Im Falle von 1 475 Kindern und Jugendlichen, bei denen mit Sicherheit von Kindesmissbrauch oder dem Missbrauch von Schutzbefohlenen auszugehen ist, macht dagegen die etablierte Politik was? - Sie gründet eine Kommission, die monatelang damit beschäftigt ist, das zu diskutieren und zu entscheiden, was sowieso längst klar auf der Hand liegt.
Da kann ich nur sagen: Bravo! Wer dort oben solche Volksvertreter hat, braucht wahrlich keine Feinde mehr. - Ich danke Ihnen.
Es gibt keine Fragen. Damit können wir in der Debatte fortfahren. Es hat Frau Keding als Vertreterin der Landesregierung und zuständige Ministerin das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Schutz von Kindern und Jugendlichen - Kinderehen wirksam verbieten“ ist der Titel des Antrages der Fraktion der AfD. „Rechtssicherheit im Umgang mit Eheschließungen Minderjähriger schaffen“ ist der Titel des Antrags der Koalitionsfraktionen. Ich denke, wir sollten die Fragenkreise durchaus sortieren und uns nicht in Schauergeschichten und Darstellungen fast schon wälzen, um kein anderes Wort zu nehmen.
Es sind zwei Fragekreise, die sich aber gegenseitig beeinflussen. Zunächst zu den Verhältnissen in Deutschland. Es ist nicht so, dass de lege lata in Deutschland Minderjährige keine Ehe eingehen könnten. Grundsätzlich besteht zwar der Gleichlauf zwischen Eintritt der Volljährigkeit und Ehemündigkeit. Auf Antrag kann jedoch das Familiengericht von der Ehemündigkeit Befreiung erteilen, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller das 16. Lebensjahr vollendet hat und der künftige Ehegatte volljährig ist.
Das Verbot - und hier kommt das Nächste - der religiösen Voraustrauung ist durch das Personenstandsreformgesetz zum 1. Januar 2009 abge
schafft worden, nachdem die verpflichtende Zivilehe erst 1875 eingeführt worden ist. Das heißt, es ist heute möglich, in Deutschland zuerst vor der kirchlichen Institution zu heiraten und danach erst zum Standesamt zu gehen.
Es ist die Frage, ob auch künftig Eheschließungen nur zwischen Volljährigen zugelassen werden sollten, wie es die UNICEF empfiehlt und wie man es gefühlt für normal hält. Fundiert wird sich diese Frage aber erst beantworten lassen, wenn Zahlen dazu vorliegen, und zwar Zahlen dazu, ob überhaupt noch und gegebenenfalls wie viele Anträge an das Familiengericht gerichtet werden, Eheschließungen unter Beteiligung eines Minderjährigen im Alter von 16 bis 18 Jahren zuzulassen. Dann interessiert auch die Begründung solcher Anträge. Genau das will die schon erwähnte Bund-Länder-Arbeitsgruppe ermitteln. - Das war der Fragenkreis: Was machen wir eigentlich in Deutschland?
Nun zu dem anderen: Wie ist es mit der Anerkennung von Ehen von Ausländern? Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass auch wir Deutsche Ausländer sind, nämlich überall dort, wo nicht Deutschland ist. Wir erwarten ganz selbstverständlich, dass die von uns in Deutschland nach geltendem Recht geschlossenen Ehen, also auch die einer 16-Jährigen oder einem 16-Jährigen mit einem Volljährigen, in allen anderen Staaten der Welt von Alaska bis Australien anerkannt werden.
Im Gegenzug erkennt das deutsche Recht die im Ausland nach den jeweils dort geltenden Regeln geschlossenen Ehen ebenfalls grundsätzlich an.
Auf die Frage, was mache ich mit 16-Jährigen, die im Ausland geheiratet haben, kann ich eigentlich nur die Antwort geben, bei uns ist es im Augenblick möglich, wir lassen es zu. Selbst wenn wir es ändern - ich gehe davon aus, dass wir es ändern werden - kann ich kaum einem anderen Staat vorwerfen oder ihn das nicht regeln lassen, was bis dato für mich selbst noch gegolten hat. Dies betrifft die 16- bis 18-Jährigen.
