Erstens. In der Pflege, in der Eingliederungshilfe und bei den Leistungen der Rehabilitation und Teilhabe werden wir in den kommenden Jahren die Herausforderungen des demografischen Wandels meistern müssen. Die steigende Zahl von Menschen mit Pflege- und Reha-Bedarfen wird den Einsatz von deutlich mehr Fachkräften erforderlich machen. Wir werden nur dann genügend Menschen für diese anspruchsvollen Berufe gewinnen können, wenn wir bereit sind, die Arbeitsbedingungen im Sinne von guter Arbeit zu gestalten.
Dazu gehört insbesondere eine den hohen Anforderungen entsprechende Entlohnung. Da ist es gut, dass das SBG XI festschreibt, dass die Pflegesätze einem Pflegeheim bei wirtschaftlicher Betriebsführung ermöglichen müssen, „seine Aufwendungen zu finanzieren und seinen Versorgungsauftrag zu erfüllen“.
Warum? - Das haben wir im Koalitionsvertrag treffend formuliert. Um ausreichend Nachwuchs für diesen wichtigen Bereich zu gewinnen, „ist
nicht nur eine größere gesellschaftliche Würdigung ihrer lebenswichtigen Tätigkeit, sondern auch eine bessere Bezahlung von Pflegekräften notwendig.“
Am Runden Tisch Pflege, den wir eingerichtet haben und der sehr gute und erfolgreiche Arbeit in diesem Jahr geleistet hat, war der Arbeitsmarkt im Bereich der Pflege das erste Schwerpunktthema, und das aus gutem Grund.
In der Pflegeversicherung ist - auch das möchte ich hier erwähnen - im Jahr 2014 die Tarifvertragslohnanerkennung geregelt worden. Damit wurde zugleich ein deutliches Signal gesetzt, dass in der Pflege überall angemessene Löhne zu zahlen sind und eine Weitergabe des Kostendrucks an das Personal gerade vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels nicht legitim ist.
Hier haben auch Bundesregelungen geholfen. Diesem Beispiel folgt auch das Bundesteilhabegesetz von 2016. Diese Regelungen unterstützen unseren Anspruch an die Bedingungen guter Arbeit.
Zahlreiche Leistungserbringer haben bereits mit der Sozialagentur Tarifverträge abgeschlossen, haben sich denen angeschlossen oder haben diese neu verhandelt. Diese Zielrichtung wird mit Blick auf den Fachkräftebedarf von uns nachdrücklich unterstützt, wenngleich in einigen Punkten - es geht uns gerade um die Verbände, bei denen es noch keine Tarifbindung gibt - noch Handlungsbedarf besteht.
Zweitens - noch ein Beispiel aus diesem Bereich -: Wir brauchen eine angemessene Ausbildungsvergütung in der Altenpflege. Hierbei setze ich auf die Reform der Pflegeausbildung. Ich hoffe, dass die Pläne umgesetzt werden und wir nicht nach der Bundestagswahl wieder bei Null stehen. Ich hoffe auch, meine Damen und Herren, dass mit dem neuen Pflegeberufereformgesetz eine gute Lösung gefunden und eine Realität beendet wird, in der trotz gesetzlicher Verpflichtung angemessene Ausbildungsvergütungen zu oft nicht gezahlt werden. Wenn wir den Anspruch ernst nehmen, der sich in dem Schlagwort „Gute Arbeit“ bündelt, wissen wir, dass es hier wirklich Handlungsbedarf gibt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Auch die Landespolitik kann Ausrufezeichen setzen. Damit komme ich zu meinen dritten Punkt. Wir haben Ende 2016 das Versprechen eingelöst, die Tarifsteigerungen bei den Erzieherinnen in die Kinderförderungsgesetzpauschalen einzupreisen. Das haben wir alle zusammen erreicht.
Diverse Wohlfahrtsverbände vollziehen jetzt eine Anpassung ihrer bestehenden Tarifwerke, so zum Beispiel der Paritätische Landesverband Sach
Wir brauchen diese Entwicklung. Nahezu die Hälfte der Beschäftigten in Kindertageseinrichtungen des Landes Sachsen-Anhalt ist zwischen 45 und 60 Jahre alt. Jede Vierte, muss man ja sagen, ist sogar älter als 55 Jahre.
Wir brauchen gute Löhne schon allein, um den notwendigen Berufsnachwuchs für diesen wichtigen Bereich gewinnen zu können. Wir brauchen - das hier nur am Rande - Projekte für eine gute dreijährige duale Ausbildung, wie unser Modellprojekt „Ausbildung zur Fachkraft für Kindertageseinrichtungen“ es vormacht, und wir brauchen noch mehr Angebote für Quereinsteiger.
Oder nehmen Sie den Krankenhausbereich. Das Krankenhaus ist ein zentraler Punkt im Leben und Arbeiten der Menschen in einer Region. Seine herausragende Bedeutung beschränkt sich dabei nicht allein auf die Sicherstellung der medizinischen Versorgung, sondern resultiert auch daraus, dass das Krankenhaus oft der bedeutendste Wirtschaftsfaktor vor Ort ist.
