- Erst 18 und dann 15, höre ich gerade. Wir haben noch ein bisschen Zeit; das können wir dann noch klären. - Danke.
Danke schön. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Auf diese gleichermaßen eindeutige wie einfache Formel bringen wortgleich Artikel 83 Abs. 2 unser Landesverfassung und Artikel 97 Abs. 1 des Grundgesetzes das, was wir richterliche Unabhängigkeit nennen.
Dabei ist die durch das Landes- und das Bundesverfassungsrecht gewährte Unabhängigkeit der Richterinnen und Richter kein Standesprivileg. Sie soll vielmehr die ausschließliche Bindung der Richterin oder des Richters an Recht und Gesetz gegen eine sachfremde öffentliche wie nichtöffentliche, aber insbesondere staatliche Einflussnahme
von außen absichern. Denn nur die unabhängige Richterin oder der unabhängige Richter kann die Rechtsschutzgarantie als Kern unseres Rechtsstaates auch tatsächlich gewährleisten.
Richterliche Tätigkeit wird auf verfassungskonforme Weise allein durch den Rechtssatz gesteuert. Im Zentrum der richterlichen Tätigkeit steht, Recht zu sprechen, und zur Ausübung der rechtsprechenden Gewalt, die ausschließlich Richterinnen und Richter übertragen ist, gehören alle Tätigkeiten, die mit der Rechtsfindung in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen. Meine Fraktion teilt die Überzeugung des Richterrates beim Landgericht Magdeburg, das dazu eben auch die Terminbestimmung zählt.
Seit Monaten steht der Vorhalt im öffentlichen wie im parlamentarischen Raum, Justizstaatssekretär Böning habe durch einen am 24. Mai 2017 bei einer Richterin am Landgericht Magdeburg getätigten Anruf mit Billigung oder im Auftrag der zuständigen Justizministerin in rechtlich unzulässiger und verbal übergriffiger Weise in die verfassungsrechtlich geschützte richterliche Unabhängigkeit eingegriffen.
Einzig die Fraktion DIE LINKE hat sich unter Nutzung des parlamentarischen Fragerechts und der Sitzungen des Rechtsausschusses in den vergangenen Monaten konsequent und tatsächlich um Aufklärung bemüht. Allein das Stellen eines Selbstbefassungsantrages, sehr geehrte Damen und Herren der CDU, reicht eben nicht, um für echte Aufklärung zu sorgen; das beruhigt allenfalls das Gewissen.
Man muss dranbleiben sowie für umfängliche Aufklärung sorgen wollen und - das sage ich ganz deutlich - vor allem Betroffenen die Chance geben, sich im Ausschuss äußern zu können bzw. gehört zu werden. Die Landesregierung hat in ihren Antworten auf unsere zahlreichen parlamentarischen Anfragen keinerlei Zweifel aufkommen lassen, dass das Vorgehen von Justizstaatssekretär Böning nicht durch die Verfassung gedeckt oder in anderer Weise übergriffig gewesen sein könnte.
Auch der Umgang der Justizministerin mit dem Vorgang und mit Dienstaufsichtsbeschwerden aus Justizkreisen ist nach der Überzeugung der Landesregierung - ich verweise auf die Antworten der Landesregierung auf Kleine Anfragen in den Drs. 7/1799, 7/1822, 7/2002 und 7/2008 - in keiner Weise zu beanstanden.
Die Koalitionsfraktionen ihrerseits haben unseren Vorhalt entweder brüsk zurückgewiesen oder zumindest erkennen lassen, dass man dem Vorgang
nicht allzu große Bedeutung beimesse und es mit den in der Sitzung am 20. Juni 2017 erteilten Auskünften sein Bewenden haben könne.
Der Bitte der Fraktion DIE LINKE, die am Verfahren beteiligte Richterin am Landgericht Magdeburg und den beteiligten Pressesprecher des Ministeriums in den Ausschuss einzuladen und dort befragen zu dürfen, um nicht nur eine Seite zu hören, trat keine Fraktion bei.
Unverhohlener Beifall wurde der Landesregierung für das Agieren von Justizstaatssekretär Böning durch die AfD-Fraktion gezollt. Die Partei, die noch im Bundestagswahlprogramm forderte, die Justiz müsse entpolitisiert werden, begrüßte im Rechtsausschuss, dass durch ein Justizministerium über ein Mitglied der politischen Führung des Hauses auf eine möglichst frühe Verurteilung hingewirkt worden ist. So ging es seit Monaten.
