Vielen Dank. Es geht einfach nur darum: Ich habe mich auf die Äußerungen des Abg. Herrn Lange bezogen, der ausdrücklich die Äußerungen des Vorredners unterstützt hat. Insofern war meine Zwischenintervention klar auf den Beitrag von Herrn Lange bezogen.
In der Sache will ich jetzt nichts weiter sagen. Das habe ich vorhin getan. Ich fordere nur alle dazu auf, nicht über vergangene oder künftige Jahrhunderte zu philosophieren, sondern sachlich zu argumentieren und Argumenten mit Argumenten zu begegnen. Das wäre mein größter Wunsch. - Danke.
Mögliche Wende im Todesfall des Asylbewerbers Oury Jalloh bedarf juristischer und parlamentarischer Klärung
Vielen Dank. - Herr Präsident. Meine Damen und Herren! Warum ist es notwendig, heute erneut über den Tod Oury Jallohs und über die juristische und politische Aufarbeitung hier im Landtag zu reden? Was ist also neu? Das ist eine berechtigte Frage; denn schließlich war das Einzige, was angesichts der Berichterstattung des „Monitor“Teams und anderer, die Zugang zu den Akten haben, aus dem Justizministerium zu hören war: Es ist doch gar nichts neu. Insofern kann ich verstehen, dass Sie die Frage umtreibt.
Neu, meine Damen und Herren, ist die Erkenntnis, dass die Staatsanwaltschaft, die zwölf Jahre lang das Verfahren bearbeitet hat und die zwölf Jahre lang die These vertrat, Oury Jalloh muss sich selbst angezündet haben, nach Auswertung der neuen Gutachten zum neuen Brandversuch zu der Auffassung kam, dass es so doch nicht gewesen sein muss. Damit wird erstmals seitens der Justiz der von der „Initiative Oury Jalloh“ vehement erhobene und polizeilich rechtswidrig kriminalisierte Verdacht, Oury Jalloh, das war Mord, dadurch bestätigt, dass eine Staatsanwaltschaft entscheidet: Dem muss nachgegangen werden. Es ist ein Ermittlungsverfahren gegen mehrere Polizeibeamte zu führen.
Das heißt nichts weniger, als dass Staatsanwalt Bittmann festgestellt hat, dass er - und mit ihm die Justiz Sachsen-Anhalts - die zwölf Jahre lang vertretene These falsch geführt hat.
Eine zwölf Jahre lang verfolgte Hauptermittlungsthese, nach der sämtliche Untersuchungen und Ermittlungen ausgerichtet waren, erweist sich in seinen Augen als falsch. Wäre das neu für die Staatsanwaltschaft Halle und den Generalstaatsanwalt, hieße das, sie hätten die Akten nicht gelesen. Das hat nie jemand infrage gestellt. Darum geht es überhaupt nicht.
Neu ist dieser Sachverhalt aber für die Öffentlichkeit und in den Details auch für die Abgeordneten. Zumindest für die meiner Fraktion kann ich das sicher sagen, die sich im Rechtsausschuss in der letzten Sitzung sehr intensiv mit dem aktuellen Stand befasst haben; denn das, was „Monitor“ unter Berufung auf die Akten, die Sie, meine Damen und Herren, sich nicht anschauen wollten, berichtet, haben wir trotz der intensiven Befassung und Befragung des Generalstaatsanwaltes und der Staatsanwaltschaft Halle so eben nicht gehört.
Wir haben im Ausschuss gehört, dass die Experten ausgeschlossen hätten, dass größere Mengen von Brandbeschleunigern verwendet wurden. „Monitor“ berichtet - ich zitiere -: Die Experten hatten in ihren Stellungnahmen ausgeführt, dass sich der Zustand der Zelle und des Leichnams Jallohs nach dem Brand nicht ohne Einsatz geringer Mengen von Brandbeschleuniger, wie etwa Leichtbenzin, erklären lasse. Auch sonst deute vieles darauf hin, dass der Brand von dritter Hand gelegt worden sei. - Das, meine Damen und Herren, ist ein wesentlicher Unterschied. Wie erklären Sie uns das, Frau Ministerin?
