Protocol of the Session on March 2, 2017

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn man nur den Text dieses Antrags anschaut und den Vorgang nicht kennt, dann könnte man sagen: Da ist eine Fraktion aufmerksam gewesen, will das Land vor einem materiellen Verlust bewahren, den die Regierung aus geradezu unverständlichen Gründen dem Land zuzufügen beabsichtigt. Das ist auch der Eindruck, den Sie hier erwecken wollen.

So ist es aber nicht. Sie wissen sehr wohl, dass das Land hier nichts schenkt, sondern eine Last überträgt. Das ist im Finanzausschuss besprochen worden. Herr Farle war dabei, hat mitdiskutiert,

(Zuruf von Robert Farle, AfD)

hat zugesehen, wie ein Beschluss gefasst wurde. Er wäre ein schlechter Wirtschaftsprüfer, wenn er übersehen hätte, dass hier eine Last übertragen wird.

(Zustimmung bei der SPD - André Poggen- burg, AfD: Er hat dagegen gestimmt!)

Aber um die Fakten der Übertragung geht es Ihnen auch gar nicht. Es geht Ihnen um Eindrücke. Es geht Ihnen auch nicht um Steuergelder. Deshalb ist Ihre Antragsbegründung auch so nachlässig. Sie redet auf der einen Seite wie von einem Verwaltungsgebäude, wo es dann heißt, das Land hätte, wenn es dieses Gebäude nicht selbst hätte erhalten können, eben nur das Notwendigste an Sanierungen machen dürfen, und verweist zwei Sätze vorher auf die historische Einzigartigkeit des Gebäudes und dass es ganz unverständlich sei, dieses zu verschenken. Und genau denselben Widerspruch hatte auch Herr Lieschke in seiner Rede.

Ihnen geht es nicht um die Übertragung. Ihnen geht es um eine Schlagzeile um das Wort Steuerverschwendung herum.

(Zuruf von der AfD)

Ihnen geht es darum, den Ofen Ihrer Verschwörungstheorien zu beheizen,

(Tobias Rausch, AfD: Och nein! Wirklich? - André Poggenburg, AfD: Verschwörungs- theorien! - Weitere Zurufe von der AfD)

darum, Kirchenfeindlichkeit zu bedienen.

(Zustimmung bei der SPD und von Sebas- tian Striegel, GRÜNE - André Poggenburg, AfD: Verschwörungstheorien!)

Da sind dann die Fakten nicht mehr so wichtig. Der Minister hat dazu gesagt, was zu sagen war.

Ich möchte noch etwas anderes sagen. Dass Sie die Bedeutung der Schlosskirche für die deutsche Geschichte und die Bedeutung des Reformationsjubiläums für unser Land bei diesem kleinen Versuch, etwas mieszumachen, so ignorieren, das lässt wirklich tief blicken.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die Rede von Herrn Lieschke hat noch tiefer blicken lassen, als Ihr Antrag dies tut. Von Luthers Protest gegen eine Kirche, die für das Himmelreich Eintrittsgeld verlangte, sind viele Dinge ausgegangen. Die Formierung des Hochdeutschen als gemeinsamer Sprachstandard der Deutschen, ein neues Verhältnis aller Christen, auch der katholischen Christen zu ihrem Gott, ein Wandel der Moralvorstellungen hin zu den Moralvorstellungen, die heute unser Zusammenleben prägen - auch die Muster, in denen Sie denken, sind von evangelischen Pfarrern aus dem Predigerseminar in Wittenberg geprägt worden -, ein in die Moderne weisendes Staatsverständnis und vieles andere.

