Protocol of the Session on October 26, 2017

Neben der quantitativen Dimension haben wir natürlich auch die Qualität im Blick. Deswegen bleibe ich dabei, dass die Einstellung von grundständig ausgebildeten Lehrkräften weiterhin oberste Priorität hat.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der AfD)

Darüber hinaus werden wir mit der heute ebenfalls zur Diskussion stehenden Novelle des Schulgesetzes weitere Möglichkeiten diskutieren, Seiten und Quereinsteiger auf die Herausforderungen des Schulalltags vorzubereiten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Spätestens seit den ersten Ergebnissen der Expertenarbeitsgruppe „Lehrkräftebedarf“ wissen wir, dass der Lehrkräftebedarf bis zum Jahr 2030 kontinuierlich hoch bleiben wird. Wir wissen auch, dass die Unschärfe von Prognosen immer Unschärfen sind. Herr Jaeger hat darauf hingewiesen.

Noch vor einigen Jahren sind wir davon ausgegangen, eine Demografierendite im Schulsystem zu verarbeiten. Das heißt, weniger Schüler, mehr

Lehrer. Wir stellen jetzt überrascht fest, dass die Schülerzahlen ansteigen. Ich warne also davor. Prognosen sind richtig und wichtig, sie schreiben die Erkenntnisse der Gegenwart in die Zukunft fort, aber wir müssen immer bereit sein, Veränderungen mitzudenken und Veränderungen in unsere Planungen, Überlegungen und Konzepte einfließen zu lassen.

(Zustimmung von Angela Gorr, CDU, und von Tobias Krull,CDU)

Die Expertengruppe Lehrkräftebedarf: Wir wissen, dass der Bedarf bis zum Jahr 2030 kontinuierlich hoch bleiben wird. Um diesen zu decken, haben wir die Einstellungspraxis flexibilisiert, den Zugang weitestgehend geöffnet, ein Onlineverfahren implementiert, das kontinuierlich verbessert wird, einen Probelauf, liebe Frau Gerth, für regionalisierte Ausschreibungen gestartet und die Kapazität der Studienseminare erhöht. Auch die Zahl der Erstsemester wurde erhöht. Gerade beim letzten Punkt wird es weiterer Gespräche bedürfen und sicher auch geben müssen. Die Diskussion hat ja in diesen Tagen Fahrt aufgenommen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich sagte bereits und werde auch nicht müde zu betonen, der Handlungsspielraum des Bildungsministeriums wird durch den Haushaltsgesetzgeber definiert. Den Schulen zur Umsetzung des Erziehungs- und Bildungsauftrags mehr Ressourcen zur Verfügung zu stellen, ist immer eine Forderung, der man sich schnell anschließen kann.

Die Volksinitiative ist eine Chance, eine breite gesellschaftliche wie politische Diskussion über die Bildungslandschaft in diesem, unserem Land Sachsen-Anhalt zu führen. Dazu zählt selbstverständlich die Fragestellung, wie viele Haushaltsmittel der Haushaltsgesetzgeber künftig für die Bildung zur Verfügung zu stellen bereit ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir dürfen uns nicht der Illusion hingeben, dass einfache Wahrheiten und scheinbare Lösungen unsere Probleme aus der Welt schaffen. So ist die pauschale Forderung nach einer sofortigen Neueinstellung von 1 000 Lehrkräften und 400 pädagogischen Mitarbeitern natürlich ein wenig plakativ und im Hinblick auf den Bewerbermarkt - wir haben erkennbar Schwierigkeiten, unsere Stellen im Jahresverlauf zeitgemäß zu besetzen - auch ein Stück weit unrealistisch.

Das im Koalitionsvertrag verankerte Stellenziel von 14 500 VZÄ bildet eine gute Grundlage und gute Basis für gute Schule. Das hat übrigens bei der damaligen Pressekonferenz der Volksinitiative auch Frau Gerth so formuliert.

Im Bereich der pädagogischen Mitarbeiter wird zeitnah über das Konzept zum künftigen Einsatz

in diesem Lande diskutiert werden. Ich habe es hier demnächst vorzulegen.

Vorab nur so viel: Wir richten uns nach den Vorgaben im Koalitionsvertrag und gehen künftig von 1 800 pädagogischen Mitarbeitern aus. Im Vergleich zum Status quo bedeutet dies einen Aufwuchs um knapp 300 VZÄ.

