Danke, Herr Striegel. Ich sehe keine Fragen. - Dann können wir in der Debatte fortfahren. Als Nächste spricht Frau von Angern für die Fraktion DIE LINKE. Bevor sie das tut, habe ich das Vergnügen, Damen und Herren des SPD-Ortsvereins aus Gerwisch auf unserer Besuchertribüne begrüßen zu können. Herzlich willkommen!
Danke. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Mit dem vorliegenden Antrag der AfD-Fraktion gibt es nun heute den zweiten Versuch, das Thema Kinderehen parlamentarisch auf den Weg zu bringen, nachdem die Fraktion im Monat September ihren Antrag wieder kurzfristig zurückgezogen hatte.
Aber auch der jetzt vorliegende Antrag in leicht abgeänderter Form ist auf keinen Fall besser und er macht die Befassung mit dieser Thematik im Landtag nicht unproblematischer.
Der vorliegende Antrag greift ein Thema auf, das bei den Menschen sehr viele Emotionen hervorruft, und gerade wenn man die Fakten falsch darstellt oder ein bisschen im Zwielicht belässt, dann ist das noch weitaus problematischer und es lässt Ängste wachsen.
Dabei ist es nicht etwa die Angst um den Rechtsstaat, der möglicherweise in seinen Grundfesten erschüttert werden könnte, es ist vielmehr die Angst vor einer anderen und vor allem für viele hier lebende Menschen unbekannten Welt, es ist die Gehemmtheit bzw. oft auch die Zurückhaltung vor fremden Kulturen. Doch gerade weil es hier
um Ängste und Emotionen geht, haben wir als Mitglieder des Landtages eine ganz besondere Verantwortung; denn mit Ängsten zu spielen ist mehr als verantwortungslos.
Doch was macht die Fraktion der AfD letztlich mit dem von ihr vorgelegten Antrag? Wie leider so oft schürt sie diese Ängste, indem sie letztlich unsere Kultur als bedroht ansieht, indem sie prognostiziert, dass die Ethik und die Moral unseres Landes durch ungeregelte Masseneinwanderung andere Wertvorstellungen erhalten. - Das war ein Zitat.
Daher ist es meiner Fraktion bei diesem Thema sehr wichtig, dass über die Fakten gesprochen wird, der daraus bestehende politische Handlungsbedarf abgeleitet und dann entschieden wird, ob und wer zu handeln hat. Den Ausführungen meiner Vorredner, auch denen der Ministerin, konnte ich entnehmen, dass genau dieser Weg gegangen werden soll, auch mit der Bund-LänderArbeitsgruppe so gegangen wird.
Tatsache ist, dass laut Auskunft der Landesregierung in Sachsen-Anhalt 30 Flüchtlingsehepaare leben, bei denen mindestens eine Partnerin oder ein Partner minderjährig ist. Es ist unbekannt, ob es sich hierbei um sogenannte Zwangsehen handelt, die im Übrigen auch in Deutschland dazu führen, dass die Ehe nicht bestandskräftig ist und auf Antrag aufgehoben werden kann.
Meine Damen und Herren! Wir haben bereits jetzt rechtliche Mittel in der Hand, um Kinder zu schützen, die es jedoch umzusetzen und mit Leben zu erfüllen gilt. Diesbezüglich möchte ich zurückblicken, und zwar auf die vorletzte Sitzungsperiode, in der wir einen Antrag mit dem Titel „Strategien gegen Gewalt an Kindern, Frauen und Männern in Sachsen-Anhalt“ gestellt haben. Unter Punkt 3 des Antrages forderten wir Folgendes:
„Die Landesregierung wird beauftragt, eine Koordinierungsstelle für Zufluchts- und Beratungsangebote für von Gewalt betroffene Frauen und Kinder mit Flüchtlingsstatus einzurichten. Die Fördermittel hierfür sollen ab dem Haushalt 2017 zur Verfügung gestellt werden.“
Sie wissen, dass dieser Antrag im Haus keine Mehrheit gefunden hat. Das Spannende ist, dass die Kollegen der AfD-Fraktion diesen Antrag gänzlich, also auch diesen Unterpunkt, ablehnten. Sie haben damit die Chance verstreichen lassen, den Kindern und jungen Mädchen tatsächlich Hilfe anzubieten und ihnen ganz praktisch zu helfen, indem die Beratungsangebote, die es in SachsenAnhalt in nicht ausreichendem Maße gibt, ausgebaut werden.
Wir haben mit der Beratungsstelle „Vera“ der Arbeiterwohlfahrt eine hervorragende Anlaufstelle mit hochengagierten Mitarbeiterinnen, die unbedingt Hilfe und Unterstützung benötigen.
Nun wird deutlich, was das eigentliche Ziel Ihres Antrages ist. Sie wollen ein rechtliches Konstrukt für alle in Deutschland lebenden Menschen aufheben, das auch jetzt, wenn man sich die Zahlen genau anschaut, nur mit äußerster Vorsicht und sehr selten angewendet wird, die sogenannte Minderjährigenehe. Dabei soll die Ehemündigkeit laut Nr. 1 Ihres Antrages grundsätzlich und ohne Ausnahme erst mit Vollendung des 18. Lebensjahres eintreten. Ich mag die deutsche Sprache und frage mich, was wollen Sie eigentlich: „grundsätzlich“ oder „ausnahmslos“?
Tatsächliche Hilfsangebote wollen Sie nicht schaffen, weil es Ihnen tatsächlich nicht um diese Kinder und jungen Mädchen geht, die Sie ja sowieso gar nicht in Deutschland haben wollen.
