Protocol of the Session on October 27, 2017

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Ja, mit Kommunalpolitik!)

Ich werde zunächst einige Punkte zu Halle ausführen, soweit das überhaupt in den Möglichkeiten einer Landesregierung liegt, die Sie angesprochen haben, und werde zum Schluss allgemein zum Linksextremismus, den Sie ansprechen, und Anarchie etwas sagen.

Ich will erst einmal auf die Fakten eingehen. Sie führen aus, dass einige Anwohner aus dem Umfeld des in Rede stehenden Objektes Beschwerde führen über Ruhestörungen und andere Ordnungswidrigkeiten, die eben mit der Nutzung dieses Objektes einhergehen.

(Zuruf von Alexander Raue, AfD)

Ich will Ihnen die Zahlen nennen, die uns die zuständige Polizeidirektion Süd dazu berichtet hat. Im Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis zum 23. Oktober dieses Jahres, also sehr zeitgenau, gab es wegen ruhestörenden Lärmes am Objekt 16 polizeiliche Einsätze. Zudem sind sechs Strafanzeigen aufgenommen worden, beispielsweise wegen Sachbeschädigung und Beleidigung. Fakten!

Verfassungsschutzaspekte. Dieses Objekt wird „Hasi“ genannt und das Thema Freiräume bzw. deren Schaffung und Erhalt für deutsche Linksextremisten hat seit Jahren einen hohen Stellenwert. Als Freiräume gelten insbesondere besetzte Häuser, kollektive Wohnprojekte sowie selbstverwaltete sogenannte Jugend- und Kulturzentren. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass linksextremistische Gruppierungen, wie die Offene Antifa Plenum, die Rote Hilfe und die Interventionistische Linke Halle, das „Hasi“ unterstützen.

(Zuruf von der AfD: Richtig!)

Linksextremisten unterschiedlicher Prägung, darunter insbesondere Autonome, reklamieren nach eigenem Bekunden seit Jahren für sich die Schaffung und den Erhalt selbstbestimmter, subkultureller Strukturen und möglichst staatlich unkontrollierter Freiräume sowohl außerhalb des kapitalistischen Systems und seiner Verwertungslogik als auch außerhalb der die sie stützenden gesellschaftlichen Normen und Institutionen. Diese Freiräume seien für sie notwendige Rückzugsräume zur Verwirklichung der eigenen Lebensentwürfe. Sie sind darüber hinaus aber auch Ausgangspunkt antistaatlicher Aktivitäten.

(Zustimmung bei der AfD - Zuruf von der AfD: Richtig!)

Zumindest die Bezüge zur Interventionistischen Linken Halle sowie zur Roten Hilfe e. V. sprechen

für eine linksextremistische Beeinflussung des „Hasi“.

(Zustimmung bei der AfD)

Kommunale Aspekte. Die Stadt Halle hat darüber informiert, dass von der Stadtratsfraktion DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Mitbürger für Halle ein Antrag zum Erwerb der Liegenschaft Hafenstraße 7 gestellt worden sei, und zwar im nichtöffentlichen Teil der Sitzung. Sie wollen also diesen Bereich, über den ich eben berichtet habe, im Stadteigentum erwerben.

(Tobias Rausch, AfD: Die wollen Links- extremismus fördern!)

Die Stadtverwaltung will die politische Willensbildung abwarten; das muss man auch respektieren, weil dort eben auch Artikel 28 des Grundgesetzes in Bezug auf die Selbstverwaltung gilt. Die Stadt hat uns nur versichert, dass die Vorgaben des Kommunalverfassungsgesetzes, also die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, beachtet würden.

In Bezug auf die Entscheidung des Aufsichtsrats der Halleschen Wohnungsgesellschaft zur Verlängerung eines Nutzungsvertrages zwischen der Wohnungsgesellschaft und dem Capuze e. V. kann ich allerdings nur anmerken, dass sich eine solche Entscheidung der Einwirkungsmöglichkeit - Herr Farle weiß das als Rechtsanwalt, ebenso wie ich - der Kommunalaufsicht entzieht. - Das sind die Bestände.

Jetzt will ich einiges allgemein sagen. Wir brauchen in diesem Land weder Rechtsextremismus noch Linksextremismus.

(Beifall bei der CDU und bei der AfD - Zuruf von der AfD: Richtig!)

Linksextremismus und sie unterstützende Strukturen zeichnet eben auch aus, dass sie den Staat nicht akzeptieren und die von ihnen ausgehende Gewalt, weil sie gegen den Repressionsapparat gerichtet ist, immer als gute Gewalt bezeichnen. Sie schaffen dadurch in diesen Bereichen rechtsfreie Räume und zeigen dann der Bevölkerung - man denke nur an den G-20-Gipfel -, dass man in diesem Staat unter Aushebelung des Rechts machen kann, was man will.

Der Bürger aber hat den Anspruch, und zwar zu Recht, auf einen funktionierenden Rechtsstaat. Wir brauchen also keinen Rechtsruck in diesem Land, sondern wir brauchen einen funktionierenden Rechtsstaat.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Aber die Linksextremen unterlaufen dieses und stärken damit wiederum den Rechtsextremismus und stärken damit auch einen Rechtsruck, weil

der Bürger der Auffassung ist, dass Rechtsstaat nicht mehr funktioniert.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der AfD)

Damit ist - unabhängig von der Zahl der Straftaten - für die Stabilität in diesem Land der Linksextremismus genauso gefährlich wie der Rechtsextremismus. Das muss man auch so deutlich sagen.

