Protocol of the Session on May 24, 2018

Dazu entwickelt der Verband Vorschläge zur Unterstützung pflegender Angehöriger, die zum Teil bereits durch bundespolitisches Handeln aufgenommen wurden, wie die unabhängige und umfassende Pflegeberatung, und dort auch weiter diskutiert werden.

Für unser Bundesland ist die spezielle Situation pflegender Angehöriger vor Ort wichtig. Vor wenigen Tagen endete ein Forschungsprojekt der Medizinischen Fakultät der Universität Halle mit dem Titel „Pflegende Angehörige bedarfsgerecht unterstützen“. Das durch die AOK Sachsen-Anhalt geförderte Projekt hat folgendes Ziel - ich zitiere aus der Zusammenfassung des Forschungsprojekts -:

„Die Situation pflegender Angehöriger, die ohne professionelle Unterstützung pflegen, soll betrachtet werden, um individuelle und bedarfsgerechte Beratungs- und Unterstützungsangebote unterbreiten und den Zugang dazu erleichtern zu können. Es soll untersucht werden, welche Belastungen sie angeben sowie welche Unterstützungsmöglichkeiten gewünscht, akzeptiert und tatsächlich genutzt werden. Langfristig sollen die Erkenntnisse in die individuelle Pflegeberatung der AOK einfließen und der Angebotsentwicklung in den Regionen durch verschiedene Akteure auf der kommunalen Ebene und der weiteren Angebotsvernetzung dienen.“

Aus den Ergebnissen dieser Untersuchung werden allen Akteuren in der Pflege wichtige Hinweise und Empfehlungen für ihre Arbeit gegeben. Selbstverständlich sollten diese Ergebnisse auch in den Landesaktionsplan „Pflege im Quartier“ einfließen.

Wenn wir von Pflege reden, denken wir oftmals automatisch an solche Menschen, die infolge ihres Alters oder von Erkrankungen, wie Demenz, Parkinson, Schlaganfall, Herzinfarkt - ich könnte noch Vieles aufzählen -, pflegebedürftig werden. Es gibt jedoch eine zweite Gruppe, die für den Bedarf an Pflege eine wichtige Rolle spielt. Das sind Menschen mit Behinderungen. Diese bedürfen zum Teil Zeit ihres Lebens pflegerischer Unterstützung. Auch diese Pflege wird vorrangig von Angehörigen geleistet.

Erst kürzlich wurde die vorläufige Verkehrsunfallbilanz 2017 für Sachsen-Anhalt vorgestellt. Auch wenn die Zahl der Verkehrsunfälle mit Personenschaden insgesamt zurückgegangen ist, wurden 2017 landesweit insgesamt 2 428 Menschen schwer verletzt. Ein großer Teil dieser schwer verunglückten Personen wird vermutlich längerfristig oder vielleicht sogar dauerhaft in Pflege bleiben, eine Pflege, die auch in diesem Fall selbstverständlich von Angehörigen übernommen wird.

Ein nicht unerheblicher Prozentsatz dieser Unfallopfer wird deutlich jünger sein als die pflegebedürftigen Menschen, an die wir denken, wenn wir von Pflege reden. Genau für diese Personengruppe, zu der auch junge Pflegebedürftige und ihre pflegenden Angehörigen zählen, sind ebenfalls Hilfe- und Unterstützungsangebote erforderlich, die sich jedoch von denen unterscheiden, die für ältere Pflegebedürftige vorgesehen sind.

Meine Damen und Herren! Wie viele Betroffene von psychischen Erkrankungen zumindest zeitweise der Pflege bedürfen, ist unklar. Psychische Erkrankungen, gerade auch bei jüngeren Menschen, werden heute jedoch deutlich häufiger diagnostiziert. Laut Arztreport der Barmer Ersatzkasse ist die Zahl der unter Depressionen leidenden jungen Menschen seit 2005 um 76 % gestiegen. Im Jahr 2016 wurden in Deutschland bei insgesamt 1,9 Millionen Menschen im Alter von 18 bis 25 Jahren psychische Erkrankungen festgestellt. Das sind 38 % mehr als noch im Jahr 2005. In diesen Fällen leisten insbesondere der Partner oder, gerade bei Alleinerziehenden, deren Kinder die Pflegearbeit. Dies geschieht oft unbemerkt von der Öffentlichkeit.

