Warten Sie erst einmal meinen Beitrag ab. Dann wird sich manches relativieren. Und, lieber Herr Gebhardt, auch Sie wollten bisher Beitragsstabilität, sind aber eben jeden Ansatz auch nur einer Erklärung dafür schuldig geblieben, wie Sie das realisieren wollen. Ich werde das jetzt im Einzelnen darstellen.
Der vorliegende Antrag, so, wie Sie ihn gestellt haben, bekräftigt die bisherigen Beschlüsse zur Sicherung und Weiterentwicklung des öffentlich
rechtlichen Rundfunks. Daran hat sich die Landesregierung gehalten und wird es auch weiterhin tun, und auch ich als Person. Zwei Themen stehen dabei im Mittelpunkt: erstens die Gewährleistung einer möglichst langfristigen Stabilität der Höhe des Rundfunkbeitrags und zweitens die zeitgemäße Formulierung des öffentlichrechtlichen Funktionsauftrages, insbesondere im Hinblick auf die im Internet angebotenen Telemedien.
Das Thema Beitragsstabilität beschäftigt uns aus Anlass der letzten, sehr schwierigen Gebührenerhöhung im Jahr 2009 seit gut zehn Jahren. Es beschäftigte uns nämlich schon in der Phase davor. Es war jetzt wieder Gegenstand in der Ministerpräsidentenkonferenz in der vorigen Woche in Saarbrücken. Damit wurde die bei der Jahreskonferenz vom Oktober 2016 in Rostock begonnene Beratung planmäßig fortgesetzt.
„dass die Sicherung der Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und seiner Finanzierung nur durch entschlossene Reformschritte der Länder und Anstalten gesichert werden kann, die über die Optimierung administrativer Prozesse hinausgehen. Hierzu gehören grundlegende strukturelle Veränderungen und die zukunftsfähige Ausgestaltung des Auftrags unter Wahrung der Programmautonomie. Dabei sind Beschränkungen und die zeitgemäße Ausgestaltung des Auftrags sowie die Beseitigung von Doppelstrukturen in den Blick zu nehmen.“
Das ist der Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz an dieser Stelle. Auch der Ministerpräsident von Thüringen hat dem zugestimmt. Sachsen-Anhalt hat zusätzlich zu Protokoll gegeben, dass es diesem Beschluss zustimmt in der Erwartung:
„dass der jetzt beginnende Prozess der Strukturanpassung die langfristige Stabilität des Rundfunkbeitrags sichert.“
Und unser Landtag hier, Sie, meine Damen und Herren, haben am 14. Dezember 2016 die Absicht begrüßt, „den Beitrag für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bis zum Jahr 2024 nicht mehr zu erhöhen und stabil zu halten.“
Ferner hat der Landtag Landesregierung und Rundfunkanstalten - der Landtag, also Sie - um Hinweise gebeten,
„welche Reserven konkret erschlossen werden können, um unverzüglich die Effektivität und Sparsamkeit zu erhöhen und so
Beitragsstabilität gewährleisten zu können, ohne die Attraktivität der Angebote zu beeinträchtigen.“
Das ist ein Auftrag, dem ich mich verpflichtet fühle. Ministerpräsident Dr. Haseloff hat die anderen Länder in Saarbrücken sehr deutlich wissen lassen, dass wir nach der Beschlusslage des Landtages, die ich eben geschildert habe, und den Debatten dazu hier keine Bereitschaft erkennen können, mehrheitlich einer Rundfunkbeitragserhöhung für den Zeitraum 2021 bis 2024 zuzustimmen.
Die erbetenen Berichte der Rundfunkanstalten zum Thema Auftrag und Strukturoptimierung wurden den Ländern am 29. September von den Intendantinnen und Intendanten überreicht und auch auf den Webseiten der Anstalten veröffentlicht. Es ist also im Einzelnen nachzulesen. Diese Vorschläge beinhalten ohne Einmaleffekte im Wesentlichen Maßnahmen der kooperativen Prozessoptimierung in einem Volumen von 424,6 Millionen € im Zeitraum von 2020 bis 2024. Das klingt viel. Es sind aber nun 1,5 % des Aufwandes, also entschieden zu wenig.
Die Rundfunkkommission hat daher die Vorschläge der Intendantinnen und Intendanten als einen ersten Schritt bewertet, dem weitere Maßnahmen folgen müssten; denn bliebe es dabei, müsste der monatliche Rundfunkbeitrag um immerhin 1,20 € auf 18,70 € erhöht werden. Es besteht also zweifellos gravierender Handlungsbedarf. Da hätte ich mir schon gewünscht, dass Sie etwas konkretere Vorstellungen entwickeln, anstatt nur auf einer Position herumzuhacken, wie ich sie dargelegt habe.
