Protocol of the Session on November 20, 2020

(Zustimmung)

Wir unterstützen nützliche und stellen uns gegen schädliche gesellschaftliche Entwicklungen. Zu den schädlichen Entwicklungen gehört die Messerkriminalität, welche seit Jahren den inneren Frieden bedroht und unerträgliche Ausmaße angenommen hat. Messerkriminalität stellt mittlerweile zumindest in der Wahrnehmung der Bürger einen Kriminalitätsschwerpunkt in Deutschland und in Sachsen-Anhalt dar.

Dazu folgende Zahlen: Im Jahr 2015 wurden in Sachsen-Anhalt 494 Straftaten mit dem Tatmittel Messer erfasst, im Jahr 2019 waren es bereits 873. Das Straftatenaufkommen im Bereich der Messerkriminalität ist also innerhalb von fünf Jahren um satte 77 % gestiegen. 65 % der ermittelten Täter waren Deutsche, 35 % nichtdeutsche Personen, wobei Nichtdeutsche nur einen Bevölkerungsanteil von ca. 5 % an der Gesamtbevölkerung in Sachsen-Anhalt ausmachen. Im Phäno

menbereich Messerkriminalität werden also sogenannte Zuwanderer im Verhältnis zu ihrem Bevölkerungsanteil überproportional häufig straffällig. Diese Erkenntnis ist allerdings nicht neu und hilft auch nur bedingt bei der Problemlösung.

Es stellt sich die Frage, wie man mit dieser Kriminalitätsform umgeht bzw. ob und welche Maßnahmen zur Bekämpfung der Messerkriminalität ergriffen werden können und sollen. Man kann es so wie Innenminister Herr Stahlknecht machen, nach dem Motto: Was ich nicht sehe, gibt es auch nicht. Dann wird eben ein paar Jahre lang keine Kriminalstatistik zu Messerdelikten erstellt, in der Hoffnung: Dem Bürger wird es schon nicht auffallen, dass auf den Straßen die Messerkriminalität grassiert.

Oder man macht es wie die Politiker-Sterncheninnen aus dem linken politischen Spektrum, die die Messerkriminalität von Migranten zu rechtfertigen und zu entschuldigen versuchen, aber an den kriminellen Zuständen im Grunde nichts ändern wollen.

Oder man schiebt ausreisepflichtige Personen sowie kriminelle Ausländer und Gefährder konsequent in ihre Heimatländer ab. Aber dafür gibt es derzeit in Deutschland leider keine politische Mehrheit.

Letztlich könnte man Waffenverbotszonen einrichten. Dazu werden uns bestimmt gleich der Innenminister, sofern er hier noch erscheint, oder/und ein Vertreter der regierungstragenden Fraktionen - -

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Das ist un- verschämt! Sie wissen, dass er in Quaran- täne ist!)

- Ach so, das habe ich nicht mitbekommen, Entschuldigung.

(Zuruf)

- Aber vielleicht ein Vertreter der Landesregierung.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Das ist etwas anderes! - Zuruf)

- Ja, es ist doch gut. Ich würde jetzt gern weitermachen. - Dazu wird uns bestimmt gleich ein Vertreter der Landesregierung bzw. ein Vertreter der regierungstragenden Fraktionen erläutern, warum die Waffenverbotszone als Allzweckwaffe gegen Messerkriminalität nützlich sein soll.

Was die AfD-Fraktion von der Waffenverbotszone hält, dazu wird gleich mein geschätzter Kollege Herr Höse entsprechende Ausführungen machen. Wir wollen aber die Situation nicht bejammern, sondern wirksame Maßnahmen gegen die Messerkriminalität ergreifen.