Die Argumentation im Rechtsausschuss war, dass nur, wenn 100-prozentig ausgeschlossen werden könnte, dass sich Oury Jalloh selbst angezündet habe, weitere Ermittlungen und Untersuchungen Sinn machen würden und auch nur dann möglich und notwendig wären.
Meine Damen und Herren! Wenn man sich die Einschätzung von Wissenschaftlern zu solchen Fällen anschaut, scheint mir das eine Hürde zu sein, die so hoch ist, dass sie überhaupt nicht genommen werden kann, und sie wurde juristisch von der Staatsanwaltschaft Dessau eindeutig anders bewertet. Deshalb hat sie einen Einleitungsvermerk zu einem Ermittlungsverfahren verfasst. „Monitor“ berichtet dazu unter Berufung auf die Akten: „Er“ - gemeint ist Staatsanwalt Bittmann - „hält es demnach für wahrscheinlich, dass Oury Jalloh bereits vor Ausbruch des Feuers mindestens handlungsunfähig oder sogar schon tot war und mit Brandbeschleuniger besprüht und angezündet worden sei. Oberstaatsanwalt Bittmann benennt in dem Brief sogar konkrete Verdächtige aus den Reihen der Dessauer Polizeibeamten.“
Das steht in deutlichem Widerspruch zu dem, was wir im Rechtsausschuss gehört haben. Dort wurde erklärt, die Gutachter würden eindeutig davon ausgehen, dass Oury Jalloh gelebt haben muss, als das Feuer ausbrach. Wie erklären Sie diesen Widerspruch, Frau Ministerin?
Der Generalstaatsanwalt hat gesagt, die Ermittlungen, die der Dessauer Staatsanwalt führen wollte, richteten sich gegen unbekannte Dritte. Später hat er dann gesagt, dass zwar mehrere
Personen benannt sind, aber das nur, um den Anforderungen der Registratur gerecht zu werden, und dass die Nennung dieser Namen ohne jegliche Aussagekraft für deren Tatverdächtigkeit sei. Das würde bedeuten, dass man in Sachsen-Anhalt von einer Staatsanwaltschaft als Verdächtiger benannt wird, ohne verdächtig zu sein. Ist das so, Frau Ministerin? Das wäre absurd. Das müssen wir uns erneut anschauen, und zwar nicht vermittelt durch eine Darstellung, sondern in der Primärquelle.
Schließlich sind es die zeitlichen Abläufe, die erneut Fragen aufwerfen und die nach der Geschichte dieses Falles mindestens hellhörig machen müssen. Der Generalstaatsanwalt hat viel Zeit darauf verwendet zu erklären, dass es doch sehr schwierig gewesen wäre, das Ermittlungsverfahren mit operativen Ermittlungen in Dessau zu führen; denn das hätte ja bedeutet, dass Dessauer Polizisten gegen Dessauer Polizisten ermitteln müssten. Das, meine Damen und Herren, ist eine sehr nachvollziehbare Argumentation.
Sie ist auch nicht neu; im Gegenteil: Sie wurde von Prozessbeobachtern, Journalisten und der Initiative Oury Jalloh seit dem Jahr 2005 geführt, aber von Politik und Justiz stets empört zurückgewiesen als Misstrauensvotum gegen die Dessauer Staatsanwälte, die Polizei und die Justiz im Allgemeinen.
