Protocol of the Session on May 24, 2018

Gleichzeitig haben wir uns aber auch zum - ich betone das - Industriestandort Mitteldeutsches Braunkohlerevier bekannt. Wir wollen und wir werden gemeinsam mit den regionalen Akteuren Strukturentwicklungen begleiten und im Rahmen der Wirtschaftsförderung besonders unterstützen. Das sind Innovationstreiber.

Denn für uns steht fest: Der Ausstieg aus der energetischen Nutzung der Braunkohle darf nicht dazu führen, dass ganze Regionen deindustrialisiert werden. Das Mitteldeutsche Braunkohlerevier kann dabei nicht isoliert als sachsen-anhaltische Angelegenheit betrachtet werden. Es wurde gerade gesagt, wo es im Land noch Bodenschätze gebe.

Die regionalwirtschaftlichen Verflechtungen mit den Freistaaten Sachsen und Thüringen erfordern eine länderübergreifende Bearbeitung der Strukturentwicklung im Revier. Deshalb gibt es eine Verständigung unter den Wirtschaftsministern Sachsens, Thüringens und Sachsen-Anhalts. Auch die Ministerpräsidenten der ostdeutschen Länder haben auf ihrer Regionalkonferenz in Bad Schmiedeberg Forderungen gegenüber der Bundesregierung formuliert - ich will sie hier nicht wiederholen; wir alle kennen sie.

In der gemeinsamen Kabinettssitzung mit Brandenburg in 14 Tagen werden wir uns ebenfalls mit dem Strukturwandel in den Braunkohleregionen befassen; denn auch Brandenburg ist in erheblichem Maße betroffen. In der kommenden Sitzung der europäischen Kohleplattform wird Sachsen-Anhalt zusammen mit Sachsen und regionalen Partnern Ansätze für zukunftsweisende Strukturentwicklungen im mitteldeutschen Revier vorstellen.

Unter der Federführung von Sachsen-Anhalt wird ein länderübergreifendes GRW-Modellprojekt „Innovationsregion Mitteldeutschland“ vorbereitet. Der Burgenlandkreis hat einen entsprechenden Antrag bei der Investitionsbank eingereicht. Diese entscheidet in den nächsten Tagen über den vorzeitigen Maßnahmenbeginn; dieser zeichnet sich ab. Ziel ist es, Ansatzpunkte für eine künftige nachhaltige Strukturentwicklung in der Region zu konzipieren.

Ein wichtiger Ansatz - diesen haben Sie immerhin erwähnt - ist sicherlich auch das Wiederaufgreifen der stofflichen Verwertung von Braunkohle. Bei Romonta in Amsdorf - Sie haben das Unternehmen genannt - wird seit jeher hochwertiges Montanwachs aus der Braunkohle gewonnen.

Darüber hinaus werden in der Forschung Ansätze und Projekte zur weiteren stofflichen Verwertung von Braunkohle verfolgt.

In der regionalen Innovationsstrategie SachsenAnhalt 2014 - 2020 wird das Thema der erdölbasierten Chemiewirtschaft in dem Leitmarkt „Chemie und Bioökonomie“ aufgegriffen. Ziel ist es, eine weitgehend CO2-neutrale Kohlenstoffkreislaufwirtschaft einzurichten.

(Zustimmung von Dorothea Frederking, GRÜNE)

Ich habe bereits das Konzept „Carbontrans“ vorgestellt. In diesem ist vorgesehen, am Standort Leuna eine Pilotanlage für die Vergasung von kohlenstoffhaltigen Abfällen und Kohle als Technologieplattform für eine Kohlenstoffkreislaufwirtschaft zu errichten. Als Ergebnis der Demonstration sollen technisch, wirtschaftlich und ökologisch belastbare Erkenntnisse für die Auslegung und den wirtschaftlichen Betrieb der späteren Großtechnik für die CO2-emissionsarme Sektorenkopplung gewonnen werden.

Meine Damen und Herren! Sie sehen, die Landesregierung stellt sich der Herausforderung, die mit dem Ausstieg aus der Braunkohle verbunden ist. Wir werden uns auch aktiv in die Arbeit der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, die von der Bundesregierung zeitnah eingesetzt wird, einbringen.

