Protocol of the Session on June 1, 2016

(Siegfried Borgwardt, CDU: Das ist eine Kunst, ja!)

Auch in Dessau-Roßlau ist die Situation äußerst schwierig, man könnte auch sagen: prekär. Das Haus ist hinsichtlich seiner Bühne und seiner Kapazität eines der größten Theaterhäuser in Deutschland.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Das ist der größte Wahnsinn!)

Alle Expertinnen und Experten waren sich darin einig, dass dieses Haus schon allein wegen seiner Größe nur als Mehrspartenhaus zu betreiben ist, dass es nur so eine Überlebenschance hat. Man hat in Dessau im Endeffekt zwar alle Sparten erhalten, aber in der Realität sieht es so aus, dass sowohl das Schauspiel als auch das Ballettensemble nur noch aus acht Menschen bestehen. Welche Stücke, bitte schön, soll man mit acht Schauspielerinnen und Schauspielern auf dieser großen Bühne noch aufführen?

Dieses Problem drückt sich natürlich auch in den Spielplänen aus. Am Dessauer Schauspiel gibt es nur noch eine Premiere in der nächsten Spielzeit. Hinzu kommt, dass der Spielplan des Alten Theaters in Dessau erheblich zusammengeschrumpft ist und dass es schlicht und ergreifend keine dramaturgischen Einführungen zu den Stücken mehr gibt. Wie auch, wenn man kein Personal mehr dafür hat?

Ähnlich schwierig ist die Situation in Halle. Hier ist zum Beispiel nach wie vor unklar, wie und mit welchen finanziellen Mitteln man die Reduzierung der Orchesterstellen perspektivisch durchsetzen möchte. Hinzu kommt, dass mit den Kürzungen bei den Theatern und Orchestern durch das Land an allen drei Standorten die kommunalen Träger deutlich höhere Mehrbelastungen haben, um zumindest punktuell die Kürzungen durch das Land zu kompensieren.

Meine Damen und Herren! Es gibt doch eigentlich Einigkeit zwischen unserer Fraktion und der Koalition, was die Bewertung der finanziellen Situation der Kommunen betrifft. Aber wie kann man auf der einen Seite feststellen, dass die Kommunen im Land chronisch unterfinanziert sind, und sie auf der anderen Seite hierbei - zumindest war es in der Vergangenheit so - zu deutlichen Mehrausgaben zwingen?

Kurzum: Nachverhandlungen wären nicht nur für die Theater und Orchester ein Segen, sie würden

auch die Kommunen in unserem Land erheblich entlasten. Das ist auch ein Sinn und Zweck unseres Antrages.

Um es klar zu sagen: Wir fordern in unserem Antrag Nachverhandlungen für die drei von Kürzungen betroffenen Standorte; wir sagen aber ausdrücklich nicht, dass wir die Ergebnisse dieser Verhandlungen vorwegnehmen wollen. Deswegen lautet unsere Forderung auch nicht, dass die Kürzungen eins zu eins zurückgenommen werden sollen, sondern wir sprechen lediglich von Korrekturen.

Vielleicht findet man während einer solchen Verhandlungsrunde auch noch ganz andere Modelle und Ideen für eine Theaterstruktur in unserem Bundesland, und das nicht per Ansage von oben, durch das Land, sondern im Dialog, im Konsens zwischen Land, Theatern und Orchestern sowie kommunalen Trägern. Das wäre zumindest wünschenswert.

Wir möchten auch, dass in diesem Zusammenhang die Idee eines landesweit agierenden Kinder- und Jugendtheaters geprüft wird. Ich habe nach wie vor die berechtigte Hoffnung, dass auch die Koalition in Sachsen-Anhalt Theater für Kinder und Jugendliche im Blick hat, und hoffe, dass die Koalition die Einschätzung teilt, dass auch ein Kinder- und Jugendtheater mit seiner Ausrichtung auf das Publikum von morgen einen entscheidenden Anteil an der kulturellen Zukunftsfähigkeit unseres Landes hat.

Fakt ist, dass wir in Sachsen-Anhalt kein eigenständiges Kinder- und Jugendtheater mehr haben, seitdem das Thalia in Halle seine Eigenständigkeit eingebüßt hat.