Wir als AfD-Fraktion verfolgen den folgenden rechtspolitischen Ansatz: Beim Einsatz von Messern oder Klingen zur Begehung einer Gewaltstraftat soll zu Beginn der Ermittlungen nicht von einer Körperverletzung, sondern von einem bedingten Tötungsvorsatz ausgegangen werden und der mutmaßliche Täter soll mit diesem Tatvorwurf konfrontiert werden. Das eröffnet wegen der Schwere des Tatvorwurfs den Ermittlungsbehörden ganz andere Möglichkeiten für die Strafverfolgung. Durchsuchungen und Beschlagnahme, Sicherstellung und Auswertung von Kommunikationsendgeräten und Datenträgern müssen in solchen Fällen zu den Standardmaßnahmen gehören. In solchen Fällen kommt natürlich auch viel schneller die Verhängung einer Untersuchungshaft in Betracht. Mit anderen Worten: Es muss eine härtere Gangart gegen Messerkriminelle eingelegt werden.

Wir sehen diese Vorgehensweise als gerechtfertigt und rechtlich möglich an und leiten diese aus der objektiven Gefährlichkeit von Hieb- und Stichwaffen bei der Tatbegehung ab. Denn ein Täter kann bei dem Einsatz von Klingen nicht abschätzen, ob bei der Tatausübung lebenswichtige Organe oder Blutgefäße unversehrt bleiben. In einem dynamischen Handlungsgeschehen ist der Täter regelmäßig nicht in der Lage, seine Gewaltanwendung so zu steuern, dass eine tödliche Verletzung bewusst vermeidbar wäre.

Gewalttäter entscheiden sich häufig dafür, das Messer als Tatwaffe einzusetzen, weil ihnen in der Regel nur ein Verfahren wegen Körperverletzung droht. Sollte das Opfer versterben, droht höchstens eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung oder Körperverletzung mit Todesfolge. Die Feststellung des rein subjektiven Willens ist oft nicht nachweisbar und die eigentliche Mordabsicht bleibt verborgen.

Hierbei hilft der Eventualvorsatz aus. Dieser kommt infrage, wenn der Täter es ernstlich für möglich hält und sich damit abfindet, dass seine Handlung zur Verwirklichung des Tatbestandes führt. In jedem Fall nimmt der Täter bei einem Messerangriff den gewaltsamen Tod des Opfers zumindest billigend in Kauf. Die Ermittlungsbehörden sind bei ihren Ermittlungen nicht an den Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ gebunden und können aufgrund der objektiven Gefährlichkeit des Tatwerkzeugs auf eine indizierte Tötungsabsicht schließen, die hinterher vor Gericht natürlich widerlegt werden kann.

Wenn der BGH wegen der Tötung eines unbeteiligten Dritten bei einer Trunkenheitsfahrt Eventualvorsatz bejaht, dann ist der Einsatz eines Messers womöglich ganz ohne Drogen- und Alkoholeinfluss erst recht als Eventualvorsatz zu bewerten. Dann bestehen übrigens auch keine rechtsdog

matischen Probleme bei der Bewertung illegaler Autorennen mit tödlichem Ausgang für Dritte, wenn die Strafverfolgungsbehörden die Ermittlung in Richtung Mord aufnehmen, so geschehen im Übrigen bei dem jüngst durch ein Autorennen verursachten Unfall mit Todesfolge auf der A 66.

Wenn, wie zuvor beschrieben, selbst ein Dreizehnjähriger scheinbar keine Hemmungen hat, einem neunjährigen Kind mit einem Butterflymesser schwere Verletzungen zuzufügen, scheint sich in unserer Gesellschaft irgendetwas in eine verkehrte und gefährliche Richtung zu entwickeln. Wir können und wollen dieser Kriminalitätsentwicklung nicht tatenlos zusehen, sondern wollen entsprechende Gegenmaßnahmen auf den Weg bringen. Dazu soll unser Antrag dienen, der, wie ich meine, unmöglich abgelehnt werden kann, wenn man die Messerkriminalität ernsthaft bekämpfen möchte.