Der Sozialverband Deutschland e. V. fordert, minderjährige Kinder und Jugendliche als pflegende Angehörige zu schützen und zu unterstützen. Er fordert überdies, Kinder und Jugendliche vor

Überlastung durch häusliche Pflegetätigkeit zu schützen. Derzeit gibt es keine dem Bedarf und den Bedürfnissen entsprechenden spezifischen Hilfs- und Beratungsangebote.

Gesundheits- und Sozialdienste sind aufgefordert, umfassend Hilfe und Beratung für die Familien zu gewährleisten. Kinder wie auch Eltern wünschen sich vor allem emotionale Entlastung und Gesprächsangebote sowie unbürokratische und flexible Hilfen im Alltag. Auch das gehört auf unsere Agenda.

Meine Damen und Herren! Sachsen-Anhalt weist aufgrund seiner Bevölkerungs- und Altersstruktur sowie durch das häufige Heimkommen älterer Menschen am Ende ihres Erwerbslebens eine Reihe von Besonderheiten auf. Pflegebedürftige ältere Menschen sind aufgrund fehlender naher bzw. jüngerer Angehöriger häufiger auf die Unterstützung ihres Umfelds, auf Nachbarn, Freunde und andere Bezugspersonen, angewiesen.

Die Nachbarschaftshilfe ist hierbei der Garant für das Wohnen in den eigenen vier Wänden. Der Umzug in eine Pflegeeinrichtung wird zumindest hinausgezögert. Aus diesem Grund muss es aus unserer Sicht auch niedrigschwellige Unterstützungsangebote für diese Menschen geben, die eben nicht unmittelbare Angehörige sind.

So wie Bildung von Anfang an ist auch Pflege eine gesellschaftliche Aufgabe. Als hoch entwickelte Volkswirtschaft mit Familienzuschnitten, die mit denen vor 50 oder 100 Jahren nicht zu vergleichen sind, brauchen wir auch verlässliche Strukturen für die ambulante und stationäre Pflege durch Fachpersonal. Das ist eine andere Baustelle, aber an der arbeiten wir ebenfalls, und taufrisch kommen von der Koalition in Berlin erfreuliche Signale. Wir sind dennoch angewiesen auf diejenigen, die aufgrund familiärer, freundschaftlicher oder nachbarschaftlicher Bindungen einen großen Teil der Pflegearbeit übernehmen.

(Zustimmung von Rüdiger Erben, SPD, und von Dr. Katja Pähle, SPD)

Wir sind uns sicher, dass diese Menschen ebenfalls unsere Unterstützung erwarten dürfen. Dazu muss aber die Situation pflegender Angehöriger genauer beschrieben werden, um passgenauer individuelle und konkrete Unterstützungsangebote entwickeln und unterbreiten zu können.

Alle angerissenen Themen zeigen, dass wir unser Augenmerk nicht nur auf die Verbesserung der Pflege für Betroffene und die Bedingungen der Pflegearbeit für die Beschäftigten legen müssen, sondern auch darauf, dass Pflege immer auch Familien- und Angehörigenarbeit ist. Pflege braucht auch immer die Unterstützung des persönlichen Umfeldes des zu Pflegenden. Dieses Umfeld zu

stärken ist die Intention unseres Antrages, für den ich Sie hiermit um Ihre Unterstützung bitte.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von To- bias Krull, CDU)

Vielen Dank, Frau Abg. Dr. Späthe. Ich sehe keine Anfragen. - Bevor wir in die Fünfminutendebatte der Fraktionen einsteigen, hat die Ministerin Frau Grimm-Benne das Wort. Bitte, Frau Ministerin.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Pflege findet überwiegend zu Hause statt; denn zwei Drittel aller Pflegebedürftigen werden in ihrem eigenen Zuhause und von ihren Angehörigen gepflegt.

Pflege ist weiblich. Denn es sind mehrheitlich die Ehefrauen, Lebensgefährtinnen, Töchter oder Schwiegertöchter, die waschen, ernähren, an- und auskleiden und vor allem zuhören. Pflege birgt das Risiko der Altersarmut. Denn die meisten pflegenden Angehörigen können nur eingeschränkt berufstätig sein oder müssen vorübergehend ganz aus dem Job aussteigen.

Meine Damen und Herren Abgeordneten! Das sind Fakten, die Ihnen bekannt sind und die Frau Dr. Späthe Ihnen gerade im Detail aufgezeigt hat. Ein Blick auf die kommenden Jahre zeigt, dass sich die Anzahl der Pflegebedürftigen weiter erhöhen wird. Das bedeutet auch, dass die Relevanz der genannten Fakten noch weiter zunehmen wird.