Wenn sie nach EGBGB mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar sind, also wenn sie gegen den Ordre public verstoßen, werden im Ausland geschlossene Ehen in Deutschland nicht anerkannt.
Es dürfte auf der Hand liegen, dass Ehen mit unter 14-Jährigen gegen diesen erwähnten Ordre public verstoßen. Ich plädiere dafür, dieses gesetzlich zu normieren und deutlich zu machen.
denen Minderjährige zwischen 14 und 16 Jahren beteiligt sind. Hierbei wird zu bedenken sein, dass Änderungen unter Umständen nicht nur mit Vorteilen für die betreffenden minderjährigen Ehegatten verbunden sind.
Wenn das deutsche Recht sagen würde, wir wollen zukünftig solche Ehen durchgängig als rechtsunwirksam ansehen, dann besteht die Gefahr, dass es zu sogenannten hinkenden Ehen kommt, also zu Ehen, die in Deutschland unwirksam sind, in den Herkunftsstaaten der Ehegatten jedoch als wirksam angesehen werden. Daraus folgen aber auch Probleme im Bereich des Unterhalts-, des Kindschafts- und des Erbrechts, wenn die Betroffenen - davon gehe ich aus - in ihre Heimatländer zurückkehren. An dieser Stelle sind deshalb Rechtsänderungen besonders sorgfältig zu prüfen.
Mit diesen Fragen hat sich im Übrigen die letzte Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister im Juni 2016 eingehend beschäftigt. Die geführten Diskussionen habe ich zum Anlass genommen, mich an Bundesjustizminister Herrn Maas zu wenden und diesen zu bitten, entsprechende klarstellende gesetzliche Regelungen auf den Weg zu bringen und dabei insbesondere den Kinderschutz in den Blick zu nehmen.
Gefordert ist in erster Linie der Bund; denn es handelt sich um Bundesrecht, das geändert werden muss. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat im September die Bund-Länder-Arbeitsgruppe einberufen, die sich mit dem Umgang des deutschen Rechts mit Minderjährigen- und Mehrfachehen befasst, auch das ist ein Thema. Ich werde zu gegebener Zeit gern im Ausschuss darüber berichten und die Positionen in das Gesetzgebungsverfahren einbringen. - Vielen Dank.
Danke, Frau Keding. Ich sehe eine Wortmeldung von Herrn Schmidt von der AfD-Fraktion. Er hätte jetzt die Chance, eine Frage zu stellen, wenn er das denn möchte.
Sie sagen, dass im Ausland geschlossene Ehen in Deutschland akzeptiert werden sollen, weil das bei uns ebenfalls so ist. Wie sehen Sie das bei Ländern wie Syrien, wo die Staatsform an sich in vielen Regionen nicht mehr existent ist? Dort werden sehr viele Ehen nach dem Recht der Scharia geschlossen. Diese Ehen wollen Sie dann anerkennen und sagen, diese Leute haben Pech, weil sie dort teilweise unter Zwang geheiratet haben?
Es geht um die im Ausland gültig geschlossenen Ehen und nicht um Ehen, die von irgendjemandem dort anerkannt oder registriert werden. Es geht um die im Ausland gültig geschlossenen Ehen. Dabei ist ein ziemlich umfangreicher Katalog zu beachten.
Danke, Frau Keding. - Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Dann können wir in der Debatte fortfahren. Es hat für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herr Striegel das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ehen unter Beteiligung von Minderjährigen stehen zu Recht unter besonderer Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und der Behörden; denn ganz unabhängig von der Herkunft der Eheschließenden stellt sich regelmäßig die Frage, ob junge Menschen unter 18 Jahren tatsächlich und eigenverantwortlich eine so tiefgreifende Entscheidung für die eigene Zukunft treffen können.
Solche Fragen anzusprechen, dafür braucht es keine rassistische, keine islamfeindliche Instrumentalisierung und keine AfD.
Es war meine Kollegin, die grüne Bundestagsabgeordnete Katja Dörner, die mit einer Anfrage an die Bundesregierung das Datenmaterial zutage gefördert hat, auf das sich die AfD in ihrem Antrag nun beziehen kann.
