Die moderne Tierzucht formuliert ihre Zuchtziele gern entsprechend den wirtschaftlichen Zielvorstellungen der Tierhalter und bedient sich dabei an den Datenbeständen der Erzeugerorganisationen, um mittels PC-Programmen die entsprechenden Leistungseigenschaften zu erhöhen.
Hat die kontinuierliche Steigerung der Ferkelzahl je Sau züchterisch bereits dazu geführt, dass standardmäßig jede Sau nunmehr 14 Zitzen aufweisen muss, so war damit die Steigerung der Ferkelzahl von bis zu 20 und mehr geborenen Ferkeln je Sau möglich. Allerdings müssen bei diesen Ferkelzahlen auch noch künstliche Ammen und Ammensauen zusätzlich eingesetzt werden. Einzelne Ferkel wechseln nunmehr sowohl die Mutter als auch die Geschwister und lernen diese teilweise niemals kennen.
Sauen sind nach derartig anstrengenden Geburten, die sich über lange Zeiträume erstrecken, oft anfällig gegen Infektionen und büßen einen Großteil ihrer Kondition ein. Die Folge ist eine geringere Lebensdauer, und nach drei bis vier Würfen kommen die Sauen oft zur Schlachtung. Tiere wie die legendäre Ilse mit 21 Abferkelungen wird man derzeit in den Schweineställen nicht mehr finden.
Ist denn ein einheitliches bundesdeutsches Qualitätssiegel für die tiergerechte Schweinehaltung notwendig, stellt sich die Frage? - Tierschutzlabel gehen in ihren Anforderungen in den meisten Fällen deutlich über die gesetzlichen Mindeststandards hinaus und basieren vor allem auf dem Konzept der Funktionsbereiche, das sich wiederum an der Ausübung des Normalverhaltens der Schweine orientiert oder orientieren soll.
Dabei stellt sich aber die Frage für den ganz normalen Verbraucher, wo genau denn jetzt noch der Unterschied zwischen ökologischer Haltung nach EU-Verordnung oder Haltungsrichtlinien eines ökologischen Anbauverbandes, wie zum Beispiel Naturland, besteht.
alle Prüfkriterien im Hinterkopf, wenn Sie im Supermarkt nach einer Packung Schweineschnitzel eines bestimmten Herstellers greifen und die Kennzeichnungen studieren? - Die eigentlichen Hintergrundfragen tauchen dann erst noch bei den Abschnitten Transport und Schlachtung auf, die natürlich auch noch zu berücksichtigen wären.
Jedem ist auch klar, dass Tierschutzleistungen, die in einem Label garantiert und durch finanzielle Mehraufwendungen des Verbrauchers honoriert werden müssen, auch entsprechend penibel überprüft und kontrolliert sein sollen, sonst kann jegliches Vertrauen in diese Qualitäts- und Tierschutzsiegel und damit in das System an sich verloren gehen. Hier brauchen wir ein einheitliches Kontrollsystem. Auch dies ist eine Forderung des AfD-Antrages.
Mit modernen Bewertungssystemen werden Indikatoren am einzelnen Schwein erhoben, und damit kann eine genaue, validierbare Aussage getroffen werden, wie wohl sich das Schwein tatsächlich in seiner Haltungsumgebung und Umwelt fühlt. Ein derartiges System kann nach entsprechender Schulung sowohl der Tierhalter als auch die Kontrollbehörde anwenden.
Werden diese Daten dann korrekt ausgewertet - das ist natürlich die Voraussetzung -, kann jederzeit eine Aussage zum Stand der Umsetzung von Tierschutzstandards getroffen werden. Auch dafür setzt sich die AfD-Fraktion in ihrem Antrag deutlich ein.
Zu den besseren Haltungsbedingungen für die Schweinemast, welche die AfD fordert, gehören auch präventive Maßnahmen, wie beispielsweise ein ordnungsgemäßer Brandschutz in den Anlagen. Zum einen sind Sprinkleranlagen oder gleichwertige Vorrichtungen vorzusehen, und bautechnisch sowie organisatorisch ist dafür Sorge zu tragen, dass die Tiere im Brandfall möglichst unkompliziert und unversehrt gerettet werden können.
Nun kommen wir zu einem ganz wesentlichen Punkt des Tier- und Umweltschutzes und damit auch der hier besprochenen Thematik; nämlich dem zentralen Punkt: die gesamtgesellschaftliche Einsicht und Bereitschaft zum Tier- und Umweltschutz.
Das ist ein schwer zu generierendes Thema. Interesse und Bereitschaft zu Tier- und Umweltschutz können eben nicht per Dekret von oben verordnet werden. Gleiches versucht die etablierte Politik ja bereits auf anderen Gebieten vergeblich. Ich möchte nun gar nicht weiter auf vordiktierte Willkommenskultur und Aufnahmebereitschaft usw. eingehen.