Kurzum: Wir halten es für notwendig, auch diese Debatte zu führen und bei einer gemeinsamen Suche mit Trägern und Theaterleuten nach neuen Strukturen auch diese Intention eines landesweiten Kinder- und Jugendtheaters im Blick zu haben.

Der letzte Punkt unseres Antrages betont die Wichtigkeit der freien Theaterszene als Bestandteil unserer Theaterlandschaft in Sachsen-Anhalt, und das ausdrücklich auch im Bereich freier Kinder- und Jugendtheater.

Was den freien Theatern fehlt, sind flexible Förderinstrumente. Aus unserer Sicht ist es deshalb notwendig, über Spielstättenförderung, höhere Planungssicherheiten, überjährige Fördermöglichkeiten und auch inszenierungsunabhängige Förderungen nachzudenken und diese dann zu realisieren. Wir sprechen ausdrücklich nicht über eine Erhöhung des Etats für die freien Theater, sondern explizit über eine Änderung der derzeitigen Förderbedingungen.

Meine Damen und Herren! Die Kenia-Koalition hat hier die Chance, Fehler aus der vergangenen Legislaturperiode zu korrigieren und von Beginn an auf einen konstruktiven Dialog mit den Kulturschaffenden des Landes zu setzen. Im Interesse derer bitte ich Sie im Namen meiner Fraktion, diesen Dialog jetzt und offensiv zu führen. Deshalb werbe ich um Zustimmung zu unserem Antrag. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Abg. Gebhardt, ich bedanke mich für Ihre Rede. - Als Nächster spricht für die Landesregierung Herr Staatsminister Robra.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Theaterlandschaft in Sachsen-Anhalt ist maßgeblich von Peter Sodann geprägt worden. Deshalb möchte ich die Gelegenheit nutzen, auch hier im Hause, ihm im Anschluss an die persönlichen Glückwünsche, die ihm der Ministerpräsident für die Landesregierung schon überbracht hat, herzlich zu seinem 80. Geburtstag zu gratulieren. Ich wünsche ihm Gesundheit, Glück und Gottes Segen.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Der Antrag der Fraktion DIE LINKE gibt mir Gelegenheit, über ein Thema zu sprechen, das der Landesregierung und auch mir persönlich wichtig ist. Allerdings teile ich die Mehrzahl der im Antrag vertretenen Positionen so nicht.

(Stefan Gebhardt, DIE LINKE: Zum Antrag!)

Deshalb begrüße ich, dass die Regierungskoalition einen Änderungsantrag eingebracht hat. Aus der Sicht der Landesregierung sind Nachverhandlungen bei den von Kürzungen betroffenen Theatern in Dessau, Eisleben und Halle nicht notwendig; denn an allen drei Standorten werden die zu den Zuwendungsverträgen gehörenden Sanierungs- und Strukturkonzepte bereits tatkräftig umgesetzt. Über die jeweiligen Stände und etwaige Probleme werde ich mich von den Beteiligten sehr bald unterrichten lassen und dann am Ball bleiben, und zwar auch dialogorientiert, Herr Gebhardt, das wissen Sie. Das kennen Sie von anderen Gebieten, das mache ich immer so und das tue ich gern.

Meine Damen und Herren! Es war dezidiert das Ziel des Landes und der Träger, an allen drei Standorten Strukturmaßnahmen einzuleiten und im Vertragszeitraum im Wesentlichen abzuschließen, die sich seit Jahren aufgestaut hatten.

Als nur einen Beleg für die Dringlichkeit und Notwendigkeit möchte ich in Erinnerung rufen, dass

alle drei Theater in den letzten Förderperioden nur über das Instrument der Haustarifverträge „irgendwie“ funktionieren konnten. Diese sind jedoch - das ist, denke ich, unstrittig - künstlerisch unproduktiv und sozial höchst ungerecht. Deshalb war es das Ziel des Landes, generell aus diesem System der Selbstausbeutung auszusteigen.

Insofern ist die unter Punkt 1 formulierte Zielsetzung, durch Nachverhandlungen die langfristige Sicherung des Engagements der Träger sowie der Theater zu erreichen, im Wesentlichen überholt; denn diese Theater befinden sich bereits mitten im ausverhandelten Prozess der Umsetzung der jeweils eigenen Sanierungs- und Strukturkonzepte.

