Der Änderungsantrag wurde am heutigen Tag ausgegeben. - Einbringerin des Gesetzentwurfes der Landesregierung ist die Ministerin für Justiz und Gleichstellung Frau Keding. Sie haben das Wort, bitte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Strafverfahren ist für die meisten Opfer mit erheblichen Belastungen, Ängsten und Gefahren einer erneuten Schädigung durch das Verfahren selbst verbunden. Um diesen Gefahren zu begegnen, ist die psychosoziale Prozessbegleitung in das Strafverfahrensrecht integriert worden. Das ist eine spezielle Form der nichtrechtlichen Begleitung für besonders schutzbedürftige Verletzte, und zwar vor, während und nach der Hauptverhandlung.
Im Dezember 2015 hat der Bundestag das Gesetz zur Stärkung der Opferrechte im Strafverfahren, das sogenannte Dritte Opferrechtsreformgesetz, verabschiedet. Damit wurde erstmalig ein Anspruch auf psychosoziale Prozessbegleitung für Opfer von schweren Gewaltstraftaten, zum Beispiel Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, Misshandlungen oder schwerer Raub, gesetzlich geregelt.
Arbeitsgruppe die praktische Umsetzung dieses Anspruchs in Sachsen-Anhalt geregelt werden. Der Rahmen wird durch die Strafprozessordnung und das Gesetz über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren vorgegeben.
Um als ein solcher psychosozialer Prozessbegleiter arbeiten zu können, bedarf es einer vorhergehenden Aus- und Weiterbildung sowie einer Anerkennung durch das Land. Der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf soll hierzu Regelungen treffen.
Herausheben möchte ich dabei insbesondere folgende Regelungsgegenstände: die personenbezogenen Anforderungen, insbesondere an die Aus- und Fortbildung, die Regelungen für die Anerkennung von Aus- und Weiterbildungen, die länderübergreifende Anerkennung von Personen und Aus- bzw. Weiterbildungen und die Möglichkeit eines landesweiten Verzeichnisses der anerkannten psychosozialen Prozessbegleiter. Entsprechendes haben wir im Zusammenhang mit dem Änderungsantrag der AfD zu § 10 Abs. 1 gehört.
Darüber hinaus enthält der Gesetzentwurf eine Verordnungsermächtigung für das Justizministerium, um weitere Einzelheiten der Anerkennung und der Tätigkeit zu regeln.
In Sachsen-Anhalt werden wir den Anspruch auf psychosoziale Prozessbegleitung mit dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes am 1. Januar 2017 gewährleisten können. Dazu stehen zunächst vier Sozialarbeiterinnen des Sozialen Dienstes der Justiz bereit.
Ich gehe davon aus, dass die freien Träger, die bereits in der Opferbetreuung tätig sind, ihre Mitarbeiter zu psychosozialen Prozessbegleitern qualifizieren, jedenfalls einige von ihnen. Dieses Gesetz soll dafür den Weg aufzeigen und die Voraussetzungen schaffen. - Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss.
Vielen Dank, Frau Keding. Sie hätten zwar noch Zeit gehabt, aber die Anzeige der Uhr war nicht ganz korrekt. Ich hätte es Ihnen gesagt, wenn Sie sich gemeldet hätten. Trotzdem vielen Dank.
Es gibt keine weitere Anfrage. Damit können wir in die Debatte einsteigen. Es ist eine Debatte mit einer Redezeit von drei Minuten je Fraktion vereinbart worden. Wir beginnen mit dem Redebeitrag der Fraktion der AfD. Herr Abg. Loth hat das Wort.
glieder der Landesregierung! Der uns vorliegende Gesetzentwurf ist im Grunde genommen nicht schlecht. Endlich können die Opfer von Straftaten darauf vertrauen, qualifizierte und zertifizierte Hilfe von Staats wegen zu bekommen.
Dennoch zeigt der Gesetzentwurf deutlich, dass er aus der Feder unserer Kenia-Regierung stammt. Er ist nämlich nicht ganz zu Ende gedacht worden. Aber das soll hier und jetzt nicht das große Problem sein; denn wir AfD-Fraktionäre sind dafür bekannt, gründliche, fundierte Sacharbeit zu leisten, auch wenn der eine oder andere Verkehrsminister das durch sein intensives Studium der Zeitung in der Sitzungsperiode oft nicht mitbekommt.
