Wir kommen nun zum Abstimmungsverfahren. Es wurde der Vorschlag unterbreitet, den Gesetzentwurf in den Ausschuss für Inneres und Sport zu überweisen. Wer dafür stimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind alle Fraktionen des Hauses. Gegenstimmen? - Sehe ich keine. Stimmenthaltungen? - Sehe ich auch keine. Damit ist der Gesetzentwurf überwiesen worden. Ich verweise darauf, dass gleichzeitig eine Überweisung in den Finanzausschuss erfolgt ist. Der Tagesordnungspunkt 3 ist somit erledigt.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Abgeordnete! Mit der Feststellung, dass regional verankerte Landwirtschaft Boden braucht, der in die Hände derjenigen gehört, die ihn fachlich gut und nachhaltig bewirtschaften, steht unser Gesetzentwurf unter der Überschrift „Den Bodenmarkt besser regulieren“.
Boden darf nicht länger zur Kapitalanlage und zum Spekulationsobjekt verkommen und durch Preistreiberei und Anteilskäufe den in der Region ansässigen landwirtschaftlichen Betrieben und den Existenzgründerinnen entzogen werden.
Bereits im Jahr 1967 stellte das Bundesverfassungsgericht nach einer Beschwerde von einem Nicht-Landwirt, dem die Genehmigung zum Erwerb von Boden als reine Kapitalanlage verwehrt wurde, klar - Zitat -:
„Die Tatsache, dass der Grund und Boden unvermehrbar und unentbehrlich ist, verbietet es, seine Nutzung dem unübersehbaren Spiel der freien Kräfte und dem Belieben des Einzelnen vollständig zu überlassen[.]“
Boden sichert unsere Ernährung. Seine Gestaltung prägt das Landschaftsbild. Er ist ein maßgeblicher Teil der Ökosysteme und gibt Tieren und Pflanzen Lebensräume. Der Boden und seine Bewirtschaftung haben Einfluss auf das Grundwasser und die Speicherung von klimaschädlichem CO2. Der nicht vermehrbare Boden ist also nicht vergleichbar mit anderen Vermögenswerten und Immobilien und schon gar nicht mit Produkten.
Aufgrund seiner vielfältigen Funktionen ist der Boden existenziell für die Gesellschaft. Das begründet die Besonderheit des Bodenrechtes. Denn es greift in Eigentumsrechte ein. Die Eingriffe in Freiheitsrechte von Käuferinnen und Verkäuferinnen müssen dennoch das mildeste Mittel darstellen, um schädliche agrarstrukturelle Vorgänge zu verhindern bzw. zu reduzieren. Das müssen wir auch gut begründen, wenn wir unsere neuen Regelungen vorschlagen.
Unser Gesetzentwurf beschreibt im Wesentlichen vier Themenkreise: erstens den Kauf und Verkauf von Boden, das heißt von Acker- und Grünland und forstwirtschaftlichen Grundstücken, zweitens die Pacht und Verpachtung von Boden, drittens Anteilskäufe und Anteilsverkäufe an Unternehmen mit mindestens 250 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche, sodass neue Eigentümerinnen mittelbar Anteile am Boden erwerben, und viertens neue Aufgaben für die Landgesellschaft.
drei Bundesgesetze vereinigen, und zwar das Grundstücksverkehrsgesetz, das Landpachtverkehrsgesetz und das Reichssiedlungsgesetz. Im Rahmen der Föderalismusreform erhielten die Bundesländer die Gesetzgebungskompetenz für das Bodenverkehrsrecht. Mit unserem Entwurf für ein Agrarstrukturgesetz Sachsen-Anhalt kommen wir dem nach.
Mit dem sachsen-anhaltischen Gesetz werden in Deutschland erstmals Anteilskäufe zum Erwerb von Beteiligungen an entsprechenden Unternehmen reguliert. Denn eine solche Regulierung gibt es bisher noch nicht. Sachsen-Anhalt wäre damit ein Vorreiter.
Wo liegen nun die Probleme auf dem Bodenmarkt? Was sind die Ursachen für die negativen Auswirkungen auf die Agrarstruktur? - Boden ist, unter anderem ausgelöst durch die Finanzkrise im Jahr 2007 und die anhaltend niedrigen Zinsen, in den letzten Jahren zur Kapitalanlage mit hohen Renditeerwartungen und zum Spekulationsobjekt geworden. Die Folge ist, dass Kauf- und Pachtpreise steigen.
