Protocol of the Session on December 15, 2016

Es hält sich nahezu keiner an das Moratorium. Wenn man sich die Frage stellt, warum, haben wir Ihnen das bereits in unserem Redebeitrag beantwortet. Der Kollege Farle hatte dieses ausgiebig erläutert.

Das Moratorium hätte verpflichtend beschlossen werden müssen, damit es seine Sinnhaftigkeit hat, und es hätte keine Kannbestimmung sein dürfen. Das Land hätte verpflichtend festlegen müssen, welche Rahmenbedingungen gelten, liebe Kollegen.

Der zweite Fehler war, dass nicht gewartet werden sollte, bis das Bundesverfassungsgericht entscheidet, sondern nur das Landesverfassungsgericht. Jetzt versuchen die Verbände, schnell ihr Geld beizutreiben. Wer guckt in die Röhre? - Die Bürger. In Wirklichkeit hat die Kenia-Koalition in Bezug auf dieses Problem versagt.

Es ist ein linker Scheinantrag, um sich bei den Leuten anzubiedern und sich als Kümmerer darzustellen. Wir haben unseren Standpunkt im Juni klar gemacht. Herr Minister Stahlknecht hat gesagt, wie die Rechtslage ist, dass jetzt die Geschäftsführer in der Verantwortung sind.

Wir werden auch abwarten, wie das Landesverfassungsgericht entscheidet. Wir denken dann darüber nach und prüfen, inwiefern wir das KAG im kommenden Jahr grundsätzlich überarbeiten. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der AfD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Meister das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorliegende Antrag hat mich etwas überrascht, weniger inhaltlich - wir hatten schon die eine oder andere Debatte zum Thema und sind inhaltlich gar nicht so weit voneinander entfernt, auch wenn es jetzt nicht so scheint -, sondern der Zeitpunkt hat mich überrascht.

Am 24. Januar 2017 - meine Vorredner sind bereits darauf eingegangen - wird das Landesverfassungsgericht sein Urteil in der Sache verkünden. Wenn man in der Angelegenheit landespolitisch handeln will bzw. muss, kommt man nicht umhin, die Entscheidung des angerufenen Gerichts zu berücksichtigen.

Es erscheint mir reichlich unrealistisch - eine Annahme des Antrags unterstellt -, dass wir das Problem nun in den nächsten drei Arbeitswochen lösen und sich das verfassungsgerichtliche Verfahren dann erledigt.

In der Sache will der Antrag festgestellt wissen, dass das im Juni 2016 hier beschlossene Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes das Problem der Altbeiträge nicht gelöst hat. Das ist im Kern richtig.

Ich hatte es aber schon bei der Beschlussfassung damals gesagt. Daher verstehe ich den Feststellungsantrag jetzt nicht. Wir, der Landtag in seiner Gänze, waren im Juni aus tatsächlichen Gründen nicht in der Lage, das Problem zu lösen, und wir sind es auch jetzt nicht. Auch die Opposition hatte damals wie auch heute keinen Vorschlag zur Problemlösung zu bieten.

Die LINKE hatte den Moratoriumsantrag, wir auch letztlich ein Moratorium, und der Unterschied ist „zwingend“ oder, wie wir es gesagt haben, „freiwillig“. „Zwingend“ ist ein Eingriff ist die kommunale Selbstverwaltung; der Minister ist darauf eingegangen, was letztlich auch zur Folge hat, dass wir natürlich dann Entschädigungspflichten haben, und wir haben auch eine Ungleichbehandlung der Leute, je nachdem wann sie gezahlt haben.

Der AfD-Antrag damals war - ich möchte nicht unfreundlich sein - wirr. So wurde tatsächlich nur in den Antrag der LINKEN eingefügt: „und/oder Bundesverfassungsgericht“. Das hat keinen Sinn. Wenn ich sehe - das habe ich heute gelernt -, dass die AG Abwasser 138 000 € gekostet hat und dass das das Ergebnis war, ist das wenig.

Der jetzige Antrag, der genaugenommen nur einen entschiedenen Appell an die Zweckverbände fordert, obwohl wir den sogar in Gesetzesform schon haben, ist keine Lösungsmöglichkeit, sondern dokumentiert das Fehlen der Lösungsmöglichkeit erneut.