Aus diesem Grund müssen wir an dieser Stelle einfach unseren Änderungsantrag einbringen, um das Gesetz doch noch rund zu bekommen. So möchten wir dafür sorgen, dass in § 2 ein neuer Absatz in folgender Fassung eingefügt wird:
„Das Land zertifiziert die Träger der Aus- und Weiterbildung von psychosozialen Prozessbegleitern und führt über sie ein Verzeichnis.“
Ihre jetzige Regelung geht zwar in die richtige Richtung, aber dennoch fehlt das, was man von einer Regierung erwartet: das Verantwortungsbewusstsein. Es muss doch eine Behörde - sagen wir: das Ministerium für Justiz - verantwortlich sein und kontrollieren, wer wie welche Inhalte vermittelt, nicht nur dass Inhalte vermittelt werden. Deshalb müssen die Ausbildungsstellen auch adäquat zertifiziert werden. Nur so kann von vornherein sichergestellt werden, dass alle Träger der Aus- und Weiterbildung auch gute Qualität und vergleichbare Leistungen in ihrer Arbeit abliefern.
Es geht uns also darum, dass zukünftig zwei Verzeichnisse geführt werden: das der zertifizierten Prozessbetreuer und das der sie ausbildenden und weiterbildenden Träger.
Wer von den werten Abgeordneten vorhin aufgepasst und das Gesetz gelesen hat, der wird auch merken, dass folglich in § 10 der Absatz 1 wie folgt geändert werden muss:
„Die für die Anerkennung der nach den §§ 3 und 11 zuständigen Stellen führen für das Land Sachsen-Anhalt Verzeichnisse der nach §§ 1 und 2 anerkannten psychosozialen Prozessbegleiter und der zertifizierten Träger der Aus- und Weiterbildung.“
Die Zertifizierung von Ausbildungsträgern schafft für die Interessenten einer Ausbildung die Sicherheit, dass ihr Engagement nicht vergeblich ist und dass ihre Ausbildung durch die zentrale Zertifi
Die von der AfD-Fraktion vorgeschlagenen Verbesserungen sind dringend notwendig, um den vorliegenden Entwurf der Landesregierung letztlich lebensnah, zukunftsfähig und nutzerfreundlich zu gestalten. Wir helfen Ihnen gern dabei und freuen uns auf die Arbeit im Ausschuss.
Vielen Dank, Herr Loth. - Anfragen sind mir nicht angezeigt worden. Die nächste Debattenrednerin ist Frau Abg. Schindler. Sie haben das Wort, Frau Schindler.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf haben wir ein Ausführungsgesetz vorliegen, das auf einer gesetzlichen Regelung basiert, die durch den Bund getroffen worden ist. Wir bewegen uns in dem vorgegebenen Rechtsrahmen und fassen damit jetzt, ergänzend zu den Regelungsmöglichkeiten, die durch das Bundesgesetz bestehen, unser Landesrecht.
Die psychosoziale Prozessbegleitung ist eine intensive Form der Begleitung besonders schutzbedürftiger Verletzter - die Ministerin hat es ausgeführt - vor, während und nach der Hauptverhandlung, die eine qualifizierte Betreuung, Informationsvermittlung und Unterstützung des Opfers im Strafverfahren umfasst. Dies begrüßen wir ausdrücklich.
Bei der mit der Prozessbegleitung angestrebten Stabilisierung der Opferzeugen und Opferzeuginnen ist es vor allen Dingen zu vermeiden, dass weitere negative Folgen der Tat, die im Zusammenhang mit der Tat stehen, entstehen. Wie gesagt, der Opferschutz ist uns dabei immer besonders wichtig gewesen. Wir begrüßen diese Gesetzeslage.
Die Ausführungsregelungen, die wir im Landesgesetz vorsehen, beziehen sich auf die Zulassung der psychosozialen Prozessbegleiter und auf möglichst bundeseinheitliche Standards für psychosoziale Prozessbegleitung. Wir begrüßen deshalb vor allem die Bildung der Arbeitsgruppe und dass wir bei den Standards zu einer bundesweit möglichst einheitlichen Regelung kommen.
Bei der Sicherstellung der Qualität der Prozessbegleitung kommen nunmehr die Länder ins Spiel; denn diese sind unter anderem für die Anerkennung der psychosozialen Prozessbegleitung zuständig. Auch wenn die Grundanforderungen an die fachliche, persönliche und interdisziplinäre
Qualifikation im Gesetz über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren auf der Bundesebene festgeschrieben sind, müssen die Bundesländer Aus- und Weiterbildungsangebote anerkennen, damit die entsprechenden Personen einen derartigen über die Grundanforderungen hinausgehenden Abschluss ablegen können.
Der von der Landesregierung vorgelegte Entwurf orientiert sich dabei aus meiner Sicht in zielführender Weise stark an den bundeseinheitlichen Mindeststandards für die psychosoziale Prozessbegleitung.
