Protocol of the Session on April 20, 2018

Damals wurden Wirtschaftspläne eben auch noch in stoischer Regelmäßigkeit mit 110 % übererfüllt. Aber trotzdem ging die DDR pleite. Und wissen Sie, warum? - Weil sich die Realität genauso wie der liebe Herrgott überhaupt nicht um solche linken Wunschkonzerte schert und die Macht des Faktischen diese Ideologieblasen früher oder später immer mit einem großen Knall platzen lässt.

(Beifall bei der AfD)

Ob also Betriebsräte in einem Unternehmen einen Standortvorteil erzeugen oder das Unternehmen

wirtschaftlich erfolgreicher machen, kann der Landtag beim besten Willen nicht feststellen.

Ganz persönlich darf ich Ihre Theorie sogar stark anzweifeln, weil nach meiner Information die genannten Faktoren Unternehmen leider - so muss ich es sagen - eher abschrecken als anziehen. Das ist nun einmal eine Tatsache. In der Politik wie auch in der Wirtschaft sind wir nicht bei „Wünsch dir was“.

(Ulrich Siegmund, AfD, lacht)

Überzogen werden Ihre Forderungen dann aber an einer anderen Stelle, wo Sie nämlich eine - Zitat - „Verschärfung der Straftatbestände bei Verstößen gegen die betriebliche Mitbestimmung“ fordern.

Wissen Sie, es wäre schön, wenn Sie doch in anderen Teilen unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens, wo es bei mittlerweile täglichen Einzelfällen sogar um Leben und Tod oder zumindest um gesundheitliche Schäden oder schwere Beeinträchtigungen geht, auch nach einer Verschärfung von Straftatbeständen rufen würden. Aber nein, dort tun Sie es nicht. Diese Heuchelei kauft Ihnen doch längst niemand mehr ab, liebe LINKE.

(Zustimmung bei der AfD)

Auch über den Sinn oder Unsinn von Betriebsräten in Kleinbetrieben kann man streiten. Vielleicht wissen Sie, dass gerade die Kleinbetriebe und der Mittelstand besonders unter Bürokratismus und Regelwust leidet. Es stellt sich also schon die berechtigte Frage, ob Kleinbetriebe zudem mit Betriebsräten belastet werden müssen. Denn was in einem Großbetrieb oder -unternehmen sehr sinnvoll und wichtig ist, muss es nicht automatisch auch in einem Kleinbetrieb sein. Vielleicht lernen Sie einmal etwas Differenzierung in dieser Frage. In anderen Bereichen ist das ja angeblich Ihr Steckenpferd.

Auch in einem letzten Punkt muss ich Ihrem Denk- oder eher Ideologieansatz entschieden widersprechen. So monieren Sie in Ihrem Antrag, genauer gesagt in der Begründung, dass der Betriebsrat in entscheidenden wirtschaftlichen Fragen leider kein Mitbestimmungsrecht habe. Dazu muss ich Ihnen sagen: Gut so!

(Zustimmung bei der AfD - Robert Farle, AfD: Richtig!)

Das wäre nämlich völlig unangebracht; denn der Arbeitnehmervertreter ist kein Unternehmer

(Tobias Rausch, AfD: Richtig!)

und der Betriebsrat ist kein Unternehmensvorstand.

(Zustimmung bei der AfD)

Ja, die Aufgaben des Betriebsrates sind sehr wichtig und dieser muss gefördert werden. Aller

dings gehört die Unternehmensführung eben nicht zu seinen Aufgaben. Wer das ändern will, der wird die Akzeptanz und das Verständnis für die Notwendigkeit eines Betriebsrates oder einer Arbeitnehmervertretung im Aufsichtsrat nicht erhöhen, sondern völlig verspielen. Für solche ideologischen Spielchen auf Kosten der Arbeitnehmerschaft ist die AfD nicht zu haben.

Dem Alternativantrag der Kenia-Koalition können wir insoweit zustimmen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Abg. Poggenburg. Es gibt eine Anfrage.

Ja, bitte schön.

Sie sind bereit dazu. - Herr Steppuhn, bitte.

Herr Kollege Poggenburg, ich kann Ihren Theorien nicht so ganz folgen.

Das glaube ich gern.

Das muss ich auch nicht.

(Oliver Kirchner, AfD: Verständlich!)

Aber ich würde mit Ihnen ganz gern einen Faktencheck machen. Deshalb eine Frage: Wie hält es denn die AfD-Landtagsfraktion mit dem Betriebsverfassungsgesetz und warum gibt es bei Ihnen keinen Betriebsrat? Dann wäre das Betriebsklima vielleicht etwas besser.

(Lachen bei der AfD - Tobias Rausch, AfD: Weil wir keine Mitarbeiter sind!)

Herr Poggenburg, bitte.

Wir finden das Betriebsverfassungsgesetz richtig und gut; wir halten uns natürlich auch daran. Das heißt, es gibt jederzeit die Möglichkeit, einen Betriebsrat zu gründen. Allerdings ist das Verhältnis zwischen dem Arbeitgeber und den Arbeitnehmern bei uns so gut, dass es danach überhaupt keine Nachfrage gab. - Danke schön.

