Protocol of the Session on November 24, 2017

(Beifall bei der LINKEN)

Weil ich noch aus den vergangenen Debatten den Vorwurf der Effekthascherei im Ohr habe: Innerhalb einer Woche von „Wir sind umfassend informiert worden und brauchen keine Akten“ zu „Wir wollen einen Untersuchungsausschuss“ zu kommen, auch das, liebe Kollegen von den GRÜNEN, ist eine Wendung, die man erst einmal hinbekommen muss.

(Beifall bei der LINKEN)

Ja, politische und juristische Aufarbeitung ist notwendig. Und nein, diese Forderung ist kein unzulässiger Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz.

Es ist für meine Fraktion nicht hinnehmbar, dass trotz der vielen Widersprüchlichkeiten, trotz der offenbar eben doch mehrheitlichen Gutachterauffassungen, die für Tod durch Fremdeinwirkung sprechen, und trotz der Zweifel am zentralen Beweisstück Feuerzeug einem Mordverdacht, der sich noch dazu gegen Polizisten richtet, nicht nachgegangen werden soll.

Es sind diese Widersprüche und nicht die böse Absicht, die dazu führen, dass der Aufklärungswille seitens der Justiz in Sachsen-Anhalt nicht ausreichend erkennbar ist.

Wenn Aufklärung in Sachsen-Anhalt nicht möglich ist, dann muss sie außerhalb Sachsen-Anhalts passieren,

(Beifall bei der LINKEN)

beispielsweise mithilfe eines Sonderermittlers, beispielsweise mithilfe einer unabhängigen Untersuchungskommission. So beschämend es ist, das festzustellen, so notwendig bleibt es auch.

Wer jetzt sagt, es geht nicht, dass aus den Akten, die wir uns als Abgeordnete vertraulich ansehen

wollen, von Journalisten öffentlich berichtet wird, dem sage ich Folgendes: Ohne die Berichterstattung von Journalisten wüssten wir nichts über die eklatanten Widersprüche zwischen den Akten und den Aussagen im Ausschuss.

Ohne das jahrelange Engagement der Initiative Oury Jalloh hätte es keine neuen Gutachten gegeben, die zu den aktuellen Erkenntnissen geführt haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Und ja, auch das ist ein Skandal. Es ist ein weiterer Skandal, Frau Ministerin, zu dem Sie endlich etwas sagen müssen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Quade, warten Sie bitte. Ich habe zwei Wortmeldungen, die erste von Herrn Poggenburg.

(André Poggenburg, AfD: Kurzintervention!)

- Eine Kurzintervention. Dann haben Sie das Wort.

Werte Abg. Frau Quade! Zum gefühlt hundertsten Mal wird das Thema Oury Jalloh mittlerweile aufgemacht. Es ist ein absolut trauriges Thema. Darin sind wir uns, glaube ich, alle einig. Es ist traurig, was damals geschehen ist. Ich habe mit dem Abg. Lehmann im vorigen Jahr auch an der Demonstration zum Jahrestag teilgenommen

(Mario Lehmann, AfD: Machen wir wieder!)

und muss ganz ehrlich sagen, was hier gemacht wird, pausenlos darauf herumzureiten, das ist nichts anderes als Leichenfledderei zu Propagandazwecken. Merken Sie sich das!

(Beifall bei der AfD)

Herr Striegel, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Kollegin Quade, ich will Sie an einer Stelle gern darauf hinweisen, dass es eine Ungenauigkeit, eine Unschärfe in Ihrer Argumentation gibt. Danach habe ich noch eine Frage.

Erstens. Es gab nicht die Forderung aus der Koalition, sondern es gibt die Forderung aus meiner Partei, einen solchen Untersuchungsauftrag zu unterstützen. Ich finde, das ist durchaus ein wichtiger Unterschied.

Zweitens. Eines ist mir wirklich nicht klar ist; deshalb habe ich noch eine Frage. Ich glaube, wir beide teilen den Wunsch, dass der Tod von Oury

Jalloh aufgeklärt wird. Ich glaube, wir beide teilen auch den Wunsch, dass dies angesichts der Vorgeschichte in einer sehr transparenten Form passiert und dass Schlussfolgerungen gezogen werden.

Sie machen als LINKE den Vorschlag, dass dies eine internationale Untersuchungskommission

leisten könnte. Ich würde gern von Ihnen wissen, weil mir dies in Ihrer Argumentation fehlt, wie Sie die Rechtsgrundlage gestalten wollen, auf der eine solche Kommission arbeitet. Das würde mich einfach fachlich interessieren, um beurteilen zu können, inwieweit der Vorschlag trägt.

