Protocol of the Session on October 26, 2017

Die Volksinitiative zeigt, dass direkte Demokratie möglich ist - das wird oft von einigen hier angezweifelt -, auch wenn die Hürden dafür sehr hoch sind. Seit Jahren machen wir uns dafür stark, diese Hürden deutlich zu senken.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von der AfD)

Fast 100 000 Unterschriften wurden gesammelt, was deutlich macht, dass eine Vielzahl der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land der Meinung ist, dass bei dem Thema Unterrichtsversorgung enormer Handlungsbedarf besteht. Zu dem Punkt herrscht, glaube ich, Konsens unter allen Fraktionen im Landtag.

Ich will an dieser Stelle erwähnen - das machen die Inhalte des Koalitionsvertrages auch deutlich -, dass die Koalitionsfraktionen sich hierüber einig sind, dass der Sparkurs aus der letzten Legislaturperiode korrigiert werden und ein Umsteuern erfolgen muss.

Ich möchte nun nachfolgend auf die einzelnen Punkte der Volksinitiative eingehen, weil ich denke, dass es mehr als angemessen ist, sich bereits jetzt grob zu positionieren und bestimmte Dinge auf diesem Weg auch zu sortieren.

Seit Beginn der Volksinitiative ist ein halbes Jahr vergangen. Einiges hat sich seither verändert; anderes ist gleich geblieben. Vor diesem Hintergrund sind auch die Forderungen der Volksinitiative einzuordnen und zu bewerten. Eben das sehe ich als Aufgabe der heutigen Debatte sowie der jeweiligen Beratungen in den Ausschüssen an.

Die Volksinitiative fordert, zusätzlich zu den geplanten Stellen 1 000 Lehrkräfte und 400 pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzustellen. Die Koalition hat sich zum Ziel gesetzt, bis

zum Ende der Legislaturperiode 3 500 bis 4 000 Neueinstellungen in allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen sowie eine Anpassung dieser Zahl bei veränderten Rahmenbedingungen, zum Beispiel dem Anstieg der Schülerzahlen, vorzunehmen, um so aktiv eine Unterrichtsversorgung von 103 % zu erreichen.

(Zustimmung von Angela Gorr, CDU)

Außerdem soll eine Bereitstellung des Arbeitsvermögens von 1 800 Vollbeschäftigteneinheiten für pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter etabliert werden.

Hierbei ist klar, dass das vonseiten der Koalition gesteckte Ziel hinsichtlich der Neueinstellungen an die veränderten Schülerzahlen angepasst werden und somit eine Neuberechnung erfolgen muss. Diese Korrektur gilt es in den nächsten Haushaltsverhandlungen zu berücksichtigen.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜ- NE)

Hierbei sind wir als Abgeordnete alle gefragt - also nicht nur die bildungspolitischen Sprecherinnen und Sprecher -, Prioritäten zu setzen.

Aufgabe des Bildungsministers wird es dabei sein, den tatsächlichen Bedarf im Haushalt auch anzumelden. Dabei kann es nicht darum gehen, das vom Finanzministerium vorgegebene Ziel zu erfüllen, sondern vielmehr darum, ein seit Jahren herrschendes Problem endlich konsequent anzupacken.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜ- NE)

Das Konzept zu dem Einsatz von pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist derzeit in Arbeit und wird demnächst zur Diskussion stehen. Anhand des Konzeptes werden wir dann intensiv darüber diskutieren, ob die vom Ministerium vorgeschlagenen Maßnahmen ausreichen, um die gewünschten Verbesserungen an unseren Schulen tatsächlich zu erreichen.

Kommen wir zu Punkt 2. Meine Damen und Herren! Es ist klar, dass die Voraussetzungen für die Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Bedarf in Sachsen-Anhalt derzeit nicht gerade optimal sind. Die Forderung der Volksinitiative, durch externe Experten den Bedarf an sonderpädagogischer Förderung ermitteln zu lassen, um daraus die Personalausstattung abzuleiten, sehe auch ich als einen Weg zur Verbesserung der Situation. Gleichzeitig sollte diese Expertengruppe aber auch eruieren, ob Veränderungen an Organisations-, aber auch an Lehr- und Lernformaten an unseren Schulen notwendig sind.

Dabei gilt es in meinen Augen, nicht ausschließlich in die ansteigende Anzahl von Köpfen zu in

vestieren, auch muss die Weiterqualifizierung des bereits vorhandenen Personals unterstützt und vorangetrieben werden.