Die Doppelnutzung der Schlosskirche schon zu Luthers Tagen durch die Universität und den Hof Friedrichs des Weisen zeigt geradezu wie in einem Brennglas, wie theologischer und weltlicher Erneuerungsbedarf und Erneuerungswille damals, 1517, ineinandergriffen. In diesem Gebäude überkreuzen sich nicht nur große und lange Linien der religiösen Entwicklung des Christentums ebenso wie des modernen Flächenstaates, auf den Sie ja so ungeheuer viel Wert legen,

(Heiterkeit bei der SPD - André Poggen- burg, AfD: Ja, wir haben aufgepasst!)

sondern sie ist auch die Wiege der evangelischen Kirche unserer Tage und einer säkularisierten Gesellschaft, die auf einer christlich und aufklärerisch geprägten Tradition fußt.

Dieses Gebäude allein zum Problem der Kirche zu machen, wäre geschichtsvergessen, es allein dem Staat zuzuweisen, wäre kulturlos. Die Lösung, die jetzt realisiert wird, wird diesem Ort gerecht. Das Land bringt ihn 130 Jahre nach der letzten großen Restaurierung wieder in einen ordentlichen Zustand und wird damit seiner historischen Bedeutung gerecht.

Die evangelische Kirche benutzt diesen Ort und lässt ihn leben, indem sie ihn tatsächlich als lebendige Kirche wieder in Betrieb nimmt, und ermöglicht darüber hinaus auch noch eine touristische Nutzung.

Ihr Antrag ist beides, kulturlos und geschichtsvergessen.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Nichts belegt das mehr als Herrn Farles Vorschlag, den ich ja nicht zitieren darf, aus dem Finanzausschuss, wie man die Kosten der Bauunterhaltung für die Schlosskirche von 200 000 € im Jahr aufbringen könnte. Ich zitiere ihn nicht. Sie können ihn ja an dieser Stelle einmal kundtun. Ich sage nur: Das ist ein Vorschlag, der hätte Luther, wenn er dabeigestanden hätte, sofort wieder auf den Weg zur Thesentür gebracht,

(André Poggenburg, AfD: Ja, um einen AfD-Flyer anzuschlagen! - Alexander Raue, AfD: Er wäre AfD-Mitglied geworden!)

um gegen diesen Vorschlag zu protestieren.

Ich habe Sie, wie den Mönch Johann Tetzel, im Geiste schon vor dieser Kirche stehen sehen. Ich habe im Finanzausschuss am 9. November 2016 gedacht, was ich jetzt auch laut sagen möchte: Sehr geehrte Damen und Herren - das geht an alle -, meine Damen und Herren von der AfD-Fraktion, ein Abendland, das Verteidiger wie Sie hat, braucht keine Feinde mehr. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Zustimmung bei der CDU - Zurufe von der AfD)

Da es keine weiteren Fragen gibt - - Herr Dr. Schmidt, gestatten Sie noch eine Frage von Herrn Abg. Farle?

Eine Kurzintervention.

Eine Kurzintervention. Herr Farle, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Präsident! - Ich freue mich, dass ich das einmal sagen kann. - Sehr geehrte Damen und Herren! Das Thema ist eigentlich zu ernst, als dass man darum herumreden sollte. Es geht nicht gegen die Kirche. Der Vortrag meines Vorredners war sehr polemisch, das möchte ich klar festhalten.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Ach!)

Uns geht es um Folgendes: Diese Örtlichkeit und das historische Ensemble sind sowohl vom Staat wie auch von der Kirche genutzt worden. Unser Vorschlag war eigentlich nur, dass wir wollen, dass diese Kirche der Kirche auch überantwortet wird, dass sie die nutzen kann, aber die Kosten für das Ganze - weil es sich um ein historisch wertvolles Gebäude und Ensemble handelt - auch weiter vom Land getragen werden.

(Swen Knöchel, DIE LINKE: Wie war das mit der Steuerverschwendung?)

Meine Argumentation im Ausschuss lief auch genau in die Richtung, dass ich gesagt habe: Wenn die Kirche mit den Kosten irgendwann nicht klarkommt, kommt die sowieso zum Land und will dann wieder Zuschüsse.

