Generalstaatsanwalt Herr Jürgen Konrad und Leitende Oberstaatsanwältin Frau Heike Geyer haben umfangreich Auskunft über die verschiedenen Verfahren und die verschiedenen Entscheidungen im Fall Oury Jalloh gegeben. Im Ergebnis dieser so umfänglichen Beratung und auch zu dem Fakt der Übergabe des Verfahrens von Dessau nach Halle entschieden die Koalitionsfraktionen, dass es für die Notwendigkeit einer Akteneinsicht keinen Anhaltspunkt mehr gibt.
Ich habe großes Verständnis dafür, dass die in der Öffentlichkeit diskutierten Äußerungen der Staatsanwaltschaft Dessau schockierend wirken. Deshalb sage ich deutlich: In diesem, wie bisher alle Redner betont haben, dramatischen Fall, der auch für das Ansehen von Sachsen-Anhalt sehr wichtig ist, darf es keine offenen Fragen geben.
Um mögliche Widersprüche aufzuklären, wollen wir daher mit unserem Alternativantrag die Einsichtnahme der Akten ermöglichen. Die Koalitionsfraktionen haben ihren Alternativantrag auch mit unserem Gesetzgebungs- und Beratungsdienst besprochen; die Möglichkeit dessen ist uns bestätigt worden. Ich betone an dieser Stelle: Es ist ausdrücklich auch unser politischer Wille.
Ich möchte an dieser Stelle aber auch betonen: Wir, das Parlament, können keine Vorverurteilung und erst recht keine Rechtsprechung vornehmen. Die juristische Aufarbeitung muss bei der Justiz bleiben. Es gilt weiterhin der Grundsatz der Gewaltenteilung. - Vielen Dank.
Ich sehe keine Fragen. Deswegen kommt als Nächster für die AfD-Fraktion der Abg. Herr Lehmann zu Wort.
Bevor Herr Lehmann beginnt, begrüßen wir ganz herzlich Schülerinnen und Schüler der Grimm-Sekundarschule in Calvörde auf unserer Besuchertribühne. Herzlich willkommen!
Zu Beginn möchte ich erinnern an die gestrige Erklärung des Abg. Detlef Gürth zum Bereich Recht und Justiz. Der Erklärung - muss ich sagen - zolle ich großen Respekt. Damit möchte ich heute einsteigen.
Ich finde, die Anträge der LINKEN im Bereich Justiz sind von Doppelmoral durchsetzt. Wir debattierten bereits über Angriffe auf Justizstaatssekretär Herrn Böning und auf Ministerin Frau Keding, denen vorgehalten wird, dass sich die Politik in unerträglicher Weise in den Bereich der Justiz und in laufende Verfahren einmische, obwohl es hierbei lediglich um eine Beschleunigung eines Termines zu einem Verfahren ging.
Andererseits mischt sich DIE LINKE - und die GRÜNEN teilweise mit - seit 13 Jahren brühwarm in den Fall Oury Jalloh ein und hackt darauf herum und versucht, das Verfahren so weit zu beeinflussen, wie es politisch nur geht.
Ich muss sagen, das erinnert mich ganz stark an die früheren Zustände in der DDR, als ein 1. SEDKreissekretär beim Chef eines Volkspolizeikreisamtes oder beim Leiter eines Kreisgerichtes angerufen hat - diese standen dann am Telefon schon stramm - und auf den Bereich der Justiz in der DDR politisch Einfluss genommen hat.
Wir hatten am 10. November 2017 eine Sitzung des Ausschusses für Recht, Verfassung und Gleichstellung. Daran haben wir alle teilgenommen, auch die Vertreter der Medien waren dabei. Die Vertreter der Justiz haben mit einer stoischen Ruhe und Sachlichkeit immer wieder dieselben Fragen der LINKEN und der GRÜNEN beantwortet. Das habe ich bewundert.