Ich denke, da auch die Kollegen der Sozialdemokratie und der GRÜNEN bei der Volksinitiative mit unterschrieben haben, dürfte bei der Frage, die Ressourcen zur Verfügung zu stellen, ein großer Konsens in diesem Haus bestehen, das im nächsten Haushalt zu durchzusetzen.

(Zustimmung von Cornelia Lüddemann, GRÜ- NE, und von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Was will ich damit sagen? - Wir haben in dieser Wahlperiode knapp 550 neue Stellen im Lehrerbereich und, wenn dieses Konzept die Mehrheit dieses Hauses findet, 300 pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehr im System, als wir es bisher haben.

Nun kann man sozusagen Differenzen zu den Bedarfen definieren, welche die Volksinitiative aufgezeigt hat, und darüber auch diskutieren, aber eines, meine Damen und Herren, ist doch völlig klar: Die Trendwende, um den Bedarf und die Probleme anzupacken, hat diese Kenia-Koalition mit dem Koalitionsvertrag und dem Haushalt geschafft. Man kann sich über das Tempo immer streiten, aber die Trendwende ist da. Das sollten wir auch immer wieder betonen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Ich will an dieser Stelle gern mein Diskussionsangebot erneuern. Lassen Sie uns darüber diskutieren, ob es sinnvoll und auch finanzierbar ist, das Stellenziel vorzeitig zu erreichen, ob Möglichkeiten bestehen, Vertretungen aufgrund von Langzeiterkrankungen - Herr Jaeger hat es formuliert -, Schwangerschaften und Mutterschutz außerhalb der VZÄ zu organisieren.

Ich werbe auch für einen Punkt, der in der Diskussion der Volksinitiative ein bisschen zu kurz kam, dass wir ihn in die Diskussion aufnehmen und mit Verve und Fahrt in die Debatte einführen: Das ist die Frage, wie gehen wir künftig mit den Horten um. Wir kommen aus einer Zeit, in der man nach 1990 definiert hat, Vormittag ist Bildung und Nachmittag ist Betreuung.

Wir wissen spätestens seit der ganzen Diskussion nach Pisa, dass diese Logik archaisch ist. Wir müssen uns, glaube ich, stärker mit der Frage befassen, wie wir es künftig schaffen, Hort und Schule, die einen gemeinsamen Bildungsauftrag haben, so zu organisieren, dass diese Bildungs

übergänge auch funktionieren, die nicht überall funktionieren. Ich kenne Beispiele, dass Kinder erst einmal kilometerweit laufen müssen, um den Hort zu erreichen. Es geht auch um die Frage, wie man die Bildung über den ganzen Tag organisiert.

(Zustimmung von Eva Feußner, CDU)

All das sind Fragen, die nicht im Koalitionsvertrag hinterlegt sind. Wir müssen darüber aber breit diskutieren. In Thüringen hat man damit Erfahrungen gemacht. Das ist schwierig. Es geht um die Frage der kommunalen Zuständigkeiten und darum, wie wir sozusagen Ressourcen generieren. Ich glaube aber, diese Debatte ist im Sinne von guter, qualitativer Bildung wichtig und muss unbedingt geführt werden, damit in den nächsten Jahren Konzepte und Strategien wirksam werden können.

(Zustimmung bei der SPD und von Sieg- fried Borgwardt, CDU)

Meine Damen und Herren! Es ist aber unbestritten, dass wir alle auch eine Verantwortung für unseren Haushalt haben. In diesem Spannungsfeld ist es Aufgabe des Bildungsressorts, im kommenden Haushaltsaufstellungsverfahren die notwendigen Ressourcen für das zu finden, was ich hier beschrieben habe.

Ich bin aber zuversichtlich, auch mit Blick auf die Bemühungen des Landes, die frühkindliche Bildung durch einen zusätzlichen Etat in Höhe von 30 Millionen € auf solide Füße zu stellen, dass es uns auch im Bildungsbereich gelingen wird. - Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister Tullner. Es gibt eine Anfrage. - Herr Gebhardt, Sie haben das Wort. Bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Minister, ich habe eben gehört, dass Sie noch einmal klargestellt haben, dass das Bildungsministerium nur das umsetzen könne, was Ihnen der Haushaltsgesetzgeber vorgebe, und dass Sie sich innerhalb dieses Rahmens bewegen müssten. Jetzt sind Sie ja auch Abgeordneter und damit Mitglied des Haushaltsgesetzgebers. Ich möchte Sie erstens fragen: War das jetzt ein Appell des Ministers an den Abg. Tullner?