(Beifall)

Ich sehe keine Fragen. Dann danke ich Herrn Kohl für die Einbringung des Antrags. - In der Debatte sind drei Minuten Redezeit je Fraktion vorgesehen. Für die Landesregierung spricht Ministerin Frau Keding. Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, vielen Dank. - Meine Damen und Herren Abgeordneten! Der Antrag der AfD-Fraktion ist nicht ausgereift. Ich empfehle dem Landtag, diesem nicht zuzustimmen.

Die AfD-Fraktion fordert, dass die Ministerin der Justiz und der Minister des Innern die nachgeordneten Bereiche auffordern, pauschal alle Gewaltstraftaten unter Verwendung eines Messers oder eines ähnlichen Gegenstandes als Straftaten gegen das Leben zu behandeln. Zudem soll die Landesregierung im ersten Quartal 2021 ein Konzept zur Bekämpfung der Messerkriminalität im Innenausschuss vorlegen.

Meine Damen und Herren! Ich möchte kurz, aber sehr deutlich auf das Rechtsstaatsprinzip hinweisen. Weder der Innenminister noch ich werden Polizei und Staatsanwaltschaft zu rechtswidrigem Verhalten auffordern.

(Zustimmung)

Allein die im Strafgesetzbuch beschriebenen Tatbestände und die entsprechende Subsumtion des Geschehens entscheiden über die Klassifizierung von Straftaten, und nicht die Wünsche der AfDFraktion. Ich gehe davon aus, dass auch der AfDFraktion daran gelegen sein sollte, dass Polizei

und Staatsanwaltschaft sich im Rahmen des Rechts bewegen.

Eine Tat gegen das Leben wird als solche zu behandeln sein, wenn sie sich als solche darstellt, und das unabhängig davon, ob im Ermittlungsverfahren, in der Anklage oder im Urteil. Die Justizministerkonferenz hat im Übrigen bereits im letzten Jahr die Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz um Prüfung gebeten, inwieweit die Strafvorschriften für mittels eines Messers begangene Körperverletzungen zu reformieren sind, um für solche Taten eine angemessene Sanktionierung zu gewährleisten und um ein klares rechtspolitisches Signal gegen diese Kriminalität zu setzen.

Der AfD-Fraktion steht es natürlich frei, Gesetzesvorschläge einzubringen. Ich bitte jedoch, daran zu denken, dass sowohl das Straf- als auch das Strafverfahrensrecht weitestgehend bundesrechtlich geregelt sind.

Meine Damen und Herren! Die Entwicklung der mit dem Tatmittel Messer begangenen Straftaten steht bereits im Fokus der Landespolizei. Die Richtlinie zur Erfassung von Messerangriffen für die Polizei des Landes Sachsen-Anhalt wurde mit Wirkung vom 1. Januar 2019 in Kraft gesetzt. Herr Stahlknecht hat mich darüber hinaus gebeten, Sie auch darüber zu informieren, dass in Kürze sowohl in Magdeburg als auch in Halle Waffen- und Messerverbotszonen entsprechend der Vorgabe des § 42 Abs. 5 und 6 des Waffengesetzes in Abstimmung mit den beiden Städten eingerichtet werden sollen.

Neben der Schaffung der rechtlichen Voraussetzungen zur Einrichtung der Waffenverbotszonen haben die Polizeibehörden bereits Einsatzkonzeptionen zur Einhaltung der in diesen Zonen dann geltenden Verbote erarbeitet.

Meine Damen und Herren Abgeordneten, Sie machen die Gesetze. Die Exekutive setzt sie um - in eigener Verantwortung. Gern geben alle Minister und Ministerinnen im Rahmen der parlamentarischen Kontrollrechte dazu Auskunft. Ich denke, ich darf insoweit für alle sprechen: Für konstruktive und durchdachte Vorschläge sind wir alle offen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Frau Ministerin, es gibt eine Nachfrage, und zwar von Frau Quade. - Frau Quade, Sie haben das Wort.

