Protocol of the Session on November 19, 2020

(Unruhe)

Es gibt keine weiteren Fragen. Dann danke ich dem Herrn Minister für die Einbringung des Gesetzentwurfes. - In der Debatte sind fünf Minuten Redezeit je Fraktion vorgesehen. Für die AfD spricht jetzt der Abg. Herr Kohl. Herr Kohl, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Vizepräsident. - Sehr geehrte Damen und Herren! Lange wurde er angekündigt, nun ist er da, der Entwurf zur Änderung des Landesversammlungsgesetzes. Aber gut gemeint ist in der Regel das Gegenteil von gut gemacht - so auch hier. Die Mängelliste ist lang. Daher werde ich mich auf einige Hauptkritikpunkte beschränken.

In § 3 sollen die Wörter „in einer öffentlichen Versammlung“ durch die Wörter „öffentlich“ und „in einer Versammlung“ und das Wort „uniformähnliche“ durch das Wort „gleichartige“ ersetzt werden. Damit soll das Uniformierungsverbot nicht nur für öffentliche Versammlungen, sondern nunmehr für alle Versammlungen, von der Betriebsversammlung bis zum Treffen der Traditionsschützen, gelten. So lese ich den Gesetzentwurf.

Die Änderung von „uniformähnliche Kleidungsstücke“ in „gleichartige Kleidungsstücke“ ist äußerst kritisch zu betrachten, da hier ein unbestimmter Rechtsbegriff verwendet wird, der eine weitestgehende Auslegung ermöglicht. Im Zweifel könnte schon das Tragen einer einheitlichen Kleidung als Uniformierung ausgelegt werden, was ja einen gewissen Charme hätte, wenn ich an den Schwarzen Block denke. Aber: Bedroht von dieser Normierung könnten auch Vereine der Traditions- und Brauchtumspflege sein. Dass Tausende als Hexe Uniformierte eine einschüchternde Wirkung

haben können, dürfte jeder bestätigen, der schon einmal einer Walpurgisfeier im Harz beiwohnte. Mit dieser Regelung wird überzogen und gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip verstoßen - daher abgelehnt.

Weiterhin soll in § 15 Abs. 1 die Befugnisnorm auch für sonstige öffentliche Veranstaltungen unter freiem Himmel gelten. In der Begründung wird auf Hochrisikospiele verwiesen. Hierzu stellen sich viele rechtliche und praktische Fragen. Sind Sportveranstaltungen wie Fußballspiele öffentliche Veranstaltungen? Finden diese unter freiem Himmel im Sinne des Versammlungsrechts statt? Inwieweit dienen diese der politischen Meinungsbildung? Sind öffentliche Veranstaltungen per se auch öffentliche Versammlungen? Schließlich sind die Teilnehmerzahl oder der Teilnehmerkreis von vornherein bestimmt bzw. bestimmbar. Sofern es sich um nicht öffentliche Versammlungen handelt - kommt dann das Versammlungsgesetz analog zur Anwendung?

Abgesehen von der Möglichkeit, dass eine Vermummung mit Fanutensilien wie Schal und Mütze erfolgen kann, kommt nun durch die Coronaregelung der Einsatz bzw. die Verwendung der MundNasen-Bedeckung hinzu. Es ist davon auszugehen, dass auch zukünftig und dauerhaft von Besuchern des Fußballspiels oder Besuchern des Stadions diese Masken mitgeführt und im Zweifel auch zur Vermummung benutzt werden könnten.

Wie will man damit umgehen? - Diese Regelung sollte man, wenn man sie überhaupt treffen wollte, nicht in das Landesversammlungsgesetz aufnehmen, sondern vielleicht in das SOG LSA.