Wichtig für das Funktionieren dieses komplexen Miteinanders ist die Qualität, die Qualität der Leistung, die Qualität der Prozesse und die Qualität der Arbeit. Maßgeblich für die Qualität in all diesen Erscheinungsformen sind diejenigen, die im Krankenhaus die Arbeit machen. Neben den Ärzten sind das in erster Linie die Pflegenden, die den Patienten am nächsten sind und im Krankenhaus immer noch die stärkste Dienstart stellen. Geht es dem Pflegedienst schlecht, kann es der Region nicht gut gehen.
In Sachsen-Anhalt mit seinen großen ländlichen Gebieten, seiner aber trotzdem guten Krankenhausversorgung gilt dieser Ursache-Wirkung-Zusammenhang in besonderem Maße. Warum ich das hier erwähne? - Die Bundesregierung hat eine Expertenkommission ins Leben gerufen, um die Situation des Pflegedienstes im Krankenhaus zu untersuchen. Im Ergebnis wird sehr kurzfristig noch in dieser Legislaturperiode ein gesetzlicher Auftrag an den GKV-Spitzenverband und die Deutsche Krankenhausgesellschaft beschlossen werden, um Personaluntergrenzen für die Pflege im Krankenhaus festzulegen, die nach dem Auslaufen des Pflegestellenförderprogramms gelten sollen.
Das ist die Konsequenz, die aus den Ergebnissen der Expertenkommission „Pflegepersonal im Krankenhaus“ auf der Bundesebene gezogen worden ist. Ich werde diesen Prozess mit großer Aufmerksamkeit begleiten, beobachten und, soweit es in meiner Macht steht, auch unterstützen. Auch das, meine Damen und Herren Abgeordnete, gehört zum großen Thema „Gute Arbeit“.
Eine angemessene Personalausstattung in der Pflege im Krankenhaus ist für die Qualität der Patientenversorgung und die Arbeitssituation der Beschäftigten unabdingbar. Wenn hier Gewerkschaften Druck machen - das macht ver.di gerade -, begrüße ich das, auch wenn ich vielleicht nicht jede Einzelforderung ihrer Höhe nach unterschreiben kann.
Genauso gehören dazu Punkte wie der Arbeitsschutz. Sachsen-Anhalt wirkt engagiert an der Umsetzung der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie mit. Es geht darum, Anreize zu schaffen, damit Betriebe die Sicherheit und die Gesundheit der Beschäftigten gewährleisten. Für gute Arbeit sind sichere und gesundheitsfördernde Arbeitsbedingungen eine Grundvoraussetzung. Auch darum - das sei hier kurz erwähnt - wurden im Jahr 2016 im Land 5 000 Betriebskontrollen durchgeführt, im Übrigen 10 000 Mängel im Arbeitsschutz festgestellt.
Dazu gehört auch die Prävention. Ich freue mich, dass das Präventionsgesetz des Bundes Möglichkeiten eröffnet, das betriebliche Gesundheitsmanagement zu stärken. In Sachsen-Anhalt haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart, die Umsetzung aktiv zu begleiten. Ich kann jetzt vermelden: Die entsprechende Landesrahmenvereinbarung ist unterzeichnet worden, schon im November.
Die Verknüpfung von Arbeitsschutz und Gesundheitsförderung ist ebenso ein erklärtes Schwerpunktthema wie das Thema Gesundheit bei Erwerbslosen. 4,5 Millionen € stehen über die Krankenkassen zur Verfügung. Kurz gesagt: Gute Arbeit ist auch gesunde Arbeit. Dabei müssen wir auch verstärkt das Thema „Psychische Belastung“ in den Blick nehmen; auch dafür können übrigens Mittel aus dem Präventionsgesetz genutzt werden. Das ist also ein ganzer Strauß.
Es sind soziale, gesundheitliche, familiäre, demografische, gesellschaftliche Aspekte, aber auch Karriere-, Bildungs- und Einkommensperspektiven, die gute Arbeit ausmachen. Es gilt, diese zu stärken; denn gute Arbeit kann einen Standort attraktiv und lebenswert, ein Unternehmen als Arbeitgeber attraktiv und den Wirtschaftsstandort nachhaltig erfolgreich machen.
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Wie können wir in unserem Land weiter stärken? - Erst einmal vorweg: Was wir als Landesregierung und ich als Ministerin tun, das tun wir für alle, für alle in diesem Land, die Hilfe wollen, und alle, die Hilfe bedürfen. Unsere Programme haben wir so erweitert, dass auch Geflüchtete profitieren können. Wichtig ist, dass wir jungen Menschen gleich am Anfang ihrer beruflichen Entwicklung gute Chancen und bei Bedarf die notwendige Unterstützung bieten.
Daher investieren wir viel in Programme zur Berufsorientierung und versuchen zusammen mit den zuständigen Akteuren vor Ort, in den Kommunen Jugendlichen beim Übergang von der Schule in den Beruf hilfreich zur Seite zu stehen.
