Protocol of the Session on November 23, 2017

Eine Umsetzung der Vorschläge der EnqueteKommission bringt unser Bundesland in Sachen direkter Demokratie voran. Wir stärken zugleich auch repräsentativ-demokratische Elemente. Ortschaftsräte in Dörfern bleiben bestehen, Kommunen dürfen in Stadteilen zukünftig Ortschaftsräte bilden, Räte werden bei der Wahrnehmung ihres Mandates gestärkt.

Wir schaffen Rechtssicherheit, wenn es um Informationsrechte für kommunale Mandatsträger geht usw. usf.

Wir sind auf einem guten Weg, die direkte Demokratie auf kommunaler Ebene weiter zu stärken, denn Mitbestimmung in der Demokratie heißt mehr, als alle fünf Jahre den Gang zur Wahlurne anzutreten.

Wir wollen, dass Menschen in unserem Bundesland ihre Stimme nicht abgeben. Wir wollen, dass alle Menschen sich auch zwischen den Wahltagen bemerkbar machen und mitbestimmen können. Und wenn ich sage, alle Menschen, dann meinen wir tatsächlich auch alle Menschen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Wir unterscheiden eben nicht, wer zufällig hier geboren ist oder die deutsche Staatsbürgerschaft hat. Wir wollen alle beteiligen. Bereits existierende Instrumente, wie der Einwohnerantrag oder der Bürgerentscheid, werden attraktiver, bürgerfreundlicher und vor allem bekannter.

Eines der wesentlichen Themen, über die wir in der Enquete-Kommission beraten haben, war sicherlich Nr. 2 Buchstabe f des Einsetzungsbeschlusses: „Sollte eine Veränderung bei dem Zustimmungsquorum zu Bürgerentscheiden vorgenommen werden?“

Im Koalitionsvertrag haben wir festgelegt, dass wir uns an den Bundesdurchschnitt angleichen wollen. Wir empfehlen deshalb, das Zustimmungsquorum von 25 % auf 20 % abzusenken. Mit dieser Empfehlung kommt Sachsen-Anhalt bei direkter Demokratie ein gutes Stück voran.

Wie wird ein Bürgerentscheid attraktiver und bürgerfreundlicher? Und wie kann sich eine Bürgerin oder ein Bürger Gehör verschaffen, wenn er oder sie einen Bürgerentscheid auf den Weg bringen möchte, aber kein Ratsmitglied ist? - Wir schlagen dazu vor, dass alles, was sich um den Bürgerentscheid dreht, in den Räten und in den Ausschüssen öffentlich behandelt werden soll. Wir möchten es den Initianten gern ermöglichen, dass diese ihre Projekte im Rat vorstellen können.

Demokratie bedeutet auch mehr, als sich an einem Bürgerentscheid zu beteiligen. Es bedarf einer umfassenden, leicht verständlichen und objektiven Information im Vorfeld. Die Koalitionsfraktionen empfehlen deshalb, dass die Informationen zum Bürgerentscheid zusammen mit den Wahlunterlagen im Vorfeld auch in einfacher Sprache an alle Bürgerinnen und Bürger verschickt werden sollen. So kann eine frühzeitige objektivere Darstellung der Pro- und Kontraargumente gewährleistet werden. Dieses Faktenheft soll dabei mindestens die Position der Initianten und eine Position des Rates enthalten.

Zum Schluss, meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen, will ich Danke sagen. Mein Dank gilt allen, die konstruktiv an der EnqueteKommission mitgewirkt haben. Insbesondere will ich all den Sachverständigen und Anzuhörenden danken. Ich will aber auch einen herzlichen Dank an die Assistentin unserer Kommission geben, weil ich denke, das hat sie sich mehr als verdient.

Ich will an der Stelle auf eine Frage eingehen, die von der LINKEN angesprochen wurde. Ich bin sehr sehr froh, dass die Landesregierung ihren Bericht zur Evaluierung des KVG noch nicht vorgelegt hat, weil ich glaube, es gebietet der Respekt vor dem Hohen Hause, dass zunächst erst einmal der Bericht der Enquete-Kommission dort zur Kenntnis genommen wird, auch geschaut wird, wie Dinge miteinander zu verschränken sind, um dann zu einem guten Vorschlag, ausgehend von der Evaluation mit Blick auf das KVG, zu kommen.

Wir werden hier miteinander ein sehr gutes KVG machen. Ich freue mich darauf, dass zumindest DIE LINKE angekündigt hat, sich daran konstruktiv zu beteiligen. Wir erleben ja von anderen Teilen der Opposition hier im Hause oft nur Obstruktion und nicht tatsächlich eine konstruktive Debatte. Insofern freue ich mich auf die Debatte zum KVG. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Ich sehe keine Nachfragen. Dann hat der Herr Szarata für die CDU-Fraktion, vorerst zum Abschluss der Debatte, das Wort.

Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Meine Damen und Herren! Die Rede geht jetzt vielleicht in eine etwas andere Richtung. Aber hört man der AfD hier im Landtag oder besser noch auf der Straße beim Wahlkampf zu, dann gewinnt man schnell den Eindruck, dass die in den Parlamenten von den sogenannten Altparteien besprochenen Themen an der Lebenswirklichkeit der Menschen vorbei gehen

(Beifall bei der AfD - André Poggenburg, AfD: Richtig!)

und mehr oder weniger gut bezahlte Zeitverschwendung sind.

Bezogen auf diese Enquete-Kommission muss ich Ihnen allerdings mitteilen, liebe AfD, dass Sie beim Thema „Gut bezahlte Zeitverschwendung“ die etablierten Parteien links - oder in Ihrem Falle eher rechts - noch überholt haben. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Natürlich ist es wichtig, über die Stärkung der Demokratie in unserem Land ausgiebig zu diskutieren. Das stellt gar keiner infrage,

(Zuruf von der AFD: Das ist ja prima!)

insbesondere wenn die demokratiefeindlichen Kräfte links und rechts im Parlament einen Wählerzuwachs erfahren. Allerdings ist es unsinnig, eine Enquete-Kommission zu einem Thema zu initiieren, welches sowieso schon auf der Agenda der Regierung und des Parlamentes steht.

(Zurufe von der AfD)

Denn die Stärkung der direkten Demokratie steht nicht nur im Koalitionsvertrag, sondern wurde mit dem Antrag „Mehr Demokratie wagen“ im Parlament am 27. Oktober 2016 bereits mit Leben erfüllt.

Das bedeutet, dass all das, was wir unter Bindung von Personal, Geld, Zeit und Ressourcen in der Enquete-Kommission ausgiebig diskutiert haben, noch einmal ausgiebig in den Ausschüssen diskutiert wird. Damit haben Sie, liebe Kollegen von der AfD, ein Paradebeispiel dafür geliefert, wie repräsentative Demokratie, bei der man wirklich wichtige Dinge zu entscheiden hat, nicht funktionieren sollte, wenn man sie denn ernst nimmt.

(Zustimmung bei der CDU)

Dass Sie diese nicht unbedingt ernst nehmen, haben Sie spätestens damit bewiesen, dass Sie nicht einmal die festgelegte Zeitschiene im Hinterkopf hatten und zum letzten Termin Ihrer eigenen Enquete-Kommission - peinlicherweise, wie ich finde - Ihren Abschlussbericht noch nicht vorgelegt haben.

(André Poggenburg, AfD: Muss ja auch nicht!)

Man könnte den Eindruck gewinnen, die Stärkung der Demokratie ist Ihnen dann vielleicht doch nicht so wichtig.

Aber genug der Schelte. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich die Koalitionsfraktionen loben, die mit viel Engagement, Kompromissbereitschaft und klugen Ideen dazu beigetragen haben, dass uns heute ein Abschlussbericht vorliegt, der das Land Sachsen-Anhalt, bezogen auf die Einflussmöglichkeiten direkter Demokratie, im bundesweiten Durchschnitt nach vorn katapultieren wird, ohne dabei die Elemente der repräsentativen Demokratie auszuhöhlen.

Zu den einzelnen Punkten wurde bereits viel gesagt. Daher möchte ich nur einen Punkt besonders hervorheben. Besonders meiner Fraktion war es wichtig, dass die Bedeutung der vielen ehrenamtlichen Gemeinderäte und damit auch die Wertschätzung, die sie durch ihr Ehrenamt erfahren, nicht durch zu viel direkte Demokratie entwertet wird oder gar verloren geht. Denn wer sich ehrenamtlich in seiner Freizeit für seinen Ort einsetzt und oft genug dafür nicht nur Lob, sondern auch harsche Kritik bei unpopulären Entscheidungen einstecken muss, der darf nicht Gefahr laufen, dass jede kleine Lobbyvereinigung oder Splitterpartei mit ein paar Unterschriften hart erarbeitete Stadtrats- oder Kreistagsbeschlüsse kippt, ohne sich am Ende der Konsequenzen für die Allgemeinheit bewusst zu sein.

(Zuruf von Daniel Roi, AfD)

Dann braucht man sich nämlich nicht zu wundern, wenn es immer schwieriger wird, für Wahlen auf kommunaler Ebene Kandidaten zu finden.