Nach unserer Meinung sollte in das Versammlungsgesetz die folgende Regelung aufgenommen werden: Bei öffentlichen Versammlungen oder solchen Aufzügen haben die öffentlichen Meinungsbekundungen zum Anliegen und Inhalt solcher Versammlungen in Wort und Schrift durch den Veranstalter, die von ihm beauftragte Person oder Versammlungsteilnehmer grundsätzlich in deutscher Sprache zu erfolgen.

Grundlage hierfür sind die Grundsätze des Bundesverfassungsgerichtes im sogenannten Brokdorf-Beschluss aus dem Jahr 1985. Daraus lässt sich im Kern resümieren, dass die Versammlungsfreiheit dazu dient, den politischen Meinungs- und Willensbildungsprozess öffentlich zu beleben und insbesondere auf politische Entscheidungen Einfluss zu nehmen. Das setzt allerdings voraus, dass Meinungen transparent und verständlich nach außen getragen werden. Dazu ist es notwendig, sich einer Sprache zu bedienen, die sowohl Bürger als auch Politiker verstehen und sprechen, und diese Sprache ist in unserem Land Deutsch.

Meinungsäußerungen in anderer Sprache - egal ob von deutschen oder nicht deutschen Personen vorgetragen - tragen nicht zum politischen Meinungs- und Willensbildungsprozess bei. Folglich sind derartige Veranstaltungen nicht vom Grundrecht auf Versammlungsfreiheit gedeckt, weshalb eine entsprechende Klarstellung in das Landesversammlungsgesetz vorgenommen werden muss. Dies ist auch nur folgerichtig; schließlich verständigen wir uns hier im Plenum auch nur in der Amtssprache, um für Bürger öffentlich und verständlich unsere Meinungen und Positionen auszutauschen und der Regierung mit klaren und verständlichen Worten ins Gewissen reden zu können.

(Minister Holger Stahlknecht: Aber „abge- fuckt“ ist nicht Deutsch! - Zuruf: Das ist an- glizistisch! - Heiterkeit)

- Das geht jetzt aber nicht von meiner Redezeit ab.

(Zurufe)

- Darf ich jetzt? - Die Übertragung der Zuständigkeit für die Aufgaben nach dem Versammlungsrecht an die Stadt Halle lehnen wir zum jetzigen Zeitpunkt ab. Halles OB und Chef der Stadtverwaltung Wiegand hat wiederholt die Entscheidung der Versammlungsbehörde in der Polizeiinspektion Halle kritisiert, weil sie die Montagsdemos eines als rechtsextrem eingestuften Veranstalters nicht verboten hat. Er hat die Übertragung der Zuständigkeit an die Stadt Halle eingefordert und damit suggeriert, dass er Entscheidungen nach dem Versammlungsrecht nach rein politischem Gusto treffen würde. Ich vermute, Herr Wiegand hat falsche Vorstellungen davon, welchem Zweck das Versammlungsrecht dient und welche schwierige Aufgabe er damit übernimmt.

(Zustimmung)

Ich denke, dass wir über den Gesetzentwurf im Innenausschuss, so mein Vorschlag, intensiv beraten und diskutieren werden. Darauf freue ich mich schon. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung)

Ich sehe keine Fragen. Dann danke ich Herrn Kohl für den Redebeitrag. - Für die SPD spricht der Abg. Herr Erben. Herr Erben, Sie haben das Wort.

Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Manchmal wäre es gut, wenn der Landtag auf die Weitsicht der Landesregierung vertraut. Deswegen werde ich jetzt kurz in die Ge

schichte dieses Hauses gehen. Es war nämlich genau der 27. Juni 2008, als der zuständige Innenminister Holger Hövelmann den Entwurf eines Gesetzes des Landes Sachsen-Anhalt über Versammlungen und Aufzüge in dieses Haus eingebracht hat. Ich erspare mir jetzt den Vortrag der Drucksachennummer.

