Zweitens: Es wäre doch ein Witz, wenn sich Gefährder und deren Behandlung letztlich danach unterscheiden würden, in welchem Bundesland sie ihren Wohnsitz haben. Dann würden in einem Bundesland, wie in Bayern, die Regelungen gelten, in Rheinland-Pfalz auch, in Sachsen-Anhalt möglicherweise nicht. Deswegen erscheint es mir selbstverständlich zu sein, dass wir eine entsprechende Änderung auch bei uns vornehmen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich weiß - ich merke das auch schon an den Reaktionen vom Kollegen Striegel -, dass im eher linken Teil unseres Hauses jetzt schnell die Sorge auftaucht, dass all diese Maßnahmen ein Weg in den autoritären Staat seien, der am Ende die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger beschneidet.
Seit der Debatte um die Notstandsgesetze in der alten Bundesrepublik gibt es ja diese Angst. Doch in einem demokratischen Rechtsstaat - das ist meine feste Überzeugung - werden diese beschworenen Gefahren nicht eintreten.
Denn weder in den 60er-, noch in den 70er- oder 80er-Jahren, als es um harte staatliche Maßnahmen gegen die Rote-Armee-Fraktion ging, traten letztlich diese Gefahren ein. Denn es ist beruhigend: Wir haben eine sehr funktionierende Verfassungsgerichtsbarkeit, und wir haben beispielsweise auch im Unterschied zur Weimarer Republik in der Bundesrepublik eine wache Bürgergesellschaft. Schließlich haben wir eine überzeugt demokratische Polizei und Justiz. Insofern ist es mir bei dieser Diskussion überhaupt nicht bange.
letztlich nichts mit Religionsfreiheit zu tun. Es geht um die Bekämpfung einer Ideologie, die unsere Zivilisation, unsere Freiheit, Demokratie und Selbstbestimmung zum Feind erklärt hat.
Wir haben uns beim Kampf gegen den Terror der RAF auch nicht auf deren vorgebliche Begründung für ihr Handeln eingelassen, sondern die Täter als das behandelt, was sie waren: Verbrecher, die zu Gewalt und Mord bereit waren und unsere demokratische Verfassung aus den Angeln heben wollten.
Es geht beim Kampf gegen Gewalt und Terror nicht um Religionszugehörigkeiten, sondern um die Verteidigung unserer Idee vom Zusammenleben in unserer Gesellschaft und darum, was in unserem Land geht und was nicht geht. Deshalb: Keine Toleranz mit den Gefährdern der Sicherheit. Das ist ein berechtigter Wunsch der Bedrohten.
Das ist für mich heute auch die Gelegenheit, den islamischen Gemeinden in Sachsen-Anhalt dafür zu danken, dass sie dringend dazu aufrufen, sich in Verdachtsfällen an Polizei und Verfassungsschutz zu wenden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schon einmal wurde die Bundesrepublik von Terror schwer erschütter; vor 40 Jahren durch die Morde der Rote-Armee-Fraktion. Damals sagte der Bundeskanzler Helmut Schmidt etwas, was heute aus meiner Sicht immer noch zutrifft. Er sagte - ich zitiere -:
„Die Mörder wollen ein Gefühl der Ohnmacht erzeugen. Sie wollen die Organe des Grundgesetzes verleiten, sich von freiheitlichen und rechtsstaatlichen Grundsätzen abzukehren. Sie hoffen, dass ihre Gewalt eine bloß emotional gesteuerte, undifferenzierte, unkontrollierte Gegengewalt hervorbringe. Diese Erwartungen werden sich nicht erfüllen. Der Rechtsstaat bleibt unverwundbar, solange er in uns lebt.“
Vielen Dank, Herr Kollege Erben. - Für die Landesregierung spricht jetzt der Minister Herr Stahlknecht. Sie haben das Wort, Herr Minister.
