Nehmen wir ganz konkret einmal die Obstbauern. Sie erwarten in diesem Jahr Ernteausfälle von bis zu 80 % wegen des Frostes Ende April. Man kann sagen, dass es so späte Fröste immer einmal gegeben habe, dass das eine Ausnahmeerscheinung sei, dass das passieren könne. Aber, verehrte Kolleginnen und Kollegen, völlig untypisch und nicht normal war, dass zu diesem Zeitpunkt alle Obstbäume in voller Blütenpracht standen.
Das ist genauso untypisch wie das Gedeihen von Kiwi bei uns im Land. Wärmeres und trockeneres Klima zeigt Folgen. Man sieht das auch sehr deutlich an unseren Kiefernwäldern. Denen macht die
In Schierke sind die Schneetage um 125 im Jahr 1952 auf derzeit 75 gesunken. Es gab im Jahr 2016 16 Hitzetage mehr und zwölf Frosttage weniger als im Mittel. Parallel gibt es leider vermehrt Starkregenereignisse. Die Trockenheit wird den Lebensraum vieler Tierarten bedrohen. Schon jetzt stehen einheimische Arten wie Kiebitz, Rotbauchunke, Feldhamster, Rotmilan und Fledermäuse auf der Roten Liste.
Stattdessen machen sich invasive Arten breit, die mit den neuen klimatischen Gegebenheiten besser zurechtkommen. Aber sie üben einen absolut schädlichen Einfluss auf unser einheimisches ökologisches Gleichgewicht aus. Der negative Einfluss auf die Biodiversität ist noch gar nicht absehbar.
Währenddessen führen die Starkregen zu Hochwassern, wie wir sie vor kurzem erlebt haben, und hat sich das Wort „Jahrhundertflut“ überlebt. Es ist auch nicht normal, dass sich in Sachsen-Anhalt immer mehr Stürme zeigen wie Windhosen, Tornados oder Gewässer II. oder III. Ordnung überlaufen. Je weniger Klimaschutz wir machen, desto normaler wird das aber werden.
Das macht mir große Sorgen. - Wir GRÜNEN wollen heute mit dieser Aktuellen Debatte verdeutlichen: Klimaschutz ist Hochwasserschutz.
Die Klimakrise stoppen - wer weiß, ich glaube, wir schaffen das nicht mehr, aber wir können sehr wohl die Folgen mindern. Gerade deswegen müssen wir alles dafür tun, um beispielsweise den CO2-Ausstoß deutlich zu senken. CO2-Ausstoß, Klimakrise, Extremwetter - das hängt alles zusammen.
Da ist in den letzten neun Jahren in Deutschland nichts passiert. Das muss man zur Kenntnis nehmen. Im Gegenteil, im Jahr 2016 sind 9 Milliarden t mehr ausgestoßen worden. Deswegen ist es im Interesse der Sicherheit der Menschen, im Interesse der Gesundheit der Menschen aus unserer Sicht absolut kontraproduktiv, gegen die von der EU angestrebte Reduzierung des Schadstoffausstoßes von Braunkohlekraftwerken vorzugehen.
Sehr geehrte Damen und Herren! Ministerin Dalbert hat mehrfach hier im Hohen Haus dargelegt, was Sachsen-Anhalt für einen verbesserten Hochwasserschutz tut. Aber selbstverständlich gibt es immer auch noch mehr zu tun, vor allen Dingen in den Bereichen, die in der Vergangenheit vernachlässigt wurden.
Die Hochwasser 2002 und 2013 haben sehr nachdrücklich gezeigt: den Flüssen mehr Raum geben. Das darf nicht nur ein einzelnes Modellprojekt sein. Nein, das muss standardmäßiger Gesamtanspruch im gesamten Hochwasserschutz werden.
Den Flüssen wieder mehr Raum geben, das würde auch Lebensräume vor der Austrocknung schützen und könnte damit bedrohten heimischen Tierarten eine Perspektive eröffnen. Weißstorch, Mittelspecht, Heldbock, Moorfrosch, das sind deutsche Tiere. Sie gehören zu unserem Land, und es ist unsere Pflicht, sie zu schützen. Wir haben die Verantwortung, ihnen eine artgerechte Umwelt zu schaffen. Sie haben unverzichtbare Rollen im Gesamtgefüge unserer Flora und Fauna.