Kommen wir zu Punkt 3. Die Abordnung der pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Beginn des Schuljahres 2016/2017 sowie die Beendigung der befristeten Arbeitsverhältnisse von Sprachlehrerinnen und Sprachlehrern hat viele vor große Herausforderungen gestellt. In Bezug auf die pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind neue Bedarfsbemessungen vorgenommen worden, wodurch es an vielen Schulen zur Verringerung des Personals kam. Andere Schulen, die bisher kein zusätzliches Personal zur Verfügung hatten, profitierten davon. Durch Neueinstellungen und Rücknahmen der Abordnungen konnten die Fehlentwicklungen teilweise korrigiert werden. In der gesamten Diskussion wurde aber auch klar, dass Zuständigkeiten und Aufgaben gerade von pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Therapeutinnen und Therapeuten neu definiert werden müssen. Hier ist es unter anderem notwendig, deren Aufgaben klar voneinander abzugrenzen.

Zu Punkt 4. Die Koalitionsfraktionen und insbesondere die bildungspolitischen Sprecher sind ständig in Diskussionen zu wirkungsvollen Maßnahmen zur Personalgewinnung. Einiges ist bereits in der Umsetzung und andere Punkte werden im Rahmen der Novelle des Schulgesetzes neu geregelt. Ich bin mir sicher, dass diese eingeleiteten Veränderungen eine deutliche Verbesserung der Situation herbeiführen werden.

Meine Damen und Herren! Ich habe in letzter Zeit viele Schulen besucht und einige haben auch im Ausschuss über ihre Arbeit berichtet. Festzustellen ist, dass in unseren Schulen nach ganz unterschiedlichen Konzepten unterrichtet wird. Viele Schulen unterrichten dabei fast ausschließlich in dem Format des Frontalunterrichts. Andere arbeiten erfolgreich in Lerngruppen, die teils eigenverantwortlich durch die Schülerinnen und Schüler organisiert sind. Dabei ist zu beobachten, dass gerade diese Schulen besser mit den derzeitigen Herausforderungen umgehen können und flexibler auf die Bedingungen reagieren.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜ- NE)

Ich erachte es daher für wichtig, die flexibilisierten Strukturen zu stärken und nicht durch zusätzliche Maßnahmen zu schwächen. Diese Schulen, ihre Organisationsformen, Lehrformate und Konzepte sollten wir uns auch genauer anschauen und von ihnen im Sinne von Best-Practice-Verfahren lernen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Die bestehenden positiven Beispiele müssen uns Mut machen, dem Selbstorganisationspotenzial von Schulen mehr Vertrauen entgegenzubringen, und uns dazu anregen, Schulen mehr selbst verantwortete Handlungsspielräume zu geben.

(Zustimmung von Prof. Dr. Angela Kolb- Janssen, SPD)

Trotz allem bleibt festzuhalten - damit komme ich zum Schluss -, dass wir von dem Ziel, die bestmöglichen Bildungs- und Entfaltungsmöglichkeiten für alle Kinder unserer Gesellschaft bereitzustellen, derzeit noch weit entfernt sind.

Die Volksinitiative hat es geschafft, diesem Vorhaben im Rahmen ihrer Forderungen einen enormen Bedeutungszuwachs zu verleihen. Klar wurde dabei auch, wie der Handlungsbedarf in der Bevölkerung empfunden wird. Dies sehen wir als Aufruf und Auftrag an die Politik, also an uns, an, jetzt zu handeln. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Aldag. Es gibt eine Anfrage von dem Abg. Herrn Roi. Möchten Sie diese beantworten?

Ich werde es versuchen.

Bitte.

Das ist eine Zwischenintervention, Frau Präsidentin. - Sehr geehrter Herr Aldag, ich will die Möglichkeit nutzen, Ihnen einen Hinweis zu geben. Wir behandeln nachher TOP 11. Sie haben in Ihrer Rede gesagt, dass Sie sich seit Jahren dafür einsetzen, bürgerschaftliches Engagement zu stärken und zu erleichtern. Unter TOP 11 finden Sie einen konkreten Antrag der AfD. Wir wollen nachher die Hürden für Bürgerbegehren und Bürgeranträge senken. Dem können Sie zustimmen.

Ich hoffe, dass Sie diesmal dabei bleiben; denn als es darum ging, die Ausschüsse im Landtag transparent zu gestalten, haben Sie nämlich dagegen gestimmt und haben nicht das umgesetzt, was Sie seit Jahren in Ihrem Programm stehen haben, Herr Aldag. - Danke.