Da uns das bewusst ist, haben wir neben den vielen guten Änderungen, wie der Absenkung der Zustimmungsquote auf 20 %, die Formulierung in leichter Sprache und die Bereitstellung ausgewogener Informationen bei Bürgerentscheiden, ein besonderes Augenmerk auf den Einwohnerantrag gelegt. Denn dieses Mittel direkter Demokratie, welches viel zu selten genutzt wird - für meinen Geschmack noch viel zu unbekannt ist und für das ich ausdrücklich werben möchte -, gibt den Einwohnern die Möglichkeit, einen Antrag an den Gemeinderat zu richten, über den dann die Gemeinderäte befinden müssen.

Dieser leichte Zugang zur Mitgestaltung stellt somit ein Bindeglied zwischen Rat und Einwohnern her, ohne die repräsentative Demokratie auszuhöhlen. Um dieses Bindeglied noch zu verfestigen, sprechen wir uns in unserem Abschlussbericht ausdrücklich für die Absenkung der Unterschriftenhürde bei Einwohneranträgen von 5 % auf 3 % aus.

Mit den Empfehlungen der Enquete-Kommission stellen wir die Weichen für ein transparentes, bür

gerfreundliches und zukunftsfähiges Kommunalverfassungsgesetz. Ich wünsche mir, dass wir möglichst viele von unseren erarbeiteten Vorschlägen im KVG wiederfinden, und bitte Sie höflichst um Ihre Zustimmung. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD - Eva von Angern, DIE LINKE, steht am Saal- mikrofon)

Frau von Angern hatte sich gemeldet. Herr Szarata, es wäre gut, wenn Sie gleich hier vorn bleiben. - Bitte, Frau von Angern, Sie haben das Wort.

Herr Szarata, Sie sprachen zu Beginn Ihrer Rede davon, dass in diesem Parlament links und rechts von Ihnen die Demokratiefeinde säßen. Ich beziehe meine Frage ausdrücklich auf den Bereich links Ihrer Fraktion, also auf die Mitglieder der SPD-Fraktion, die Mitglieder der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Mitglieder meiner Fraktion. Wer von denen ist ein Demokratiefeind, und wie begründen Sie das?

Frau von Angern, ich möchte darauf ganz vorsichtig antworten und es einfach mal so sagen: In der Koalition, in der ich mich befinde, sitzen keine Demokratiefeinde. Alle anderen können ihre Schlüsse selbst ziehen.

(Eva von Angern, DIE LINKE: Begründen Sie es doch mal! Sie haben eine Äußerung in den Raum gestellt, die eine Frechheit ist! Wie begründen Sie das? - André Poggen- burg, AfD: Frau von Angern, lassen Sie sich ein dickes Fell wachsen! - Beifall bei der CDU)

Ich habe eine Wortmeldung von Herr Roi. Sie können eine Zwischenintervention machen oder eine Frage stellen.

Ich habe mich während der Rede von Herrn Szarata schon gemeldet,

Oh, Entschuldigung.

Herr Präsident, weil ich eine inhaltliche Frage habe.

Herr Szarata, Sie haben in Ihrer Rede gesagt, dass irgendwelche Lobbyvereinigungen und Splitterparteien Beschlüsse von Vertretungen - Sie gehören ja auch einer an - für nichtig erklären können. Das ist völliger Blödsinn und zeigt, dass Sie es nicht verstanden haben; denn wenn ich Unterschriften für ein Bürgerbegehren sammle, dann ist damit, wenn es erfolgreich ist, kein Beschluss zunichte gemacht, sondern dann gibt es erst einmal eine Abstimmung. Dabei sind alle Bürgerinnen und Bürger gefragt.

Wenn Sie hier behaupten, dass durch Unterschriftensammlungen ständig irgendetwas blockiert werde, dann zeigt das, dass gerade Sie überhaupt nicht verstanden haben, was die Elemente der direkten Demokratie sind. Das ist der erste Punkt.

(Beifall bei der AfD)

Der zweite Punkt ist: Sie haben hier gerade - diesbezüglich muss ich Frau von Angern Recht geben - davon gesprochen, dass rechts und links im Parlament Demokratiefeinde säßen. Womit begründen Sie, dass hier rechts im Parlament Demokratiefeinde sitzen? - Das möchte auch ich bitte von Ihnen wissen.

Sie haben das Wort.

Herr Roi, die zweite Frage habe ich eben schon beantwortet. Eine tiefere Begründung können Sie sich selbst denken. Ich möchte gern auf die inhaltliche Debatte zur Enquete-Kommission eingehen.