Protocol of the Session on November 19, 2020

(Wulf Gallert, DIE LINKE: Das tut er übri- gens nicht!)

Das ist überhaupt nicht mein Punkt. Wir im Kultusministerium haben wirklich - ich will kein Mitleid, überhaupt nicht - einen harten Job zu machen. Wir müssen die Hygieneregeln einhalten und wissen selbst, dass wir tagtäglich neue Erkenntnisse sammeln. Uns zu unterstellen, dass wir unsere Kinder fahrlässig irgendwelchen Risiken aussetzten, das weise ich wirklich strikt zurück.

Natürlich hinterfragen wir uns fast jeden Tag selbst, prüfen: Ist das verantwortbar, ist das nicht verantwortbar? - Das Recht auf Bildung ist in der Abwägung aller Maßnahmen prioritär zu sehen. Das ist die klare Aussage. Das wissen

Sie genauso wie ich. Hier zu unterstellen, eine Schule wäre eine Coronaparty, das ist aus meiner Sicht der Tiefpunkt der Debatte. Herr Gallert, ich weiß nicht, ob Sie das nötig haben. Dazu muss ich einmal sagen, das weise ich strikt zurück. Das finde ich fast unverschämt.

(Beifall)

Es kommt auch den Kolleginnen und Kollegen und allen, die sich in der Schule auf gut Deutsch den Arsch aufreißen, überhaupt nicht entgegen. Aber ich rege mich nicht auf, ich steigere mich nicht hinein. - Okay.

Der eigentliche Punkt ist - Herr Gallert, das wissen Sie genauso wie ich - ein ganz anderer, zumindest habe ich es so verstanden. Das Thema heißt Kontakte. Wenn man sozusagen mathematisch-naturwissenschaftlich Kontakte minimieren will, dann muss man Begegnungsmöglichkeiten reduzieren. So habe ich die Politik der Bundeskanzlerin und der Ministerpräsidenten verstanden. Wenn man den Schulbereich prioritär vor die Klammer zieht, dann müssen andere Bereiche in dem Sinne, um Kontakte zu reduzieren, nachrangig behandelt werden. Das ist, glaube ich, die Logik der Entscheidung, die ich nicht zu kritisieren und nicht zu verantworten - - Zu verantworten habe ich das schon, aber ich konnte es nicht beeinflussen. Die Entscheidung ist so gefällt worden auf einer höheren politischen Ebene. Diese Entscheidung akzeptieren wir.

Wir haben uns darüber gefreut, dass Schulen dabei prioritär behandelt werden. Das halte ich auch für elementar richtig. Aber dass Sie hier damit anfangen, verschiedene Politikbereiche inhaltlich auseinanderzudividieren, das funktioniert nicht. Denn die Logik dieser Entscheidung heißt: Kontakte reduzieren.

Ja, wir sind mit Blick auf die Schule tagtäglich dabei, uns dieser Frage zu stellen. Natürlich kommt sie unlogisch daher, weil sich dort viele Kinder treffen. Aber deswegen lüften wir ja alle 20 Minuten. Die Kinder sitzen nicht stundenlang in einem Raum, sondern nach 20 Minuten kommt das Thema Stoßlüften und nach der Stunde kommt das Thema Querlüften. Die Unterrichtseinheiten werden auch so gestaltet, dass man möglichst hinausgehen kann. All das wissen Sie doch aber. Hier eine Diskussion auf einem solchen Niveau zu führen, finde ich albern - nein, nicht albern; verantwortungslos finde ich das.

Da Herr Gallert bereits am Mikrofon steht, vermute ich, dass er eine Nachfrage stellen möchte. Bitte.

Herr Tullner, Ihre Empörung in allen Ehren, aber es sind die Realitäten, die so sind. Ich sage einmal, Sie werfen uns vor, die Politikbereiche auseinanderzudividieren. Nein, Sie haben es doch eben selbst gemacht. Sie haben doch selbst gesagt, für die Schulen gelten aus Ihrer Sicht völlig andere Kriterien und Regelungsinhalte als für andere Bereiche, die ich zum Beispiel aufgezählt habe.

Wir alle wissen natürlich, dass die Infektionsgefahr bei einem normal laufenden Museumsbetrieb viel geringer ist als bei einem normal laufenden Schulbetrieb. Dazu sagen Sie, das ist in Ordnung, Sie halten das für richtig, weil Bildung ein höheres Gut ist als ein Museumsbesuch, und deswegen müssen die Schulen so weitergehen wie bisher - wir wissen, wie beschränkt die Möglichkeiten sind, die Sie alle aufgezählt haben - und die anderen Dinge machen wir eben zu.

Aber, Herr Tullner, ich sage einmal: Das bedeutet, dass Sie sich einer solchen politischen Abwägung sozusagen unterordnen, die übrigens von höherer Ebene überhaupt nicht mehr geteilt wird.

Herr Gallert, bitte etwas kürzer. Es ist eine Nachfrage.