Vielen Dank. - Frau Ministerin, Ihr Vorredner führte eben aus, dass Gewalttäter sich für das Tatmittel Messer entscheiden würden, weil sie wüssten, dass dann die Strafe niedriger ausfallen wür

de. Kennen Sie aus den Berichten der Staatsanwaltschaften, aus den Berichterstattungen der Gerichte oder aus wissenschaftlichen Untersuchungen oder Statistiken irgendeinen Beleg für diese Aussage?

Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Nein, Frau Quade, kenne ich nicht.

Frau Ministerin, es gibt noch eine Frage von Herrn Kohl. - Herr Kohl, Sie haben das Wort.

Danke, Herr Vizepräsident. - Frau Ministerin, eine Frage: Ist Ihnen bewusst oder können Sie nachvollziehen, dass Messerstraftäter Personen absichtlich direkt an den Extremitäten, also an Armen und Beinen, verletzen und damit häufig den Tod in Kauf nehmen, weil sie vielleicht sogar darauf spekulieren, dass aufgrund der Verletzungen maximal eine Körperverletzung mit Todesfolge zur Verurteilung kommt? Ist das quasi eine Art Modus Operandi?

Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Wir haben ein ausgefeiltes System bei den Gewaltstraftaten im Hinblick auf die Tatbestandsmerkmale, die objektiven, die zu verwirklichen sind, und die subjektiven. Das ist Tatfrage. Wenn dabei ein bedingter oder ein gezielter Vorsatz eine Rolle gespielt hat, dann wird das auch als Tötungsdelikt behandelt werden. Es kommt aber jeweils auf die Tatfrage an. Darauf hatte ich in meiner Rede hingewiesen.

Weitere Fragen sehe ich nicht. Dann danke ich der Frau Ministerin für die Stellungnahme der Landesregierung. - Für die Koalition spricht jetzt der Abg. Herr Erben. Herr Erben, Sie haben das Wort.

Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Einbringer von der AfDFraktion! Herr Kohl, ich beginne einmal mit den Zahlen. Keine, aber auch wirklich keine der von

Ihnen vorhin genannten Zahlen stimmt - nicht eine einzige.

(Zustimmung)

Die Abweichungen sind zugegebenermaßen nicht in großen Dimensionen, aber keine Zahl stimmt. Deswegen will ich meine Redezeit kurz nutzen, um sie richtigzustellen: Im Jahr 2013 gab es in Sachsen-Anhalt 613 Straftaten mit dem Tatmittel Messer, im Jahr 2014 609, im Jahr 2015 662, im Jahr 2016 774, im Jahr 2017 717, im Jahr 2018 878, im Jahr 2019 764.

Und es stimmt auch nicht, dass sich niemand in diesem Lande dafür interessiert hat, wie viele Straftaten mit dem Tatmittel Messer begangen worden sind. Wenn Sie beispielsweise in der Parlamentsdokumentation nachsehen, können Sie das dort finden. Sie können auch „Erben“ und „Messerattacken“ eingeben, dann werden Sie eine ganze Menge Daten dazu finden. Wenn Sie das gelesen hätten, dann hätten Sie auch feststellen können, dass das Ganze auf eine sogenannte Einzeldatenrecherche zurückgeht. Das heißt, hier hat jemand jeden Vorgang in die Hand genommen und hat das in den Behörden einzeln zusammengetragen, um zu diesen Zahlen zu kommen. Es ist also unzutreffend, dass die Zahlen niemanden interessieren würden.

Zutreffend wäre - das haben Sie aber nicht gesagt -, dass es über Jahre in der PKS kein ausdrückliches statistisches Merkmal für das Tatmittel Messer gegeben hat. Das gibt es zugegebenermaßen erst jetzt. Das ist ein bundesweites Problem gewesen. Aber zu sagen, dass sich in Sachsen-Anhalt niemand dafür interessiert habe und dass man darüber keinen Überblick habe, ist unzutreffend.