Für die Aussprache zur Großen Anfrage wurde die Debattenstruktur „E“, also eine Debatte mit einer Redezeit von insgesamt 90 Minuten, vereinbart. Reihenfolge der Fraktionen und ihre Redezeiten: AfD 19 Minuten, SPD neun Minuten, DIE LINKE zwölf Minuten, CDU 23 Minuten und GRÜNE neun Minuten.
Gemäß § 43 Abs. 6 der Geschäftsordnung des Landtages erteile ich zuerst der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. Für die Fraktion
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Über eine Länge von 302 km fließt die Elbe durch Sachsen-Anhalt. Sie steht für Heimat und Identität. Sie ist aber auch ein vielseitiger und wichtiger Wirtschaftsfaktor. Es beschäftigt uns GRÜNE, wie man noch besser und gezielter aus unserer ursprünglichen Flusslandschaft ohne Lärm und Feinstaub nachhaltiges Kapital schlagen kann.
Welchen Nutzen zieht Sachsen-Anhalt aus dieser Flusslandschaft? Welche Branchen profitieren von der Elbe? Welche Investitionen wurden mit welchen Resultaten getätigt? Welche Bedeutung hat die Elbe als Arbeitgeberin? Worin liegen die größten wirtschaftlichen Potenziale? Und welche aktuellen Entwicklungstendenzen zeichnen sich ab?
Die Antworten auf diese Fragen sind überraschend. Das beginnt schon im ersten Satz in der Antwort der Landesregierung mit der Feststellung: „Die Elbe ist die wichtigste Wasserstraße des Landes.“ Stimmt das auch? Und stimmt dies auch unter wirtschaftlichen Aspekten?
Werte Kolleginnen und Kollegen! Die wichtigste Wasserstraße des Landes ist der Mittellandkanal mit einer 30 mal stärkeren Nutzung.
Auf dem Mittellandkanal werden 10 Millionen t im Jahr transportiert; auf der Elbe lediglich 0,3 Millionen t im Jahr, Tendenz fallend. Die Elbe ist der wichtigste Fluss des Landes, sollte wohl die Aussage sein.
Lassen Sie uns das also zum Ausgangspunkt der weiteren Betrachtungen machen und uns von den Erkenntnissen weiterhin überraschen. Der Elbestrom mit seinem bis in die Gegenwart relativ naturnahen, unverbauten Charakter ist ein wichtiger Faktor für viele seiner Anrainer. Deshalb ist es sehr bedauerlich, an vielen Stellen lesen zu müssen, der Landesregierung lägen keine belastbaren Zahlen vor, keine Aussagen könnten getroffen werden etc. Ergänzend zu den blinden Flecken der Datengrundlage der Landesregierung haben wir uns erlaubt, in frei zugänglichen Veröffentlichungen Daten, Fakten und Zahlen zu recherchieren, und freuen uns, damit die Faktengrundlage verbreitern zu können.
Nun wieder zurück zur Antwort der Landesregierung und zum ersten offensichtlichen Befund: Der Güterverkehr auf der Elbe ist stark rückläufig, unabhängig von der Befahrbarkeit. Ebenso verhält
es sich mit den Güterschiffen. Die fälschlicherweise so genannte wichtigste Wasserstraße des Landes wird täglich gerade einmal von drei bis vier Schiffen - Durchschnitt an der Zählstelle Magdeburg - befahren. Die Tonnage rauscht ebenso Jahr für Jahr nach unten, von 1,3 Millionen t im Jahr 2000 auf 0,3 Millionen t im Jahr 2016. Das entspricht einem Rückgang des Transportvolumens von 75 %.
Das ist - so der zweite offensichtliche Befund - der gegenläufige Trend zum elbnahen Tourismus, der im deutlichen Gegensatz dazu stetig ansteigt.
Nachdem in den letzten 25 Jahren in SachsenAnhalt 134 Millionen € öffentlicher Gelder in den Ausbau der Güterhäfen an der Elbe versenkt wurden, ist es Zeit, Bilanz zu ziehen. Bei einem durchschnittlichen Prozentsatz öffentlicher Förderung von 75 % ist dies die Wahrnehmung unserer politischen Verantwortung. In Sachsen hat dies im Übrigen der dortige Landesrechnungshof übernommen und kommt zu dem ernüchternden Fazit, dass die Häfen nur 7 % ihres Umschlags über die Wasserstraße abwickeln. 7 %!
Aktuelle Daten, Fakten und insbesondere Prognosen, die den Investitionsentscheidungen bei den Häfen zugrunde lagen, sind der Landesregierung nicht bekannt. Das ist überraschend bei einem durchschnittlichen Prozentsatz der öffentlichen Förderung von 75 %; das würde sich manch anderer Wirtschaftszweig nur wünschen.
Wir fragen uns schon, wie so etwas passieren kann, zumal die Jahresabschlüsse der Häfen, der Umschlagumsatz und andere Daten öffentlich zugänglich sind und auch Fördermittelanträge nicht frei von Daten und Zahlenwerk sind.
Was weiterhin überrascht, insbesondere bei dem sehr vorsichtigen Umgang der Landesregierung mit Zahlen, ist, wie unkritisch die Ergebnisse der bundesweit nicht unumstrittenen Studie zur gewerblichen Elbeschifffahrt bereits in der Einleitung der Antwort genannt werden. Eine fünfstellige Anzahl an Beschäftigten, nämlich 16 400, zu nennen, die angeblich von der Elbeschifffahrt abhängig seien, halte ich für tendenziös und irreführend. Es handelt sich dabei weder um Zahlen, die spezifisch für Sachsen-Anhalt gelten, noch ist ihre Erhebung einwandfrei.