Wenn ich mich in die Kirche hineinversetze, dann ist die eigentlich besser gestellt, wenn das Land weiter die Verantwortung für dieses Gebäudeensemble hat

(Swen Knöchel, DIE LINKE: Dann schrei- ben Sie es in Ihren Antrag!)

und gleichzeitig die Nutzung durch die Kirche. - Wir sind Kirchenfreunde, das realisieren Sie nur nicht, aber ich sage es ganz klar. Wenn das der Kirche zur Nutzung überlassen wird, dann habe ich gesagt, dann können dafür auch Nutzungsentgelte berechnet werden. Das war der ganze Vorschlag. Das können wir emotionslos diskutieren.

Alles klar. Herr Farle hat es beendet. - Da es jetzt nichts weiter an Fragen gibt, fahren wir fort. Für die Fraktion DIE LINKE spricht Herr Gallert. Herr Gallert, Sie haben das Wort.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Werter Herr Präsident! Bei einer solchen Fünf-Minuten-Rede muss man vorher die folgende Entscheidung treffen: Versucht man, die Logik des AfD-Antrags in irgendeiner Art und Weise zu analysieren und darauf zu reagieren, oder kümmert man sich um das Problem?

Bis vor 30 Sekunden konnte ich die Entscheidung noch nicht fällen. Jetzt, nachdem der Kollege Farle in seiner Zwischenintervention genau das Gegenteil dessen erzählt hat, was in diesem Antrag steht, lasse ich das mit der Analyse des AfDAntrags vollständig.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Dann rede ich einmal über die Sache. Womit haben wir es hier zu tun? - Natürlich haben wir es mit einem Weltkulturerbe zu tun, das glücklicherweise - das kann man natürlich sagen - im Land Sachsen-Anhalt liegt, auch noch in der Heimatstadt des Ministerpräsidenten - Klammer auf, Klammer zu.

(Minister Marco Tullner: Mehrerer Minister- präsidenten!)

- Mehrerer Ministerpräsidenten, jawohl. - Wir finden diesen Umstand glücklich und zufriedenstellend, und wir wissen, was wir in der deutschen Geschichte damit für einen Fund und was für eine Bedeutung haben. Wenn wir manchmal ein bisschen daran zweifeln, ob wir heute in der aktuellen Zeit als Sachsen-Anhalt eine entsprechende Bedeutung in der Welt haben, erinnern wir uns zumindest, dass wir sie vor 500 Jahren definitiv hatten.

Dafür ist diese Kirche schon einmal gut, und dafür ist diese Kirche auch für diejenigen gut, die heute nicht Mitglied der evangelischen Kirche sind und in Sachsen-Anhalt leben. Das ist die übergroße Zahl dieser Menschen, und ich gehöre dazu. Ich als Atheist sage: Jawohl, diese Kirche gehört auch zu meinem kulturellen Erbe, deswegen finde ich es gut, dass wir sie saniert haben.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Was ich nicht gut finde, ist, dass wir die Sanierung in einer Art und Weise durchgeführt haben, wie sie der preußisch-lutherischen Heldenverehrung vor 150 Jahren in etwa anheimgefallen ist. Dazu ist aber Friedrich Schorlemmer kompetenter in seiner Aussage. Der hat dazu gut ausgeführt, deswegen will ich darauf gar nicht weiter eingehen. Das hat aber mit der Eigentumsübertragung relativ wenig zu tun.

Jetzt haben wir zwei Möglichkeiten, uns mit dieser Situation auseinanderzusetzen. Entweder wir behalten die Kirche im Staatseigentum. Das wäre übrigens tatsächlich nicht etwas ganz Außergewöhnliches. Einer der größten Posten innerhalb des Kulturhaushalts - nicht des Bildungsministeriums - ist die Stiftung Dome und Schlösser. Da haben wir eine Reihe von wichtigen Kirchen in unserem Land Sachsen-Anhalt - da drüben gleich

eine -, die kirchlich genutzt werden, die sozusagen wirklich in der kirchlichen Nutzung sind, die wir bezahlen, um das einmal kurz zusammenzufassen.