Liebe Kolleginnen und Kollegen der regierungstragenden Fraktionen, gestatten Sie mir zum Abschluss einen Blick auf unsere bisherigen Erfahrungen hinsichtlich unserer Vorschläge zu Bundesratsinitiativen. Es gab den wohlwollenden Einstieg: „Das Thema ist viel zu wichtig“, um dann wahlweise zu ergänzen: „um es kurz vor der Bundestagswahl zu thematisieren“. Oder es hieß, man müsse die Koalitionsverhandlungen auf der Bundesebene abwarten, oder: Der Koalitionsvertrag sieht andere Maßnahmen vor, warten wir doch erst einmal das Ergebnis ab.
Irgendwie gab es nie den richtigen Zeitpunkt, weil das Thema viel zu wichtig war. Ja, dieses Thema ist wichtig. Es ist so wichtig, dass wir als Länder uns gerade im Vorfeld neu zu mischender Karten auf der Bundesebene klar positionieren müssen.
Bei allen Detailunterschieden zwischen den einzelnen Konzepten hat sich doch auch schon vor der letzten Bundestagswahl 2013 gezeigt, dass sich zumindest SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für das Modell einer Bürgerversicherung ausgesprochen haben.
Wir müssen hier und heute nicht alle Modalitäten klären - unser Antrag macht das auch nicht -, aber wir sollten uns hier und heute dafür aussprechen, dass wir eine solche grundlegende Reform der gesetzlichen Krankenversicherung wollen. Setzen wir uns also gemeinsam für diese dringliche Reform auf der Bundesebene ein. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Zoschke. - Bevor wir in die vereinbarte Fünfminutendebatte eintreten, hat für die Landesregierung Ministerin Frau Grimm-Benne das Wort. Bitte.
Danke schön. - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Das Kernelement der gesetzlichen Krankenversicherung ist die solidarische Finanzierung. Das bedeutet einfach gesagt, dass Mitglieder nach ihrer Leistungsfähigkeit bezahlen, aber nach ihrer Bedürftigkeit Leistungen erhalten. Ich verstehe den Antrag der Fraktion DIE LINKE so, dass es darum geht, dieses Kernelement zu schützen bzw. zu stärken.
Die vielen Reformen der gesetzlichen Krankenversicherung in den letzten Jahren sind in der Regel eine Folge akuter Finanzprobleme gewesen. Mal wurde auf der Ausgabenseite durch Leistungskürzungen bzw. Vergütungseinschränkungen gespart, mal wurde die Einnahmeseite in den Blick genommen.
Mit der Begründung, die Arbeitgeber müssten von Lohnkosten entlastet werden, wurden die Arbeitgeber mit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz von der Mitfinanzierung des Zahnersatzes und des Krankengeldes befreit. Diese Leistungen wurden zudem seit dem 1. Juli 2005 allein von der Versichertengemeinschaft finanziert. Die Versicherten mussten seither einen einkommensabhängigen Sonderbeitrag in Höhe von 0,9 Prozentpunkten entrichten.
lichen Krankenversicherung überlebt. Ab dem Jahr 2012 trugen bei einem bundeseinheitlichen Beitragssatz von 15,5 % der beitragspflichtigen Einnahmen die Versicherten 8,2 % und die Arbeitgeber 7,3 %.
Zurzeit gibt es zwar keine pauschalen Zusatzbeiträge mehr, wohl aber individuelle. Soweit die Krankenkassen ihre Ausgaben durch die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds nicht finanzieren können, müssen sie nunmehr kassenindividuell diese Zusatzbeiträge erhöhen. Gezahlt werden sie allein von den Versicherten.
Damit ist die paritätische Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung schon seit Jahren zwar nicht ganz aufgegeben, wohl aber deutlich eingeschränkt worden. Die Befürchtung ist, dass der stetig steigende Finanzbedarf der gesetzlichen Krankenversicherung letztlich dazu führen wird, dass man bald nicht mehr von einer paritätischen Finanzierung wird sprechen können.
Der Sinn der paritätischen Finanzierung liegt aber nicht nur darin, die Mitglieder durch eine Mitfinanzierung einer weiteren Gruppe zu entlasten, sondern Arbeitgeber sollen in die Verantwortung für die Entwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung bzw. des Gesundheitswesens eingebunden werden. Fraglich ist, welches Interesse Arbeitgeber an den Beitragssätzen und insbesondere an den Zusatzbeiträgen haben, wenn sie hiervon überhaupt nicht betroffen sind.
Die Versicherten tragen die Zusatzbeiträge allein. Damit aber noch nicht genug; die in den vergangenen Jahren ebenfalls massiv gestiegenen Zuzahlungen tragen die Versicherten ebenfalls allein. Und zwar werden hier die Kranken, insbesondere die chronisch Kranken einseitig belastet. Deshalb kann ich die Forderung nach einer Rückkehr zur vollständigen Parität gut nachvollziehen und trage sie auch politisch mit.