Alle diese Probleme, über die wir heute reden, nämlich das Uniformverbot, Schutzgut öffentliche Sicherheit, hätten wir nicht, wenn dieses Haus dem Gesetzentwurf damals gefolgt wäre. Dieser Gesetzentwurf war nämlich ganz schlank und ganz dünn und umfasste lediglich die Beibehaltung des Versammlungsrechts des Bundes, ergänzt um zwei Paragrafen, nämlich um die besonderen Orte und die besonders schützenswerten Tage. Das war der Ausgangspunkt. Am Ende ist man dem nicht gefolgt.

Vielmehr gab es eine sehr umfangreiche Beschlussempfehlung. Ich will mich zu den einzelnen Punkten nicht noch einmal auslassen. Das Hauptproblem stellte § 13 dar; denn im Unterschied zu § 2 des Gesetzentwurfes der Landesregierung tauchte in der Synopse statt der Wortgruppe „öffentliche Ordnung“ ein Strich auf. Das war das Problem.

Ich will dies um ein Datum ergänzen. In der zweiten Lesung und Beschlussfassung am 8. Oktober 2009 hat der Minister höflich umschreibend vorgetragen, welche Probleme daraus erwachsen könnten.

Heute, elf Jahre später, stehen wir wieder hier. Wir unterstützen den Gesetzentwurf der Landesregierung ausdrücklich, weil er zumindest für einen Teil der aufgezeigten Probleme eine Lösung darstellt. Wir halten es für besonders wichtig, dass die Verknüpfung zum neuen Artikel 37a der Landesverfassung stattfindet.

(Zustimmung)

Denn an dieser Stelle hat es in diesem Haus eine verfassungsändernde Mehrheit gegeben, die ein klares Staatsziel für Sachsen-Anhalt benennt. Nicht umsonst wurde anschließend getitelt, dass Sachsen-Anhalt antifaschistisch sei.

(Beifall)

Das muss sich in der Gesetzgebung, im Handeln der Behörden und in der Rechtsprechung wiederfinden. Deswegen wird es nach dieser Gesetzesänderung entscheidend sein, das Gesetz konsequent anzuwenden; denn es kommt entscheidend darauf an, dass den Behörden Rechtsextreme wie Herr Liebich nicht auf der Nase herumtanzen können, und das macht er.

Dass aber auch Gesetzgeber immer wieder auf neue Entwicklungen reagieren müssen, zeigt diese Daueranmeldung. Ich gebe zu, dass außer

halb von Sachsen-Anhalt vor Jahren wahrscheinlich niemand auf die Idee gekommen wäre, dass wir mit einer Lage konfrontiert sein könnten, in der jemand 50 Jahre im Voraus Versammlungen anmeldet. Diese Lücke wird in dem Fall ebenfalls geschlossen.

(Zuruf)

Eine Besonderheit ist zugegebenermaßen die Regelung zur Zuständigkeit nach dem Versammlungsgesetz. Dass Halle und Magdeburg nicht Versammlungsbehörde sind, ist zumindest historisch erklärbar gewesen - sachlich sowieso nicht. Dass Magdeburg jetzt aber nicht Versammlungsbehörde ist und Halle Versammlungsbehörde ist, ist nur schwer erklärlich - jedenfalls sachlich kaum.

Ich spinne das einmal weiter. Was machen wir eigentlich, wenn ein Landrat irgendwann sagt, die Bauaufsichtsbehörde bringt irgendwie nur Ärger, diese Aufgabe will ich nicht mehr übernehmen, und ein anderer Landrat die Bauaufsichtsbehörde für eine tolle Geschichte hält und diese Aufgabe weiter übernehmen will? - Wir haben dann natürlich eine weitere Aufsplitterung. Ich bin aber der Meinung, dass wir an dieser Stelle jetzt zügig vorankommen und es an diesem Thema nicht scheitern lassen sollten, weil ich glaube, dass die aufgezeigten Gesetzeslücken schnellstens geschlossen werden sollten.