Herr Striegel sprach eine Stellungnahme des Deutschen Instituts für Menschenrechte an, die vor wenigen Tagen veröffentlicht worden ist. Ich war sehr dankbar für die Versachlichung des Themas, eine Sachlichkeit, die der Debatte sehr, sehr hilft.
Das Institut hat dafür geworben, dass es einer Einzelfallprüfung bedarf und dass es auch eine gewisse Gefahr für die Kinder, die aus der Ehe hervorgegangen sind, bzw. für die jungen Frauen bedeuten kann, wenn die sogenannte Kinderehe oder Minderjährigenehe für unwirksam erklärt werden sollte, weil es eben im Einzelfall zu einer sehr problematischen Situation für die Mädchen führen kann. Ansprüche aus der Ehe, Unterhalt, Legitimität der Kinder würden komplett verlorengehen. Sie, Frau Ministerin, sprachen das auch an.
Das bedeutet: Wir müssen ganz genau hinschauen, jeden Einzelfall prüfen. Dafür brauchen wir Personal. Dafür brauchen wir gut geschultes Personal. Wir brauchen ausreichend Verfahrensbeistände. Insofern kann ich nur sagen, diesbezüglich bedarf es keiner Schnellschüsse, sondern einer guten und intensiven Prüfung. Das alles greifen Sie mit Ihrem Antrag nicht auf, sodass es Ihnen also nicht um die Lösung des Problems geht.
Ich sage ganz deutlich: Wir müssen genau schauen, was wir tatsächlich landespolitisch realisieren können. An dieser Stelle sind wir von der Bundesgesetzgebung ein ganzes Stück weit entfernt. Wir können aber - das ist unsere Aufgabe -
herausfinden, wo gibt es Zwangsehen und wo gibt es Zwangsehen, aus denen die Kinder und auch die Jugendlichen herausgeholt werden müssen.
- Eine Frage. Dann können Sie entscheiden, ob Sie sie beantworten wollen. - Offensichtlich ja. - Herr Poggenburg, das gibt Ihnen die Gelegenheit, sie zu stellen.
Sehr geehrte Frau von Angern! Ganz kurz vor meiner eigentlichen Fragestellung noch: Die AfD hat immer wieder gesagt, dass wir hier tatsächliche Flüchtlinge aufnehmen und in dem Moment auch bei uns haben wollen. Sie haben gerade gesagt, dass wir diese Kinder in diesen Kinderehen hier sowieso nicht haben wollen. Das war also eine falsche Tatsachenbehauptung. Sie haben es gewusst, es stimmt nicht. Ich sage Ihnen: Das ist Populismus, Frau von Angern.
Meine Frage dazu: Habe ich es richtig verstanden, dass Sie unsere Initiative, dass Sie unseren Antrag, den Handlungsbedarf und unseren Hinweis auf die Tatsache von Kindesmissbrauch durch bestehende Kinderehen als Angstschüren bezeichnet haben und sich dafür nicht einmal schämen? Ist es richtig, ja oder nein?
Zum ersten Punkt - es war zwar eine Intervention, aber darauf kann ich ja auch reagieren. Sie brauchen nur in alle Protokolle der letzten Landtagssitzungen hineinzuschauen, in denen der Beweis angetreten wird, dass es eine Tatsachenbehauptung war, die ich hier getätigt habe, die korrekt ist.
Zum zweiten Punkt. Ganz klar, noch einmal: Eine Zwangsehe ist in Deutschland aufzuheben. Kindesmissbrauch ist strafrechtlich zu verfolgen. Das ist richtig und wichtig und das erfolgt meines Wissens in Deutschland.
Sie haben heute sehr viele Behauptungen in die Welt gesetzt, die es sämtlich an der Begründung, an der Beweiskraft fehlen lassen. Insofern haben Sie mich falsch verstanden.
Danke. Wir fahren fort in der Debatte zu diesem Tagesordnungspunkt. Für die CDU-Fraktion hat Herr Kolze das Wort. Herr Kolze, bitte sehr.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schon in der Weimarer Reichsverfassung hieß es in Artikel 119:
„Die Ehe steht als Grundlage des Familienlebens und der Erhaltung und Vermehrung der Nation unter besonderem Schutz der Verfassung. Sie beruht auf der Gleichberechtigung der beiden Geschlechter.“
Die Ehe wird als Form der Verbindung zweier Menschen definiert, die gesetzlich geregelt ist. Die Gesellschaft gibt sich Regeln auf, die auf einer gemeinsamen Werteüberzeugung beruhen.
Als Ausfluss dessen soll nach § 1303 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches eine Ehe nicht vor Eintritt der Volljährigkeit eingegangen werden. Volljährigkeit tritt mit Vollendung des 18. Lebensjahres ein. Künftige Ehepartner müssen jedoch mindestens 16 Jahre alt sein. Das Eingehen einer Ehe bereits in diesem Alter steht nach § 1303 Abs. 2 BGB unter dem Vorbehalt des Familiengerichts.
Mit unserem Alternativantrag wollen wir wissen, ob von dieser Ausnahme Gebrauch gemacht wird und, wenn ja, wie viele Ehen von 16- bzw. 17-jährigen Menschen geschlossen worden sind.
Generell stellt sich die Frage, ob eine Heirat in einem Alter von unter 18 Jahren noch zeitgemäß ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor dem Hintergrund der Entscheidung des Oberlandesgerichts Bamberg im Mai dieses Jahres, dass für die Eheschließung das Heimatrecht der Eheleute gilt - wobei diese Entscheidung noch nicht rechtskräftig ist -, ist unser Rechtssystem unserer Auffassung nach zu überdenken.