Protocol of the Session on December 14, 2016

Das können Sie gern führen, nach dem Ende oder in einer Pause. Dann reden Sie miteinander.

(Eva Feußner, CDU: Gut!)

Insofern muss ich das jetzt hier abbrechen. - Aber jetzt hat Herr Poggenburg das Wort.

Sehr geehrte Abg. Quade, ich habe eine einfache Frage.

(Swen Knöchel, DIE LINKE: Oh!)

Sie haben behauptet, die AfD schreibe den Frauen eine Geburtenrate vor.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE, lacht)

Woher haben Sie diese völlig unsinnige, falsche Behauptung? Woher haben Sie das, bitte?

(Zustimmung bei der AfD)

Herr Poggenburg, in Ihrem Sinne kann das natürlich nur die Lügenpresse gewesen sein.

(Zustimmung bei der LINKEN - Katrin Bud- de, SPD, lacht)

Danke für diese Antwort.

(Ulrich Siegmund, AfD: Ist das eine Ant- wort?)

Dann sehe ich jetzt keine weiteren Wortmeldungen mehr. Wir können in der Debatte fortfahren. Für die Fraktion der GRÜNEN hat der Abg. Herr Striegel das Wort. Herr Striegel, bitte sehr.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Obsession, mit der sich Herren der AfD mit Fragen der Verhüllung des weiblichen Körpers beschäftigen, ließe spannende Rückschlüsse auf ihre psychologische Konstitution zu. Sie leben geistig noch immer im Patriarchat

(Lachen bei der AfD)

und unterscheiden sich damit nicht von denjenigen muslimischen Männern, die meinen, Ehefrauen oder Töchtern Bekleidungsvorschriften machen zu können.

(Zustimmung von Cornelia Lüddemann, GRÜNE - Lachen bei der AfD)

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN lehnen von Männern gemachte Bekleidungsvorschriften für Frauen ab, egal ob diese von muslimischen Radikalen, evangelikalen Fundamentalisten oder völkischen Rassisten kommen.

(Oliver Kirchner, AfD, lacht)

Frauen dürfen anziehen, was immer ihnen beliebt,

(Zuruf von Hannes Loth, AfD)

Nikab oder Minirock, Kopftuch oder Hotpants, Burkini oder Tanga.

Sie starten hier innerhalb weniger Monate die zweite Initiative zum Verbot der Gesichtsverschleierung, erst einen verfassungswidrigen Gesetzentwurf, den wir hier und heute abschließend ablehnen werden, und nun eine Aufforderung an die Landesregierung, sie solle sich entsprechend auf der Bundesebene einbringen.

Das ist ein durchsichtiges, ein unglaublich durchsichtiges parteipolitisches Manöver, mit dem Sie die Regierungskoalition spalten und die CDU vorführen wollen. Das wird Ihnen nicht gelingen, und das sagen wir sehr deutlich auch als Koalitionspartner dieser CDU, weil wir hier gemeinsam unterwegs sind.

(Zustimmung bei der SPD und von Cornelia Lüddemann, GRÜNE - Zurufe von der AfD)

Ihnen geht es nicht um die Lösung auftretender fachlicher Probleme, sondern nur um ein Signal, dass man gegen die Burka und den Islam kämpft, wo es nur geht. Ihre Initiativen dienen vor allem einem Ziel: die Spaltung unserer Gesellschaft voranzubringen,

(Zustimmung von Eva von Angern, DIE LINKE - Zurufe von der AfD)

Muslime von Nichtmuslimen zu scheiden und langfristig dafür zu sorgen, dass islamisches Leben in Deutschland allenfalls in der Dunkelkammer möglich ist.

Ihre Behauptung, Herr Poggenburg, der Islam sei mit der Verfassung nicht vereinbar, ist vor allem eines: verfassungsfeindlich. Sie sind hier der Verfassungsfeind, und so behandeln wir Sie hier auch. Ihre Politik ist nicht unsere Politik.

(André Poggenburg, AfD: Nein, das ist sie nicht! - Heiterkeit bei und Zurufe von der AfD)

Ihrer Politik stellen wir uns entgegen. Wir, meine Herren, wollen den Dialog mit den Musliminnen und Muslimen im Land. Wir versuchen, nachhaltige Lösungen für echte Probleme zu finden.

(André Poggenburg, AfD: Sie schaffen die Probleme!)

