Protocol of the Session on January 25, 2018

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang einen Blick auf die amtliche Statistik werfen. Für die meisten Menschen im Lande - das ist für Wirtschaftspolitiker immer etwas betrüblich - besteht gute und erfolgreiche Wirtschaftspolitik aus gesicherten Arbeitsplätzen, vernünftiger beruflicher Perspektive und guter Entlohnung. So hat es eine Allensbach-Studie im vorvergangenen Jahr festgestellt.

Schauen wir daher auf die Arbeitslosigkeit in Sachsen-Anhalt. Im September 2017 haben wir mit 7,9 % erstmals seit dem Bestehen des Bundeslandes die Quote von 8 % unterschritten. Weniger als 90 000 Menschen waren arbeitslos gemeldet. Im November 2017 hatten wir mit einer Quote von 7,7 % den niedrigsten Stand überhaupt seit der Wiedervereinigung.

Diese äußerst positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt wird auch - gewiss -, aber keineswegs allein durch die demografische Entwicklung be

günstigt. Das zeigt der parallele Aufwuchs sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung. Die Zahl der Beschäftigten ist nämlich von rund 774 000 im Jahr 2014 auf fast 800 000 gestiegen.

Meine Damen und Herren! Der Arbeitsmarkt in Sachsen-Anhalt bietet Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und übrigens auch jungen Menschen, egal ob Azubis oder Studierenden, so viele Chancen und Perspektiven wie nie zuvor. Mehr noch: Die Unternehmen im Land zahlen im Wettbewerb um kompetente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter inzwischen höhere Löhne. Vollzeitbeschäftigte verdienen demnach im Durchschnitt 2 400 € und damit übrigens mehr als Beschäftigte in unseren Nachbarländern Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern.

Die positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt und bei den Löhnen geht übrigens auch mit einem Rückgang mitunter prekärer Beschäftigung einher. Die Zahl geringfügig Beschäftigter ist von 91 000 im Jahr 2013 auf 78 000 im vergangenen Jahr gesunken. Zugleich - das gehört zur Wahrheit, auch in einer Regierungserklärung - ist die Zahl der Zeit- und Leiharbeiter von 24 000 auf 26 000 gestiegen.

Doch das Gesamtbild bleibt positiv und ich freue mich über diese Entwicklung, auch und gerade im Sinne der Beschäftigten. Und wir sehen, in Zeiten des unstreitig wachsenden Fachkräftebedarfs können sich die Unternehmen, die inzwischen auch weitaus leistungsfähiger sind als früher, keine Niedriglohnstrategie mehr leisten.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wer daran festhält, der nimmt geradewegs Kurs in die betriebswirtschaftliche Sackgasse. Daher ist es das Gebot der Stunde, die Belegschaften am Aufschwung teilhaben zu lassen. Es wäre an dieser Stelle auch Raum, um über den Fachkräftebedarf zu reden, der konkret von den Unternehmen reklamiert wird und der unstreitig besteht. Er besteht übrigens im akademischen Bereich wie bei Ärzten und Ingenieuren - wir haben es gerade erfahren -, er besteht bei Lehrern. Er besteht aber auch außerhalb akademischer Berufe.

Hier müssen wir etwas tun. Darüber sind das Wirtschafts- und das für die Arbeitsmarktpolitik zuständige Arbeitsministerium im Gespräch. Gestatten Sie mir daher, zunächst weiter bei der wirtschaftlichen Entwicklung zu bleiben.

Die hervorragende wirtschaftliche Entwicklung bei uns im Land wird auch in der Bewertung der in Sachsen-Anhalt hergestellten Güter widergespiegelt. Im ersten Halbjahr wuchs unser Bruttoinlandsprodukt um 0,8 %. Gewiss, mit Blick auf andere Länder ist da noch Luft nach oben. Doch wir sollten aufhören, diese Entwicklung gering zu

schätzen, gar schlecht zu reden; denn es gibt ja Gründe für langsameres Wachstum. Ganz konkret für das Jahr 2017: Es reicht in unserem kleinen Bundesland schon, wenn eine Großraffinerie in Leuna wegen eines Brandes vorübergehend stillgelegt werden muss.