Die Themen Tierhaltung und Ernährung müssen kombiniert bereits früh unseren Kindern und Jugendlichen nahegebracht werden. Die AfD-Fraktion möchte daher mit ihrem Antrag das Schulfach „Ernährungskunde“ einführen lassen, das über den gesamten Bereich der Nutztierhaltung und der Pflanzenproduktion, von der Primärproduktion bis zum fertigen Produkt, wie zum Beispiel direkt nutzbarem Schweinefleisch, praktisches Wissen und Anschauung vermittelt.
Nur so kann ein Grundinteresse und Verständnis gesamtgesellschaftlich überhaupt generiert werden. Natürlich ist das eine Langzeitaufgabe. Das ist klar.
Besonders neben dem Aufzeigen globaler Probleme wie zum Beispiel Naturraumzerstörung und Schadgasproduktion soll es auch um Vorgänge gehen, die Konrad Lorenz treffend - ich darf zitieren -: „… die bedrohliche Entmenschung des modernen Zivilisationsmenschen von allen Lebendigem …“ nannte.
Dass die Auswirkungen übertriebenen Luxuskonsums von Nahrungsmitteln in Kombination mit anderen gesellschaftlichen, teils dekadenten Entwicklungen ein Hauptfaktor für starkes Übergewicht und Stoffwechselerkrankungen von immer mehr Kindern und Jugendlichen ist, dürfte allen bekannt sein. Auch hierbei kann Aufklärung und Verständnis für Nutztierhaltung und daraus produzierter Nahrung ein sehr positiver Lösungsansatz sein.
Um direkt zum Thema zurückzukommen: Gerade Schweinefleisch wird mittlerweile etwas abschätzig als billiges, ständig verfügbares Grundnahrungsmittel angesehen und erfährt dadurch wenig Interesse bezüglich Herstellung und Nutztierhaltung und wird teilweise regelrecht verramscht. Dies muss sich langfristig ändern, werte Abgeordnete; auch dafür streitet die AfD-Fraktion.
Denn es kann einfach nicht sein, dass ein Schweinemäster nach der Schlachtung seiner Schweine kaum seine Unkosten decken und dieses Faktum nur durch Bestandserweiterungen und Rationalisierung in großem Umfang ausgleichen kann.
Es reicht aber nicht, hierfür die Schuldfrage ausschließlich dem unaufgeklärten und unkritischen Verbraucher zuzuschieben. Es müssen auch die eigentlichen wenigen Profiteure durch politischen Druck diszipliniert werden, und auch der Handel muss direkt an den Verhandlungstisch beordert werden.
Und wir wissen natürlich: Massentierhaltung wird es auch in Zukunft geben. Über das ethisch und moralische Wie allerdings können und müssen wir gemeinsam und zukunftsträchtig entscheiden.
Nehmen Sie Ihren Teil der Verantwortung wahr und sorgen Sie mit uns für den nötigen politischen Druck in dieser Angelegenheit; denn die Zivilisiertheit einer Gesellschaft zeigt sich auch an deren Umgang mit ihren Nutztieren. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Poggenburg, für die Einbringung. Es gibt keine Nachfragen. - Bevor wir in die vereinbarte Fünfminutendebatte einsteigen, wird für die Landesregierung in Vertretung von Frau Prof. Dr. Dalbert Frau Grimm-Benne sprechen. Sie haben das Wort, Frau Ministerin.
Herzlichen Dank. - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Sie wissen - Frau Ministerin Dalbert hat es hier im Hohen Hause schon einige Male gesagt -, das Wohl unserer Nutztiere liegt der Landesregierung am Herzen. Nicht die Tiere müssen sich an die Haltungsbedingungen anpassen, sondern wir müssen die Bedingungen so gestalten, dass die Haltungsbedingungen dem Tierwohl entsprechen.
Ziel ist es, die Tierhaltung, das Management und die Zucht im Sinne des Tierwohls, der Tiergesundheit und der Umweltverträglichkeit zu verbessern. Deshalb hat das Landwirtschaftsministerium in den vergangenen Monaten einiges auf den Weg gebracht und intensiv fachlich mit den Beteiligten diskutiert. Sie erinnern sich sicher an die Sitzung des Landtages am 14. Dezember 2016 mit der Debatte „Tierschutz stärken - Tierleid verhindern“. Oder der Landwirtschaftsausschuss konnte sich im Zentrum für Tierhaltung und -technik Iden unseren vorbildlichen tierwohlgerechten Schweinestall der Lehranstalt ansehen.
