Protocol of the Session on September 28, 2017

(Zurufe von der CDU und von der SPD)

- Wenn nichts Gegenteiliges dazu vorgebracht wird, dann gehe ich davon aus, dass wir so verfahren.

(Markus Kurze, CDU: Als erster Punkt nach der Mittagspause; das müssen Sie dazu sagen!)

- Ja, gut. Das ist der erste Punkt nach der Mittagspause.

Wir kommen jetzt zum Abstimmungsverfahren zur Drs. 7/1851. Hier ist der Vorschlag unterbreitet worden, den Antrag in den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung zu überweisen. Wer für die Überweisung dieses Antrages in diesen Ausschuss ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Fraktion DIE LINKE, die GRÜNEN, die SPD und Teile der CDU-Fraktion.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Alle haben zu- gestimmt! - Sebastian Striegel, GRÜNE: Dann stellt das klar!)

Wer stimmt dagegen? - Das ist die Fraktion der AfD. Wer enthält sich der Stimme? - Stimmenthaltungen sehe ich nicht. - Herr Borgwardt, bitte.

Sie haben fälschlicherweise gesagt, Teile der CDU-Fraktion hätten zugestimmt. Einige Hände sind etwas später hochgekommen, aber ich kann nicht erkennen, dass jemand anders gestimmt hätte als für die Überweisung.

Nicht alle haben die Hand gehoben.

(Zurufe von der CDU und von den GRÜ- NEN)

Sie haben gesagt „Teile der CDU-Fraktion“. Dann möchte ich darum bitten, die Abstimmung zu wiederholen.

Wir können die Abstimmung noch einmal durchführen, alles klar. - Wir stimmen also noch einmal darüber ab. Wer stimmt für die Überweisung des Antrages in den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung? - Jawohl, jetzt sehe ich es. Die Fraktion DIE LINKE, die GRÜNEN, die SPD und die Fraktion der CDU. Wer stimmt dagegen? - Das ist die AfD-Fraktion. Enthaltungen? - Gibt es nicht.

(Dr. Katja Pähle, SPD: Doch, eine Enthal- tung! - Zuruf von der SPD: Er hatte nur noch die Hand gehoben!)

Somit ist die Überweisung in den Ausschuss beschlossen worden.

Wir gehen jetzt in eine 60-minütige Mittagspause und treffen uns um 13:10 Uhr wieder hier. - Ich danke Ihnen.

Unterbrechung: 12:10 Uhr.

Wiederbeginn: 13:13 Uhr.

Verehrte Abgeordnete, ich bitte Platz zu nehmen. Es ist im Augenblick nur schwer einzuschätzen, weil zurzeit einige beim Empfang sind, wie viele Abgeordnete zu Beginn der Sitzung hier sein können. Ich bin deshalb der Auffassung, dass wir beginnen sollten.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 14

Beratung

Schutz des schriftlichen Kulturgutes in Sachsen-Anhalt

Antrag Fraktionen CDU, SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Drs. 7/1892

Änderungsantrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 7/1912

Einbringerin ist die Abg. Frau Dr. Pähle für die SPD-Fraktion. Frau Dr. Pähle, Sie haben das Wort.

Vielen Dank. - Auch wenn die Reihen hier im Plenarsaal noch ganz, ganz spärlich besetzt sind,

geht es nichtsdestoweniger um ein wirklich wichtiges Thema für unser Bundesland.

Die Frage, wie wir Wissen bewahren, speichern und es an die nächsten Generationen weitergeben, beschäftigt die Menschheit von Anfang an.

Viele Generationen vor uns haben verschiedenste Wege und Methoden gefunden, um genau das sicherzustellen, nämlich einmal Aufgeschriebenes und Bewahrenswertes weiterzugeben. Da sind Steintafeln, Papyrusrollen, Palmblätter, Bücher und mittlerweile CDs, Laufwerke mit Gigabits und Gigabytes.