In dem Gesetzentwurf sind natürlich auch die persönliche Zuverlässigkeit, die Verschwiegenheitspflicht und die besonderen Pflichten der Prozessbegleitung geregelt und das entsprechende Antragsverfahren vorgegeben.
Darüber hinaus begrüßen wir ausdrücklich die Schaffung eines landeseinheitlichen Verzeichnisses der anerkannten psychosozialen Prozessbegleiter.
Inwieweit die Inhalte des Gesetzentwurfs, vor allen Dingen die Übergangsregelungen, die das Inkrafttreten zum 1. Januar 2017 vorgeben, ausschlaggebend sein können, das beraten wir im Ausschuss. Die Ministerin hat ja ein paar Ausführungen dazu gemacht.
Ich beantrage die Überweisung des Gesetzentwurfs zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung und zur Mitberatung in den Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration. Der Änderungsantrag der AfD-Fraktion wird zur Ausschussberatung mit überwiesen. Deshalb bin ich heute nicht auf diesen eingegangen.
Vielen Dank, Frau Schindler. - Nächste Debattenrednerin ist Frau von Angern, Fraktion DIE LINKE. Sie haben das Wort, Frau von Angern.
Meine Damen und Herren Abgeordneten! Meine Fraktion begrüßt den Gesetzentwurf, so wie wir auch schon im Bundestag das Dritte Opferrechtsreformgesetz begrüßt haben, dessen landespolitische Umsetzung wir ja heute hier vorgelegt bekommen haben.
Es ist unserer Meinung nach richtig und wichtig, in Strafverfahren die Interessen der oder des Opfers tatsächlich zu stärken. Allerdings sei noch einmal der Hinweis erlaubt: Die Frage nach der Tat, nach dem Täter bzw. danach, wer tatsächlich das Opfer ist, kann immer erst am Ende eines Strafverfahrens beantwortet werden. Insofern ist es auch
ganz wichtig, die Rechte zwischen den Beklagten auf der einen Seite und den Verletzten auf der anderen Seite zu wahren. Die Bundesrechtsanwaltskammer hat auf der Bundesebene hierzu eine entsprechende Stellungnahme abgegeben.
Das heißt, die Menschen, die diese psychosoziale Betreuung, Beratung und Begleitung machen, dürfen ausdrücklich keine rechtliche Beratung vollziehen. Deswegen ist es auch ganz wichtig, genau hinzuschauen, wer das vollzieht, wer hierbei in die Verantwortung genommen wird. Die Qualifikation ist ein wesentliches Moment.
Die psychosoziale Prozessbegleitung kann tatsächlich ein sehr wesentliches Moment im Strafverfahren bei traumatisierten Opfern sein. Sie werden stabilisiert, sie werden unterstützt. Ihnen kann die Angst teilweise genommen werden. Man darf das nicht unterschätzen; denn sie haben teilweise das erste Mal nach der Tat wieder mit dem vermeintlichen Täter zu tun. Das ist eine erhebliche Belastung. Deswegen - ich sage es noch einmal - sind hier gut ausgebildete Prozessbegleiter sehr wichtig.
Was ich nicht ganz so optimistisch sehe, ist die in der Begründung des Gesetzentwurfes unter den Regelungsfolgen enthaltene Formulierung, dass das keine Kosten verursache. Insofern, liebe Mitglieder des Finanzausschusses, denke ich, dass Sie mit dem Gesetzentwurf zu tun haben werden.
Ich verweise diesbezüglich auf das Land Brandenburg. Dort hat das Justizministerium finanziell Vorsorge im Landesgesetz getroffen. Ich denke, das werden wir auch hier tun müssen, obgleich mir der Hinweis erlaubt sei, dass wir als Landesgesetzgeber die Vergütung nicht festlegen. Die hat der Bundesgesetzgeber festgelegt.
Ich persönlich halte die Vergütung gerade bei längeren Strafprozessen für sehr gering. Insofern sollte die Frage auch Teil einer Evaluation durch uns als Land sein, ob nicht gegenüber dem Bund gesagt wird, dass die Mittel, die dafür zur Verfügung gestellt werden, zu gering sind.
Wir als Fraktion werden im Rechtsausschuss beantragen, eine Anhörung durchzuführen. Es gab ja eine schriftliche Anhörung der Landesregierung. Ich bedauere es sehr, dass aus der Begründung nicht hervorgeht, in welcher Form sie stattgefunden hat bzw. wie die Angehörten sich geäußert haben. In den anderen Ländern, die über einen solchen Regelungsbereich geredet haben, sind insbesondere vom DAV sehr bemerkenswerte Stellungnahmen abgegeben worden.