(Zustimmung bei der AfD)

Ich sehe keine weiteren Anfragen. Wir kommen nunmehr zur Rednerin der CDU-Fraktion. Die

Abg. Frau Gorr wird hier sprechen. Sie haben das Wort. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Hohes Haus! Aber vor allem verehrte Vertreterinnen und Vertreter der Volksinitiative, insbesondere Herr Jaeger. Das Anliegen der Volksinitiative „Den Mangel beenden - Unseren Kindern Zukunft geben“ hat in unserem Land einen Nerv getroffen. Das zeigen nicht nur die von Ihnen innerhalb kürzester Zeit gesammelten Unterschriften, das zeigt auch die Zustimmung, die Sie bei vielen Abgeordneten im Parlament bis hin zu den für Bildung und Wissenschaft zuständigen Ministern erfahren haben.

Wir behandeln das Thema Lehrermangel und Personalgewinnung gleichwohl heute nicht zum ersten Mal in diesem Hohen Hause, sondern in nahezu jeder Sitzungsperiode seit der Neuwahl des Parlaments im Jahr 2016. Daran sehen Sie, verehrte Gäste, wie wichtig auch dem Parlament die Zukunft unserer und Ihrer Kinder ist. Und nicht nur den Abgeordneten, sondern auch den Parteien, denen die regierungstragenden Fraktionen angehören; denn der Koalitionsvertrag spricht eine deutliche Sprache der Verbesserung gegenüber der zurückliegenden Wahlperiode.

Ich zitiere aus einer Pressemitteilung des SPDLandesvorsitzenden Burkhard Lischka vom 3. Mai 2017:

„Gerade weil wir als SPD Mitverantwortung für den Personalabbau der vergangenen Jahre tragen, haben wir während der Koalitionsverhandlungen alle Energie darauf verwendet, dass die Unterrichtsversorgung deutlich verbessert wird.“

(Zustimmung von Silke Schindler, SPD)

Als CDU-Abgeordnete, die die vergangenen Jahre miterleben durfte, kann ich diese späte Einsicht nur begrüßen. Allerdings ist es natürlich deutlich einfacher, wenn die Posten der Minister für Bildung und der Finanzen nun bei einem anderen Koalitionspartner angesiedelt sind als in den eigenen Reihen.

Zurück zu Ihrem Anliegen, dem Anliegen der Volksinitiative. Die Eltern in unserem Land, die für ihre Kinder das Bestmögliche an Bildung wünschen und fordern, wollen zunächst sicher eines: dass ihre Kinder ordentlichen Fachunterricht erhalten, dass der Unterricht nicht ausfällt und dass den Kindern keine Nachteile durch Versäumnisse im Unterrichtsstoff entstehen.

Diese letztgenannten Versäumnisse darf man aus meiner Sicht weder in Bezug auf bestimmte Klassenstufen noch in Bezug auf bestimmte Fächer kleinreden. Unterrichtsausfall in Fächern, die zum

Abitur führen, ist kritisch zu sehen, aber ebenso Unterrichtsausfall beim Legen von Grundlagen im Rechnen in der Grundschule oder beim Erwerb von ersten Englischkenntnissen.

Ich habe Anfragen nach Sport, Musik, Religions- und Ethikunterricht, nach Kunststunden, nach einer zweiten Fremdsprache, wie Französisch oder Spanisch statt Russisch, ebenso wie nach Mathe, Physik, Chemie und Deutsch. Aber eigentlich müsste ich sagen: Ich habe und hatte diese Anfragen. Sie begleiten mich nämlich seit meinen ersten Tagen als Kommunalpolitikerin in SachsenAnhalt, und das ist schon eine sehr lange Zeit.

Gerade diejenigen, die wie ich schon länger im Geschäft der Bildungspolitik unterwegs sind, wissen um diese Historie. Der schwierige Umgang mit einem zunächst großen Lehrerüberhang bei stark rückläufigen Schülerzahlen liegt noch nicht sehr lange zurück. Auch da war das Problem sehr oft die Passigkeit der Fächer und der Schulstufen im Blick auf die vorhandenden Qualifizierungen der Lehrerinnen und Lehrer, die das Land Sachsen-Anhalt benötigt hat. Frau Feußner wies schon auf die Bedeutung der Qualität hin. Die vorhandenen Lehrerinnen und Lehrer mussten damals auch - oft gegen ihren Willen - Lücken stopfen.

Sachsen-Anhalt ist auch einen sehr speziellen Weg bei der Ausstattung von Schulen mit pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gegangen. Ich möchte gar nicht mehr darauf eingehen, aber zumindest daran erinnern, dass die von mir aufgezeigte Entwicklung unter anderem die Ursache für das bis vor gar nicht so langer Zeit gültige Personalentwicklungskonzept war, von vielen auch Personalabbaukonzept genannt.

Herr Kollege Steppuhn, der am Montag an vorderster Front in Wernigerode gegen den Lehrermangel protestiert hat,