Sachsen-Anhalt ist reich an Kulturgut, auch an schriftlichem Kulturgut und eben nicht nur an Gebäuden, sondern eben auch an Schriften. Das zeigt sich an vielfältigen Wissensspeichern: an Urkunden, Büchern, Briefen, Akten, Fotografien, Zeitungen und Zeitschriften, Karten, Musikalien in unseren Museen, Stiftungen und Archiven der Kommunen oder an wissenschaftlichen Einrichtungen.

Aber wir wissen, dass all dieses Kulturgut vom Verfall bedroht ist. Obwohl Papier die älteste und haltbarste Methode ist, Wissen weiterzugeben, wird auch diese Methode zunehmend bedroht durch Säurefraß, Schimmel, Papierzerbröselung. Auch die modernen Datenträger, auf die wir uns heute so gerne verlassen, haben eine geringe Halbwertzeit. Es geht immer darum, Medien, wie alte Filmrollen, Musikkassetten, CDs oder Minidiscs, auf dem neuesten Stand zu halten, damit auch die nächste Generation diese noch auslesen kann.

An dieser Stelle möchte ich einen kleinen Dank einflechten an den Hauptarchivar der Leopoldina. Herr Weber hat an vielen Stellen auf die besonderen Herausforderungen beim Schutz des Kulturgutes hingewiesen und hat auch in meiner Fraktion den Anstoß zu diesem Antrag gegeben. Denn auch in der Leopoldina befinden sich Handschriften, handgeschriebene Lebensläufe von all den Wissenschaftlern, beispielsweise von Albert Einstein, die Aufnahme in die Leopoldina begehrten. Diese Dokumente sind einmalig und müssen bewahrt werden.

Das Speichern von Wissen auf Papier ist seit Jahrhunderten die wichtigste und haltbarste Form. Aber - das sagte ich eben - Säurefraß, Schimmel, Feuchtigkeit, Tintenfraß und schlechte Lagerung bedrohen dieses schriftliche Kulturgut und damit auch einen Teil unseres kulturellen Gedächtnisses.

Was wären wir ohne Urkunden von Karl dem Großen, ohne die Briefe von Thomas Mann oder Günter Grass, ohne die Flugschriften der Reformation oder der Weißen Rose, ohne Kompositio

nen von Bach und Telemann, ohne die Urkunden der Ottonen oder auch ohne den handgeschriebenen Lebenslauf von Albert Einstein?

Die Elbehochwasser in den Jahren 2002 und 2012, die Brandkatastrophe in der HerzoginAnna-Amalia-Bibliothek in Weimar 2004 oder der Einsturz des Kölner Stadtarchivs 2009 haben uns vor Augen geführt, dass wertvolle historische Bücher und Dokumente unwiederbringlich verloren gehen und damit Lücken in unser kulturelles Gedächtnis reißen, wobei ich an dieser Stelle auf einen Unterschied zwischen Bibliotheken und Archiven aufmerksam machen möchte.

Gerade die Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek zeigt, dass Bücher, mit Ausnahme von besonders hervorzuhebenden Ausnahmen, durch Duplikate oder Exemplare aus der gleichen Auflage zu ersetzen sind. Die Dokumente, die im Kölner Stadtarchiv gelagert waren, sind für immer verloren; hierfür gibt es keinen Ersatz. Aber auch ohne solche dramatischen Katastrophen ist unser schriftliches Kulturerbe in Archiven und Museen gefährdet.

Was ist Tintenfraß? - Tintenfraß beruht auf der Eigenschaft der Eisengallustinte, die einzelne Buchstaben oder Teile des geschriebenen Wortes quasi aus dem Text fallen lässt. Sie werden aufgefressen, und die Restauratoren stehen vor der großen Herausforderung, die Wörter wie bei einem Puzzle wieder zusammenzusetzen.