Das stimmt. Jetzt, da Sie es sagen, Frau Präsidentin,

fällt es mir auch wieder ein. - Vor diesem Hintergrund, Herr Tullner, sagen Sie mir bitte einmal: Wo ist denn aus Ihrer Sicht die Grenze, wo Sie sagen, auch an dieser Stelle müssen wir jetzt tatsächlich Gesundheit gegen Bildung abwägen?

Herr Minister Tullner, bitte.

Jetzt fahre ich mal wieder herunter. Lieber Herr Gallert, wenn Ministerpräsidenten entscheiden, dann ist es wahrscheinlich so wie bei Ihnen, wenn der Fraktionsvorsitzende etwas sagt; dann wird sich die Fraktion nach einer gewissen Meinungsbildung auch irgendwann darauf verständigen. Ich weiß es nicht, aber ich nehme an, dass es bei Ihnen auch so ist. Und wenn Ihr Parteivorsitzen

der ruft, dann werden Sie sich am Ende wahrscheinlich auch irgendwie darauf verständigen, dass man das nicht einfach ignorieren kann.

Also sage ich: Wenn Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin politische Verabredungen treffen, dann kann ich sie gut oder schlecht finden, aber ich habe sie am Ende umzusetzen. In dem Bereich freue ich mich sehr darüber, dass das Werben erfolgreich war und dass die Argumente, die wir gebracht haben - warum Schule prioritär zu behandeln ist -, akzeptiert wurden und sich auch in politischen Beschlusslagen wiederfinden. Übrigens hat der Kollege Ramelow dabei genauso mitgemacht wie der Kollege Holter - damit wir die parteipolitische Dimension hier gleich ausblenden.

Ich sage es noch einmal: Das ist ein Abwägungsprozess, den wir tagtäglich durchführen. Sie können es mir wirklich glauben - oder Sie glauben es eben nicht -: Wir machen uns die Entscheidung nicht leicht. Wir sind nicht alle happy und glücklich über das, was wir jeden Tag machen. Wir hinterfragen uns auch sehr kritisch, ob wir in dem Spannungsfeld der Abwägungen sozusagen noch auf der richtigen Seite sind.

Deswegen gibt es in der Kultusministerkonferenz diesen wirklich sehr intensiven Abgleich, um zu sehen, ob die Erfahrungen in den Schulen in Bayern, in Hessen, in Baden-Württemberg, in Nordrhein-Westfalen, in Bremen etc., die ganz andere Fallzahlen haben, auf uns adaptierbar sind und wie wir darauf reagieren müssen. Wir haben in Sachsen-Anhalt noch das Glück, dass wir mit ganz niedrigen Fallzahlen, auch wenn sie deutlich gestiegen sind, umgehen können und dass ich von den Erfahrungen der anderen Länder durchaus profitieren kann.

Wenn es Studien gibt, die klar besagen, dass das Thema Lüften elementar ist, um Infektionen zu vermeiden, weil die Aerosole dadurch herausgetragen werden - ich will aber nicht in physikalische Betrachtungen abgleiten -, dann ist das eine andere Betrachtung, als wenn ich in einer Gaststätte bin und auch Hygienekonzepte habe. Dazu gab es eine Abwägung. Diese finde ich an dieser Stelle ausdrücklich gut und die setze ich um. Das ist es dann auch.

Alle anderen Debatten müssen Sie mit dem Ministerpräsidenten oder mit wem auch immer führen, warum es diese politischen Verabredungen gibt. Vielleicht können Sie mit Herrn Ramelow anfangen.

(Wulf Gallert, DIE LINKE: Habe ich längst getan!)

Zu ihm haben Sie einen guten Draht. Sie können sich von ihm erklären lassen, warum es so gekommen ist.

Vielen Dank. Es gibt noch zwei weitere Wortmeldungen, von Herrn Lippmann und von Frau Quade. - Sie haben das Wort, Herr Abg. Lippmann.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Minister, ich bin noch einmal bei dem Thema Lüften, Lüftungssysteme. Wir hatten Anfang des Monats, im Vorfeld unserer Sondersitzung Anfang des Monats, einen Beitrag bei „MDR Wissen“ über Forscher des Max-Planck-Instituts in Mainz, die sich mit der Situation sehr konstruktiv und produktiv auseinandergesetzt haben und die ein hocheffizientes, sehr, sehr kostengünstiges und wenig aufwendiges Lüftungssystem für Schulen entwickelt haben und dieses auch mit Schulen ausprobiert haben. Ich habe Sie am Rande dieser Sondersitzung darauf aufmerksam gemacht - da war das noch relativ frisch - und ich habe Sie anschließend auch im Bildungsausschuss danach gefragt.

Ich frage Sie auch jetzt wieder: Gibt es einen Stand der Auseinandersetzung mit dieser Frage? Gibt es Pläne, damit umzugehen? - Das ist etwas ganz anderes, als einen teuren Kasten in die Klasse zu stellen, von dessen Effekten man nicht unbedingt überzeugt sein muss.

