Protocol of the Session on December 19, 2017

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der AfD)

Herr Gürth, Sie haben noch die Chance, Ihre Einführungsrede zu verlängern. Der Kollege Lange hat eine Frage. - Diese kann er jetzt stellen.

Nur eine Nachfrage, Herr Gürth: Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie davon ausgehen, dass 1 000 Wölfe in Deutschland leben? - Ich habe jetzt auf die Schnelle versucht, dem mithilfe einer berühmten Suchmaschine nachzugehen. Der aktuellste Artikel, den ich gefunden habe, aus der „Zeit“, war vom November und ging von 160 bis 200 Wölfen in Deutschland aus.

(Alexander Raue, AfD: Sie hatten die fal- sche Suchmaschine! - Weitere Zurufe von der AfD und von der CDU)

- Hallo! Wir sind doch hier in einer gesitteten Debatte und versuchen, uns faktentechnisch anzunähern. Sie werden mir sicher die Quelle nennen können.

Sie haben das Wort.

Vielen Dank für die Anfrage, Herr Kollege. Sie können, wenn Sie etwas Aktuelles nehmen wollen, das Wolfsmonitoring von diesem Jahr nehmen. Darin finden Sie die Zählungen der Länder. Wir haben ein eigenes Wolfsmonitoring durchgeführt und haben auch die Zählungen der anderen Bundesländer, die im gleichen Zeitraum erhoben wurden.

In den Zählungen werden die Rudel und die adulten Wölfe gezählt. Was nicht gezählt wird: Was ist mit den Welpen, die abgehen? Was ist mit den Jährlingen, die herumstreifen? Was ist mit den durchstreifenden Wölfen? - Alle, die nicht resident einem Territorium zugeordnet werden können, muss man noch dazurechnen. Damit kommen Sie auf eine sehr große Anzahl. Das sind noch keine 1 000, deshalb habe ich auch gesagt, wir werden bald 1 000 haben; das können Sie auch so im Wortprotokoll nachlesen. Das ist die Größenordnung, die wir vielleicht schon im nächsten Jahr erreichen werden. Jetzt haben wir eine Größenordnung von etwa 700 Wölfen, mit der

jene, die damit arbeiten, in Niedersachsen, Sachsen und Brandenburg und Sachsen-Anhalt handeln.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Genau so ist es!)

Das Wolfsmonitoring ist eine sehr gute Quelle, und es ist nachlesbar, wie die Zählung zustande kommt und ob es eine C1- oder eine C2-Meldung ist. Wenn Sie das alles hinzuzählen, kommen Sie schon jetzt auf diese Zahlen. Ich denke, es lohnt sich nicht, darüber zu streiten, ob es 1 000 oder 700 sind. Fakt ist, dass wir schon jetzt in Deutschland mehr als die doppelte Anzahl von Wölfen wie Schweden haben, obwohl wir eine zehnfach höhere Bevölkerungszahl haben.

Wenn wir wollen, dass große Spitzenprädatoren bei uns unbehelligt und ohne Wilderei ihren Raum und ihre Lebensmöglichkeiten in den Habitaten Deutschlands finden, dann brauchen wir gerade in einer Demokratie, für die wir ja antreten, Akzeptanz. Wenn wir die Sorgen, die jetzt geäußert werden, die wirtschaftliche Not, die teilweise entstanden ist, sowie die Schäden in Forst- und Landwirtschaft nicht ernst nehmen und darauf nicht eingehen und zu einem Wolfsmanagement kommen, das sich in anderen Ländern offensichtlich über Jahrzehnte bewährt hat, wird uns die Akzeptanz wegrutschen. Das will die CDU-Fraktion nicht. Deswegen - -

Herr Gürth, die Sache mit der Verlängerung der Redezeit war jetzt nicht so wortwörtlich gemeint.

(Heiterkeit)

Herzlichen Dank. - Damit können wir die Debatte einsteigen. Für die Landesregierung spricht die Ministerin Frau Prof. Dr. Dalbert. Bitte sehr.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Anlass für die Große Anfrage und für zehn Kleine Anfragen der CDU in diesem Jahr ist die Wiederbesiedlung Sachsen-Anhalts durch den Wolf.

(Zuruf von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

Die Fraktion der CDU thematisiert in ihrer Großen Anfrage die Bestandsentwicklung der Wölfe, die wissenschaftlichen Grundlagen, die Datenerhebungen, die Frage von Aufwand und Kostentransparenz, die Herkunft und den genetischen Austausch, außerdem Krankheiten und Gefahrenabwehr, Artenschutz, Tierwohl und Habitatbeeinflussung sowie Kooperation, Koordination und länderübergreifende Zusammenarbeit.