Was tut nun das Land, um zu gewährleisten, dass Pflege weiterhin qualitativ und zumutbar auch von Angehörigen geleistet werden kann? - Das Land fördert vor allem drei Bereiche. Erstens Angebote zur Unterstützung im Alltag. Mittlerweile sind im Land Sachsen-Anhalt 150 Angebote zur Unterstützung im Alltag anerkannt und prägen die Landschaft mit einer großen inhaltlichen Vielfalt. Eine Vielzahl dieser Angebote wird gemeinsam mit den Pflegekassen auch finanziell gefördert.

Zweitens Selbsthilfekontaktstellen, Selbsthilfe

organisationen und Selbsthilfegruppen. Selbsthilfekontaktstellen sind bereits in den Landkreisen und kreisfreien Städten etabliert. Die Gemeinschaft einer Selbsthilfegruppe kann wesentlich dazu beitragen, dass sich Menschen in schwierigen und belastenden Lebenssituationen austauschen, gegenseitig Mut machen und wieder Kraft schöpfen. Das ist mir ein wichtiges Anliegen, und deshalb werden wir neben den Selbsthilfe

kontaktstellen auch die Arbeit der Selbsthilfegruppen finanziell unterstützen.

Drittens die Agentur mit der schwierigen Abkürzung AUiA. Es ist aber eine Förderung zusammen mit den Pflegekassen, nämlich die Agentur zur Vermittlung und zum Aufbau von Angeboten zur Unterstützung im Alltag für Pflegebedürftige. Diese Agentur hat zwar eine sperrige Abkürzung, hat sich aber landesweit einen guten Ruf erworben. Die Agentur versorgt Angehörige von Pflegebedürftigen mit regionalen Informationen rund um die Pflege und hat aufgrund des hohen Informationsbedarfs einen Flyer entwickelt, der Antworten auf die gängigsten Fragen bereithält. Für das kommende Jahr plant die Agentur regionale Informationsveranstaltungen für pflegende Angehörige und eine Fachtagung, die speziell auf pflegende Angehörige zugeschnitten ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir fördern aber nicht nur, sondern wir gestalten auch und wir wollen gestalten. Nicht nur in der Landespolitik spielt das beim Thema Unterstützung der Angehörigen eine Rolle. Die Menschen leben in einem Quartier, und das befindet sich in einer Kommune. Dort findet eine Versorgung statt und dort müssen die wesentlichen Fäden für die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen zusammenlaufen. Also setzen wir neben der finanziellen Förderung der Gestaltung auch auf Unterstützung.

Es ist uns als Landesregierung wichtig, die kommunale Ebene weiter zu stärken. Wir setzen dabei auf regionale Verantwortungsgemeinschaften, die vor Ort bedarfsgerechte und kleinteilige Versorgungsstrukturen entwickeln, um mit einem individuellen Pflegemix eine große Auswahl an Möglichkeiten haben.

(Unruhe)

Frau Ministerin, darf ich einmal ganz kurz unterbrechen. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist wirklich sehr schwierig für den Redner oder die Rednerin, sich hier vorne damit abmühen zu müssen, mit ihrer Stimme durchzukommen, weil das Gebrummel immer lauter wird. Bitte nehmen Sie etwas Rücksicht auf den Redner oder die Rednerin hier vorne und natürlich auch auf unsere Mitarbeiterinnen, die das alles aufzeichnen sollen.

Danke schön.

(Ulrich Thomas, CDU: Ich habe Sie gut ver- standen! - Markus Kurze, CDU: Ich auch!)

Sie haben somit zugehört. - Bitte, Frau Ministerin.

Gemeinsam mit dem Kompetenzzentrum soziale Innovation Sachsen-Anhalt haben wir jetzt zwei Pilotvorhaben auf den Weg gebracht, die die Kommunen bei der Entwicklung ihrer Quartiere unterstützen sollen. Viele Kommunen erkennen zudem ihre Chance, sich mit guter Sozial- und Pflegeplanung zukunftsfest aufzustellen. Regionale Pflegeausschüsse sind eine gute Möglichkeit, die notwendigen Erkenntnisse zusammenzutragen. Aktuell unterstützt und begleitet der Landespflegeausschuss die Stadt Dessau-Roßlau bei der Etablierung eines regionalen Pflegeausschusses.