Außerdem hat Frau Ministerin Dalbert in den zurückliegenden Amtschefs- und Agrarministerkonferenzen wesentliche Beschlüsse auf den Weg gebracht, um Verbesserungen bei der Nutztierhaltung zu erreichen.
Die länderübergreifende Zusammenarbeit ist zwingend notwendig; denn Tierhaltung kann aufgrund der mannigfaltigen Anforderungen des offenen Marktes nicht isoliert von anderen Bundes- und Nachbarländern betrachtet werden.
Grundlage zur Schaffung von Rechtssicherheit ist eine Änderung der Tierschutznutztierhaltungsverordnung. Wir wollen Haltung von Sauen in Kas
tenständen, sowohl im Deck- als auch im Abferkelbereich, auf wenige Tage reduzieren. Dazu muss die angestrebte Haltungsform in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung dargestellt werden. Gleichzeitig müssen Übergangslösungen für bestehende Haltungen gefunden werden.
Um der Vorbild- und Anleitungsfunktion des Zentrums für Tierhaltung und Technik Iden gerecht zu werden, wurde in der dortigen Lehrwerkstatt ein solches richtungsweisendes Haltungsverfahren umgesetzt. Hier können sich Schweinehalterinnen und -halter bereits jetzt informieren, wie eine Sauenhaltung der Zukunft aussehen kann.
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Landesregierung freut sich auf die bevorstehende Debatte über die Weiterentwicklung der Tierhaltung im Rahmen der Erstellung eines Leitbildes „Landwirtschaft 2030 in Sachsen-Anhalt“. Im Leitbildprozess werden neben der Zukunft der Tierhaltung die Produktionsausrichtung, die Umweltwirkungen der Landwirtschaft sowie der Bodenmarkt erörtert werden.
Das Leitbild soll in einem Prozess, zusammen mit dem Berufsstand, der Wissenschaft und der Gesellschaft, entwickelt werden. Die Auftaktveranstaltung dazu fand gestern in konstruktiver Arbeitsatmosphäre statt. Der Prozess soll im Dezember 2017 mit der Vorlage eines fertigen Leitbildes abgeschlossen sein.
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Neben der Verständigung auf gemeinsame Ziele auf politischer Ebene können auch die einzelnen Verbraucherinnen und Verbraucher etwas für das Tierwohl tun. Um eine sinnvolle Entscheidungsgrundlage beim Einkaufen zu haben, setzt sich Frau Ministerin Dalbert für eine Kennzeichnung von Fleisch ein. Dies könnte ähnlich wie bei den Eiern sein, bei der die Transparenz über Herkunfts- und Haltungsbedingungen der Hühner mit einem einfachen Zahlencode gekennzeichnet wird. Sie alle kennen das. Für das Fleisch müsste solch eine Kennzeichnung ebenso verbindlich sein und sollte alle Fleischsorten umfassen.
Die Vorschläge der Agrarministerinnenkonferenz dazu liegen auf dem Tisch. Nun kann ich selbst als zuständige Ministerin auch für Verbraucherschutz etwas dazu beitragen. Die Verbraucherschutzministerkonferenz hat in der letzten Woche in Dresden getagt, und wir haben dementsprechend genau die gleichen Beschlüsse noch einmal im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher gefasst, insbesondere zu der Kennzeichnung von Fleisch. Von daher, denke ich, sind wir als Landesregierung insgesamt auf gutem Weg.
Das sogenannte staatliche Tierwohllabel vom Bundesminister Schmidt, das auf Freiwilligkeit basiert, ist dagegen nicht ausreichend, um Konsumentinnen und Konsumenten verbindlich und transpa
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Landesregierung nimmt in diesem Zusammenhang auch die Haltung des Tierschutzbeirates des Landes sehr ernst. Auf Bitten des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat der Tierschutzbeirat zu den genannten Themen zugearbeitet. Die darin gegebenen Empfehlungen wird Frau Ministerin Dalbert weiter fachlich mit allen Beteiligten erörtern. Dazu gehören auch die Minimierung der Fixierung von Sauen und eine freiere Haltung von Sauen im Abferkelbereich.
Zu diesen beiden Punkten gibt es bereits einen gemeinsamen Beschluss der Agrarministerinnen und Agrarminister der Länder.
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Mit den dargestellten Maßnahmen des Landeswirtschaftsministeriums kommen wir dem Ziel von tierwohlgerechten Haltungsbedingungen einen Schritt näher. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Ministerin. Es gibt keine Anfragen. Vielen Dank, in Vertretung für Frau Prof. Dr. Dalbert. - Wir steigen nunmehr in die vereinbarte Fünfminutendebatte ein. Als erster Debattenredner wird für die CDU-Fraktion der Abg. Herr Heuer sprechen. Herr Heuer, Sie haben das Wort, bitte.