Das tut mir für die Betroffenen leid. Die sehen sich zum Teil erheblichen Forderungen ausgesetzt und fühlen sich ungerecht behandelt. Sie können mir glauben, ich, wir würden hier gerne mit einer Lösung um die Ecke kommen und uns ordentlich feiern lassen, wenn man es mal böse sagen will. Es ist halt nur nicht möglich. Das Problem ist im Dezember 2014 entstanden, als die Geltendmachung der Altbeiträge im Landtag gegen den Widerstand von Bündnisgrünen und LINKEN per Gesetz um ein Jahr verlängert wurde und man dann sogar eine Taskforce einsetzte, um möglichst viel Altbeiträge geltend zu machen.

Dann ergingen Tausende Bescheide. Zu einem großen Teil sind sie rechtskräftig geworden. Viele, auch noch nicht rechtskräftige natürlich, wurden bezahlt, andere sind in unterschiedlichen Stadien der rechtlichen Auseinandersetzung.

Der Versuch, das jetzt rückabzuwickeln, gleicht dem Versuch, die Zahnpasta wieder in die Tube zu kriegen. Ich hatte noch in der Oppositionszeit auf diese Problematik hingewiesen. Wenn wir es wollen, müsste man in die bestehende Vermögensposition der Verbände eingreifen. Das kann man machen, man muss es dann aber auch bezahlen.

Die Rückabwicklung der 85 000 Bescheide - wenn wir als Land das jetzt veranlassen - kostet 123,5 Millionen €. Ich habe keine Idee, wie wir das stemmen wollen, und ich will auch nicht öffentliche Aufgaben, Vorhaben - wir haben die verschiedensten Dinge im Haushalt schon diskutiert - unfinanziert lassen, um Entschädigungen für Altforderungen zu bezahlen.

Wer es anders sieht, kann gerne einen Haushaltsantrag stellen und Kürzungsvorschläge unterbreiten. Bisher kenne ich solche Vorhaben nicht. Hinzu kommt, dass das Land zwar die um ein Jahr verlängerte Geltendmachungsmöglichkeit

verbockt hat - das muss man sagen -, die Existenz der einzelnen Forderungen und die Problematik, dass die Forderungen zum Teil über Jahrzehnte nicht geltend gemacht wurden, ist eine Verantwortung der kommunalen Ebene.

Die Altbeiträge sind auch kein landesweites Problem, sondern von Zweckverband zu Zweckverband unterschiedlich. Viele haben das völlig korrekt abgewickelt. Es widerstrebt mir, den Bürgern, die ihre Sachen schon vor Jahren ordentlich gezahlt haben, da ihr Zweckverband korrekt wirkte, nun per Steuerfinanzierung auch noch die Rechnung für die anderen Zweckverbände zu präsentieren, die das nicht ordentlich auf die Reihe gekriegt haben.

Wir haben als Land unter Kenia das gemacht, was möglich und nötig war, um eine Lösung vor Ort zu ermöglichen. Wir haben die Verzugszinsen

drastisch gesenkt, Vergleichsmöglichkeiten erweitert und ein Moratorium ermöglicht. Leider gibt es diverse Fälle, wo Zweckverbände von den letzten beiden Punkten keinen Gebrauch gemacht haben. Wir sind als Land juristisch aber nicht in der Lage, in der jetzigen Situation einzugreifen. Das ist Teil der kommunalen Selbstverwaltung.

Die, die die Beiträge einziehen, müssen ihren Kundinnen und Kunden, ihren Bürgerinnen und Bürgern aber dann auch Rede und Antwort stehen, wieso sie so handeln, wie sie handeln, während man in weiten Teilen des Landes das Problem gar nicht hat, bzw. wieso von den Regelungen des KAG zur Entlastung der Betroffenen vor Ort kein Gebrauch gemacht wird.

Ich hätte die Problematik gerne abschließend vom Tisch gebracht, was 2014 auch möglich gewesen wäre. Das ist es 2016 aber nicht, nicht im Juni und nicht im Dezember. Ob und welche Möglichkeiten es Ende Januar 2017 geben wird, werden wir in Kürze sehen. - Danke schön.

(Zustimmung bei den GRÜNEN, bei der CDU und bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion hat der Abg. Herr Schulenburg das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag der Fraktion DIE LINKE zielt darauf ab, über die Landesregierung die kommunalen Zweckverbände zu zwingen, von dem im Kommunalabgabengesetz eingeführten Moratorium Gebrauch zu machen.

Zwang war noch nie eine Lösung, erst recht nicht, wenn hierdurch in die verfassungsrechtlich geschützte kommunale Selbstverwaltung eingegriffen werden soll.