Eine zweite Frage hätte ich an der Stelle: Welche Kämpfe haben Sie innerhalb Ihrer Fraktion darüber geführt, dass sich die Rahmenbedingungen verbessern? Wenn ich mir die Realität angucke, dann muss ich schlussfolgern, vorausgesetzt, Sie

haben diesen Kampf geführt, Sie haben ihn verloren. Warum haben Sie ihn verloren?

(Zustimmung bei der LINKEN)

Herr Minister, Sie haben das Wort.

Lieber Kollege Gebhardt, eine interessante Frage. Ich fange einmal so an. In Österreich haben wir gerade Parlamentswahlen gehabt. Dort hat sich eine Partei, die bisher „ÖVP“ hieß, sozusagen zu einer Ich-AG umgewandelt, zumindest in meiner Wahrnehmung von außen, was den Kollegen Kurz angeht. Er kann demnächst ja wahrscheinlich auch Kanzler in Österreich werden, soweit ich es verstanden habe.

Wenn Sie sagen, der Minister Tullner soll mit dem Abg. Tullner darum ringen, wer sozusagen die Oberhand gewinnt - wenn es eine Tullner-Partei geben würde und sie die absolute Mehrheit hätte, dann würde die Bildungspolitik natürlich vor Ressourcen nur so hüpfen und erfolgreich springen.

Wir leben als Politiker aber in politischen Konstellationen, die sich in Koalitionen abbilden, und zwar in der Besonderheit, dass wir drei Koalitionspartner haben. Ich habe das besondere Glück, dass alle drei Koalitionspartner bei allen anderen parteipolitischen Interessen dem Thema Bildung eine hohe Priorität zumessen.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Ja! - Ange- la Gorr, CDU: Ganz genau!)

Das war nicht immer in diesem Hohen Hause so. Es gab Zeiten, da war der Bildungsbereich der Steinbruch für Ressourcenallokation in anderen Bereichen. Diese Zeiten sind Gott sei Dank vorbei.

Wir als Politiker - es wird in Ihrer Partei ähnlich sein - ringen doch am Ende um den Interessenausgleich aufgrund verschiedener Erfordernisse - ich nehme zur Kenntnis, dass Sie im sozialpolitischen Bereich, im Breitbandbereich und in anderen Bereichen der ländlichen Entwicklung Prioritäten setzen wollen; Ihr neuer Landesvorsitzender hat ja heute in der „Volksstimme“ interessante Ausführungen dazu gemacht -, darum, dass wir am Ende einen Konsens der Interessen hinkriegen.

Deswegen können Sie immer gewiss sein - ich behaupte einmal, ich bin keine Mimose, und hoffentlich nimmt auch keiner an, dass ich immer ein Leisetreter bin -, dass ich kraftvoll für die Interessen im Bildungsbereich und für die politischen Dinge, die mir wichtig sind, kämpfe. Ich habe nur immer ein Problem damit, das in Schaukämpfe ausarten zu lassen.

Ich kann mich mit nackter Brust - das würde jetzt nicht so viele beeindrucken -

(Daniel Szarata, CDU, lacht)

auf Barrikaden laut schreiend präsentieren und könnte der Öffentlichkeit den Eindruck suggerieren, das ist Politik und das ist Interessenkampf. Wir alle wissen, dass der Interessenkampf, der Kampf um Ressourcen und um die Durchsetzung politischer Konzepte in einem Parlament, in einem Arbeitsparlament, in Ausschüssen, in Sitzungen, in mühsamen, langen Sitzungen stattfindet, manchmal abends, manchmal nachts. Das machen wir hier alle miteinander.

An der Stelle sollten wir uns nicht gegenseitig vorhalten, ob wir laut nach Aktionen schreien. Dann haben wir Happenings draußen und finden die Politik als Show wunderbar.

(Stefan Gebhardt, DIE LINKE: Ich habe das nicht infrage gestellt!)

Politik, meine Damen und Herren, ist nicht der Showkampf, der sich sozusagen in den Medien an den beliebtesten Stellen findet. Politik ist das Ringen um die besten Konzepte für unser Land. Dabei hat die Bildungspolitik einen guten Stand in dieser Koalition. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Sehr geehrter Herr Minister, es gibt eine weitere Anfrage. Sie sind noch nicht am Ende.