Ich setze hierbei auf das Land und den Landtag sowie auf die Zusammenarbeit mit den kommunalen Spitzenverbänden. Denn nur so kann es gelingen, die Verantwortlichen vor Ort für dieses so wichtige Thema noch stärker zu sensibilisieren. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Ministerin. Ich sehe keine Anfragen. - Somit steigen wir in die Debatte mit fünf Minuten Redezeit je Fraktion ein. Der erste Redner wird der Abg. Herr Schmidt für die AfDFraktion sein. Sie haben das Wort, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir als Abgeordnete der Alternative für Deutschland freuen uns, wenn unsere ureigenen Forderungen umgesetzt werden. Dabei ist es egal, wer im Plenum den entsprechenden Antrag einbringt. Wir machen Politik ohne Scheuklappen.

(Dagmar Zoschke, DIE LINKE: Oh!)

Der Titel Ihres Antrages „Pflegende Angehörige stärken“ steht in ähnlicher Form auch im Parteiprogramm der AfD. Unter dem Themenschwerpunkt Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, welcher uns besonders wichtig ist, weil er großen Einfluss auf die Leute hat, die keine politische Lobby besitzen, findet sich bei uns die Forderung, Pflege durch Angehörige aufzuwerten. Die AfD erkennt darin die Familienarbeit in der Pflege als Beitrag für das gesellschaftliche Gemeinwohl an.

Die individuelle häusliche Pflege muss für uns zu einem Hauptbestandteil der sozialen Sicherungssysteme werden. Wir möchten deshalb die Rah

menbedingungen derart gestalten, dass sich erwachsene Kinder bewusst für die Pflege der Eltern entscheiden können.

Als Grundlage für die häusliche Pflege sind das Beratungsangebot für pflegewillige Angehörige in Form eines umfassenden Beratungsnetzwerks zu verbessern und die Pflegesätze an die Leistungen für Pflegedienstleister anzugleichen. In eine ähnliche Kerbe schlägt auch Ihr Antrag zur Ausarbeitung eines Berichtes zur Situation pflegender Angehöriger.

Wir als AfD-Fraktion können daher gemäß unserer Selbstverpflichtung und unserem Programm dem Antrag nur zustimmen. Ich persönlich freue mich als Mitglied des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Integration auf die Ergebnisse dieses Berichts und hoffe, dass die Belange pflegender Angehöriger Gehör finden und dass sich daraus echte Verbesserungen für die familiäre Pflege ableiten lassen.

Zudem möchte ich Sie, werte Kollegen, darauf aufmerksam machen, dass am 12. Mai der internationale Tag der Pflege stattgefunden hat. Der Aktionstag wiederholt sich jährlich am Geburtstag der britischen Krankenpflegerin Florence Nightingale, die sich während des Krim-Kriegs in den 1850er-Jahren um verwundete britische Soldaten gekümmert hat und als Begründerin der modernen westlichen Krankenpflege gilt. Dieser Tag soll aufmerksam machen auf die Leistungen und Probleme von Pflegenden, aber auch die Bedürfnisse zu pflegender Menschen einer breiteren Öffentlichkeit verständlich machen.

Um nicht immer nur trockene Berichte von Experten hören zu müssen, habe ich freiwillig und ohne roten Teppich für einen Tag ein Praktikum in der Altenpflege absolviert. Darüber hinaus habe ich im eigenen Bekanntenkreis mit Pflegekräften gesprochen. Dabei ist mir klar geworden, welche Anforderungen sowohl an das Personal als auch an die Betreiber gestellt werden. Ich habe viel Respekt vor der schweren Arbeit bekommen, die in der Pflege verrichtet wird.

Allerdings haben sich für mich selbst als auch im Gespräch Probleme aufgetan, die langsam, aber sicher zu einer existenziellen Krise in der Pflege führen. Obwohl in der ambulanten und in der stationären Pflege bereits höhere Pflegesätze gezahlt werden als für die familiäre Pflege, reichen diese nicht aus, um die Arbeit des Personals angemessen zu vergüten. Der daraus resultierende Nachwuchsmangel ist ein allgegenwärtiges Problem, das mir von jeder mir bekannten Einrichtung berichtet wurde. Da hilft es auch nicht, ausländische Fachkräfte zu importieren oder gar Asylbewerber an den Pflegeberuf heranzuführen. Die zu pflegenden Menschen brauchen ein funktionie

rendes und einfühlsames Umfeld, damit ihr Alltag menschenwürdig stattfinden kann.