Ich habe vor diesem Hintergrund auf Anfrage der „MZ“ im Vorfeld der Ministerpräsidentenkonferenz einen Vorschlag aufgegriffen, den ich schon Anfang des Jahres, allerdings ohne große Resonanz, bei Pro-Media - das ist eine Fachzeitschrift der Medienpolitik - unterbreitet hatte. In einer Pressemitteilung der Staatskanzlei von Ende Januar dieses Jahres hatte ich darauf aufmerksam gemacht.
Meine Botschaft war damals und ist heute, die ARD, die Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten der Länder, möge sich wieder auf ihre Wurzeln besinnen, die regionalen Rundfunkanstalten der Länder. Sie, nämlich MDR, NDR und die Vielzahl der anderen - neun sind es -, die in dieser Arbeitsgemeinschaft ein gemeinschaftliches Vollprogramm veranstalten. Sie hatten es genannt, das Erste.
Der Staatsvertrag dazu trat Anfang 1992 in Kraft. Er sah von Regelungen zur näheren Ausgestaltung des Ersten ab. Damals war die ARD aller
Mit meinem Vorschlag, der - das sage ich auch - in der Landesregierung noch nicht abgestimmt ist, bewege ich mich absolut im Rahmen des MPKBeschlusses von Rostock, wo Konsens bestand, dass grundlegende strukturelle Veränderungen erfolgreich sein werden. Ich bin lediglich der Erste, der dazu einen Diskussionsansatz vorgelegt hat. Auch Sie werden sich Gedanken machen müssen. Einfach das System so, wie es steht und liegt, immer wieder aufs Neue zu bekräftigen, das wird definitiv nicht reichen.
Anders als es im Modus der stillen Post durch die Öffentlichkeit transportiert wurde, schlage ich nicht die Abschaffung der „Tagesschau“ vor, geschweige denn die der ARD. Ich möchte allerdings, dass wir Länder in der föderativen Bundesrepublik Deutschland und im wachsenden Europa der Regionen wieder sichtbarer werden, mehr voneinander erfahren und uns untereinander intensiver austauschen können. Dafür müssen wir in den Medien auch auf nationaler Ebene präsenter werden. Der Grundversorgungsauftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gebietet es, mit ihren wertvollen Informationsangeboten als Medium und Faktor maßgeblich zur öffentlichen und politischen Meinungsbildung beizutragen. Das ist Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.
Die Bundestagswahl ist wichtig, aber auch die Landtagswahlen, ja selbst die Kommunalwahlen sind nicht bedeutungslos. Da kann und muss mehr geboten werden als ein Kandidatenduell unmittelbar vor der Wahl im jeweiligen dritten Programm. Und die meisten Dritten, lieber Herr Gebhardt, sind jedenfalls über Kabel überhaupt nicht national empfangbar, und sie sind natürlich in toto in ihrer Programmstruktur unattraktiv.
- Ja, sie sind in der Grundversorgung - - Ich habe zum Beispiel nicht alle bei Kabel Deutschland hier in Magdeburg. Ich müsste jetzt die Gesamtbatterie bestellen.
(Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff: Das können nur Besserverdiener machen! Es gibt aber auch noch einfache Leute im Land!)
Sie sind aber auch - - Das Dritte ist das dritte Programm. Das ist die regionale Basisversorgung, und das ist natürlich so, wie es heute konfektioniert ist, nicht in allen Ländern gleichermaßen attraktiv.
Und, meine Damen und Herren, eines der heißesten politischen Themen - wir haben es ja gerade miterlebt - wird im nationalen Fernsehen fast völlig ausgeblendet, nämlich die Schul- und Bildungspolitik, die in den Ländern gemacht wird. Und weil sie in den Ländern gemacht wird - das ist kein böser Wille von ARD und ZDF, sondern das ist ein Strukturproblem -, ist sie dort nicht präsent. Wir Länder sollten Wert darauf legen, mit unseren politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Themen kontinuierlich auch auf nationaler Ebene präsent zu sein. Wenn Sie das über den Programmbeirat der ARD in befriedigender Weise erreichen können, dann hätten wir schon einen ganz wichtigen Fortschritt geschafft.
Das verstehe ich jedenfalls unter einer Regionalisierung der ARD. Das meine ich, wenn ich davon spreche, die ARD könne ohne Bedeutungsverlust, ja sogar mit Mehrwert, ein Schaufenster für das Beste aus den Rundfunkanstalten der Länder sein. Um es plakativ zu formulieren: Ich möchte mehr vom Dritten im Ersten und weniger vom Ersten im Dritten.