Der Wolf genießt einen hohen internationalen Schutzstatus. Für die Zukunft des Wolfes in Deutschland ist entscheidend, ob es uns gelingt, seine gesellschaftliche Akzeptanz zu erreichen. Das erfordert einerseits die Vermittlung von Verhaltensregeln in Wolfsgebieten, andererseits aber auch einen Interessenausgleich mit den Bewohnern und Bewohnerinnen des ländlichen Raumes, mit Weidetierhalterinnen und Weidetierhaltern sowie der Jägerschaft.

Die Zahl der sich in Sachsen-Anhalt ansiedelnden Wölfe steigt seit einigen Jahren. Der Wolf erobert sich immer mehr Regionen als Verbreitungsgebiet zurück. Inzwischen gibt es erste bestätigte Nachweise über einen Wolf im Harz. Zu Details verweise ich, wie gesagt, auf die Ihnen vorliegende Antwort auf die Große Anfrage und auf den aktuellen Monitoringbericht 2016/2017, der am 5. Dezember dieses Jahres veröffentlicht wurde. Lassen Sie mich dazu einige Ausführungen machen.

Wir haben im Moment in Sachsen-Anhalt 13 Rudel; elf davon werden auch bundesweit SachsenAnhalt zugerechnet. Außerdem gibt es ein Rudel, das Niedersachsen, und eines, das Brandenburg zugerechnet wird. Aber Wölfe halten sich nicht an Landesgrenzen, insofern haben wir insgesamt 13 Rudel. Diese umfassen insgesamt 81 Einzelwölfe; das sind drei mehr, als im Wolfsjahr 2015/ 2016 beobachtet wurden.

In Sachsen-Anhalt sind eine hohe mediale Präsenz und ein großes Interesse der Öffentlichkeit festzustellen. Zum Beispiel erhalten wir in meinem Hause fast täglich Presseanfragen. Die Menschen sind unsicher und stellen die Sicherheit von Kindern in den Waldkindergärten und von Pilzsuchern in den Wäldern in Sachsen-Anhalt infrage. Dabei kann ich jedoch klar feststellen, dass es seit der Rückkehr der Wölfe noch keine gefährlichen Situationen mit Menschen gegeben hat.

Mit unserer Leitlinie und den darin festgeschriebenen Grundsätzen stellen wir uns der Herausforderung, die die Rückkehr eines Großraubtieres bedeutet. Wir haben uns im Wolfskompetenzzentrum in Iden personell verstärkt, um ein professionelles Management zu gewährleisten, und sind seit September mit fünf Beschäftigten voll einsatzfähig. Ich bin sehr froh, dass es uns gelungen ist, hoch motivierte und kompetente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden, deren Spezialwissen im Wildtiermonitoring und im Wildtiermanagement, in der Rissbegutachtung sowie in der Landwirtschaft und im Herdenschutz die Basis für eine erfolgreiche Arbeit bietet.

(Zustimmung von Dorothea Frederking, GRÜNE)

Alle, die pauschal den Abschuss der Wölfe als Lösung präferieren, verkennen die Realität. Selbst

wenn wir in Sachsen-Anhalt den derzeitigen Bestand als Obergrenze ansehen würden, entbindet uns das doch nicht von der Erforderlichkeit eines guten Herdenschutzes. Strategien, die auf eine Lockerung der Entnahmeregeln abzielen, sind nicht zielführend. Auch wenige Wölfe würden Nutztiere reißen, die nicht oder unzureichend geschützt sind.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜ- NE)

Der Schutz der Weidetiere stellt somit eine große Herausforderung dar; denn wir wollen die artgerechte Weidehaltung, deshalb müssen wir unsere Weidetiere vor dem Wolf schützen. Ganz entscheidend sind dabei die Weiterentwicklung von Herdenschutzkonzepten und -maßnahmen sowie eine langfristige finanzielle Sicherung von Prävention und Schadensausgleich.

So mussten wir im Jahr 2017 feststellen, dass die Annahme, Rinder und Pferde würden nur selten Probleme mit dem Wolf bekommen, hinfällig ist. Vor allem im Landkreis Jerichower Land kam es vermehrt zu Übergriffen auf nicht oder unzureichend geschützte Kälber. Durch die Bereitstellung eines Notfallsets gelang es uns, die aktuelle Serie zu stoppen. Doch das nächste Frühjahr kommt bestimmt!

So haben wir im Rahmen der Weiterentwicklung von Maßnahmen des präventiven Herdenschutzes vor dem Wolf und insbesondere vor dem Hintergrund zunehmender Wolfsübergriffe in bestimmten Gebieten die „Richtlinie Herdenschutz“ aktuell auch auf die Rinderhaltungen hin überarbeitet. Vorgesehen ist eine Erweiterung der geförderten Präventionsmaßnahmen in Einzelfällen auch auf Rinder- und Pferdehaltungen.

