Protocol of the Session on November 23, 2017

Das Haus wiederum bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. Beide Nummern dieses Antrages sind die mindeste Konsequenz, die wir aus dem Vorgang ziehen müssen, um unserer Verantwortung vor der Verfassung gerecht zu werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Eigentlich, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten, wäre wegen des erfolgten Eingriffs in die bundes- wie landesverfassungsrechtlich garantierte richterliche Unabhängigkeit, der sich nach Überzeugung der Ministerin nicht wiederholen darf, und des kaltschnäuzigen Umgangs mit dem Vorbringen aus der Richterschaft - und auch hier aus der parlamentarischen Opposition - eine andere Konsequenz gefragt: namentlich der Rücktritt. Aber diese Verantwortung legen wir ausdrücklich in die Hände des Ministerpräsidenten und der drei Fraktionen, die die Landesregierung stützen, die der Ministerin und ihrem Staatssekretär in den letzten Monaten Glauben schenkten und die Aufklärung der Vorgänge nicht eben gefördert haben. Verantwortung kann nicht geteilt, aber gemeinsam getragen werden. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank für die Einbringung des Antrages. - Ich sehe keine Anfragen, somit hat, bevor wir in die Dreiminutendebatte einsteigen, für die Landesregierung Frau Ministerin Keding das Wort. Bitte, Frau Keding.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Fraktion DIE LINKE thematisiert erneut den Anruf des Staatssekretärs im Ministerium für Justiz und Gleichstellung im Mai 2017 bei einer Präsidialrichterin des Landgerichtes Magdeburg, also einer mit der Verwaltung des Gerichtes betrauten Richterin. Der Vorgang wurde im Rahmen des Selbstbefassungsantrages der CDU-Fraktion im Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung in mehreren Sitzungen eingehend besprochen. Weitere Einzelheiten können den Antworten auf mehrere Kleine Anfragen entnommen werden.

Dem Ausschuss wurden die Akten des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung zu den vom örtlichen Richterrat beim Landgericht Magdeburg erhobenen Dienstaufsichtsbeschwerden zur Verfügung gestellt. Diesen Dienstaufsichtsbeschwerden ließen sich keine Anhaltspunkte für ein gegebenenfalls dienstrechtlich zu würdigendes Fehlverhalten entnehmen. Ich habe aber dem örtlichen Richterrat im Rahmen der Bescheidung der Dienstaufsichtsbeschwerden wiederholt ein Gespräch angeboten, das dieser jedoch nicht wahrgenommen hat.

(Detlef Gürth, CDU: Warum nicht?)

Des Weiteren haben sowohl mit dem Landesrichterrat als auch mit dem Richterbund des Landes

Sachsen-Anhalt Gespräche stattgefunden. Dabei haben wir den Vorwurf gegen den Staatssekretär ausführlich miteinander diskutiert und besprochen. Auch im Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung habe ich in der letzten Sitzung im November deutlich gemacht, dass die dem Anruf zugrunde liegende Konstellation eine singuläre war, die so nicht wieder entstehen wird. Der Selbstbefassungsantrag wurde dann für erledigt erklärt.

Meine Damen und Herren! Ich nutze die Gelegenheit aber gern, um auch hier, im Plenum des Landtages, noch einmal ausdrücklich das Prinzip der Gewaltenteilung zu bekräftigen. Das Prinzip der Gewaltenteilung ist ein tragendes Organisationsprinzip des Grundgesetzes und soll eine rationale und sachgerechte Organisation des Staates gewährleisten. Staatliche Entscheidungen sollen, so das Bundesverfassungsgericht, möglichst richtig, das heißt von den Organen getroffen werden, die dafür nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen verfügen.

Die richterliche Unabhängigkeit steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Gewaltenteilung und wird durch Artikel 97 des Grundgesetzes und § 25 des Deutschen Richtergesetzes gewährleistet.

(Unruhe)

Ein Rechtsstaat ist nur denkbar, wenn unbeteiligte Dritte als Richter oder Richterin die rechtsprechende Gewalt in sachlicher und persönlicher Unabhängigkeit ausüben. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin. Ich sehe keine Anfragen. - Somit steigen wir in die Dreiminutendebatte der Fraktionen ein. Erste Debattenrednerin wird für die SPD-Fraktion die Abg. Frau Schindler sein. Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist eine Selbstverständlichkeit, aber wir bestätigen es an dieser Stelle gern noch einmal: Die richterliche Unabhängigkeit ist ein Grundprinzip der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. So lautet auch der Titel des Alternativantrages der Koalitionsfraktionen, der Ihnen heute vorliegt.

Richterliche Unabhängigkeit bedeutet, dass Richterinnen und Richter frei entscheiden können. Sie sind dem Gesetz und ihrem Gewissen verpflichtet und nur diesen auch unterworfen. Dieses Grund

prinzip muss nicht nur in Erinnerung gerufen werden, sondern es muss auch immer wieder verteidigt werden.

Ich möchte daher wiederholen, was ich bereits im April hier öffentlich gesagt habe: Die richterliche Unabhängigkeit ist im Rechtsstaat das höchste Gut. Es darf keinen Zweifel daran geben, dass die Richter in Sachsen-Anhalt ohne Beeinflussung durch die Regierung verhandeln und urteilen. Ich danke daher auch ausdrücklich Frau Ministerin Keding für die Klarstellung in der letzten Sitzung des Rechtsausschusses.