Im Dritten gibt es viel Gutes. Aber ich sage es noch einmal: Es läuft praktisch unter Ausschluss der deutschen Öffentlichkeit. Wenn Sie dazu Reformideen haben, sind Sie herzlich eingeladen. Und mir, meine Damen und Herren, täte es wirklich nicht weh, wenn auch die „Tagesschau“ in einer weiterentwickelten ARD, dem Erste, mehr Nachrichten aus den Regionen bringen würde, gern auch in einer auf 20 Minuten erweiterten Fassung. Dem Zusammenhalt in Deutschland täte das gut, auch im Verhältnis von Ost und West.
Der „Tatort“ ist schon heute länderspezifisch. Und um die Filmförderung der ARD brauchen wir uns auch keine Sorgen machen. Der publizistische Wettbewerb zwischen ARD und ZDF wäre auch dann ausreichend gewahrt, vor allem wenn man bedenkt, dass es praktisch in keinem anderen Land gleich zwei parallele öffentlich-rechtliche Veranstalter gibt wie bei uns.
Die Mutter der Öffentlich-Rechtlichen, die immer noch großartige BBC, kommt übrigens im Jahr mit 5,5 Milliarden € aus, wo unsere über insgesamt 9,6 Milliarden € verfügen, einschließlich aller sonstigen Einnahmen über die Beiträge hinaus.
Für solch einen Diskussionsbeitrag in Deutschland spontan Beifall zu erhalten, war nicht zu erwarten; denn selbstverständlich hat die ARD eine wichtige Funktion im dualen Rundfunksystem, und viele ihrer Sendungen sind zu Recht beliebt. Aber warten wir die weitere Diskussion gelassen ab.
Es hat - das sage ich auch - leider auch Beifall von der falschen Seite gegeben; denn anders als die AfD denke ich nicht im Entferntesten daran, die Öffentlich-Rechtlichen abzuschaffen. Das wäre ein glatter Verstoß gegen unsere Verfassung. Nichts würde dadurch besser werden, aber vieles krass schlechter, vor allem die Information der Öffentlichkeit über politische Zusammenhänge. Ich will keinen Abbau, sondern eine nachhaltige Stabilisierung des öffentlich-rechtlichen Systems, die es zukunftsfähig macht. Seine Lernkurve sollte aber deutlich steiler sein.
Meine Damen und Herren! Ohne grundlegende Reform, die weder überflüssig noch überholt ist, werden wir nicht einmal in die Nähe von Beitragsstabilität kommen. Daher frage ich meine Kritiker, nicht nur hier im Parlament, sondern auch darüber hinaus, welche eigenen Ideen sie haben, damit wir nicht ständig steigende Beiträge rechtfertigen müssen. Ich habe dazu bisher keinen konkreten Gedanken gehört, abgesehen von Seehofers Vorschlag, ARD und ZDF zu fusionieren, den er als offensichtlich unlösbar selbst sehr schnell hat fallen lassen.
Finden wir aber keinen gemeinsamen Weg zu Strukturveränderungen und zu einer deutlichen Reduzierung des Gesamtaufwandes, werden wir gemeinsam mit ARD und ZDF scheitern. Das ist meine große Sorge. Dann schwindet die Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Systems weiter und es droht eine Erosion seiner Legitimationsbasis. Das müssen Politik und Gremien bedenken und verhindern. Und Sie, Herr Gebhardt, haben ja eben auch davon gesprochen, dass wir an einer kritischen Schwelle stehen.
Wir und auch die LINKE sollten aber auch nicht vergessen, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse zwischen Ost und West noch längst nicht angeglichen sind. Bei uns sind die Menschen wesentlich preissensibler, auch in der Debatte um Preiserhöhungen.
Die durchschnittlichen Bruttoverdienste von voll- und teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern liegen nach dem Statistischen Bundesamt - unsere Tageszeitungen haben es vor Kurzem veröffentlicht - im Osten durchgängig unter 17 € und im Westen überall über 20 €. Das heißt, für den Jahresbeitrag von 210 € muss in Sachsen-Anhalt so ein Arbeitnehmer insgesamt 12,63 Stunden arbeiten, in Hamburg nur 9,04 Stunden. Das zeigt, dass die Verhältnisse unterschiedlich sind. Und muss,
meine Damen und Herren, ein Kleinstunternehmer mit elf Mitarbeitern und sechs Firmenfahrzeugen wirklich mit 840 € und künftig noch mehr zur Kasse gebeten werden?