Darüber hinaus - das ist auch kein Geheimnis - weisen kleinteilige Wirtschaftsstrukturen, wie wir sie in Sachsen-Anhalt nun einmal haben, seit jeher eher niedrigere Wachstumsraten auf als Länder mit Ballungszentren oder 40 Jahren Vorsprung, in denen sich größere Unternehmen, ja, Konzerne und weit mehr Menschen ansiedeln. Das muss man offen und ehrlich ansprechen, wobei wir uns alle sicherlich darüber im Klaren sind, dass es Vorzüge bei dieser Kleinteiligkeit gibt.

Diese, also unsere, Struktur ist weit weniger anfällig für große wirtschaftliche Erosionen oder Krisen, wie wir sie noch vor wenigen Jahren europaweit erlebt haben. Deshalb hinken an dieser Stelle auch die Vergleiche mit westlichen Bundesländern oder mit Metropolregionen, etwa um Leipzig oder Berlin herum. Daher kommt auch von mir eine klare Aussage, ein klares Bekenntnis: Unser Anspruch, unser grundgesetzlicher Auftrag ist es, gleichwertige Lebensverhältnisse herzustellen, nicht statistische Wettbewerbe zu gewinnen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Für das Gesamtjahr 2017 rechnet die Landesregierung jedenfalls mit einem klaren Plus, auch weil die Unternehmen bei uns wieder deutlich mehr investieren und damit die Weichen für weiteres Wachstum stellen. Meine Damen und Herren! Das sollte uns Mut machen und wir sollten gemeinsam dafür arbeiten, dass sich diese Entwicklung fortsetzt, dass sie beschleunigt wird.

Lassen Sie uns deshalb nach einem Drittel der Wahlperiode Bilanz ziehen. Damit diese positive Entwicklung, von der wir profitieren, anhält, hat die Landesregierung bereits im vergangenen Jahr die Wirtschaftsförderung auf den Prüfstand gestellt, sie kontinuierlich modernisiert und dadurch günstige Rahmenbedingungen für weiteres Wachstum geschaffen.

Im Mai 2017 haben wir - ich durfte Ihnen das vorstellen - die Regelungen für die Investitionsförderung im Rahmen der bekannten GRW-Richtlinie nachjustiert. Die Basisförderung für kleine und mittlere Unternehmen haben wir um 5 % angehoben und die Mindestinvestitionssumme auf 30 000 € gesenkt. Bei dieser Steuerung hatten wir vor allem die Entwicklung unserer zahlreichen kleinen Unternehmen im Blick, im ganzen Land. Meine Damen und Herren! Das ist Wirtschaftsförderung passgenau für Sachsen-Anhalt.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Mi- nisterpräsident Dr. Reiner Haseloff)

Mit dieser Richtlinie sind wir erste Entbürokratisierungsschritte gegangen, indem die Bonusregeln vereinfacht wurden und beispielsweise die Entlohnung der Beschäftigten nach einem Tarifvertrag ebenso zum Höchstfördersatz führt wie die Investition in Forschung oder eine Unternehmensnachfolge.

Das Ergebnis dieser Neujustierung kann man messen. Es bestätigt den Kurs. Im Jahr 2017 konnten 202 Investitionsvorhaben der gewerblichen Wirtschaft mit 182 Millionen € bezuschusst werden. Sowohl die Zahl der Projekte als auch das Fördervolumen stieg damit auf den höchsten Stand seit vier Jahren und hat Investitionen in unserem Land in Höhe von mehr als 1 Milliarde € generiert. Und nicht nur das: Mehr als 2 200 Arbeitsplätze wurden neu geschaffen und knapp 6 000 Stellen gesichert.

Das zeigt, meine Damen und Herren, dass unsere Wirtschaftsförderung den Unternehmen und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Sachsen-Anhalt zugutekommt.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Mi- nisterpräsident Dr. Reiner Haseloff)

Dennoch gibt es einen kleinen Wermutstropfen; ich will ihn nicht verschweigen. Aufgrund beihilferechtlicher Vorgaben sind die Fördersätze nun zum 1. Januar 2018 wieder um 5 % abgesenkt worden. Dennoch erwarten wir für dieses Jahr ein reges Investitionsaufkommen, zumal zum Jahreswechsel noch 170 Anträge von Unternehmen mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von mehr als 660 Millionen € bei der Investitionsbank vorlagen.