Und dann, meine Damen und Herren, die überraschende Wende: Meiner Bitte, zur 14. Sitzung des Ausschusses für Recht, Verfassung und Gleichstellung am 10. November 2017 im Interesse einer weiteren Sachverhaltsaufklärung und Bewertung des Vorgangs daran Beteiligte einzuladen, ist durch den Vorsitzenden allein nach Abstimmung mit den Koalitionsfraktionen nicht entsprochen worden, ohne mich auch nur über diesen Verzicht in Kenntnis zu setzen. Deshalb stellte ich dann im Ausschuss den förmlichen Antrag, fünf namentlich benannte Richterinnen und Richter am Landgericht Magdeburg in den Ausschuss einzuladen.
Nach einer Sitzungsunterbrechung erklärte Frau Ministerin Keding im Ausschuss, der Vorgang stelle eine äußerst spezielle Situation dar, eine absolut singuläre Erscheinung. Sie sicherte darüber hinaus zu, ein solches Vorgehen werde sich nicht wiederholen. Dies erklärte sie ausdrücklich unter Hinweis darauf, dass sich dies auch aus der intensiven Diskussion ergebe, in der man sich mit dem Vorgehen des Ministeriums, auch aus Anlass der Dienstaufsichtsbeschwerden und der Kleinen Anfragen, auseinandergesetzt habe. Diese Aussage steht meines Erachtens im offenkundigen Widerspruch zu ihren und den Aussagen des Staatssekretärs im Rechtsausschuss.
Sie steht im offenkundigen Widerspruch zu ihren beiden Bescheiden auf die Dienstaufsichtsbeschwerden des Richterrates beim Landgericht Magdeburg, in deutlichem Widerspruch zu den Antworten der Landesregierung auf unsere Kleinen Anfragen und zu ihrer Öffentlichkeitsarbeit.
verweise auf die Pressemitteilung 24 aus 2017 des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung unter dem Titel „Justizministerium weist Vorwurf der Beeinflussung zurück“. Im Weiteren: Der Staatssekretär hat darauf hingewiesen, dass es in Quedlinburg erhebliche Unruhe gibt. Von einem Elternabend in Quedlinburg hat eine teilnehmende Vertreterin des Ministeriums berichtet, es sei der dringende Wunsch der Anwesenden gewesen, dass die Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Magdeburg nicht erst im August stattfinden möge.
Der Staatssekretär sagte im Ausschuss für Recht und Verfassung am 20. Juni dieses Jahres sinngemäß, er habe sich überlegt, ob es vielleicht angebracht sei, wegen des Verfahrens mit dem Landgericht Magdeburg zu telefonieren.
Er habe sich ganz persönlich versichert, dass das Verfahren in guten Händen sei. Ein Zitat von ihm aus der Sitzung des Rechtsausschusses war in der „Mitteldeutschen Zeitung“ zu lesen: „Was meinen Sie, wie oft ich als Landgerichtspräsident in Braunschweig aus dem Ministerium angerufen worden bin, als die VW-Verfahren anhängig waren?“ - Ich erspare Ihnen jetzt die Reaktionen aus Niedersachsen, die öffentlich bekannt geworden sind.
Außerdem - so ist in der Antwort auf eine Kleine Anfrage in Drs. 7/1799 zu lesen - habe er die Richterin in freundlichem, kollegialem Ton gebeten, zu prüfen, ob nicht mittels eines kollegialen Gesprächs mit dem zuständigen Richter die Möglichkeit bestünde, das Verfahren zu beschleunigen.
Dem steht die Aussage der Richterin am Landgericht gegenüber - ebenfalls in einer Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage, in der Drs. 7/1799 wiederzufinden. Die Richterin am Landgericht hat in einer dienstlichen Äußerung vom 14. August ausgeführt, sich an die genaue Wortwahl des mit dem Staatssekretär vormittags geführten Telefonats nicht mehr erinnern zu können. Sie hat vermerkt, dass der Staatssekretär am 23. Mai um 16:23 Uhr vergeblich versucht hat, sie zu erreichen, und zu Beginn des Telefonats angespannt gewesen sei. Er habe mehrfach ausgeführt, dass er wisse, was die richterliche Unabhängigkeit sei. Anschließend habe er eröffnet, dass er wegen des Verfahrens gegen Paul G. anrufe, wobei ihm der geplante Verhandlungstermin bekannt gewesen sei.
Der Staatssekretär habe zur Gefährlichkeit des Angeklagten und der besonderen Bedeutung des Verfahrens länger in einem geschäftigen, jedoch nicht unsachlichen Ton ausgeführt, und nachdem sie dem Staatssekretär erwidert hatte, dass sie nicht einmal wisse, mit wem sie sprechen könne,
„Sie wollen mir doch nicht ernsthaft erklären, dass Sie am Landgericht keine Vorsitzenden oder Stellvertreter haben, die diese Verhandlung durchführen können. Ich weiß, wie das ist, ich war selbst zwei Jahre Präsident eines Landgerichts.“
Weiter führt sie aus, dies habe er laut und unfreundlich gesagt, sodass sie sich aufgrund der Beharrlichkeit und Schärfe gezwungen gesehen habe, mit Kollegen aus dem Präsidium, dem möglicherweise nach der bevorstehenden Änderung der Geschäftsverteilung zuständigen Kollegen sowie dem seinerzeit noch zuständigen Richter zu sprechen.