Boden wird von außerlandwirtschaftlichen oder überregional aktiven Investorinnen, von Agrarindustriellen und von vermögenden Unternehmen und Personen aufgekauft, die in der Regel nicht vor Ort leben und oft keinen Bezug zur Landwirtschaft haben. Sie bereichern das Landleben nicht und wollen lediglich einen maximalen Ertrag erzielen. Das wird sich im Einzelfall auch auf den Anbau auswirken. Indirekt kann das zur Verarmung des Anbaus führen, wenn nur darauf geschaut wird, was am rentabelsten ist; beispielsweise Maismonokulturen für Biogas statt Vielfalt im Anbau.
Anteilskäufe an Unternehmen mit landwirtschaftlichen Grundstücken, die bisher rechtlich nicht geregelt sind, nehmen zu. Auch Verkäufe ganzer Unternehmen, besonders im Rahmen eines Generationswechsels, finden statt. In der Konsequenz führt das dazu, dass die vor Ort ansässigen Landwirtinnen bei den Preisen nicht mithalten können und sie von Angeboten über Anteilskäufe nichts wissen, sodass sich Betriebe nicht weiterentwickeln können, geschweige denn Neugründungen möglich wären. Große Betriebe werden noch größer und andere verschwinden. Vielfalt geht verloren. Ländliche Räume bluten aus.
Wenn es in einer Region Platzhirsche gibt, dann gibt es auch keinen Wettbewerb mehr auf dem Bodenmarkt. Gerade durch nicht Ortsansässige fließt auch Wertschöpfung ab. Ich denke dabei nur einmal an Pachteinnahmen, die dann nicht vor Ort ausgegeben werden, sondern irgendwo anders hinfließen.
Diese Entwicklung ist schädlich für die Agrarstruktur. Mit dem Gesetzesvorschlag der drei Koalitionsfraktionen wollen wir dem Ausverkauf des Bodens endlich einen Riegel vorschieben. Eine agrarstrukturell nachteilige Verteilung von Grund und Boden muss gestoppt werden. Es geht um die Abwehr von Gefahren und erheblichen Nachteilen für die Agrarstruktur.
Welche agrarstrukturellen Ziele wir verfolgen, wird in § 1 beschrieben und im Leitbild, das in der Begründung zum Gesetzentwurf ab Seite 28 zu finden ist. Dazu gehören die Gewährleistung leistungsfähiger Unternehmen der Landwirtschaft, die Versorgung mit Agrarprodukten, faire Entwicklungsmöglichkeiten für regional verankerte Betriebe mit ortsansässigen Landwirtinnen und Landwirten, Neugründungen - wir wollen mehr statt weniger Betriebe -, eine breite Streuung des Eigentums, ein Vorrang der Landwirte beim Erwerb von Grundeigentum, die Sicherung der Funktionsfähigkeit ländlicher Räume, die Sicherung der Wertschöpfung im ländlichen Raum, die Schaffung von Arbeitsplätzen sowie wirtschaftliche, soziale und ökologische Stabilität der ländlichen Räume.
Nun möchte ich die wesentlichen Vorschläge für die neuen Regelungen vorstellen. Wir haben eine Preismissbrauchsklausel eingebaut und wollen damit erreichen, dass die Preistreiberei ein Ende hat. Bei Verkäufen von landwirtschaftlichen Flächen, und zwar sowohl im Grundstücksverkehr als auch bei Beteiligungen an Unternehmen, darf der Kaufpreis den Verkehrswert nicht um mehr als 20 % übersteigen oder um mehr als 40 % unterschreiten. Eine solche Preisgrenze war bisher nicht gesetzlich geregelt. Bisher gab es dazu nur eine Rechtsprechung. In dieser wird von einem groben Missverhältnis ausgegangen, wenn der Kaufpreis den Verkehrswert um 50 % überschreitet. Angesichts der galoppierenden Preisentwicklung in den vergangenen Jahren sehen wir es als erforderlich an, die Schwelle nach unten zu ziehen. Deshalb soll jetzt schon ein Wert von 20 % gelten.
Die Kaufpreisentwicklung gemäß dem Statistischen Bundesamt zeigt die sich verschärfende Lage. Im Jahr 2009 lag der durchschnittliche Kaufwert je Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche in Sachsen-Anhalt bei 7 281 € und im Jahr 2018 bei 18 217 €. Das ist eine Steigerung um etwa 150 %.