Eines steht fest: Wir werden noch Zeit für die erfolgreiche Gestaltung des Strukturwandels benötigen. Klar ist aber auch: Der Wandel kann nur beginnen, wenn wir jetzt beherzt die richtigen Weichen stellen, etwa durch Projekte wie Carbontrans. - Vielen Dank.

(Zustimmung von Dr. Katja Pähle, SPD)

Herr Minister, einen Moment bitte. Herr Poggenburg hat sich zu Wort gemeldet.

Gut.

Bitte.

Eine Kurzintervention. - Sehr geehrter Herr Minister, Sie haben - korrigieren Sie mich gegebenenfalls - von ca. 4 000 Arbeitsplätzen gesprochen, die noch betroffen sein könnten. Sie vergessen in der ganzen politischen Debatte immer, dass es

unzählige kleine und mittelständische Betriebe, Zulieferbetriebe und Dienstleister, mit weiteren Tausenden Arbeitsplätzen gibt, die direkt betroffen sind. Ich möchte nicht, dass das immer wieder kleingeredet wird. Wenn wir hier Zahlen auf den Tisch packen, dann müssen wir auch Transportbetriebe, Zulieferbetriebe und Handwerksbetriebe berücksichtigen. Diese haben selbstverständlich ein Interesse daran, dass es beim Thema Braunkohle nicht einfach einen Cut gibt.

Für den Burgenlandkreis kann ich Ihnen sagen, dass das sehr ernst genommen wird. Wir möchten, dass die Debatte umfassend geführt wird. - Danke.

(Zustimmung bei der AfD)

Herr Minister, Sie haben das Wort.

Das Wort brauchte ich an dieser Stelle eigentlich nicht. - Sie haben auf einen wichtigen Faktor hingewiesen. Nur eine kleine Korrektur, Herr Poggenburg. Selbstverständlich sind mir diese Zahlen, von denen die Rede war, bekannt und ist mir bewusst, dass es neben den unmittelbar dort Beschäftigten auch mittelbar davon betroffene Arbeitsplätze gibt. Aber wenn wir jetzt Zahlen vergleichen, dann ist klarzustellen, dass wir die Zahlen für die unmittelbar im Braunkohlesektor Beschäftigten genannt haben. Es ist völlig richtig, dass wir - wir wollen ja keine Deindustrialisierung der Region - auch die mittelbar Beschäftigten und ihre Familien nicht aus dem Blick verlieren dürfen.

(André Poggenburg, AfD: Sehr schön!)

Herr Minister, Frau Lüddemann hat sich ebenfalls zu Wort gemeldet. - Frau Lüddemann, Sie haben das Wort.

Herr Minister, Sie haben in Ihrem Redebeitrag die Bundeskommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ angesprochen.

(Zuruf von der AfD)

(Zuruf von der AfD: Mikro!)

- Das ist an. Dann fange ich noch einmal an. - Sie haben in Ihrem Redebeitrag auf die Bundeskommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ abgestellt. Meine Frage ist: Würden Sie die Mitarbeit der Branche der erneuerbaren Ener

gien und der Umweltverbände in dieser Kommission befürworten? Wie schätzen Sie den Beitrag der Branche der erneuerbaren Energien und der Umweltverbände zum Strukturwandel insgesamt ein?

Über den Beitrag der erneuerbaren Energien hier bei uns hat Frau Kollegin Dalbert in der Vergangenheit wiederholt gesprochen. Dieser sollte in Sachsen-Anhalt nicht kleingeredet werden. Wir wissen das. Zu der Beteiligung der Verbände, die Sie gerade angesprochen haben, habe ich mich entsprechend öffentlich geäußert. Ich persönlich halte es für sinnvoll, dass sie in dieser Kommission mitwirken.

Herr Minister, Herr Raue hat sich ebenfalls zu Wort gemeldet. - Herr Raue, Sie haben das Wort.

Herr Willingmann, in Deutschland reichen die Vorkommen an Braunkohle für die Verstromung und stoffliche Nutzung noch ungefähr 200 Jahre.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Wenn es die Erde dann noch gibt!)