Ich weiß nicht, woher nach dieser Sitzung des Rechtsausschusses dann diese Berichterstattung gekommen ist. Wahrscheinlich haben alle Medienvertreter und auch die Vertreter der LINKEN und der GRÜNEN während der Ausschusssitzung geschlafen und sind erst danach wach geworden und haben dann irgendetwas berichtet.
Dort wurde auch erwähnt, dass Oury Jalloh mit 2,8 ‰ in der Zelle gelandet ist und auch Kokain - im Volksmund: Koks - bis zum Anschlag im Blut hatte. Es wurde in seiner Lunge Ruß festgestellt, das heißt, dass er zum Zeitpunkt des Brandes noch gelebt hat. Ich weiß nicht, woher dann diese Behauptung kommt, dass er schon vor dem Brandausbruch in der Zelle getötet worden sein müsse. Diese Berichterstattung ist verantwortungslos und spottet jeder Beschreibung.
Von Frau Geyer wurde deutlich gemacht, dass nach dem Brandalarm selbst ein sprintender Polizeibeamter Oury Jalloh nicht hätte retten können. Trotzdem wurde dieser Beamte wegen unterlassener Hilfeleistung mit Todesfolge verurteilt. Diesbezüglich frage ich mich: Gilt für diesen Polizeibeamten nicht auch der Grundsatz „in dubio pro reo“? - Anscheinend nicht.
In diesem Fall muss ich klar und deutlich herausstellen: Wir haben noch immer eine unabhängige Justiz und eine von der Politik mehr oder weniger entkoppelte Polizei. Dessen sollte sich jeder Polizeibeamte, jeder Richter und jeder Staatsanwalt bewusst sein.
Wir, die Polizisten, sind auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung vereidigt worden und nicht auf irgendwelche Parteibücher, geschweige denn Politiker. Das scheinen einige zu vergessen; denn wir stellen ein unverschämtes Hineinlangen von linker und grüner Politik in rechtsstaatliche Ermittlungsprozesse fest. Das ist völlig fehl am Platze. Sie unterstellen laufend, dass Polizei, Staatsanwälte und Richter in diesem Land kriminell und korrupt seien. Das ist eine Frechheit.
Nach meiner Auffassung müsste die CDU diesbezüglich etwas mehr Courage zeigen und sich klar zu ihrer Justiz und zu ihrer Polizei positionieren. Deshalb wird die AfD-Fraktion beide Anträge ablehnen. - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Vorab ein Satz zur Klarstellung dessen, was Kollegin Quade hier vorgetragen hat: Es gibt keine Forderung aus den Reihen der Koalition nach einem parlamentarischen Unterausschuss. Es gibt auch keinen Beschluss meiner Partei dazu. Das wäre auch verfrüht; denn wir arbeiten die Dinge eines nach dem anderen ab. Deswegen legen wir Wert auf Aktenvorlage. Nur das ist Gegenstand des heutigen Antrages und der heutigen Debatte.
Zum Gegenstand selbst. Unstrittig ist: Oury Jalloh starb in einem sachsen-anhaltischen Polizeirevier. Das ist sicher. Ob er dort durch die Hand von Dritten, durch einen Polizeibeamten des Landes, starb, ist bis heute unklar. Über Jahre hinweg verfolgten Ermittler die These, er habe sich selbst angezündet. Das scheint weiterhin möglich, aber es stehen eben auch andere Thesen im Raum.
Die Untersuchungen zum Todesfall lassen nach fast 13 Jahren keinen eindeutigen Schluss zu, was in Zelle Nr. 5 geschah. Das muss uns alle betroffen machen.
Was wir sicher wissen, ist: Ein Polizeibeamter des Landes wurde wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe verurteilt. Deswegen gilt hierbei nicht mehr der Grundsatz „im Zweifel für den Angeklagten“. Hierfür gilt eben nicht mehr die Unschuldsvermutung, Herr Lehmann.