Neu ist auch, dass unsere Landgesellschaft als Siedlungsunternehmen das Vorkaufsrecht beim Verkauf von Grundstücken auch dann ausüben kann, wenn es keinen aufstockungsbedürftigen Landwirt gibt bzw. zum Zeitpunkt des Kaufgeschäftes noch nicht gibt. Damit haben wir ein Instrument, um außerlandwirtschaftliche Investo
rinnen außen vor zu lassen. Zudem wollen wir die Haltefrist von sechs Jahren auf zehn Jahre erhöhen, sodass genug Zeit für einen Wiederverkauf an einen geeigneten aufstockungsbedürftigen Betrieb bleibt. Ziel ist auch hierbei, die Grundstücke zur Verbesserung der Agrarstruktur zu verwenden.
Weiterhin schlagen wir einen revolvierenden Bodenfonds mit mindestens 20 000 ha bei der Landgesellschaft vor. In diesem sollen unter anderem die Grundstücke, die durch eine Ausübung des Vorkaufsrechts erworben werden, verwaltet und verwendet werden. Wir wollen damit erreichen, dass landeseigene Grundstücke - diese gehören ja dann dem Land - nicht weniger werden und dass Sachsen-Anhalt seine Grundstücke gezielt für die Erreichung der agrarstrukturellen Ziele einsetzt, zum Beispiel für den Verkauf an Junglandwirtinnen und Junglandwirte oder an Betriebe, die zum Natur-, Umwelt- und Klimaschutz beitragen.
Wir zielen auf eine regional verankerte Landbewirtschaftung ab. In diesem Sinne halten wir es ausdrücklich für nicht schädlich für die Agrarstruktur, wenn Mitglieder einer Landwirtschaft betreibenden Genossenschaft, die bislang nicht unter das Landwirtschaftsprivileg fielen, von ihrer Genossenschaft eine Fläche erwerben. Wir wollen das zulassen, allerdings nur unter der Bedingung, dass sie das Land der Genossenschaft auch langfristig zur Bewirtschaftung zur Verfügung stellen. Dieser Verkauf auch an Mitglieder von Genossenschaften sichert eine breite Eigentumsstreuung.
Mit diesem Punkt möchte ich an eine weitere Neuerung, die wir im Gesetzentwurf vorschlagen, anknüpfen. Wir schlagen vor, die Genehmigungsfreigrenze von derzeit 2 ha auf 5 ha anzuheben. Denn ohne ein behördliches Verfahren würden sich mehr Menschen aus einem Ort entschließen, dort ein Grundstück zu kaufen. Es würde also mehr Fläche in mehr Hände gelangen, was gut für die Eigentumsstreuung ist.
Bei der Anhebung der Freigrenze würden nur noch 20 % aller Verträge mit zusammengerechnet 80 % der verkauften Flächen einer Genehmigung unterliegen. Derzeit sind es 40 % aller Kauffälle mit zusammengenommen 90 % der verkauften Flächen. Durch eine Halbierung der Zahl der Verfahren, also von 40 % auf 20 % der betroffenen Fälle, würden die Grundstücksverkehrsbehörden erheblich entlastet. Nach dieser Entbürokratisierung könnten sich die Behörden auf die dann noch zu prüfenden Kauffälle konzentrieren und diese auch intensiver prüfen.
Wir haben lange überlegt, wie Vielfalt gewährleistet und Konzentrationen zurückgedrängt werden können. Wir wollen marktbeherrschende Stellun
gen auf dem regionalen Bodenmarkt verhindern und die regionalen Flächenkonzentrationen aufbrechen. Als regionale Bezugsgröße dient uns die Gemarkung. Das sind alle Flächen einer Gemeinde, die im Kataster zu finden sind. Weitere Grundstückskäufe und Pachten sollen einem Betrieb in einer Gemarkung dann nicht mehr möglich sein, wenn er bereits mehr als 50 % der Fläche als Eigentum und Pacht in dieser Gemarkung innehat. Das ist der regionale Faktor, den wir in den Gesetzentwurf eingebaut haben. Dadurch sollen eine Anhäufung von landwirtschaftlichen Grundstücken in einer Hand und eine wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs verhindert, Neugründungen ermöglicht und anderen Betrieben Entwicklungsmöglichkeiten gegeben werden.
Nun zum Highlight des Gesetzentwurfs. Denn dieses Thema wurde bislang deutschlandweit noch in keinem Bundesland angefasst. Es geht um den Erwerb von Beteiligungen an Unternehmen, die sogenannten Share Deals. Der mittelbare Erwerb von Grund und Boden soll mit dem Gesetz erstmals reguliert werden, um auch eine nachteilige Landverteilung über Anteilskäufe zu verhindern.