Was, bitte schön, sind denn wasserstraßenaffine Unternehmen? Jeder Backshop im Hinterland mit bundesweit einem Beschäftigten? Oder die komplette Belegschaft, immerhin 4 500, von Enercon, die aber im Wesentlichen über den Mittelland
Vielmehr gibt die Antwort auf die Frage 3.12 einen Hinweis auf die tatsächliche Anzahl der abhängig Beschäftigten in der Güterbeförderung durch die Binnenschifffahrt. Konkret sind es 200, die allerdings überwiegend am und auf dem Mittellandkanal zu finden sind.
Ähnlich verhält es sich mit dem Hafen Magdeburg, der erstens deutlich mehr als die Hälfte, nämlich 60 %, seiner Güterlogistik gar nicht über das Wasser abwickelt. Und das, was über den Kai geht, geht zum größten Teil - das kann man leicht erraten - nicht über die Elbe, sondern über den Mittellandkanal. Die Schifffahrt ist aus wirtschaftlicher Sicht nicht der Renner auf der Elbe.
Was kommt aber dann um die Elbe wirtschaftlich herum? - Eine ganze Menge, und das auf zwei Rädern. Mit Zahlen hält sich die Landesregierung auch an dieser Stelle zurück. Aber aus anderen Quellen kann man herauslesen, dass sich die Zahl der Nutzenden des Elberadweges stetig erhöht.
Dieser Tourismus verdient ansteigend gutes Geld. Gerade die kleinen und mittleren Unternehmen, die besonders gefördert werden sollen, wie wir letzte Woche der Pressemitteilung unseres Landesvaters entnehmen konnten, profitieren vom elbnahen Tourismus. Die Ausgaben der auf dem Elberadweg Reisenden betrugen durchschnittlich 73 € pro Person und Tag inklusive Übernachtung.
Auch hat die Radreiseanalyse 2017 des Allgemeinen Deutschen Fahrrad Clubs den Elberadweg seit 2004 zum 13. Mal in Folge unangefochten auf den ersten Platz als beliebtesten Radfernweg gesetzt und damit bestätigt. Wir als Land sollten - das haben wir in einer anderen Debatte schon einmal erörtert - endlich das Angebot des ADFC nutzen und den Elberadweg zertifizieren lassen.
Grundsätzlich ist für uns GRÜNE nicht nachvollziehbar, warum die Landesregierung mit angezogener Handbremse feststellt - ich zitiere -:
„Das Potenzial des Elberadwegs ist im Inland aus der Sicht der Landesregierung weitgehend erschlossen. Aufgrund der Tatsache, dass viele Radreisende bereits auf dem Elberadweg unterwegs waren […]“
Das hat die Koordinierungsstelle Mitte des Elberadweges mit Sitz in Magdeburg veröffentlicht; immerhin.
Eine weitere Zunahme der Anzahl der ausländischen Gäste auf dem Elberadweg hält die Landesregierung für möglich. Es sei aber angemerkt - auch das ist kein neuer Befund -, dass für die Erschließung dieser Zielgruppe noch besonderer Fortbildungsbedarf besteht. Als Stichworte nenne ich hier nur Sprachkenntnisse und interkulturelle Bildung.
Festzustellen bleibt: Tourismus an der Elbe, egal ob zu Fuß, im Boot oder auf dem Rad, hat hohes Potenzial, egal ob Wiederkehrer oder Erstbesucher aus dem In- oder aus dem Ausland. Um alle potenziellen Gäste ansprechen zu können, müssen wir mehr über sie wissen. Und wir brauchen für den Aktivtourismus entlang der Elbe auch eine schlüssige landesweite Strategie.
Es gilt festzustellen und weiterzuentwickeln, was wir mit dem Naturwunder Elbe für den Tourismus gewinnen und wie wir die Anforderungen der Radreisenden stärker berücksichtigen können. Die Datenlage aus Sachsen mit lediglich 150 km Elbe weist 430 000 Radreisende mit ca. 1,74 Millionen Übernachtungen pro Jahr aus. Wir haben hier 300 km Elbe mit dem größten Naturpotenzial und können leider nur mutmaßen.
Im Land Niedersachsen mit 100 km freifließender Elbe wird derzeit eine landesweite mehrjährig angelegte Radverkehrsanalyse im Auftrag der Tourismusmarketing Niedersachsen GmbH durchgeführt, die valide Daten über das touristische Radverkehrsaufkommen, über die wirtschaftlichen Effekte aller Radfernwege, aber auch des Radfernweges Elbe, liefern soll.
Wir brauchen auch für Sachsen-Anhalt eine valide Radverkehrsanalyse. Wir haben den längsten Elbeabschnitt. Wir können das höchste Wirtschaftswachstum daraus generieren. Diese Radverkehrsanalyse sollte natürlich im besten Fall kompatibel sein mit den Analysen in Sachsen und Niedersachsen.
Denn, sehr geehrte Damen und Herren, der Elberadweg ist das Aushängeschild des Landes in Sachen Kultur und naturnahem Radtourismus.
Am Ausbau dieses Wirtschaftszweiges müssen wir nicht nur dranbleiben, sondern wir müssen das deutlich verstärken. Ebenso müssen wir an der entschlossenen Ablehnung eines unsinnigen El
Was wir brauchen, ist die konsequente Ertüchtigung des Elberadwegs nach DIN-Normen, die Anpassung seiner Wegeführung, weg von Straßen begleitender Wegeführung, Infrastruktur des 21. Jahrhunderts, sichere Abstellanlagen und Ladeinfrastruktur für elektrische Räder.