Bürgerrecht auf Sicherheit, weil die Menschen in unserem Land - und das ist selbstverständlich - einen Anspruch darauf haben dürfen, dass der Staat das Erforderliche tut, dass wir sicher leben dürfen. Sicherheit ist die Grundlage, auf der alles andere aufbaut.
Sicherheit bedeutet aber in einem Rechtsstaat auch, dass das erforderliche Gewaltmonopol ausschließlich beim Staat liegt und eben nicht woanders. Dazu gehört auch, dass wir in einem Rechtsstaat, ausgehend von diesem Gewaltmonopol, überlegen, welche Instrumente wir brauchen, um diesen Anspruch auf Sicherheit unter Beachtung der Freiheitsrechte für die Menschen zu befriedigen.
Freiheit braucht Sicherheit, und Sicherheit ohne Freiheit - das haben wir bis 1989 in diesem Teil Deutschlands erlebt - ist wertlos. In diesem Spannungsverhältnis zwischen Freiheit und Sicherheit bei veränderten internationalen und nationalen Situationen haben wir uns auszurichten.
Wir haben auch darüber nachzudenken, ob wir weitergehende Instrumente brauchen, um die Sicherheit in diesem Land vor Terror zu gewährleisten. Dazu gehört Videoüberwachung, immer in Abwägung zur Freiheit. Aber auch daran sieht man, wie teilweise ideologiegeladen Diskussionen geführt werden.
Für viele ist Videoüberwachung Teufelszeug, die Überwachung des Staates und die Begrenzung der Freiheitsrechte auf Null. Die das behaupten und vortragen, gehen tiefenentspannt ins Kaufhaus in dem Wissen, sie werden vom Eintritt bis zum Austritt videografiert. Die das behaupten, gehen tiefenentspannt in eine Drogeriekette in dem Wissen, sie werden vom Eintritt bis zum Austritt videografiert. Diejenigen, die das behaupten, fahren zum Tanken in dem Wissen, vom Befahren der Tankstelle bis zum Verlassen werden sie videografiert.
Ich habe noch keinen von denen, die das als Teufelszeug empfinden, erlebt, dass sie nicht mehr zum Tanken fahren, dass sie nicht mehr einkaufen gehen,
dass sie sich keine Drogerieartikel mehr kaufen und vielleicht sogar noch mit dem Tankwart, mit dem Grundgesetz unter dem Arm, eine Diskussion über Freiheitsrechte führen.
Daran kann man mal sehen, wie, anders als in anderen Nationalstaaten - ich empfehle nur eine Fahrt nach England -, ideologiebehaftete Dinge in den Möglichkeiten, Sicherheit für Menschen zu schaffen, eingegrenzt werden.
Ich erinnere mich daran, dass es nach den NSUAnschlägen politische Kräfte gab, die den Verfassungsschutz abschaffen wollten und die heute noch in den Haushaltsberatungen den Titel für Verfassungsschutz auf Null stellen wollen.
Meine Damen und Herren! Ohne einen starken Verfassungsschutz, ohne starke Nachrichtendienste ist die Sicherheitsarchitektur in Deutschland gefährdet.
Ja, wir brauchen Nachrichtendienste. Wir haben uns - auch das gehört zur Selbsterkenntnis - mit Blick auf den islamischen Terror in den Jahren nach der Wiedervereinigung in Deutschland teilweise auch gemütlich eingerichtet, haben im Fernsehen gesehen, wie weit, weit weg Krieg und Terror waren, immer in dem Glauben, das könne bei uns nicht passieren. Wir hatten ein Nischengefühl und waren uns auch in dem wiedervereinigten Deutschland möglicherweise der international auf uns zukommenden Verantwortung noch nicht bewusst.
Dieses hat sich verändert. Deutschland wird als ein starker demokratischer Staat, auch zur Wahrung der Menschenrechte, international wahrgenommen. Insofern müssen wir in diesem internationalen Konzert keine Alleingänge wagen, sondern müssen unsere Sicherheitsarchitektur europäisch auch der anderer Staaten anpassen.