Auch die Industrie, für uns im Lande wichtig, zeigt derzeit das höchste Investitionsgeschehen seit dem Jahr 2009. Nach Zahlen des Statistischen Landesamtes haben die Industriebetriebe zuletzt mehr als 1,6 Milliarden € in Sachsen-Anhalt investiert - 1,6 Milliarden €.

Erlauben Sie mir, auf eine weitere wichtige Weichenstellung zu sprechen zu kommen, nämlich auf die Fortentwicklung der Gründerförderung. Es ist nicht ungewöhnlich, dass in Zeiten wachsenden Fachkräftebedarfs für viele Menschen ein gut entlohntes Beschäftigungsverhältnis attraktiver erscheint als eine mitunter risikobehaftete Existenzgründung. Das ist ein durchaus rationales Verhalten.

Gleichwohl wollen und müssen wir potenzielle Gründer bei ihrer Entscheidung zum Unternehmertum noch stärker unterstützen und ermutigen. Wir haben dafür im Februar 2017 einen eigenen Mittelstands- und Gründerdarlehensfonds mit einem Volumen von mehr als 140 Millionen € auf

gelegt, der Starthilfen geben soll, wenn gute neue Geschäftsideen realisiert werden sollen. Auch dessen Start war erfreulich. Bereits im letzten Jahr wurden rund 16 Millionen € an Darlehen ausgereicht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einen Schub konnten wir im vergangenen Jahr auch dem Gründungsgeschehen im Handwerk geben; denn Ende Juli 2017 haben wir die im KeniaKoalitionsvertrag verabredete Meistergründungsprämie eingeführt, übrigens - das darf man mal erwähnen - als eines von insgesamt sechs Bundesländern in Deutschland.

Mit dieser Prämie werden Handwerksmeister gefördert, die in Sachsen-Anhalt ein Unternehmen gründen oder übernehmen. Sie bekommen von uns dabei eine Art Starthilfe von 10 000 €, wenn sie selbst mindestens 15 000 € investieren. Das Ziel ist es auch hierbei, den Mut zur Selbstständigkeit zu honorieren, wohl wissend, dass auch daraus alsbald Wertschöpfungen und neue Arbeitsplätze generiert werden.

Sicherlich nicht nur zu meiner großen Freude ist die Prämie bislang auf großes Interesse gestoßen. Seit ihrer Einführung vor einem guten halben Jahr wurden landesweit 45 Anträge von der Investitionsbank, unserem verlässlichen Partner, bewilligt. Ein besonders großes Interesse gab es bei Friseurmeisterinnen und -meistern, aber auch Heizungsbauer, Elektrotechniker, Dachdecker und Zahntechniker haben die Prämie beantragt, in den beiden Kammerbezirken Halle und Magdeburg in etwa in gleicher Stärke. Die Verteilung über das Land reicht von Havelberg bis Hohenmölsen und von Wernigerode bis Wittenberg.

Die Meistergründungsprämie ist ohne Frage ein besonders schönes Existenzgründungsprogramm dieser Landesregierung.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zustimmung von Ulrich Thomas, CDU, und von Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff)

Eine weitere wichtige Weichenstellung erfolgte bei einem sensiblen Thema unserer Zeit, der Unternehmensnachfolge. Meine Damen und Herren! Die Gründergeneration der 90er-Jahre geht nun auf den Ruhestand zu und organisiert die Übergabe. Das ist ein heikles Thema, eines, das vertrauliche und individuelle Beratung erfordert. Der erste Ansprechpartner für so etwas sind bei uns im Lande die Kammern.

Aber auch für die Landesregierung war es wichtig, hierbei ein Zeichen zu setzen. Unternehmensübergaben dürfen nicht an der Finanzierung scheitern; denn anderenfalls stehen sehr schnell Arbeitsplätze auf dem Spiel, die wir im Lande

brauchen, und es fallen Unternehmen weg, die für unser Land vielfältig von Bedeutung sind, als Wirtschaftspartner, als Ausbildungsstätten, als Auftraggeber und, ja, auch als Sponsoren. Wir sollten uns das immer vergegenwärtigen.

Deshalb hat der im April 2017 aufgelegte Nachfolgefonds ein Volumen von 260 Millionen €, mit dem zinsgünstige Darlehen zwischen 25 000 € und 3 Millionen € zur Finanzierung oder Kofinanzierung einer Unternehmensnachfolge ausgereicht werden können. Die ersten 26 Darlehen sind bereits in einer Gesamthöhe von rund 5,2 Millionen € ausgereicht worden.

