(Minister Holger Stahlknecht, neben Minis- ter Thomas Webel auf der Regierungsbank sitzend: Ich habe nur einmal die Seite ge- wechselt!)
kann ich fachlich darüber streiten, was im Hinblick auf Asylsuchende aus Afghanistan zu tun ist. Das ist auch nicht immer einfach, aber wir haben eine sachliche und fachliche Auseinandersetzung über viele Punkte.
Was Sie hier betrieben haben, ist einfach nur infam. Es ist ein Spielen mit der Not der Menschen, die nicht aus Jux und Geikelei hierher kommen,
sondern die vor Not, Krieg und Elend fliehen. Das ist, ganz ehrlich - - Mir fehlen einfach die Worte.
Man wird und muss streiten über gute Wege, mit Geflüchteten umzugehen. Was Sie hier tun, hat damit aber nichts zu tun. Das ist kein Beitrag zu einer sachlichen Auseinandersetzung.
Im Interesse der betroffenen Menschen aus Afghanistan und aus vielen anderen Ländern streiten GRÜNE in allen Bundesländern für zügige Asylverfahren von hoher rechtsstaatlicher Qualität. Die Einzelfallprüfung im Asylrecht ist ein zentraler Pfeiler des Asylrechts.
Ich sage für meine Partei hier in Sachsen-Anhalt: Wir werden ein weiteres Schleifen dieses Pfeilers nicht zulassen. Es gibt keine sicheren Herkunftsstaaten. Sogenannte sichere Herkunftsstaaten werden nicht dadurch zu sicheren Ländern, dass man sie als solche labelt, und - das sage ich ganz ausdrücklich - das gilt auch für Afghanistan. Wir werden solche Debatten immer wieder zurückweisen.
Wir können die Augen nicht verschließen vor den massiven Menschenrechtsverletzungen in Afghanistan, die eben nicht nur zu Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes führen, sondern der Grund dafür sind, dass Menschen aus Afghanistan hierher kommen.
Afghanistan ist kein sicheres Land, nicht für die Menschen, die dort leben, und erst recht nicht für Asylsuchende, die dorthin zurückgeschoben werden sollen und denen durch ihren Status als Rückkehrer umso mehr Gefahr zum Beispiel durch die Taliban droht.
Die Mehrzahl der afghanischen Flüchtlinge muss in Deutschland Aufnahme finden und Schutz erhalten. Das hat auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in seinen Entscheidungen immer wieder dokumentiert. Alle Afghanen müssen darum das Recht auf ein faires und unvoreingenommenes Asylverfahren in Deutschland haben und dürfen nicht dazu gedrängt werden, ihre Asylanträge zurückzunehmen; denn wir wissen, hinter der Freiwilligkeit bei freiwilligen Rückkehrern stehen derzeit einige Fragezeichen.
Die Bundesregierung hat inzwischen einen großen politischen Druck aufgebaut. Wir reden über Entmutigungsstrategien und gezielte Verunsicherungen durch Behördenvertreter. In der Folge ist die Schutzquote für Afghanen deutlich gesunken. Die Menschenrechtslage vor Ort hat sich jedenfalls nicht verbessert.
(Minister Holger Stahlknecht: Hier! - Heiter- keit bei der CDU - Minister Thomas Webel: Links außen!)
die Tatsache, dass Menschen gestern nach Afghanistan zurückgeschoben worden sind, ist eben nicht nur ein Beispiel für einen funktionierenden Rechtsstaat,
sondern daran zeigen sich auch Probleme, wenn Gerichte hinterher oder noch währenddessen feststellen, dass eben nicht abgeschoben werden darf und nicht abgeschoben werden kann.
Wenn dort versucht wird, Leute abzuschieben, die seit Jahren in Deutschland leben, die hier gut integriert sind, die hier im Übrigen auch einen Job haben, dann frage ich mich: Welchen Grund haben wir, sie zurückzuschicken? Sollten wir nicht andere Lösungen finden, statt sie in ein unsicheres Land abzuschieben?
Die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen, die Unama, zählte im Jahr 2015 in Afghanistan 3 545 zivile Todesopfer, 7 457 Zivilistinnen und Zivilisten wurden verletzt. Das ist eine Verdopplung der Opferzahlen gegenüber dem Jahr 2013. Angesichts dessen frage ich mich ernsthaft, wie Sie, Herr Höse, das mit den Zuständen in der Bundesrepublik Deutschland vergleichen können. Das ist kein Vergleich. Das, was Sie damit betreiben, ist infame Demagogie.