Zu Ihrer ersten Feststellung, Herr Kollege Striegel. Habe ich es richtig im Kopf, dass Sie der parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sind, die Teil dieser Koalition ist? Ist das so?

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Ja!)

Insofern, glaube ich, ist die Äußerung, dass aus den Reihen der Koalition ein Untersuchungsausschuss gefordert wurde, nicht falsch.

(Unruhe bei der CDU)

Es mag sein, dass Sie erst von Ihrer Partei dazu bewogen werden mussten, das zu tun.

(Eva Feußner, CDU: Es gibt aber keinen Beschluss dazu! - Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Es ist trotzdem falsch!)

Aber das ist Ihre Sache.

Zum Zweiten. In der Tat - damit haben Sie recht - gibt es eine Reihe von ungeklärten Fragen dazu, wie Aufarbeitung laufen kann. Ich habe auch keine abschließende Antwort darauf, wie eine Rechtsgrundlage für eine internationale unabhängige Kommission, wie sie die UN fordert, aussehen kann.

Worum es uns geht - nicht mehr haben wir hier in unserem ersten Antrag beantragt -, das ist ein Votum für eine solche Notwendigkeit von Aufklärung. Dies wäre ein Signal gewesen, das der Landtag hätte aussenden können. Sie haben mit einer Beschlussempfehlung immer noch die Chance, das zu tun, um klarzumachen: Wir haben Verantwortung, wir haben ein Problem und wir haben den Wunsch nach Aufklärung.

Wenn das vorhanden ist, dann regeln sich auch die anderen Fragen. Im Moment fehlt es am Willen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich wollte nur noch kurz bemerken: Wir hatten uns im Ältestenrat auf eine Dreiminutendebatte ver

einbart. Ich hielte es für eine ausgewogene Geschichte, wenn wir bei den Rednern und denjenigen, die intervenieren wollen, pro Fraktion einen zuließen. - Das war jetzt eine Bemerkung Ihnen gegenüber.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Sehr gute Idee!)

Jetzt treten wir in die Dreiminutendebatte ein. Zunächst hat die Ministerin Frau Keding das Wort. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben den Feuertod von Oury Jalloh auch in der letzten Landtagssitzung besprochen. Ich habe dort schon ausgeführt, dass ein Tod im Gewahrsam der Polizei immer besondere Aufmerksamkeit verdient und jeglichen Ermittlungsansätzen nachzugehen ist, die hierfür erfolgversprechend sind.

Zum Stand des Ermittlungsverfahrens wegen des Feuertods von Oury Jalloh haben Herr Generalstaatsanwalt Konrad und Frau Leitende Oberstaatsanwältin Geyer den Mitgliedern des Ausschusses für Recht, Verfassung und Gleichstellung in öffentlicher Sitzung am 10. November 2017 Rede und Antwort gestanden.

Den Ausschussmitgliedern wurde dabei der aktuelle Sachstand in allen den Todesfall Oury Jalloh betreffenden Straf- und Ermittlungsverfahren umfassend erläutert. Anschließend verhandelte der Ausschuss über ein Aktenvorlageverlangen, das allerdings im Ergebnis nicht erhoben wurde. Nunmehr beschäftigt sich auch unter dem Eindruck der medialen Berichterstattung der Landtag mit den vorliegenden Anträgen. Dazu ist Folgendes auszuführen:

Zum einen ist das Strafverfahren noch nicht abgeschlossen. Der Generalstaatsanwalt ist berufen, über Beschwerden gegen die Einstellung nach näherer Maßgabe von § 172 der Strafprozessordnung zu entscheiden. Bliebe dieser Rechtsbehelf ohne Erfolg, stünde den engsten Verwandten Oury Jallohs das Recht zu, die staatsanwaltschaftlichen Entscheidungen im Wege des sogenannten Klageerzwingungsverfahrens von einem Strafsenat des Oberlandesgerichts Naumburg überprüfen zu lassen.

Zum anderen enthalten die umfangreichen Verfahrensakten eine Vielzahl personengebundener Daten. Diese unterliegen jeweils dem aus Artikel 2 des Grundgesetzes hergeleiteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen.

Zu den Grundrechtsträgern zählen neben unmittelbaren Verfahrensbeteiligten auch Dritte, wie etwa Zeugen, Polizeibeamte und Gutachter.

Unabhängig von den vorgetragenen Gründen für eine Akteneinsicht durch Vertreter des Parlaments gilt: Das Aktenvorlagebegehren muss in der von der Verfassung vorgesehenen Form geltend gemacht werden.