Wir bieten niederschwellige Unterstützung für kleine und mittelständische Unternehmen bei der Fachkräftesicherung, Fachkräftegewinnung und Fachkräfteentwicklung durch die Landesinitiative „Fachkraft im Fokus“.
Wir haben Programme, die Weiterbildung fördern und lebenslanges Lernen unterstützen. Es seien nur „Sachsen-Anhalt Weiterbildung Betrieb“ und „Sachsen-Anhalt Weiterbildung Direkt“ genannt.
Ein weiterer Aspekt ist die Steigerung der Teilhabe am Arbeitsmarkt. Hierbei können wir Unterstützung geben durch Programme wie die „Zukunftschance Assistierte Ausbildung“, die Jugendliche sozialpädagogisch begleitet, damit sie ihre duale Ausbildung schaffen und abschließen.
Helfen und Unterstützen durch intelligente Programme, das gilt auch mit Blick auf die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Lassen Sie mich ganz deutlich sagen: Der Anspruch auf gute Arbeitsbedingungen gilt auch für Menschen mit Behinderungen. Mir liegt sehr am Herzen, unseren Anspruch auch insoweit Realität werden zu lassen. Dies bedeutet, dass Menschen mit Behinderungen bei der Teilhabe am Arbeitsleben nicht allein auf die Beschäftigungsangebote in Werkstätten für Menschen mit Behinderung verwiesen werden dürfen, so wertvoll deren Arbeit unbenommen ist.
Sie müssen die Chance erhalten, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Insbesondere mit der Einführung des Budgets für Arbeit ab dem Jahr 2018 werden durch das Bundesteilhabegesetz die Wahlmöglichkeiten für dauerhaft voll erwerbsgeminderte Menschen mit Behinderung erweitert.
Ein weiteres Instrument der Förderung der Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sind Integrations
projekte bzw. in der neuen Diktion Inklusionsbetriebe. Hier werben wir für die Inanspruchnahme des mit 150 Millionen € ausgestatteten Bundesprogramms „Alle im Betrieb“.
Meine Damen und Herren Abgeordnete! Was liegt noch vor uns? - Wir wollen Chancen in unserem Land geben. Ich setze deshalb auf das neue Landesprogramm „Stabilisierung durch Teilhabe am Arbeitsleben“. Hierbei geht es um die Schaffung einer niederschwelligen Einstiegsmöglichkeit in geförderte und begleitete Beschäftigung.
Das Ziel ist es, bis zu 2 000 längerfristige Arbeitsgelegenheiten zusammen mit den Jobcentern bereitzustellen.
- Nein, eben nicht nur ausschließlich Ein-EuroJobs. Das haben Sie die ganze Zeit an dem neuen Landesprogramm schon nicht verstanden. Aber ich werde mir hier die Mühe geben, es Ihnen nochmal zu erklären.
Über die Ausgestaltung sind wir mit den Landkreisen und mit den kreisfreien Städten im Gespräch. Da werden wir passgenaue Lösungen für die Regionen entwickeln können.
Wir wollen Menschen helfen und unterstützen, die ohne dieses Programm keine Chance mehr haben, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Wir begleiten bei den ersten wichtigen Schritten. Danach reißt es eben nicht ab. Wir werden weiterhin intensiv betreuen. Das ermöglicht Betroffenen zugleich mehr Teilhabe am gesellschaftlichen Leben; denn lange Arbeitslosigkeit zieht fast immer auch gesellschaftliche Ausgrenzung nach sich; Letzteres wollen wir mit dem neuen Programm beseitigen.
Ich habe schon mehrfach gesagt, dass wir uns an dem gut laufenden Landesprogramm „Familien stärken“ orientieren werden, mit dem wir es geschafft haben, Alleinerziehende auf den ersten Arbeitsmarkt zurückzubringen. Wer mehr als zehn Jahre arbeitslos war oder es möglicherweise noch nie geschafft hat, eine Ausbildung zu machen oder am Arbeitsleben teilzuhaben, der braucht eine richtig lange Reintegrationsphase, um auf dem ersten Arbeitsmarkt wirklich wieder ankommen zu können. Das wollen wir damit unterstützen.
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich mache mich dafür stark, die Qualität der Arbeit auch in Zukunft zu erhalten und zu sichern. Vor diesem Hintergrund ein paar Worte zur Digitali
sierung. Das Ausschöpfen der technologischen Möglichkeiten darf die Ausgestaltung und die Beachtung der guten Arbeit nicht vernachlässigen. Digitalisierung darf nicht allein der Kosteneffizienz dienen. Gute Arbeit beinhaltet das Recht auf informationelle Selbstbestimmung für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen und verhindert eine Entgrenzung der Arbeit und permanente Erreichbarkeit auch in der digitalen Arbeitswelt. Gute Arbeit im digitalen Wandel beachtet die Arbeitsplatzgestaltung und den Arbeitsschutz 4.0. Die Zielstellung muss es auch sein, die Technik zum Wohle und zur Unterstützung des Arbeitnehmers und der Arbeitnehmerin zu nutzen.