Was Sachsen-Anhalt anbelangt, tun wir das Erforderliche. Wir haben ein Antiterrorpaket auf den Weg gebracht. Wir rüsten unsere Polizeibeamtinnen und -beamten besser aus. Wir haben eine bessere Personalausstattung beim Verfassungsschutz und wir sensibilisieren. Es wird aber niemals, weder in einem demokratischen Rechtsstaat noch in einem autoritär-totalitären Staat, 100-prozentige Sicherheit geben, weil das kein Mensch garantieren kann. Der Unterschied ist nur: In einem autoritär-totalitären Staat wird über die Sicherheitslücken nicht berichtet, weil nicht sein kann, was nicht sein darf, während in einer Demokratie - Gott sei Dank - auch durch Presse- und Medienfreiheit diese Sicherheitslücken und Fehlverhalten öffentlich werden. Auch das ist etwas, dem wir uns, die wir politische Verantwortung haben, stellen müssen.
Zum Anspruch auf Sicherheit und sicheres Leben, Herr Erben, gehört auf der einen Seite, dass wir die erforderlichen Instrumente im Rahmen des Gewaltmonopols schaffen, um Risiken zu verringern. Dazu gehört auch die Fußfessel, die wir als CDU und auch als Innenministerium unterstützen.
lich, wie ich den Umgang untereinander gestalte, um Sicherheit zu haben. Dazu gehört auch, nicht aufgrund von Terroranschlägen ganze Volksgruppen unter Generalverdacht zu stellen. Dazu gehört, dass wir in der politischen Auseinandersetzung miteinander nicht die Achtung voreinander verlieren und den Menschen das Gefühl geben, in schwierigen Zeiten in unterschiedlichen Verantwortungspositionen besonnen und vertrauenswürdig mit der Situation umzugehen, weil sich auch in der Demokratie Menschen an denen orientieren, denen für eine Zeit Verantwortung übertragen worden ist.
Dieser Vorbildfunktion muss sich jemand, der Verantwortung trägt, bewusst sein. Da gilt der alte Satz: Wie ich in den Wald hineinrufe, so schallt es heraus. Das gilt für den Umgangston miteinander, das gilt aber auch für die Art und Weise, wie ich ein Amt bekleide und ganz persönlich auslebe. Dazu gehört Bescheidenheit an gegebener Stelle, Demut vor denen, die einen gewählt haben, aber auch Durchsetzungsstärke, Führungsverantwortung und in schwierigen Zeiten die erforderliche Ruhe und Gelassenheit, um nicht jede Woche eine neue Sau durchs Dorf zu treiben. Auch das gehört dazu.
Diese Regierung wird mit der erforderlichen Ruhe und Besonnenheit, immer in dem Wissen um Risiken, das Erforderliche veranlassen, damit Sicherheit in Deutschland gewährleistet wird, auch in Absprache mit der Bundesregierung. Wir werden uns auch in schwierigen gesellschaftlichen Diskussionen darum bemühen, dass der Ton untereinander in der Mitte bleibt und nicht verletzend ist. All das, was wir tun, tun wir für den, der in der Mitte steht, nämlich den Menschen und damit für die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister. - Bevor wir in die Debatten der Fraktionen eintreten, habe ich die ehrenvolle Aufgabe, Damen und Herren der Stiftung Bildung und Handwerk aus Magdeburg recht herzlich hier im Hohen Hause begrüßen zu dürfen. Herzlich willkommen!
Der nächste Debattenredner kommt aus der AfDFraktion. Es wird der Abg. Herr Lehmann sein. Sie haben das Wort, Herr Lehmann.
schon erwähnt wurde: Vor 40 Jahren hatte die Bundesrepublik das Problem mit der RAF, aber damals gab es noch geschlossene und gesicherte Grenzen und entsprechend Polizeipersonal.