Für Richterinnen und Richter in diesem Land, die gerade in diesen schwierigen Zeiten eine hervorragende Arbeit leisten, ist dies und war dies ein wichtiges Signal. Ich bitte daher um Zustimmung zu dem Alternativantrag der Koalitionsfraktionen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Abg. Schindler. - Der nächste Debattenredner ist für die AfD-Fraktion der Abg. Herr Höse. Sie haben das Wort. Bitte.

Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete! Richterliche Unabhängigkeit - unverzichtbar für einen Rechtsstaat. Ich muss schon sagen, werte LINKE, ein wirklich vielversprechender Titel. Doch weder hat diese Überschrift viel mit dem Inhalt Ihres Antrages noch mit Ihrer generellen Weltanschauung zu tun.

(Zustimmung bei der AfD)

Ihre massiven und wiederholten Versuche, in und nach richterlichen Entscheidungen, jetzt auch gerade wieder aktuell in den Fall Oury Jalloh, einzugreifen, sind alles andere als Akzeptanz der richterlichen Unabhängigkeit.

(Zustimmung bei der AfD)

Und linker Beifall zu Antifa- oder zu anderen Eingriffen in die öffentliche Ordnung und Sicherheit, zum Beispiel auch in der Stadt Hamburg, zeugen auch nicht gerade von Akzeptanz des Rechtsstaates.

(Zuruf von Eva von Angern, DIE LINKE)

Also, Genossen, mal mein Tipp: Entspannen Sie sich etwas. Was soll jetzt diese überflüssige, hysterische und völlig absurde Geisterjagd? - Ihren Skandal haben Sie doch nur herbeifantasiert. Seit wann beeinflusst eine Frage nach einem Termin und eventuell möglicher Vorverlegung die richterliche Unabhängigkeit?

(Thomas Lippmann, DIE LINKE: Das ist ja ein tolles Staatsverständnis!)

Wenn Sie hierin einen Skandal sehen und sich jetzt zu einem großen Skandalaufdecker aufschwingen, Herr Lippmann - nach Ihrem Verständnis -, warum haben Sie denn nicht in den letzten Jahren zum Beispiel den Wahlfälschungsskandal oder auch den Beraterverträge-Skandal aufgedeckt?

(Kristin Heiß, DIE LINKE: Hallo, hä? - Hei- terkeit und Beifall bei der LINKEN)

Zeit genug, denke ich, hatten Sie allemal dafür. Dazu musste die AfD erst wieder kommen.

(Zustimmung bei der AfD - Unruhe bei der LINKEN)

Es ist unstrittig, dass der Staatssekretär mit keiner Silbe inhaltlich und

(Unruhe bei der LINKEN)

wertend auf den konkreten Fall des Paul G. eingegangen ist. Vielmehr hat er wegen des öffentlichen Interesses, der durchaus nachvollziehbaren Unruhe und sogar Angst bei Quedlinburger Eltern hinsichtlich der Gefährlichkeit des Täters reagiert; denn immerhin handelt es sich nicht um einen Falschparker, sondern um einen gefährlichen Gewaltverbrecher, der jetzt sogar noch in der Nähe von Kindern untergebracht wird.

Hier wendet sich ein Staatssekretär mit einer schlichten Frage nach einem kollegialen Gespräch nicht einmal an den zuständigen Richter des Falles, sondern an eine Richterin, die mit Verwaltungsaufgaben betraut ist. Ein Justizstaatssekretär tut nur seine Pflicht, wenn er im Interesse der gesamten Richterschaft und auch im Interesse des Vertrauens der Bürger, sage ich einmal, in den Rechtsstaat in bestimmten Fällen um eine zeitnahe Bearbeitung bittet.

Um des Koalitionsfriedens willen hat sich nun die Ministerin Keding im Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung notgedrungen, in unseren Augen zumindest, und angeblich demütig für ihren Staatssekretär entschuldigt.

(Jens Kolze, CDU: Das hat die Presse er- zählt!)

- Genau, eben.

(Heiterkeit bei der AfD)

Sie sagen es. Das war in unseren Augen wahrscheinlich für beide etwas peinlich, aber auch vollkommen überflüssig. Vielmehr hätten wir sogar erwartet, dass Sie, Frau Ministerin, klargestellt hätten, dass es sich entgegen der Behauptung der LINKEN nicht um eine Beeinflussung oder um

einen Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit gehandelt hätte.

Ich würde jetzt noch die Gelegenheit nutzen, in 17 Sekunden zum „MZ“-Artikel vom 10. November anzumerken, dass die Qualitätsjournalisten des ehemaligen Zentralorgans der SED-Bezirksleitung Halle doch tatsächlich der Meinung sind, der Fall wurde nur deswegen zu den Akten gelegt, weil die SPD gegen den LINKEN-Antrag zur Richteranhörung gestimmt hätte. Nach deren Informationen, so konnte man lesen, haben die Sozialdemokraten ihre Zustimmung von der Entschuldigung Kedings abhängig gemacht. Ansonsten

Herr Höse, die 17 Sekunden sind schon um.

hätte sich die SPD - zwei Sätze noch - zumindest der Stimme enthalten und der Fall wäre weitergegangen. Dazu kann ich nur sagen, wie kommen die darauf? - Selbst wenn die SPD dagegen gestimmt hätte oder selbst wenn Herr Striegel seiner Lieblingsoppositionsfraktion zugestimmt hätte, wäre der Fall trotzdem berechtigterweise mit 7 : 5 in den Archiven verschwunden.

Die AfD-Fraktion lehnt den Antrag selbstverständlich ab.

(Beifall bei der AfD)

Ich sehe keine Anfragen. Somit spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Abg. Herr Striegel. Sie haben das Wort, Herr Striegel.