Ich beantrage für die Koalitionsfraktionen die Überweisung in den Ausschuss für Inneres und Sport. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung)

Herr Erben, Herr Kohl hat eine Frage. - Herr Kohl, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Vizepräsident. - Eine Anmerkung und eine Frage. Ich meine, dass die Landeshauptstadt Magdeburg die richtige Entscheidung getroffen hat, die Aufgabe nicht zu übernehmen, weil das Versammlungsrecht eine wirklich schwierige Materie ist und man Personal benötigt, das über juristische Fachkenntnisse und über entsprechende Erfahrungen verfügt.

Meine Frage bezieht sich auf die Anmeldefrist. Sie waren wahrscheinlich in irgendeiner Art und Weise in die Erstellung des Gesetzentwurfs involviert. Können Sie mir vielleicht sagen, wie man auf die Anmeldefrist von zwei Jahren gekommen ist? - Mir leuchtet nicht ein, warum man schon zwei Jahre im Voraus eine Demonstration anmeldet. Warum nicht zum Beispiel ein Jahr? Ist das

ein Kompromiss gewesen oder wie kam das zustande?

Herr Erben, Sie haben das Wort.

Ich fange mit Letzterem an. Das war kein Kompromiss, sondern eine Abwägung. Das ist etwas anderes. Bei einem Kompromiss müssten die Leute unterschiedlicher Auffassung gewesen sein. Es war eine Abwägung über die Frage, welcher Zeitraum überschaubar ist. Dieser Zeitraum darf aber auch nicht zu kurz sein. Deswegen ist es eine Abwägung und kein Kompromiss zwischen verschiedenen Beteiligten.

Zu der Frage der Zuständigkeit. Wir hatten in diesem Land einmal 21 Landkreise und jeder dieser 21 Landkreise war Versammlungsbehörde. Das haben sie hinbekommen. Zugegebenermaßen werden in Halle oder Magdeburg mehr Versammlungen angemeldet als im ehemaligen Ohrekreis. Das mag sein. Aber vom Grundsatz her brauchte man diese Kompetenzen in jeder dieser Kreisverwaltungen. Mir jedenfalls sind größere Probleme nicht bekannt.

Weitere Fragen sehe ich nicht. Dann danke ich Herrn Erben für den Redebeitrag. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht jetzt die Abg. Frau Quade. Frau Quade, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung legt heute dem Landtag als Gesetzgeber einen Entwurf vor, mit dem sie in einem für die Demokratie ganz entscheidenden Bereich den rechtlichen Rahmen verändern möchte, nämlich im Versammlungsrecht. Der Innenminister musste nun offenbar auf Drängen des Ministerpräsidenten einen Entwurf erarbeiten.

Ich sage es einmal so: Meine Fraktion stellt gar nicht in Abrede, dass ein verständliches Anliegen verfolgt wird. Doch, meine Damen und Herren, dieser Entwurf entspricht schon handwerklich nicht den hohen Maßstäben, die man an Regelungen im Versammlungsrecht anlegen sollte. Er überzeugt auch inhaltlich nicht, weil er bestehende Probleme nicht zutreffend erkennt und sie daher eben auch nicht beheben kann. Des Weiteren würde der Beschluss sogar neue Probleme schaffen.

Vorweg: Selbstverständlich werden wir uns einer Beratung im Ausschuss nicht verwehren - ganz im Gegenteil: Wir haben erheblichen Beratungs

bedarf. Ich hoffe und werbe dafür, dass wir unter den demokratischen Fraktionen

(Zuruf: Sind Sie doch gar nicht dabei! - Hei- terkeit)

eine Verständigung darüber erreichen, ob und wie wir als Parlamentarierinnen und Parlamentarier Regeln schaffen, die das Recht - es ist ein Grundrecht - auf Versammlungsfreiheit einschränken. Es ist nämlich das Recht, das es jeder und jedem in der Demokratie erlaubt, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln, auch etwa um Regierungen und Parlamente zu kritisieren.