Nun die Einlassung der Frau Ministerin im Rechtsausschuss, die ich zu Beginn meiner Rede nannte. Meine Damen und Herren! Man benötigt keine Goldwaage, um zu verstehen, was Frau Ministerin Keding im Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung erklärt hat, der gesunde Menschenverstand reicht völlig aus.
Ich frage Sie, Frau Ministerin Keding: Warum stellt etwas nach Ihrer Einschätzung einen absolut singulären Vorgang dar, was Staatssekretär Böning als „geübte Praxis in Sachsen-Anhalt“ und anderswo - zumindest in Niedersachsen - darstellt? Warum sichern Sie zu, dass sich dieser nach Ihrer Einschätzung absolut singuläre, nach Überzeugung Ihres Staatssekretärs geübte Praxis darstellende Vorgang nicht wiederholen darf, wenn der Anruf doch weder die Verfassung verletzte und deshalb unzulässig gewesen wäre, noch in übergriffiger Weise erfolgte, wie die Landesregierung auf meine Kleinen Anfragen und in Bescheidung der Dienstaufsichtsbeschwerden mitteilte? Wie kann es sein, dass Sie, Frau Ministerin, ausdrücklich betonen, zu diesen Schlussfolgerungen im Zuge Ihrer Befassung mit meinen Kleinen Anfragen und den Dienstaufsichtsbeschwerden des Richterrates gekommen zu sein?
Die Antwort der Landesregierung auf die Anfragen und ihre Bescheide auf die Dienstaufsichtsbeschwerden bieten nicht einmal den Hauch eines Anscheins dafür, es könnte sie im Zuge der Befassung mit den Dienstaufsichtsbeschwerden des Richterrates und der Beantwortung meiner Anfragen die Sorge umgetrieben haben, dass das telefonische Agieren des Staatssekretärs, das nach Erörterung mit Ihnen und in Ihrem Auftrag erfolgte, doch nicht über jeden Zweifel erhaben sein könnte.
entweder nur die Einlassungen Ihres Staatssekretärs, Ihre Pressemitteilung, Ihre Bescheide auf die Dienstaufsichtsbeschwerden und Ihre Antworten auf meine Anfragen einerseits oder nur Ihre Einlassungen im Rechtsausschuss am 10. November 2017 andererseits, nicht aber beides gleichzeitig glaubhaft ist.
Entweder ist ein Vorgehen rechtlich zulässig, findet regelmäßig statt, ist im konkreten Fall auch rechtspolitisch geboten gewesen und maßvoll umgesetzt worden. Dann muss eine Ministerin für Justiz im Interesse ihrer Handlungsfähigkeit darum kämpfen, dass so etwas auch in Zukunft in vergleichbaren Fällen wieder erfolgen wird.
Oder ein Vorgehen ist hinsichtlich seiner verfassungsrechtlichen Zulässigkeit und seiner rechtspolitischen Angemessenheit in Zweifel zu ziehen, und deshalb ist zuzusichern, es werde sich nicht wiederholen. Dann aber kann und darf eine auf die Verfassung verpflichtete Ministerin und eine dem Landtag verantwortliche Landesregierung in ihren Antworten auf Anfragen von Mitgliedern dieses Hauses und in Bescheiden auf Dienstaufsichtsbeschwerden an unabhängige, sich um den Rechtsrahmen ihres Tuns sorgende Richterinnen und Richter nicht in dieser schroffen, selbstgewissen und jeden Zweifel abbügelnden Art und Weise aus jeder Zeile kommunizieren: Alles ist gut, sorgt euch nicht.
Dieser eklatante Beurteilungs- und Bewertungswiderspruch macht mir große Sorgen. Entweder haben Sie, Frau Ministerin, die Anfragen und die Dienstaufsichtsbeschwerden wider besseres Wissen beantwortet, um Ihren Staatssekretär zu halten, oder Sie haben Ihre Erklärung am 10. November im Rechtsausschuss entgegen Ihrer eigentlichen rechtsfachlichen und rechtspolitischen Überzeugung als Ministerin abgegeben, um die Koalitionsfraktionen nach einer Auszeit auf Kurs zu halten, weil sich - das war im Rechtsausschuss deutlich spürbar - auch bei ihnen Zweifel breitgemacht haben.
Welche Deutung zutrifft, können nur Sie auflösen, Frau Ministerin, und ich fordere Sie namens meiner Fraktion und im Interesse der Wahrung der Integrität des Rechtsstaates auf, sich hierzu klar und unmissverständlich zu erklären.