Wir GRÜNEN wollen sicherstellen, dass auch den Afghanen dort, wo möglich, Schutz nach dem Asylrecht zukommt. Und wenn das BAMF für die individuelle Prüfung afghanischer Asylsuchender besonders lange braucht, dann habe ich die Erwartung, dass wir zum Beispiel den Zugang zu Sprachkursen besser und schneller ermöglichen müssen. Es ist ein Unding, dass Afghanen hiervon systematisch ausgeschlossen und ausschließlich auf private Initiativen verwiesen werden. Für diejenigen, die am Ende im Land bleiben dürfen, gehen so Monate ungenutzt verloren und sie sind zur Untätigkeit verdammt.
Wir werden uns deshalb - wir haben diesbezüglich einen Dissens zwischen den Koalitionspartnern, keine Frage - zunächst im Ausschuss eingehend mit dem Antrag der LINKEN zu beschäftigen haben. Ich will dort auch dafür Sorge tragen, dass wir umfassend zur Situation von Rückkehrerinnen und Rückkehrern in Afghanistan vorgetragen bekommen. Denn ich kann mir nach dem, was ich
bislang an Informationen habe, nicht vorstellen, dass eine sichere Rückkehr nach Afghanistan für Geflüchtete möglich ist. Deshalb bin ich für eine Überweisung in den Ausschuss. Wir werden uns dort miteinander Gedanken machen. - Herzlichen Dank.
Herr Striegel, sagen Sie, waren es nicht die GRÜNEN damals, die die Bundeswehr, also unsere jungen Männer und Frauen, nach Afghanistan geschickt haben, in einen Krieg? Und jetzt wollen Sie Afghanen aufnehmen, die Urlaub in Afghanistan machen, sobald sie hier einen Asylantrag durchgewunken bekommen haben, wie die „Welt“ berichtet? Wollen Sie nicht erst einmal unsere Deutschen wieder in unser Land zurückholen, wenn es dort so gefährlich ist?
Herr Schmidt, ich gehöre nicht zu denjenigen, die es für besonders gelungen halten, dass die deutsche Sicherheit am Hindukusch verteidigt wird, sondern ich glaube, dass Militäreinsätze immer Probleme aufwerfen und dass Militär maximal dafür sorgen kann, dass nicht mehr Krieg herrscht, aber dass mit Militär Frieden nur in sehr, sehr seltenen Fällen zu gewinnen ist.
Mein Ziel ist es, dass die Bundeswehr nicht an möglichst vielen Orten dieser Welt für Sicherheit sorgen muss, sondern dass wir dazu kommen, dass wir eine internationale Sicherheitsstruktur und eine solidarische Konfliktlösung weltweit haben, bei der auch die Bundeswehr eine Rolle spielen kann. Ich will nicht, dass wir uns dabei aus der Verantwortung stehlen.
Aber mein Eindruck ist nicht, dass wir besonders an Sicherheit gewinnen, wenn die Bundeswehr an möglichst vielen Orten weltweit ist. Mir wäre es lieber, wenn die Bundeswehrsoldaten eher heute als morgen aus Afghanistan zurückkommen könnten.
Ich schließe nicht aus, dass es auch solche Fälle gibt. Die Frage ist nur, ob man daraus die Schlussfolgerung zieht, dass alle Afghanen, die hier sind, nach Afghanistan zurückgeschoben werden können. Das stelle ich in Zweifel.
Eine Frage. - Herr Striegel, Sie sagten vorhin in Ihrem Redebeitrag, an der Freiwilligkeit sähen Sie einige Fragezeichen. Dazu würde ich gern wissen, wie Sie das konkret meinen und ob Sie dafür ein konkretes Beispiel haben. Oder sind Sie jetzt - das ist ja Ihr Lieblingswort - postfaktisch geworden? - Das hätte ich gern gewusst.
Nein, ich bin nicht postfaktisch geworden. Ich würde allerdings vermuten, dass Sie die Beispiele, die ich geben könnte, wieder nicht hören wollen; denn die Beispiele sind in der Tat unter anderem von Pro Asyl zusammengetragen worden,
und denen attestieren Sie ja regelmäßig, dass sie linksradikal seien. Insofern vermute ich, dass Sie da nicht weiterkommen.