Wenn ein Unternehmen mit mindestens 250 ha Eigentum an landwirtschaftlichen Flächen davon mindestens 25 % verkaufen will, dann wird dieser Verkauf der Grundstücksverkehrsbehörde vorgelegt werden müssen. Analog zum Grundstücksverkehr, also dem reinen Verkauf von landwirtschaftlichen Nutzflächen, kann die Zustimmung dann versagt werden, wenn eine Anhäufung auf dem regionalen Bodenmarkt bzw. in der Gemarkung entstehen würde und die Preismissbrauchsgrenze gerissen würde.
Wir sehen bei den Share Deals großen Handlungsbedarf. Denn in den zwei vom ThünenInstitut untersuchten Landkreisen verfügen überregional tätige Investoren über einen erheblichen Anteil der Fläche. In ihren Händen befanden sich im Jahr 2016 im Landkreis Anhalt-Bitterfeld 22 % der analysierten landwirtschaftlichen Flächen und im Landkreis Stendal 11 %.
Ich bitte Sie nun: Diskutieren Sie mit uns die Vorschläge in den Ausschüssen und tragen Sie gern auch zur Verbesserung bei. Denn unser Ziel muss es sein, endlich eine Verbesserung auf dem Bodenmarkt hinzubekommen. - Vielen Dank.
Fragen sehe ich keine. Dann danke ich Frau Frederking für die Einbringung des Gesetzentwurfes. - Für die Landesregierung spricht die Ministerin Frau Prof. Dr. Dalbert. Frau Ministerin, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Regierungsfraktionen von CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben den Entwurf eines Agrarstrukturgesetzes ausgearbeitet. Ich will deutlich sagen: Dieser Gesetzentwurf stellt aus meiner Sicht einen bedeutenden Schritt hin zu einem modernen Agrarstrukturrecht dar. Deswegen möchte ich zuallererst den Regierungsfraktionen für ihre sehr gute Arbeit in einem rechtlich wie auch politisch tatsächlich nicht einfachen Umfeld danken. Das Ergebnis ist, so denke ich, ein ausgewogener Gesetzentwurf.
Die Sicherung und Verbesserung der Agrarstruktur soll im Wesentlichen erreicht werden durch drei Dinge: mehr Transparenz auf dem Bodenmarkt, Verhinderung von marktbeherrschenden Stellungen und Stärkung der Landgesellschaft.
Der vorliegende Entwurf reagiert damit auf die seit einigen Jahren festzustellenden Veränderungen auf dem Bodenmarkt, insbesondere auf den erheblichen Anstieg von Boden- und Pachtpreisen in Sachsen-Anhalt. Eine Ursache für den zunehmenden Wettbewerb auf dem Bodenmarkt ist natürlich die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank.
Gerade der Kauf von landwirtschaftlichem Boden durch außerlandwirtschaftliche Investoren in Form von Share Deals, also in Form von Anteilen an Gesellschaften, die über landwirtschaftlichen oder forstlichen Boden verfügen, treibt die Preise in Ostdeutschland nach oben. Diese Share Deals sind eben besonders attraktiv, und zwar deshalb, weil sie bisher nicht anzeigepflichtig sind und weil keine Grunderwerbsteuer gezahlt werden muss, zumindest dann nicht, wenn nicht mehr als 95 % der Anteile an der Gesellschaft gekauft werden.
Genau an dieser Stelle setzt das Agrarstrukturgesetz an. Künftig unterliegen Anteilskäufe an Unternehmen mit mehr als 250 ha Eigentum an land- und forstwirtschaftlicher Fläche der Zustimmung durch das Landesverwaltungsamt, wenn durch diesen Kauf ein bestimmender Einfluss auf das Unternehmen entsteht, also wenn mehr als 25 % Anteile an dem Unternehmen gekauft werden. Versagt werden können solche Share Deals, um eine den Wettbewerb wesentlich beeinträchtigende Konzentration von Flächen auf dem regionalen Bodenmarkt zu verhindern - wir haben es schon gehört -, wenn mehr als 50 % der Gemarkung damit erworben werden oder eben wenn der Kaufpreis unangemessen ist.
liert. Insbesondere sollen die Landkreise künftig Zukäufe untersagen können, wenn eben die Käufer eine marktbeherrschende Stellung auf dem regionalen Bodenmarkt erreichen; das heißt, wenn sie mehr als 50 % der landwirtschaftlichen Fläche in einer Gemarkung im Eigentum oder in der Pracht haben.