Aber, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, der unter Punkt 2 erwähnte Entschließungsantrag der Länder Rheinland-Pfalz, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, NordrheinWestfalen, Thüringen und Schleswig-Holstein wurde in der Sitzung des Gesundheitsausschusses am 10. Februar 2016 bis zum Wiederaufruf vertagt. Der Antrag hat es nicht ins Bundesratsplenum geschafft, da er nicht mehrheitsfähig war und es wohl auch jetzt nicht sein wird.
Es ist nämlich gängige Praxis in den Ausschüssen des Bundesrates, dass der Antragsteller - hier insbesondere das federführende Land RheinlandPfalz - den Entschließungsantrag wieder aufrufen müsste. Meines Erachtens ist damit jedoch nicht mehr zu rechnen, da sich die politische Zusammensetzung der Landesregierung in RheinlandPfalz nach der Landtagswahl im März geändert hat.
Selbst wenn Sachsen-Anhalt - Sie wissen, Frau Zoschke, dass wir uns in der Kenia-Koalition gegebenenfalls zu einem Antrag der Stimme enthalten müssten - einen solchen Entschließungsantrag wieder aufrufen würde, würde er im Bundesratsplenum in der jetzigen Konstellation keine Mehrheit bekommen. Das wissen Sie auch. Deshalb unterbleibt es. Diese politischen Forderungen werden den Bundestageswahlkampf im nächsten Jahr mitbestimmen. Das ist auch schon von allen Seiten angekündigt worden.
Aber ich will noch ein paar Punkte zur Bürgerversicherung sagen. Mich hat es schon sehr gefreut, dass die Frage der Bürgerversicherung wieder öffentlich diskutiert wird. So hat nämlich die IG Metall Anfang Oktober 2016 das Ergebnis einer von ihr in Auftrag gegebenen Umfrage veröffentlicht. Danach würden zwei Drittel der Bundesbürger die Einführung einer Bürgerversicherung befürworten. Selbst Privatversicherte haben dabei mit einer deutlichen Mehrheit von 62 % für eine Bürgerversicherung gestimmt, in die alle, auch Besserverdienende, Beamte und Selbständige, verpflichtend einbezogen würden.
Anders als die Rückkehr zur Parität würde die Einführung einer Bürgerversicherung nicht mit einer einfachen gesetzlichen Änderung zu erreichen sein. Das wissen Sie auch. In die Bürgerversicherung - das ist immer schon ein Thema der Sozialdemokratie gewesen - sollen alle Einkommensarten zur Finanzierung herangezogen und alle Bevölkerungsgruppen einbezogen werden. Damit soll die Finanzbasis so erweitert werden, dass die Beitragssätze vielleicht sogar sinken.
Das klingt gut, aber eben nicht für jeden. Erhebliche Auswirkungen auf die privaten Krankenversicherungen und auf die jetzigen Privatversicherten sind zu berücksichtigen und wären ordentlich verfassungsrechtlich in den Blick zu nehmen.
Lassen Sie mich zum Schluss noch eines sagen: Die Diskussion pro Bürgerversicherung wurde bisher immer besonders intensiv als Kontrapunkt zur Einführung einer Kopfpauschale geführt. Ich kenne im Augenblick niemanden im politischen Raum, auch nicht bei der CDU, der jetzt noch ernsthaft glaubt, eine Kopfpauschale in Deutschland einführen zu können.
Deshalb sollten wir die im Antrag formulierten Forderungen nicht ohne Not übereilt beschließen, sondern in Ruhe im zuständigen Ausschuss darüber diskutieren. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Ministerin. - Ich sehe keine Anfragen. Bevor wir in die Debatte der Fraktionen einsteigen, begrüße ich Damen und Herren der
Weiterhin habe ich die Ehre, Seniorinnen und Senioren aus Halberstadt bei uns im Hohen Hause recht herzlich begrüßen zu dürfen.
Wir kommen nunmehr zur Fünfminutendebatte. Der erste Debattenredner ist für die CDU-Fraktion der Abg. Herr Bönisch. Sie haben das Wort, Herr Bönisch. Bitte.
Vielen Dank. - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf der kommunalen Ebene haben wir gewisse Hürden dafür eingezogen, Anträge immer wieder stellen zu können. Im kommunalen Geschehen geht es dabei meist um kleinere Sachverhalte, um Sachverhalte mit geringerer Dimension. Hier kommt jetzt ein Thema wieder hoch, über das wir schon mehrfach diskutiert haben.
Ich habe gedacht, wenn der Antrag noch einmal kommt, ist er ja vielleicht mit neuen Erkenntnissen oder Argumenten verbunden. Ich habe die Begründung gelesen. Ich habe keine gefunden. Jetzt war ich gespannt auf Frau Zoschkes Einbringungsrede.