Einige Polizisten haben in den Jahren erfolgloser Ermittlungen gelogen und falsch ausgesagt. Die diesbezüglichen Einlassungen des Richters Steinhoff sind sehr nachdrücklich. So wurde Aufklärung aktiv verhindert.
Durch den Tod Oury Jallohs und die fehlende Aufklärung der Umstände des Todes hat das Land Sachsen-Anhalt Schuld auf sich geladen. Wir GRÜNE erwarten eine Entschuldigung der Landesregierung bei der Familie von Oury Jalloh und seinen Freundinnen. Eine Entschädigung der Familie wäre ein Signal dafür, dass ein solcher Tod nicht folgenlos bleibt, insbesondere da Frau Ministerin heute leider mehr über Verfahrensfragen als über Inhalte gesprochen hat.
Dem Staat kommt mit der Ingewahrsamnahme von Menschen eine besondere Fürsorgepflicht zu; er hat im Gewahrsam für deren gesundheitliches Wohlergeben zu sorgen. Dieser Pflicht ist der Staat im Fall Oury Jalloh nicht nachgekommen. Der Tod eines Menschen in staatlicher Obhut, insbesondere infolge eines Brandes, bedarf einer gründlichen Aufklärung.
Wir müssen nach 13 Jahren einsehen, dass die Instrumente der Strafprozessordnung im Fall des Todes von Oury Jalloh zu kurz gegriffen haben. Wenn einige Polizeibeamte offensichtlich lügen und objektive Beweismittel fehlen, wird Aufklärung unmöglich.
Im Fall der inzwischen eingestellten Ermittlungen um den Tod von Oury Jalloh ist durch Angehörige Rechtsmittel eingelegt worden, ist Beschwerde eingelegt worden. Wir gehen davon aus, dass die zuständige Generalstaatsanwaltschaft diese Beschwerde eingehend und gewissenhaft prüfen wird.
Wir müssen für Transparenz sorgen und jeglichem Eindruck entgegentreten, es gäbe noch offene Fragen. Der Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung des Landtages wird sich erneut mit dem Fall Oury Jalloh befassen, um unter Berücksichtigung der im Antrag aufgezählten Akten politische Schlussfolgerungen zu ziehen.
Klar ist aber auch: Es kann nicht um Nebenermittlungen gehen. Der Landtag kann kein Strafverfahren ersetzen - und will das auch nicht - und er ist keine Superrevionsinstanz. Einen solchen Eindruck dürfen wir nicht einmal im Ansatz erwecken. Die Sachaufklärung obliegt weder dem Landtag noch dem Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung. - Danke.
Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe mich nur deswegen zu Wort gemeldet, weil ich diese Verfahrensweise langsam unerträglich finde. Sie haben zum einen festgestellt, Frau Lüddemann, dass es nicht möglich ist, die Sache eindeutig aufzuklären. Das kann man im Protokoll nachlesen. Sie haben damit begonnen, dass Sie das gesagt haben,
- eben -, es gibt keine Eindeutigkeit. Wenn man als Jurist unterwegs ist, weiß man eines genau: Bevor man jemanden eines Mordes bezichtigen und überführen kann, muss zur Gewissheit des befassten Gerichts feststehen, dass der Betreffende diese Schuld auf sich geladen hat. Das konnte das Gericht bislang nicht feststellen. Noch nicht einmal in der Vorstufe konnte die Staatsanwaltschaft zu ihrer eigenen Gewissheit feststellen, dass hier ein vorsätzliches oder fahrlässiges Tötungsdelikt begangen wurde. Das konnte man nicht eindeutig feststellen.
Wenn es so ist, dass diese Fragen offen sind, dann betreibt man hiermit eine unzulässige öffentliche, medienwirksame Kampagne, um die Verfahren noch zu beeinflussen. Denn das Verfahren ist ein laufendes Verfahren, das hat die Justizministerin völlig zu Recht festgestellt. Darauf wird öffentlich massiv Einfluss genommen. Das ist für die Rechtmäßigkeit der Justiz unerträglich.