Meine Damen und Herren! Auch hierbei gehen wir in Sachsen-Anhalt neue Wege im Sinne unserer Wirtschaft und wir unterscheiden uns auch mit diesem Programm von anderen Bundesländern.

Die Landesregierung hat im Bereich der Wirtschaftsförderung die Ärmel hochgekrempelt und hat angepackt, von der Investitionsförderung über die Gründerunterstützung bis hin zum Nachfolgefonds.

Für uns ist wichtig: Die Wirtschaft kann sich auf diese Regierung verlassen. Dies gilt gleichermaßen für Investoren, die wir für Sachsen-Anhalt suchen und gewinnen wollen.

Vor uns liegt nun noch eine ganze Reihe Aufgaben und Herausforderungen. Gestatten Sie mir, dass ich auf einzelne eingehe, wohl wissend, dass sehr schnell der Vorwurf kommen wird, bald dieses, bald jenes noch nicht erwähnt zu haben.

Meine Damen und Herren! Vor einigen Wochen haben wir die Digitale Agenda für das Land Sachsen-Anhalt auf den Weg gebracht. Das Wirtschaftsministerium hat insoweit den Auftrag zur Koordinierung der vielfältigen Aktivitäten der Ressorts der Landesregierung; das steht im Koalitionsvertrag.

Die Digitale Agenda ist für uns der zentrale Leitfaden, um unser Land im Rahmen der und durch die Digitalisierung modern und zukunftsfest umzustellen. An vorderster Stelle steht dabei der Ausbau der Infrastruktur. Spätestens bis zum Jahr 2030 muss es landesweit möglich sein, Daten in Gigabitgeschwindigkeit über Glasfasernetze auszutauschen.

Auch wenn dieser Zeitraum lang erscheint: Das ist ein ambitioniertes Ziel in einem Land mit zum Teil sehr dünner Besiedlung. Es ist von uns bewusst und mit Augenmaß gewählt - Augenmaß, das man übrigens auch anderen, auch einer künftigen Bundesregierung, empfehlen muss, wenn bundesweite Ziele festgelegt werden, in welcher Geschwindigkeit dieser Ausbau erfolgen soll; denn eines ist uns allen sicherlich klar: Dafür brauchen wir eine ganze Menge Geld. Ohne finanzielle Hilfe

von Bund und EU lässt sich dieser Ausbau nicht bewerkstelligen.

Als Zwischenziel wollen wir spätestens bis zum Ende dieser Legislaturperiode dafür sorgen, dass alle Haushalte und Unternehmen mit einem Breitbandanschluss mit mindestens 50 Mbit/s und Unternehmen in Gewerbegebieten mit schnelleren Anschlüssen mit 100 Mbit/s ausgestattet sind. Dafür haben wir 300 Millionen € bereitgestellt, die bis zum Ende des Jahres 2020 investiert werden sollen.

Alle Landkreise, vereinzelt auch Gemeinden befinden sich inzwischen in Breitbandförderverfahren oder haben Anträge auf eine Förderung gestellt. Ich darf Ihnen versichern: Ich werde mich weiterhin entschieden dafür einsetzen, dass diese Förderungen vereinfacht und die Verfahren erleichtert werden.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Aber - in diesem Zusammenhang sei auch nichts beschönigt -: Der aktuelle Versorgungsgrad mit schnellem Internet nach den Kriterien, die ich Ihnen gerade genannt habe, von knapp 51 %, ist nicht zufriedenstellend. Wir wollten hier bis zum Ende dieses Jahres viel weiter sein.

Sind wir ehrlich: Der Koalitionsvertrag von April 2016 sieht die Beseitigung aller „weißen Flecken“ vor. Das war, meine Damen und Herren, vor dem Hintergrund der Breitbandstrategie von November 2015 eine unrealistische Annahme. Es ist auch nur wenig tröstlich, dass das für alle Bundesländer ähnlich gilt. Das Ziel einer 100-prozentigen Netzabdeckung mit 50 bzw. 100 Mbit/s wird bundesweit verfehlt. Es ist - das ist keine Frage - auch nicht gut, wenn die Politik zu große Erwartungen weckt. Deshalb müssen wir an dieser Stelle umsteuern.