKE spricht die Abg. Frau Zoschke.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Sie haben jetzt das Wort. Ich warte damit immer, bis Sie fertig sind.

Danke schön.

Jetzt, bitte.

Ja, es ist unstrittig: Der Antrag beschäftigt sich mit einem sehr wichtigen Thema. Allerdings habe ich mich beim Lesen gefragt, warum dieser Antrag nicht als Selbstbefassungsantrag im Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration das Licht der parlamentarischen Welt erblickt hat.

Hinzu kommt, dass Sie, werte einreichende und regierende Fraktionen, im Koalitionsvertrag auch den runden Tisch zum Thema Pflege mit der Erarbeitung von Handlungsempfehlungen unter anderem auch zu dieser Thematik beauftragt haben. Somit bleiben für uns große und deutliche Fragezeichen.

Die Brisanz des Themas wird deutlich, wenn wir uns einmal die Zahlen vor Augen führen, auch wenn Sie die Zahlen jetzt bereits mehrmals gehört haben. Tatsache ist, dass in Deutschland insgesamt 2,9 Millionen pflegebedürftige Menschen leben. Davon werden 2,08 Millionen Menschen in der Häuslichkeit gepflegt; das entspricht einem Anteil von 73 %. Von diesen 73 % werden 1,38 Millionen Pflegebedürftige von ihren Angehörigen, Freunden und Nachbarn versorgt sowie 692 000 von den etwa 13 300 ambulanten Pflegediensten mit 355 600 Beschäftigten. Nur 783 000 Menschen werden vollstationär in Heimen versorgt. Diese Zahlen sind über das Statistische Bundesamt abrufbar.

Es wird auch niemanden überraschen, dass Pflege, unabhängig davon, ob sie stationär oder in der

Häuslichkeit erbracht wird, weiblich ist, dass also Töchter, Freundinnen und Nachbarinnen sich darum kümmern. Ihre Lebenswirklichkeit in der tätigen Pflege ist sehr vielschichtig und kompliziert. Nach Selbsteinschätzung fühlen 50 % der pflegenden Angehörigen eine zu hohe eigene Belastung, 70 % sind zeitweise psychisch überbelastet und ebenfalls 70 % fühlen sich zeitlich überfordert.

Das zeigt deutlich, dass die pflegenden Angehörigen permanent mit dem Risiko leben, durch die Pflege anderer auch selbst zu erkranken, mit der großen Palette möglicher Folgen. Sie plagen sich oft mit Schuld- und Schamgefühlen, sind frustriert und resignieren. Sie nehmen die zahlreichen örtlichen Hilfs- und Unterstützungsangebote kaum wahr. Notwendige bürokratische Wege empfinden sie als zu zeitraubend und zu kräftezehrend; also lassen sie es sein.

Nimmt man diese und andere Fakten zum Thema ernsthaft zur Kenntnis, kann man unserer Meinung nach nur zu einem Schluss kommen: Wer wirklich an der Situation von pflegenden Angehörigen etwas ändern will, der muss in seinen Forderungen sehr konkret werden. Deshalb haben wir uns zu einem Alternativantrag entschlossen. Wir wollen, dass die Landesregierung über eine Bundesratsinitiative auf die Verbesserung der konkreten Lebensumstände pflegender Angehöriger Einfluss nimmt. Wir haben kein Erkenntnisdefizit; vielmehr fehlen konkrete, verlässliche und generelle Lösungen.

Wer pflegt, der muss selbst ökonomisch unabhängig sein, der muss schnell und unbürokratisch an Hilfs- und Unterstützungsangebote für den zu Pflegenden und für sich selbst kommen, der muss auswählen und das auch bezahlen können. Auch der pflegende Angehörige muss eigene Pflege erfahren können, um selbst stabil und gesund zu bleiben. Dazu müssen die Zugänge zu medizinisch erforderlichen Rehabilitationsleistungen vereinfacht werden.

Selbstverständlich bleiben wir bei unserer Forderung nach einer Pflegevollversicherung.

Wer selbst schon einmal Pflege organisieren musste, der weiß, welch wichtige Rolle Kommunen als Bindeglied in der Versorgungslandschaft um den zu Pflegenden spielen. Unabhängige Pflegeberatung, Kenntnisse über die Angebote der lokalen Pflegestruktur, die Erreichbarkeit der bestehenden Hilfs- und Unterstützungsangebote, die Existenz von Selbsthilfegruppen und vieles mehr sind für den pflegenden Angehörigen vor Ort von immenser Bedeutung. Hierbei gilt es unbedingt, die Verantwortung der Kommunen und ihre Mitgestaltungsmöglichkeiten an der Planung und Sicherstellung der pflegenden Infrastruktur zu verbessern und auszubauen.

Und, meine Damen und Herren, es wäre doch eine tolle Errungenschaft, wenn die Anerkennung der erbrachten Pflegeleistungen von nicht nur noch im Arbeitsprozess stehenden pflegenden Angehörigen auch durch einen erhöhten persönlichen Urlaubsanspruch, also den Pflegeurlaub, zum Ausdruck gebracht werden könnte.

(Beifall bei der LINKEN)

Pflege kostet Geld, das wissen wir alle. Die bessere Anerkennung der Pflegeleistung im Steuerrecht ist eine weitere Maßnahme, die die Lebenswelt der pflegenden Angehörigen positiv beeinflussen kann. Hinzu käme zum Beispiel auch die Anerkennung durch Rentenpunkte. Der Katalog von Maßnahmen ist nach oben offen. Es sind konkrete Vorschläge, die direkte Auswirkungen auf die Lebenswirklichkeit der pflegenden Angehörigen haben; denn sie haben für ihre Leistung mehr verdient, als nur einmal Bestandteil eines Fragekataloges zu sein.

Ich danke für die Aufmerksamkeit und bitte um Zustimmung zu unserem Alternativantrag.

(Beifall bei der LINKEN)