Aber ich muss sagen, Frau Zoschke, Sie haben mehr davon gesprochen, dass es Probleme im Gesundheitswesen gebe, Sie haben über Gesundheitspolitik gesprochen. Sie haben zwar einmal eingeflochten, dass Sie begründen wollten, warum Sie das so wollten, aber dann sind Sie auf die Probleme des Gesundheitswesens eingegangen.
- Natürlich hat die Gesundheitspolitik mit der Finanzierung zu tun und umgekehrt. Aber wie wollen Sie es denn begründen, dass die Hebammenproblematik besser gelöst werden würde, wenn die Beiträge wieder paritätisch gezahlt würden? Das ist sehr weit hergeholt.
Ich frage mich ernsthaft - ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss -, ob man das hinkriegen könnte, ob so etwas mal berechnet worden ist bzw. ob man das überhaupt berechnen kann, dass, wenn mehr Geld ins System kommt - Sie haben beklagt, dass so manche Leistung nicht erbracht werden kann -, tatsächlich für viele der Beitrag gegenüber dem Status quo gesenkt werden könnte, wenn gleichzeitig signifikant mehr Leistungen durch das Gesundheitssystem erbracht werden sollen. Die Frage ist, ob das wirklich zusammen geht.
Man kann das ganz schlicht so annehmen, wenn man denkt, dass alle, die nicht in die gesetzliche Versicherung einzahlen, einbezogen werden. Nur, diejenigen zahlen auch ins System ein. Sie zahlen nicht in die gesetzliche Versicherung ein, aber sie bezahlen Gesundheitsleistungen, auch jetzt schon und auch nicht gerade in kleinem Maße.
Also das wird, denke ich, eine spannende Diskussion werden. Sie stützen sich in Ihrer Begründung wesentlich auf die Begründung aus dem Bundesrat, in der der Geschichte der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung der breiteste Raum eingeräumt wird und wenig von Argumenten zu sehen ist.
Frau Dreyer hat beispielsweise gesagt, sie sei deshalb sehr davon überzeugt, dass man zur paritätischen Finanzierung zurückkommen müsse. Sie ist überzeugt! Friedrich Nietzsche hat einmal gesagt: Überzeugungen sind gefährlichere Feinde der Wahrheit als Lügen. - Ich will darüber nicht weiter philosophieren. Immerhin ist Frau Dreyers Initiative auch akzeptabel, weil Wahlkampf auch immer ein Argument ist. Es war im Januar, als Frau Dreyer den Antrag in den Bundesrat eingebracht hat, und im März haben in Rheinland-Pfalz, wie bei uns, Landtagswahlen stattgefunden.
Sehr interessant finde ich, dass Sie sagen, viele Leute - ich sehe diese Sorge durchaus auch - könnten möglicherweise die steigenden Kosten nicht mehr tragen, könnten, wenn man die Finanzierung nicht wieder paritätisch macht, das nicht finanzieren.
Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Argumentation, die Ihr Parteifreund Markov aus Brandenburg im Bundesrat gebracht hat. Ja, das darf man vielleicht auch einmal nachlesen, das mache ich auch. Er sagte im Bundesrat:
„Wir haben eine hohe Binnennachfrage auch dank der veränderten Lohnpolitik, weil dadurch der Bürger mehr Geld in der Tasche hat. Deswegen ist dieser Anachronismus der Aufhebung der Parität zu beseitigen.“
Das finde ich nicht schlecht. Na gut, manchmal vergaloppiert sich dieser oder jener. Das kann durchaus mal passieren.
Ich selbst habe eine große Sympathie für eine paritätische Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung. Wir müssten allerdings auch mal fragen, ob das möglicherweise jemand auf der Bundesebene evaluiert hat.
Ich weiß nicht mehr wer, aber irgendjemand hat gesagt, dass es sich bewährt habe, in Krisenzeiten diese Disparität einzuführen. Ich hoffe, dass das evaluiert und nicht bloß so dahingesagt worden ist. Ich hoffe, dass man auch handfeste Argumente dafür finden kann, dass die paritätische
Das dicke Brett der Bürgerversicherung - wir sollten es uns eigentlich schenken, hier darüber zu diskutieren - werden wir nicht durchbohren. Aber bei dem anderen Punkt bin ich, wie gesagt, möglicherweise auf neue Argumente von Ihrer Seite gespannt. Ich beantrage namens der Koalitionsfraktionen, den Antrag in den Ausschuss für Arbeit, Soziales und Gleichstellung zu überweisen. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abg. Bönisch. Darf ich noch einmal nachfragen, in welchen Ausschuss Sie die Überweisung beantragen?
(Bernhard Bönisch, CDU: In den Sozialaus- schuss! Entschuldigung, wenn ich etwas Falsches gesagt habe!)
- Also in den Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration. - Der nächste Debattenredner ist für die AfD-Fraktion der Abg. Herr Siegmund. Sie haben das Wort. Bitte.