(Zustimmung bei der AfD - Lachen bei der CDU, bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Wir kommen nunmehr zur letzten Debattenrednerin. Für die Fraktion BÜND

NIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abg. Frau Lüddemann. Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Betriebsräte sind ein Kernelement einer demokratischen Gesellschaft. Sie verwirklichen Mitbestimmung und Interessenvertretung im besten Sinne. Sie zeigen: Demokratie beschränkt sich nicht auf Politik im engeren Rahmen eines Parlamentarismus. Nein, Demokratie ist und sollte ein Strukturelement der Gesamtgesellschaft sein: Kinderräte in Kitas, Jugendparlamente in den Kommunen, Drittelparität in Schulen, Studierendenparlamente, aber zum Beispiel auch Patientenvertretungen in Krankenhäusern. Auch ein Landesheimrat im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe gehört meiner Meinung nach dazu. Also Demokratie als Leitwert. Entsprechend wertvoll sind uns Betriebsräte.

Ich war sehr erschrocken darüber, dass diese Meinung nicht nur nicht alle teilen, sondern dass es Unternehmen und Geschäftsführungen in diesem Land gibt, die aktiv und mit großem zeitlichen und finanziellen Aufwand dagegen arbeiten.

Dazu sage ich für meine Fraktion sehr deutlich: Wer Betriebsräte unterbindet und bekämpft, der sollte sich fragen: Will ich in einer Gesellschaft leben, in der die Opposition zum Schweigen gebracht wird, in der die öffentliche Meinung durch die Machthaber auf Linie gebracht wird und in der kritische Stimmen um ihre Sicherheit fürchten müssen? Ich will in einer offenen und streitfähigen Gesellschaft leben. Und dazu gehören Betriebsräte.

(Zustimmung von Olaf Meister, GRÜNE, und von Andreas Höppner, DIE LINKE)

Ich erwarte, dass diese von allen Unternehmen und Geschäftsführungen akzeptiert, wenn nicht gar geliebt werden. Damit meine ich - das will ich ganz deutlich sagen - alle Branchen, auch im Bereich der erneuerbaren Energien. Ich weiß, dass es dort große Defizite gibt. Wir stehen da ganz klar - das haben wir immer getan und werden es weiter tun - aufseiten der IG Metall.

Neben den normativen Gründen sprechen auch funktionale Zwecke für Betriebsräte. In Betrieben mit Betriebsrat ist nachweislich die Fluktuation niedriger, das Arbeitsklima besser und die Familienfreundlichkeit stärker ausgeprägt. Dies belegte jüngst etwa die Metastudie von Uwe Jirjahn und Stephen Smith vom IZA, Institute of Labor Economics, in Bonn. Ich sage das, weil vorhin nach Fakten gefragt wurde. Diese Studie zeigt sehr klar: Ein funktionierender Betriebsrat fördert die ver

trauensvolle Zusammenarbeit von Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

Es kann also gar nicht genug betont werden, dass Unternehmen gerade in Zeiten des Umbruchs, nicht zuletzt aufgrund des digitalen Wandels, einen Betriebsrat brauchen, um das Unternehmen für die Zukunft gut aufzustellen. Das geht eben nur gemeinsam mit der Belegschaft.

Ich denke, nur in Ausnahmefällen erleben wir hier Horrorszenarien, wie sie von der AfD skizziert wurden. Verhärtete Fronten gibt es an einigen Stellen, aber wenn es einen guten Betriebsrat gibt, sind diese Fronten - so erlebe ich das jedenfalls - nicht der Regelfall und auch immer auflösbar.

Letztlich gilt für den Betriebsrat eben auch die grundsätzliche Feststellung: Demokratie will gelernt sein. Wenn sie breit in der Gesellschaft verankert und von Anfang an für alle erlebbar und erfahrbar ist, dann werden auch Betriebsräte und Unternehmen damit umgehen und ihre Machtkämpfe und eventuellen Interessenkonflikte konstruktiv regeln können.

Neben einer reinen Debatte zur Unterstützung der Betriebsratswahlen verspricht der Titel der Aktuellen Debatte noch mehr; denn er lautet auch: „Betriebsverfassungsrecht fortentwickeln“.

Ja, im Koalitionsvertrag zwischen der CDU, der CSU und der SPD - hierbei stelle ich auf die Bundesebene ab - findet sich eine Ausführung dazu, die ich zitieren möchte:

„Wir wollen die Gründung und Wahl von Betriebsräten erleichtern. Dazu werden wir das vereinfachte Wahlverfahren für alle Betriebe mit fünf bis 100 wahlberechtigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern verpflichtend machen. Für Betriebe mit 101 bis 200 wahlberechtigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ermöglichen wir die Wahl zwischen dem vereinfachten und allgemeinen Wahlverfahren.“

Das kann man vielleicht nicht unbedingt als den großen Wurf bezeichnen, aber immerhin hat es in den Koalitionsvertrag der Großen Koalition Eingang gefunden. Ich finde, das ist schon bemerkenswert. Das ist eine Verfahrensvereinfachung. Aus meiner Sicht sollte das dann die Gründung von Betriebsräten zumindest erleichtern oder unterstützen.

Hoffen wir, dass sich dadurch auch die Anzahl der Betriebsräte in Sachsen-Anhalt erhöht. Es ist schon gesagt worden, dass wir da leider eher schlecht aufgestellt sind. Nach dem IAB-Betriebspanel 2016 wird immerhin nur jeder dritte Beschäftigte in einem Unternehmen mit mehr als fünf Mitarbeitenden von einem Betriebsrat vertreten. Das kann nicht zufriedenstellen. Deswegen unterstütze ich auch klar das, was Frau Ministerin

gesagt hat: Die Landesregierung und die Fraktionen werden tätig, um zu Verbesserungen zu kommen.