Womit beschäftigen wir uns, wenn wir von Säurefraß reden? - Es ist das altersbedingte Auflösen des Papiers und betrifft alle Bücher zwischen 1890 und 1980, teilweise auch noch später. Im Archiv der Martin-Luther-Universität Halle sind ungefähr 70 % des Bestandes davon betroffen. Das ist eine Mammutaufgabe.

Um all das zu beheben und die Dokumente zu bewahren, gibt es zwei Methoden: erstens die Massenentsäuerung und zweitens das Einzelblattverfahren. Beides ist sehr teuer und aufwendig, aber unumgänglich, wenn man die Dokumente tatsächlich erhalten will.

Die Einrichtungen haben meist nur ein kleines Budget für Erhalt und Restaurierung und sind oftmals überfordert mit der großen Menge an Dokumenten. Hier bedarf es nationaler Anstrengungen; denn um jährlich nur 1 % des gefährdeten Kulturgutes in der Bundesrepublik restaurieren zu können, sind in jedem Jahr rund 63 Millionen € notwendig. Der Bedarf überschreitet damit die zur Verfügung gestellten Mittel um ein Vielfaches.

Um das kulturelle Schrifterbe zu sichern, wurde mithilfe der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien und der Kulturstiftung der Länder 2011 die Koordinierungsstelle für den Erhalt des schriftlichen Kulturgutes, kurz: KEK, bei der Stiftung

Preußischer Kulturbesitz für Modellprojekte ins Leben gerufen. Hierbei geht es insbesondere um die Rettung von fragilen Schriftsätzen. Dieses Programm läuft über einen Zeitraum von fünf Jahren.

Das Expertengremium hat die Aufgabe, zu koordinieren, zusammenzuführen und nationale und internationale Netzwerke miteinander zu verbinden. Aktuell stehen vom Bund insgesamt 1 Million € für die Rettung von Kulturgut in den Bundesländern zur Verfügung.

Darum habe ich im April 2017 auch Minister Stahlknecht gefragt, wie wir diese Mittel für unser Land nutzen können und binden wollen. Er hat hier am Pult zugesagt, dass der voraussichtliche Anteil für das Land Sachsen-Anhalt in Höhe von 310 000 € für das Land gebunden werden soll und Sachsen-Anhalt darüber hinaus auch Fördermittel beantragen möchte, weil nicht davon auszugehen ist, dass alle Länder ihre Mittel abrufen.

Das ist ein Vorhaben, welches von unserer Seite weiterhin unterstützt werden muss. Wir müssen auch eigenständig Mittel investieren, um Bundesmittel für diese große Aufgabe nutzen zu können.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Aber es bedarf noch einer anderen Anstrengung. Wir brauchen ein Konzept. Wir brauchen ein Landesprogramm, um eine Strategie zu entwickeln, wie wir uns dieser großen Aufgabe annähern wollen. Genau darum geht es auch in unserem Antrag.

Ganz ehrlich: Solche Landesprogramme, solche Landeskonzepte sind nicht nur etwas für Geberländer. Mecklenburg-Vorpommern hat ein solches Programm, die Sachsen haben eines, mittlerweile hat auch Thüringen eines. Wir sind im Bundesvergleich mittlerweile eher die Ausnahme.

Das Konzept, das wir einfordern, soll zunächst praktische Maßnahmen zur Sicherung, Erfassung und Priorisierung der Bestände entwickeln, die Zusammenarbeit zwischen den Einrichtungen verbessern und auch die Öffentlichkeit für diese Aufgabe sensibilisieren.

Dabei geht es auch um den Bereich des Katastrophenschutzes. Hier brauchen wir noch nicht einmal bei null anzufangen. Es gibt in SachsenAnhalt bereits Notfallverbünde, auch länderübergreifend, die als Basiszusammenschlüsse von Kulturinstitutionen das Ziel verfolgen, sich einerseits im Katastrophenfall personell und materiell beizustehen und andererseits den Erfahrungsaustausch im Rahmen einer Städteweiterbildung anzubieten. Unter dieser Maßgabe haben sie sich zusammengeschlossen.