Es gibt einen Professor der Politikwissenschaften - damals war das ganz neu; es hat eine riesige Aufregung gegeben, als ich das damals zitiert habe; ich sage es dennoch erneut -, der gesagt hat: Die Antifa organisiert die Anti-Antifa. - So ist das. In dem Sinne herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der AfD)

Wir können jetzt in die Zehnminutedebatte der Fraktionen eintreten. Für die SPD-Fraktion spricht Herr Dr. Schmidt. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich keine Zeit verschwenden und gleich auf den Punkt kommen. Dass eine Hausbesetzung und ein Hauskauf in einer Kommune - in dem Falle ein Hauskauf durch eine Kommune - in dieser Weise im Landtag zur Sprache kommen, ist zunächst schlicht und einfach Ausdruck des fehlenden Verständnisses und des fehlenden Respekts für kommunale Selbstverwaltung.

(Zustimmung bei der SPD - Zuruf von To- bias Rausch, AfD)

Diese Debatte gehört in den Stadtrat von Halle und nicht den Landtag.

(Zuruf von der AfD: Nein!)

Allein zuständig ist der Stadtrat der Stadt Halle, dessen schwächstes Glied in der Tat die AfD ist. Das ist vollkommen zu Recht festgestellt worden.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN - Zurufe von der AfD)

Herr Raue, Ihre Klage über einen Stadtrat, in dem Sie nun einmal keine Mehrheit haben, könnten Sie dort einmal vortragen. In diesem Stadtrat wird sehnsüchtig darauf gewartet, dass Sie irgendwann einmal irgendetwas zur Sache beitragen.

(Zuruf von Hendrik Lange, DIE LINKE)

Zweitens, sehr geehrte Damen und Herren, ist diese Debatte die Fortsetzung einer unendlichen

Wiederholung. Die AfD legt wieder den Teppich aus für das wacklige Mobiliar abseitiger Verschwörungstheorien,

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN - Tobias Rausch, AfD, lacht)

hinter denen man üblicherweise die eigenen Absichten verbirgt. Dazu sage ich Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Sie können noch ganz lange „Haltet den Dieb“ rufen, wir sehen ganz genau, wer hier die Axt an die Wurzeln der freiheitlichen Demokratie legt.

(Zustimmung bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Auch in Halle, sehr geehrte Damen und Herren, wo einer Ihrer Landtagsabgeordneten, und zwar Herr Tillschneider, aktiv daran teilnimmt, einen Stützpunkt rechtsextremer Verfassungsfeindlichkeit zu etablieren, haben viele Leute längst begriffen, wer Sie sind und wohin Sie wollen.

(Zuruf von Volker Olenicak, AfD)

Drittens. Wir haben in den letzten Tagen wieder beobachten können, dass Sie den Eklat brauchen - das wird zunehmend mühsamer, wie man sieht -, um die eigenen Reihen zu schließen, die innere Begeisterung zu wecken und gleichzeitig davon abzulenken, dass Sie in fast zwei Jahren in diesem Landtag in der Substanz fast nichts beigetragen haben.

(Zustimmung bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Damit wäre eigentlich zu dieser Debatte um das „Hasi“ alles Wesentliche gesagt. Nun hat der Minister auch eine allgemeine Erwägung zu Gehör gebracht, die mit dem konkreten Fall nur bedingt oder relativ wenig zu tun hat. Ich will versuchen, in seine Fußstapfen zu treten und das auch zu tun.

Sehr geehrte Damen und Herren! Georg Simmel hat im Jahr 1903 den leicht irritierten Herren der Gehe-Stiftung - das war die Stiftung des berühmten Apothekers, dessen Firma es heute noch gibt - in Dresden auseinandergesetzt, dass in der modernen Großstadt - ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident - „dem Anspruch des Individuums, die Selbständigkeit und Eigenart seines Daseins gegen die Übermächte der Gesellschaft, des geschichtlich Ererbten, der äußerlichen Kultur und Technik des Lebens zu bewahren“ nach Jahrhunderten der Begrenzung nun mehr Raum gegeben sei.

Seit 1903 ist es eine Binsenweisheit, das großstädtische Gesellschaften Orte der Freiheit und damit auch der Vielfalt von Lebensentwürfen sind.

(André Poggenburg, AfD: Na und?)

Das galt 1903 schon für die deutsche Großstadt, in deren Häuserzeilen eine Menge Platz für alter

native Lebensgestaltung war, unter anderem die Lebensreformbewegung der Vegetarier. Der erste Vegetarierverein wurde übrigens 1867 in Nordhausen gegründet. Zu nennen sind außerdem Kneippvereine, Reformschulen, frei-religiöse Gemeinden mit ihren Jugendweihen, die Wandervogel- und Pfadfinderbewegungen - alle waren 1903 längst in der deutschen Gesellschaft angekommen.