Um den Handlungsdruck im Arten- und Naturschutz an Flüssen und Auen deutlich zu machen: Laut Bundesumweltamt erreichen nicht einmal 10 % der Binnengewässer bundesweit den angestrebten guten ökologischen Zustand der europäische Wasserrahmenrichtlinie.
Sehr geehrte Frau Lüddemann, ich würde einfach mal ganz kurz unterbrechen wollen. Das wird Ihnen natürlich nicht angerechnet. - Ich bitte Sie, doch wenigstens zu respektieren, wenn ein Sprecher hier vorne ist, dass man auch den Redebeitrag vernehmen kann, auch wenn der eine oder andere sagt, es ist nicht für mich relevant. Aber es gibt doch etliche, die sagen, ich möchte wenigstens den Inhalt hören, damit man hinterher auch darüber diskutieren kann. - Bitte Frau Lüddemann.
Danke, Frau Präsidentin. - Ökologisch intakte Flussauen sind mit 10 % eine Seltenheit, obwohl sie die Regel sein sollten. Das muss man sich noch einmal verdeutlichen. Wenn man es anders herum sieht: 90 % der Auen haben keine naturraumtypische Ausprägung mehr. Da wundert es einen nicht, dass 78 % aller Auen und Gewässerbiotope gefährdet und 20 % davon von der vollständigen Vernichtung bedroht sind.
Das „Gesamtkonzept Elbe“ ist ein gutes Beispiel, um unterschiedliche Anforderungen - hier Schifffahrt, Hochwasserschutz und Artenschutz - zu verbinden. Es verbietet Maßnahmen, die einem anderen Ziel, vorzugsweise den ökologischen Zielen, abträglich sind. Das sollten wir alle ernst nehmen. Hieran sollten wir arbeiten, dass dies auch so umgesetzt wird.
Wir GRÜNEN denken Hochwasser- und Artenschutz gemeinsam. Wir brauchen Hochwasserschutz, der langfristig funktioniert und Lebensgrundlagen erhält. Diese Lösungen gibt es mit grünen Ideen. Diese müssen im Dialog aller Beteiligten entwickelt werden.
Bei Hochwasserschutzprojekten zeigt sich, wie in vielen anderen Bereichen auch, dass gut moderierte Bürgerbeteiligung zu besseren und schnelleren Lösungen führt. Die Ortskenntnis der Bevölkerung ist ein Wissensschatz, der gehoben werden muss. Wenn man mit den Beteiligten gute Kompromisse und Lösungen entwickelt, dann ist die Chance sehr hoch - das zeigen die Erfahrungen -, dass das Ergebnis von allen akzeptiert und weniger bis gar nicht - das ist meine Hoffnung - beklagt wird.
Das bringt unsere Hochwasserschutzprojekte schneller voran. Daran sollten wir alle ein Interesse haben. Wir haben viel geschafft: 60 % aller Deiche sind DIN-gerecht, aber es bleiben immer noch 40 %.
Hier müssen wir im Ausgleich der unterschiedlichen Interessen, Bedürfnisse und Anforderungen agieren und nicht diese gegeneinander ausspielen. Sonst werden wir nämlich das Hochwasserschutzziel 2020 nicht erreichen.
Wir GRÜNEN leben Bürgerbeteiligung vor. So finden wir in der Gemeinsamkeit, in der Aushandlung unsere Entscheidungen. Deswegen freue ich mich, dass unsere Ministerin das jetzt in die gestern bereits angekündigten Moderationsprozesse einbringen wird. Der Hochwasserschutz muss den Artenschutz berücksichtigen.
Was nützt das geschützte Haus, wenn es in Monokultur invasiver Arten steht? Was nützt uns der DIN-gerechte Deich, wenn dahinter alles verödet?
Mit der Schlitzung des Hochwasserschutzdeichs im Lödderitzer Forst - eine der größten Baumaßnahmen im ökologischen Bereich in Deutschland, hier in Sachsen-Anhalt vollzogen im Naturschutzgroßprojekt Mittlere Elbe des WWF - wurde dieses gezeigt: Artenschutz und Hochwasserschutz Hand in Hand, das funktioniert.
Auf der etwa 600 ha großen Rückverlegungsfläche gibt es bis zu 250 Jahre alte Eichen. Schon 1929 wurden sie - der Bereich Lödderitzer Forst - unter Schutz gestellt. Das ist auch jetzt weiterhin garantiert. Das ist ein Erfolg, der sich bundesweit sehen lässt, ein Erfolg in Sachsen-Anhalt.