In diesem Zusammenhang werden wir noch in diesem Jahr ein Notifizierungsverfahren auf der Grundlage der Rahmenregelungen der EU für staatliche Beihilfen im Agrar- und Forstsektor und in ländlichen Gebieten durchführen, um eine Entschädigung und Präventionsförderung künftig ohne De-minimis-Grundlage zu erreichen.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜ- NE)

Um beim Schutz von Rinderherden praktische Erfahrungen zu sammeln, haben wir ein Pilotprojekt initiiert. Erst letzte Woche erfolgte die Übergabe eines Rappa-Zaunsystems, das mit fünf Strom führenden Blitzen einen hohen Schutzstandard aufweist und praktikabel im Aufbau ist. Dabei wurde in einer Einweisung zum Gebrauch des Systems eine komplette Weide mit den Mitarbeitern der Agrargenossenschaft aufgebaut und auch das Abbauen vorgeführt. Anschließend wurden verschiedene Schlaggeräte und Erdungsmöglich

keiten vor Ort ausprobiert und Messungen am Zaun durchgeführt. Das System findet in diesem Betrieb großen Anklang, und der Geschäftsführer bedankt sich sehr herzlich für diese Unterstützung.

(Markus Kurze, CDU: Was sagen die Schä- fer, deren Schafe gerissen wurden und die dann heulend vor den toten Schafen ste- hen?)

Wenn es trotz aller Schutzmaßnahmen zu Übergriffen durch den Wolf kommt, müssen diese Schadensfälle zügig bearbeitet werden und der Schadensausgleich schneller erfolgen.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜ- NE)

Um das zu gewährleisten, wurde diese Aufgabe dem ALFF Anhalt übertragen und seit dem 1. Oktober 2017 personell untersetzt. Die betreffende Mitarbeiterin ist aktuell dabei, schwierige Einzelfälle aus dem Jahr 2016 abzuschließen, in denen Nachforderungen zur Bewertung der Nutztiere erforderlich waren.

(Daniel Roi, AfD: Das trauen Sie sich noch zu sagen?)

Der Schadensausgleich erfolgt dabei zu 100 % und orientiert sich an den Vorgaben, die auch im Veterinär- und im Tierseuchenbereich existieren. In Zukunft soll das Antragsverfahren für die Tierhalterinnen und Tierhalter vereinfacht werden und die Bearbeitung der Anträge innerhalb von vier Wochen abgeschlossen sein.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜ- NE)

Im Rahmen der letzten UMK im November 2017 haben die Bundesländer den Bund um die Bereitstellung von zusätzlichen finanziellen Mitteln gebeten, mit denen eine zweckgebundene Beteiligung des Bundes an den Kosten für Maßnahmen der Schadensprävention beim Wolf abgesichert werden kann. Außerdem wurde der Bund gebeten, mit der Europäischen Kommission zu klären, auf welchem Wege die Notifizierung einer Förderung von Präventionsmaßnahmen mit einem Fördersatz von 100 % möglich ist, und der Bund wurde gebeten, für Maßnahmen des Wolfsmanagements eine Öffnung der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz vorzunehmen.

Ich kann Ihnen also versichern, dass wir die Bedenken und Sorgen der Menschen im ländlichen Raum sehr ernst nehmen. Unter der Devise „Beraten, Schützen, Entschädigen“ arbeiten wir mit großem Engagement an einem professionellen Management, um eine gesellschaftliche Akzeptanz für die Koexistenz von Mensch und Wolf zu erreichen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Ministerin, es gibt mehrere Nachfragen. Wir haben da zuerst den Kollegen Harms von der CDU-Fraktion.

Frau Ministerin, welchen Zusammenhang sehen Sie denn zwischen der Ausbreitung des Wolfes und den Veränderungen bei Ausflügen, Wandertagen und Waldkindergärten bei uns im Land? - Wir haben unter dem vergangenen Tagesordnungspunkt gerade über das KiFöG geredet, das uns gemeinsam am Herzen liegt.

Herr Harms, herzlichen Dank für die Frage. Ich habe versucht, in meiner Rede auch darauf einzugehen, dass die Menschen Angst haben. Deswegen ist es gut, dass wir im Wolfskompetenzzentrum in Iden kompetente Ansprechpartner haben. Ich wiederhole hier gern das, was ich an anderer Stelle und auch hier im Hohen Hause schon gesagt habe. Jeden, der Angst hat, in den Wald zu gehen, weil sich der Wolf jetzt wieder im Walde ansiedelt, ob das eine Kindergruppe ist oder ob das eine Seniorengruppe ist, bitte ich sehr herzlich, sich an das WZI zu wenden. Es werden kompetente Mitarbeiter vor Ort kommen und über diese Ängste mit den Menschen sprechen und sie sehr sachlich aufklären.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Harms hat noch eine Nachfrage, wie ich sehe. Bitte.

Frau Ministerin, ist es sinnvoll, dass ein bewaffneter Jäger oder Polizist die Kindereinrichtung beim Projekttag im Wald begleitet?

Nein.