Ich unterstreiche: Ich werde mit allen Akteuren unserer Theater- und Orchesterlandschaft kontinuierlich und intensiv den Meinungsaustausch führen. Mit vielen habe ich dies auch bisher schon praktiziert. Dabei wird es auch um etwaige Umsetzungsprobleme sowie die Fortschreibung und weitere Dynamisierung der aktuellen Verträge nach 2018 gehen, und zwar auch im Hinblick auf die Staatskapelle Halle, deren Probleme mir nicht unbekannt geblieben sind.

Die Notwendigkeit der Einberufung einer formalisierten Theater- und Orchesterkonferenz sehe ich aus mehreren Gründen nicht. Das Thema Perspektive der Theater und Orchester in SachsenAnhalt ist nicht nur im Vorfeld der Vertragsabschlüsse im Jahr 2014 mit allen Beteiligten detailliert und standortkonkret behandelt worden, sondern hat auch im Kulturkonvent den höchsten Stellenwert erhalten. Keine andere Sparte ist dort so intensiv behandelt worden. Das hat so auch im Landeskulturkonzept 2025 seinen Niederschlag gefunden, das insgesamt in Verbindung mit dem Koalitionsvertrag eine gute Grundlage für meine künftige Arbeit ist.

Wie allgemein bekannt ist, hält Sachsen-Anhalt keine eigenen Staatstheater vor. Alle vertragsgebundenen Theater und Orchester befinden sich in kommunaler Trägerschaft. Das Land schützt und fördert, wie es in Artikel 36 Abs. 1 der Landesverfassung heißt, diese kommunalen Kultureinrichtungen. Deshalb würde eine Theater- und Orchesterkonferenz mit der im Antrag der Fraktion DIE LINKE formulierten Zielsetzung auch kaum von den Trägern und den Theaterleitungen akzeptiert werden; denn die Ausgestaltung ihrer Häuser liegt in der kommunalen Selbstverwaltung der jeweiligen Städte. Das ist seit 1990 eine grundsätzliche Positionierung in Sachsen-Anhalt, die als solche auch zu keinem Zeitpunkt zwischen dem Land und den Trägerkommunen streitig gewesen ist.

(Zustimmung von Detlef Radke, CDU)

Überdies ist bei dem intensiven theaterfachlichen Diskurs in den Jahren 2012 bis 2014 auch im Landtag und in seinen Ausschüssen die finanzielle Lage der Theater und Orchester und deren Leistungsfähigkeit sehr genau analysiert worden. Dies war im Grunde sogar der Auslöser für die zugegebenermaßen schwierige Strukturdebatte in jener Zeit, die letztendlich zu der neuen Generation der Theater- und Orchesterverträge in den Jahren 2014 bis 2018 geführt hat.

Ich möchte ausdrücklich sagen: Ich bin dem Kollegen Dorgerloh dankbar dafür, dass er die Verhandlungen mit großer Geduld und viel Übersicht gegen starke Widerstände zu einem Erfolg geführt hat.

Die Begründung des Antrages zu diesem Punkt bezüglich der Entwicklung der Zuschauerzahlen ist überdies nicht zutreffend. Die Einzelbetrachtung zum Anhaltischen Theater Dessau, und dann noch ausschließlich bezogen auf das Jahr 2013, trägt insofern nicht.

Vielmehr hat die Analyse für die Jahre 2012 und 2013 - was unter den Beteiligten ebenfalls nicht streitig ist - ergeben, dass die in den Verträgen aus dem Jahr 2009 und folgende fixierte einzige Erfolgskennziffer „Besucherzahlen“ bis auf wenige Ausnahmen eben nicht erreicht worden ist. Diese Einschätzung wurde auch vom Landesrechnungshof in seinem Prüfbericht 2015 zu den vertragsgebundenen Theatern und Orchestern herausgearbeitet. Deshalb - Sie wissen das - sind in den Verträgen in den Jahren 2014 bis 2018 auch die entsprechenden Anpassungen bei allen Theatern und Orchestern erfolgt.

Ein eigenständiges Kinder- und Jugendtheater kann seitens des Landes im Hinblick auf die kommunale Selbstverwaltung nicht ohne Weiteres errichtet werden. Von einer Errichtung in Trägerschaft des Landes, die nach Artikel 36 Abs. 3 der Landesverfassung theoretisch denkbar wäre, rate ich mehr als dringend ab.