Auch die Renaturierung der Dornburger Alten Elbe zwischen Schönebeck und Magdeburg ist ein Projekt, bei dem in dem Fall dann der BUND als Naturschutzpartner gewonnen wurde. Hier wird mit der Verwaltung an einem Strang gezogen. Auch hier ist Hochwasserschutz Artenschutz, ist Artenschutz Hochwasserschutz.
Deswegen ist es so erfreulich und so wichtig, dass derzeit 17 geplante und bereits in Realisierung befindliche Deichrückverlegungen ausgewiesen oder in Vorbereitung sind. Wir müssen diese Projekte in enger Zusammenarbeit mit der Bevölkerung vor Ort gestalten. Denn Hochwasserschutz geht alle an. Letztendlich profitieren auch alle davon.
Wir wissen, dass wir mit 47 % eine hohe Versicherungsrate im Land haben. Die ist ausbaufähig, das sagen wir an vielen Stellen, aber wir alle wissen, wie sich Versicherungen im zweiten, dritten, vierten Schadensfall verhalten. Deswegen müssen wir mit intelligentem Hochwasserschutz, der den Artenschutz berücksichtigt, vorbauen.
Dem kann ich entsprechen. Wir haben zwei Nachfragen. Der erste Wortmelder war Herr Schmidt und dann kommt Herr Gürth. - Herr Schmidt, bitte.
Sie haben über eine Steigerung des CO2-Ausstoßes gesprochen. Da würde mich interessieren, ob in Ländern, in denen die GRÜNEN mitregieren, der CO2-Ausstoß massiv gesunken ist - gerade in Baden-Württemberg, wo die GRÜNEN die Mehrheit stellen. Es würde mich interessieren, ob dort der CO2-Ausstoß wirklich gesunken ist.
Das kann ich Ihnen jetzt so nicht beantworten. Ich habe mich auf die bundesweiten Zahlen bezogen. Kann ich mir gerne noch einmal angucken. Dazu können wir gerne noch einmal ins Gespräch kommen. Diese neun Milliarden, das war die bundesweite Zahl.
Bevor ich dem Abg. Herrn Gürth das Wort erteile, habe ich die ehrenvolle Aufgabe Schülerinnen und Schüler des Trudeau-Gymnasiums Barleben bei uns ganz herzlich zu begrüßen. Herzlich willkommen!
Sehr geehrte Kollegin Lüddemann, ich habe drei kurze Fragen. In Ihrer Rede ist mir aufgefallen, dass Sie vom Jahrhunderthochwasser und anderen Beispielen sprachen. Aber explizit das erste große schlimme Hochwasser, das dieses Land in den letzten Jahrzehnten - zumindest nach der Neugründung 1990 - an Selke, Wipper und Eine erlebt hat - das 23 Jahre her ist -, wurde in Ihrer Rede überhaupt nicht erwähnt. Hat das einen speziellen Grund oder ist das nur vergessen worden? - Das ist die erste Frage.
Die Zweite: Sie haben das Thema Moderation angesprochen, dass Sie bei Hochwasserschutzmaßnahmen den Moderationsweg wählen und bevorzugen, um schneller und möglichst ohne Klagen Entscheidungen mit der Bevölkerung hinzubekommen. Hierzu möchte ich dann fragen: Akzeptieren Sie, dass am Ende bei aller Bürgerbeteiligung und Moderation aber ein Verwaltungsakt stehen muss in einem Rechtsstaat? - Egal, wie dann die Mehrheitsmeinung ist, es muss ein fachlich begründeter Verwaltungsakt sein.
Würden Sie dann als GRÜNE in Sachsen-Anhalt Ihre Blockade aufgeben für die Rückhaltebecken, wenn dies dann fachlich begründet an Selke, Bode, Wipper und Eine die einzig wirklich tragfähige Lösung für einen nachhaltigen und vernünftigen Hochwasserschutz ist?
Dazu muss man wissen: In die Gesamtkonzeption gehören drei Rückhaltebecken. Wippra ist im Bau. Die anderen beiden in Straßberg und Meisdorf sind zwar vor Ort umstritten, aber Bestandteil einer Gesamtkonzeption, die jetzt irgendwann einmal umgesetzt werden muss.