Burka und Nikab gehören in Sachsen-Anhalt jedenfalls nicht dazu.

Ein Drittel der geflüchteten Menschen in Deutschland sind Frauen und Mädchen. Sie sind auf der Flucht und auch hier in den Erstaufnahmeunterkünften geschlechtsspezifischen Gefahren, beispielsweise sexualisierter Gewalt, ausgesetzt. Bei der Unterbringung wie auch beim asyl- und aufenthaltsrechtlichen Verfahren und dem Zugang zu Integrationsangeboten und dem Arbeitsmarkt werden die Bedürfnisse von Frauen viel zu wenig berücksichtigt. Hier könnten wir uns einbringen, hier gäbe es tatsächliche Probleme zu lösen.

Gleichzeitig stehen in der öffentlichen Wahrnehmung und in politischen Debatten häufig nur das Erscheinungsbild und die Lebensweisen von Frauen mit Flucht- oder Migrationsbiografie im Vordergrund. Integration wird oft auf Kopftuch oder Vollverschleierung reduziert.

Die eigentlich wichtigen Fragen, die Aufenthaltsperspektive, die familiäre Situation, der Zugang zum Arbeitsmarkt oder eine eigenständige Unterhaltssicherung - hier hätten wir Aufgaben, die die Frauen betreffen -, verblassen dahinter. Hierfür braucht es Regelungen, und zwar nach einer detaillierten Analyse der Problemlage, etwas, das Ihrem Gesetzentwurf und auch Ihrem Antrag völlig fehlt.

Ihren freiheitsfeindlichen und reaktionären Tendenzen müssen wir eine sachliche Erwägung dessen entgegensetzen, was Menschenrechte und Freiheiten sind und wo sie durch Menschenrechte und Freiheiten anderer begrenzt werden. Ja, denn auch Grundrechte sind nicht schrankenlos zu gewährleisten. Sie dürfen aber nur da begrenzt werden, wo sie Freiheiten und Menschenrechten anderer entgegenstehen.

Mit Ihrem Antrag bzw. Gesetzentwurf sagt doch die AfD-Fraktion in etwa: Sachsen-Anhalt ist da, wo die Burka nicht ist, und dass manche Religionen mit unseren Werten weniger zusammenpassen als andere. Das, meine Damen und Herren, ist grundfalsch.

Der moderne Verfassungsstaat kennt keine Ablehnung einzelner Glaubensrichtungen. Er garantiert das individuelle freie Bekenntnis auch in der Öffentlichkeit. Religion ist keine Privatsache.

Meine Damen und Herren! Religionsfreiheit ist immer die Freiheit der Andersgläubigen, der religiösen Minderheiten, ja, der Religionsfreien und der Minderheiten in großen Religionsgemeinschaften und religiösen Gruppierungen.

Das freiwillige Tragen einer Vollverschleierung ist keine Verletzung der Menschenwürde, auch nicht für denjenigen, der eine Trägerin anschaut; denn

er ist ihr im öffentlichen Raum nicht ausgeliefert, sondern kann wegschauen oder weggehen.

Lassen Sie mich zu einem letzten Punkt kommen. Ein totales Verbot der Gesichtsverschleierung ist in Sachsen-Anhalt völlig überzogen. Mir ist in den vergangenen Jahren nicht eine Burka- oder Nikabträgerin in Sachsen-Anhalt begegnet

(Zuruf von Hannes Loth, AfD)

und ich habe insofern auch die Berichte aus dem Burgenlandkreis ein Stück weit mit Erstaunen zur Kenntnis genommen.

(Zuruf von der AfD)

Aber seien Sie versichert, Frau Kollegin Feußner, ich sehe mir das gern an, und dann werden wir wissen, ob es da tatsächlich um Burka oder Nikab geht. Ich vermute, es geht eher um einen Tschador. Aber das können wir klären. Selbst Tschadorträgerinnen erlebe ich hierzulande nur in Einzelfällen.

(Zuruf von André Poggenburg, AfD)

Schon heute ist es zudem möglich, vollverschleierte Personen zu identifizieren, zum Beispiel bei der Polizei oder bei Einlasskontrollen, wo durch Polizistinnen selbstverständlich eine Kontrolle der Identität durchgeführt werden kann. Ebenso sind Zeugen vor Gericht verpflichtet, eine Überprüfung ihrer Identität zu ermöglichen.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Bei der Konto- eröffnung!)