Der theaterfachliche Trend, nicht nur in SachsenAnhalt, ist genau umgekehrt. So wurde bekanntermaßen in Halle im Jahr 2009 das bereits erwähnte Kinder- und Jugendtheater, das Thalia-Theater, als eigenständiges Haus geschlossen und in die Theater, Oper und Orchester GmbH überführt. Dafür gab es nicht nur finanzielle, sondern auch gewichtige fachliche Gründe, so zum Beispiel die engere inhaltliche und personelle Verzahnung mit dem Schauspiel sowie anderen Sparten des Hauses.

Ich erinnere mich auch an eine Analyse aus der damaligen Zeit, nach der andere Häuser im Land mehr Kinder- und Jugendangebote gemacht haben als das seinerzeit eigentlich dafür zuständige.

Gerade weil die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen im Bereich Theater große Bedeutung hat,

sollen sich alle Häuser und die freien Träger sowie die freien Theater dieser Aufgabe widmen, und genau dies geschieht im Land in einer Weise, die sich auch im bundesweiten Vergleich sehen lassen kann. Erinnert sei nur an die mit freien Trägern realisierten Landesprogramme „Kulturelles Lernen an Theater und Schule“ - abgekürzt: KLaTSch! - und „Theater als Schule des Sehens“ - abgekürzt: TaSS -, die bundesweit beachtet werden.

Welch hohen Stellenwert die Landesregierung diesem grundsätzlich richtigen Ansatz beimisst, belegt auch und gerade das Modellprojekt Theaterpädagogik im Land Sachsen-Anhalt 2015/2016, für das landesseitig Mittel in Höhe von 900 000 € bereitgestellt worden sind. Dieses Programm genießt eine außerordentlich positive Resonanz bei allen Beteiligten, also bei Schülerinnen und Schülern, bei Eltern, Lehrkräften, Schulträgern, festen und freien Theatern und besonders bei den Theaterpädagogen im Land. Deshalb planen wir auch, dieses Modellprojekt in den Jahren 2017 und 2018 fortzuführen.

Die Landesregierung wird die Theater in den Oberzentren überdies anregen, ihre Angebote für bzw. mit Kindern und Jugendlichen, die schon in beachtlicher Zahl gemacht werden, noch mehr in die Fläche zu transportieren.

Dass auch die freien Theater ein wichtiger Bestandteil in der Kulturlandschaft Sachsen-Anhalts sind, ist nicht zu bestreiten. Deshalb hat sich das Land auch an dieser Stelle nachhaltig engagiert. So wurden beispielsweise die Mittel in dem entsprechenden Förderbereich schon im Jahr 2013 um 150 000 € auf momentan 512 000 € angehoben. Das ist für ein so finanzschwaches Land auch im Ländervergleich ein ansehnlicher Betrag.

Mit dem Dachverband der freien Theater, dem Landeszentrum Spiel & Theater Sachsen-Anhalt e. V., steht die Landesregierung in einem kontinuierlichen und sehr produktiven Austausch. An dem Modellprojekt Theaterpädagogik sind neben den festen Häusern hälftig - das ist beachtlich - auch freie Theater bzw. freie Theaterpädagogen beteiligt. Der Dachverband LanZe hat die Projektkoordination inne.

Meine Damen und Herren! Insgesamt sichern wir mit alledem nicht nur eine im nationalen Vergleich beachtliche theatrale Abdeckung in der sogenannten Fläche, sondern wir haben als Land auch neue Förderinstrumentarien eingeführt. Das wird auch in Zukunft so sein. Ich werde dabei - das habe ich bereits gesagt und unterstreiche es noch einmal - die Beteiligten frühzeitig und intensiv einbeziehen.

Wie im Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen vorgesehen, werde ich gern im Ausschuss für Bildung und Kultur über den bis Ende 2016 er

reichten Stand berichten. Ich freue mich darauf und danke für die Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Staatsminister Robra, ich bedanke mich für Ihren Redebeitrag. - Als Nächste spricht für die Fraktion der SPD Frau Abg. Prof. Dr. KolbJanssen.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Herr Gebhardt, Ihr kulturpolitisches Fazit teile ich ausdrücklich nicht.