Die Forscher haben deutlich gemacht - Sie haben sich sicherlich damit auseinandergesetzt -, dass 90 % der Aerosole abgesaugt werden. Es geht um einen Kostenaufwand von lediglich 200 €, 300 €, die eine solche Konstruktion kostet. Auch die CO2-Bilanz in den Räumen wird deutlich verbessert. Das heißt, ganz unabhängig von Corona und Aerosolen verbessern sich das Raumklima und die Lernatmosphäre. Wird man sich damit auseinandersetzen? Wird man da etwas tun? Gibt es dazu Absprachen mit anderen? Oder landet das im Papierkorb oder verschwindet im Schubkasten des Schreibtischs, wie andere Sachen auch?

Herr Minister Tullner, bitte.

Nein, das verschwindet nicht in irgendwelchen Ablagen runder oder eckiger Art. Das gehört zu den Themen, zu denen ich meinte, dass wir die Lage sehr sensibel beobachten. Der Arbeitskreis Innenraumhygiene hat solche Dinge auch mit auf den Weg bekommen, um sie noch einmal intensiv zu prüfen. Das klang jetzt erst einmal sehr charmant. Das ist in Mainz gewesen mit dem Fraunhofer - -

(Zurufe: Max-Planck!)

- Max-Planck-Institut. Es gab, glaube ich, auch zarte Initiativen einer Schule hier bei uns, die das sozusagen nachbauen wollte; dagegen habe ich nichts. Aber, wie gesagt, die fachliche Prüfung - -

(Eva von Angern, DIE LINKE: Sie können ja dafür werben, dass sie das machen!)

- Na ja, Leute, ich kann doch aber nicht für etwas werben, von dem ich nicht weiß, ob es funktioniert. Wir wollen nicht in Schamanentum abgleiten.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Ich denke, das Max-Planck-Institut hat Ahnung!)

Wir brauchen doch am Ende - - Wir haben jetzt an der Stelle - - Ich fasse es einmal zusammen: Wir haben einen Fernsehbericht, in dem jemand aus einer Mainzer Schule berichtet hat, dass dort etwas positiv gelaufen ist, und dort war das Max-Planck-Institut dabei. Das klingt erst einmal - -

(Eva von Angern, DIE LINKE: Nein, sie ha- ben es entwickelt im Max-Planck-Institut! - Sebastian Striegel, GRÜNE: Sie haben das entwickelt!)

Lassen Sie doch den Minister erst einmal ausreden.

(Doreen Hildebrandt, DIE LINKE: Er erzählt aber Unsinn! - Eva von Angern, DIE LINKE: Das stimmt doch aber nicht!)

- Ja, das glaube ich Ihnen, aber es ist - -

Das klingt erst einmal ernst zu nehmend, aber wir können doch nicht aufgrund von Hörensagen, weil wir einen Fernsehbericht gesehen haben, solche Dinge adaptieren. Ernst nehmen heißt, dass wir uns mit dem Umweltbundesamt in dem Arbeitskreis Innenraumhygiene und auf KMK-Fachebene darüber austauschen, ob die Erkenntnisse so sind.

Aber, Leute, es kann doch nicht ernsthaft sein, dass wir, weil wir einmal einen Fernsehbericht gesehen haben und da jemand dabei war, der renommiert klingt, sagen: Das ist es jetzt. Wir müssen an der Stelle erst einmal Kenntnis von den Erkenntnissen haben, die diese Max-Plancker in Mainz haben, und dürfen nicht auf einen Fernsehbericht vertrauen.

(Zuruf)

Deswegen werbe ich sehr stark dafür, fachliche Expertise anzuwenden, anstatt sozusagen auf

vordergründige Lösungen zuzugreifen, von denen kein Mensch weiß, ob sie funktionieren.

Vielen Dank, Herr Minister. - Jetzt ist Frau Abg. Quade dran. Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Minister, Sie sagten vorhin zwei Dinge: Der Hybridunterricht kann kein Ersatz für Regelunterricht sein. Auch sprachen Sie einen Dank an die Lehrkräfte und an die pädagogischen Mitarbeiter im Land aus. - Beidem will ich mich sofort anschließen und beides will ich sofort unterschreiben. Aber: Auch hier will ich Sie mit der Realität konfrontieren. Was nützt denn ein Regelunterricht, der Regelunterricht heißt, aber nicht so stattfindet?

Ich gebe Ihnen ein Beispiel aus Halle, unserer gemeinsamen Heimatstadt: Grundschule, 3. Klasse. Seit den Herbstferien wird an der Schule Klassenleiterunterricht erteilt. „Kontakte beschränken! Keine wechselnden Lehrkräfte!“ - macht Sinn. Seit den Herbstferien ist die Klassenlehrerin krank, weil sie Risikopatientin ist und nicht im Einsatz sein kann.