In dem Moment aber, meine Damen und Herren, in dem der Staatsanwalt, der zwölf Jahre lang von Selbstanzündung ausgegangen ist, diese These für weniger wahrscheinlich hält als den Tod durch Fremdeinwirkung, wird, anders als von Dessau beantragt, keine personelle Unterstützung zur Führung der Ermittlungen nach Dessau geschickt und es wird nicht überlegt, wie ein Ermittlerteam zusammengestellt werden könnte, das nicht aus Dessauer Polizeibeamten besteht, sondern das Verfahren wird aus Dessau nach Halle verlagert, wo dieselben Gutachten und Akten geprüft werden, bei denen man aber zu dem entgegengesetzten Ergebnis kommt und nicht einmal ein Anfangsverdacht vorhanden sein soll. Das ist wirklich eine erstaunliche Wendung und es ist eine, die nicht nachvollziehbar ist. Es ist eine, die Sie uns erklären müssen, Frau Ministerin.
All das muss erneut im Rechtsausschuss beleuchtet werden. Dazu ist es zwingend notwendig, sich die Akten anzuschauen, und dazu ist auch notwendig, den Staatsanwalt zu hören, der das Verfahren in Dessau geleitet hat. Um nicht mehr und nicht weniger geht es in unserem Antrag.
Es geht nicht um die Entscheidung eines Gerichtes, die wir mittels Antrag revidieren wollen. Es geht nicht um die richterliche Unabhängigkeit, in die wir eingreifen wollen. In dem Fall reden wir noch nicht einmal über Eingriffe in das Handeln einer weisungsgebundenen Staatsanwaltschaft, sondern lediglich über wahrheitsgemäße, umfassende Information.
Zu sagen, was wir nachvollziehbar finden und was nicht, zu sagen, dass etwas Misstrauen weckt, das ist nicht der Skandal, als den Sie es darstellen wollen. Wenn etwas ein Skandal ist, dann die Tatsache, dass uns offenbar nur Teile der Wahrheit präsentiert wurden. Wenn etwas ein Skandal ist, dann ist es das dröhnende Schweigen der Justizministerin zu diesen Widersprüchen.
Ich sage ganz deutlich für meine Fraktion: So lange die Justiz den Verdacht‚ Oury Jalloh, das war Mord, nicht ausräumen kann, ist es ihre Aufgabe, ihm nachzugehen.
und der muss sich fragen lassen, was er damit eigentlich bezweckt, wenn nicht Aufklärung zu verhindern oder zumindest in Kauf zu nehmen, diesen Eindruck zu erwecken.
Wer sagt, eine Aufarbeitung und eine Aufklärung seien in unserer Rechtsordnung aufgrund der Regularien nicht möglich, der muss doch erst recht dafür sein, dass der Fall Oury Jalloh und die Geschichte seiner verhinderten Aufklärung von einer unabhängigen internationalen Kommission untersucht werden.
Mittlerweile habe ich aus den Reihen der Koalition die Forderung nach einem Untersuchungsausschuss gehört. Deswegen will ich auch dazu etwas sagen. Meine Fraktion ist gewiss die Letzte, die sich einem solchen Vorhaben verweigern wird;
denn ganz klar: Politik in Sachsen-Anhalt kann sich nicht wegducken und so tun, als hätten der Tod Oury Jallohs und die faktische Weigerung von Polizisten, diesen aufzuklären, nichts mit ihr zu tun und als gäbe es nicht die Notwendigkeit politischer Konsequenzen.
Wir könnten mit Stand heute relativ gut einen Untersuchungsausschuss im Bereich Polizei beschreiben, aber auch den nicht vollständig.
Wir sind aber im Moment nicht in der Lage zu beurteilen, wie weit ein Untersuchungsauftrag in Richtung Justiz gehen müsste.
Wir können das nicht, eben weil wir die Akten nicht haben. Wir können damit nicht seriös und umfassend einschätzen, womit wir es jetzt bei den aktuell zutage getretenen Widersprüchen in den Darstellungen zu tun haben, ob es sich um unterschiedliche Interpretationen, Umdeutungen, unzulässige Weglassungen oder sogar um Lüge handelt. Insofern müsste die Ministerin die Allererste sein, die ein Interesse deutlich macht, dieses aufzulösen.