Sie kritisieren in diesem Zusammenhang die kommunalen Zweckverbände, dass diese die Beitragsauseinandersetzungen mit den Betroffenen nicht ruhen oder den Vergleichsabschluss ungenutzt lassen. Die Vorschrift ist eine Ermessensnorm, eine sogenannte Kann-Regelung. Die Verbände entscheiden selbst, und nur sie, ob sie das Verfahren vorübergehend aussetzen oder nicht.

Als Konsequenz hätte die Umsetzung Ihrer Forderung einen Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung zur Folge, der unseres Erachtens unzulässig ist. Die Selbstverwaltungsgarantie in der Verfassung ist für uns ein hohes Gut. Wir wollen daran nicht rütteln.

Die letzte Änderung des KAG ist als ein Appell zu verstehen gewesen, der in ein Gesetz gegossen wurde. Bis zur Entscheidung des Landesverfas

sungsgerichts über das anhängige Normenkontrollverfahren zur rechtlichen Überprüfung der Übergangsregelungen können die Rechtsmittelverfahren ausgesetzt werden.

Ich verstehe die einzelnen Zweckverbände nicht, warum sie so vehement die Verfahren weiter vorantreiben. Wir diskutieren seit vielen Monaten über das KAG. Es wäre sinnvoll, die Gerichtsentscheidung einfach abzuwarten.

Meine Fraktion hält die geforderte Berichterstattung im Innen- und im Rechtsausschuss sowie die erneuten Gespräche mit den kommunalen Zweckverbänden für überflüssig.

Umso mehr sind die Antragspunkte hinfällig, weil das Landesverfassungsgericht schon im Januar des kommenden Jahres entscheiden wird. Der Verkündungstermin zur Entscheidung über den Normenkontrollantrag ist der 24. Januar 2017. Damit ist im zeitlichen Zusammenhang mit einer abschließenden fachlichen Beurteilung der Rechtslage zu rechnen, welche somit abzuwarten ist.

Mit der Entscheidung des Landesverfassungsgerichts herrscht Rechtsklarheit. Die mit diesem Antrag geforderten Maßnahmen sind überflüssig.

Ich möchte mich an dieser Stelle nochmals bei allen Zweckverbänden bedanken, die in den letzten Jahren rechtskonform gehandelt und die Beiträge eingefordert haben. Sie behandelten damit alle Sachsen-Anhalter gleich. Die Gleichbehandlung ist ein hohes Gut in unserer Verfassung.

Ich möchte mich an dieser Stelle auch bei den Sachsen-Anhaltern bedanken, die für diese kommunale Leistung bezahlt haben;

(Zustimmung bei der CDU und von Dr. Kat- ja Pähle, SPD)

denn nur so sind zukunftsweisende Investitionen im Bereich der Daseinsvorsorge möglich.

Wir lehnen den Antrag ab und erwarten wohlwollend die Entscheidung des Landesverfassungsgerichts. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Mi- nister André Schröder und von Minister Holger Stahlknecht)

Zum Abschluss der Debatte hat noch einmal Frau Eisenreich das Wort. Bitte sehr.

Meine Damen und Herren! Die Antworten und Reaktionen sowohl von der Koalition als auch von der AfD waren für uns nicht überraschend.

(Zuruf von der CDU: Was?)

Ich finde die Argumentation immer relativ hanebüchen zu sagen, das sei kommunale Selbstverwaltung, Eigenverantwortung, darin könnten wir nicht eingreifen, wir könnten keinen Zwang von oben ausüben. Ich erinnere mich gut an das Jahr 2013, als man begann, kleine Zweckverbände zusammenzulegen, und zwar mit sehr viel Zwang, weil man ihnen gesagt hat, wenn nicht, dann gibt es keine Fördermittel.

Ich erinnere mich auch sehr gut an die Taskforce, die hier auch angesprochen wurde, die quasi als Schraubzwinge diente, indem man den Verbänden ans Herz gelegt hat, die Beiträge noch schnell einzutreiben. Insofern ist dies für mich kein Argument. Sie müssen es mir schon gestatten, dass ich es so sehe.

Zu der nächsten Frage, warum dieses Thema ausgerechnet jetzt noch einmal auf die Tagesordnung kommt: Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht. Ich bin Abgeordnete. Ich habe sehr engen Kontakt zur Bevölkerung und bekomme seit Wochen Anrufe, E-Mails, Nachfragen von Bürgerinnen und Bürgern aus dem ganzen Land,

(Zuruf von Ulrich Siegmund, AfD)