Aus welchen Gründen ist es Ihrer Meinung nach notwendig, das Risiko einzugehen, bei der Verstromung und Energieversorgung von externen Unternehmen und dem internationalen Markt abhängig zu werden, auch von Staaten, die uns irgendwann vielleicht nicht wohlgesonnen sind, wenn wir doch über eine bedeutende heimische Ressource verfügen?

Wir befinden uns mit Russland schon fast im Wirtschaftskrieg. Die Sanktionen werden zunehmen. Die Amerikaner sind auch sehr daran interessiert, dass durch die Erdgaspipelines aus Russland möglichst wenig Erdgas nach Europa gelangt. Über kurz oder lang müssen wir uns möglicherweise sogar einen neuen Lieferanten suchen, wenn wir ausschließlich auf Erdgaskraftwerke als Reservekraftwerke setzen. Warum müssen wir das tun? Ist es nicht sinnvoll, einen Energiemix, wie wir ihn bisher hatten, aufrechtzuerhalten, durch den auch unsere heimische Braunkohle einen Stellenwert erhält,

(Zuruf von der SPD: Frage!)

- das ist meine Frage; hören Sie zu - der für die Arbeitsplätze und die Menschen eine Zukunft bedeutet?

Herr Minister, Sie haben noch einmal das Wort.

Danke sehr. - Herr Raue, das ist eine politische Entscheidung, um die Klimaziele zu erreichen. Es ist eine politische Entscheidung, dass wir unseren Energiemix umstellen. Dazu zählt tatsächlich auch, ab 2035 keine Braunkohle mehr abzubauen und in absehbarer Zeit von einer energetischen Nutzung der Braunkohle wegzukommen.

Eine politische Wertung: Ich persönlich halte diese Entscheidung für sinnvoll. Zugleich halte ich es für ein Gebot an die Politik, unter dem Druck dieses Zeitfensters dafür zu sorgen, dass Innovationen vorangebracht werden und die industrielle Struktur dieser Region erhalten wird. Die Tatsache allein, dass Braunkohlevorräte vorhanden sind, heißt nicht, dass man sie auch vollständig erschließen muss.

Ich sehe keine weiteren Fragen. Ich danke Minister Herrn Prof. Dr. Willingmann für die Ausführungen. - Wir fahren in der Debatte fort. Für die CDU spricht der Abg. Herr Zimmer. Herr Zimmer, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf an den Anfang meiner Ausführungen ein Zitat stellen: Die Energiewende wird nur überleben, wenn Sie global wird. Sie ist keine Lösung für einzelne Länder. Der, der das gesagt hat, ist kein Geringerer als der neue Wirtschafts- und Energieminister Peter Altmaier. Nur zur Erinnerung, Herr Farle: Peter Altmaier - in Klammern: CDU, Christlich Demokratische Union. Diesen Satz hat er vor wenigen Wochen auf einer internationalen Energiekonferenz in Berlin so vorgetragen.

(Zuruf von Robert Farle, AfD)

Man könnte den Satz auch anders deuten, indem man nüchtern feststellt, dass die deutsche Energiewende außer exorbitanten Kosten global gesehen kaum messbare klimapolitische Erfolge vorzuweisen hat.

(Robert Farle, AfD: Richtig!)

Demzufolge begrüßen wir es, dass die Bundesregierung die regenerativen Energien schrittweise in die Systemverantwortung überführt.

Deutschland hat sich verpflichtet, bis zum Jahr 2030 60 % seiner CO2-Emissionen einzusparen. Das ist ein außergewöhnlich ambitioniertes Ziel. Auch andere Länder in Europa haben das Klimaprotokoll unterzeichnet, aber ganz offensichtlich gibt es dort eine andere Deutungsweise bei den Reduktionszielen. Wenn wir nämlich unsere

Nachbarn in Polen oder Tschechien betrachten, dann werden wir feststellen, dass dort nahezu die gesamte künftige Energiepolitik auf der Verstromung fossiler Brennstoffe basiert und dass in Polen in den nächsten Jahren der Neubau von sieben Kohlekraftwerken geplant ist.

Meine Damen und Herren! Meine Fraktion ist im Übrigen nicht der Meinung, dass die deutsche Energiewende gescheitert ist. Aber sie wird nur dann ein wirklicher Erfolg, wenn wir die Versorgungssicherheit genauso im Blick behalten wie die Preisstabilität.