Zwischenzeitlich hat zudem eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe ihre Arbeit aufgenommen und wird laut Bundesjustizminister Maas bis Ende des Jahres, also in nicht weiter Zukunft, einen Regelungsvorschlag machen, ohne chauvinistisches Tamtam der AfD, ohne Zorn und Eifer, dafür aber mit Sachverstand und wohlüberlegten Maßnahmen, die den Komplex der Ehefähigkeit aus unterschiedlichsten Blickwinkeln und mit Priorität auf die Sicherung des Kindeswohls betrachten.
Die Stärkung der Kinderrechte, das Hörbarmachen der Stimmen von Kindern und Jugendlichen und die Etablierung einer wirklichen Jugendpolitik - all das sind urgrüne Projekte.
Kinderehen widersprechen aus unserer Sicht allem, was Kindern guttut. Aber es zeigt sich ein grundsätzlicher Unterschied im Agieren zwischen uns und Ihnen.
dem Thema mit folgender Überschrift „Kinderehen in Deutschland: keine Schnellschüsse“. Ihnen, meine Kollegen der AfD, liegt anscheinend nichts näher als ein solcher Schnellschuss.
Warum müssen wir aber Schnellschüsse vermeiden? Erstens. Von den 1 475 in Deutschland lebenden verheirateten Minderjährigen sind 994, das heißt zwei Drittel, älter als 16 Jahre, damit stehen sie dem Grunde nach auch auf dem Boden des deutschen Rechts, das Ehen von 16- und 17-Jährigen unter besonderen Voraussetzungen zulässt.
Sollen Ehen dieser Minderjährigen auch gegen deren ausdrücklichen Willen aufgehoben werden dürfen? Sie, Herr Poggenburg, sprachen davon, so etwas könne man keinen Tag länger dulden. Ich denke, es braucht noch weitere Debatten und Diskussion, gerade auch mit dieser Personengruppe. Darauf verweist auch das Deutsche Institut für Menschenrechte.
Es mag nämlich gerade im Kindeswohl liegen oder im Wohl der Heranwachsenden, diese Ehen weiter bestehen zu lassen. Es macht überhaupt keinen Sinn, dort staatlich regulativ einzugreifen. Das muss man miteinander besprechen. An dieser Stelle ist ein Schnellschuss nicht sinnvoll.
Zweitens. Die Anerkennung einer Ehe hin und her, sexuelle Kontakte mit unter 14-Jährigen sind hierzulande stets strafbar; im Übrigen völlig unabhängig von der Nationalität. Der Vorwurf, den Sie erhoben haben, dass es quasi eine Blindheit der Justiz gegenüber Migrantinnen und Migranten gebe, weise ich zurück. Das ist nichts anderes als rassistische Mobilmachung. Das ist der Versuch, Ressentiments zu wecken,
zumal die reine Nichtanerkennung dieser Ehen nicht zu irgendeiner Änderung an diesem Zustand führen würde; denn in dem Haushalt würden sie vermutlich weiter zusammenleben.
Das heißt, wenn es zu dem von Ihnen vermuteten sexuellen Missbrauch, also sexualisierter Gewalt, käme, ändern Sie nichts und tun nichts für das Kindeswohl. Das müssen Sie anders angehen. Wer das Kindeswohl sichern will, der muss an der Stelle tatsächlich anders handeln.
Mir scheint jedoch, dass es Ihnen von der AfD um diese Fragen gar nicht geht. Während Sie sonst nicht müde werden, Migrantinnen und Migranten pauschal als Invasoren zu markieren, entdecken Sie hier vermeintlich Ihr Herz für deren Kinder.
Worum es Ihnen tatsächlich geht, findet sich vielmehr in Ihrer Begründung: die Inszenierung eines Kulturkampfes, nämlich w i r gegen d i e - hier die angeblich zivilisierten Deutschen, da die vermeintlich minderentwickelten anderen, die Kinder
ehen schließen. Sie bedienen einmal mehr das Bild sexuell enthemmter Migranten, alter, notgeiler Männer, die selbst vor Kindesmissbrauch nicht zurückschrecken. Ich finde widerlich, was Sie hier tun.
Das häufig wirtschaftlich und kulturell untersetzte Phänomen der Verheiratung Minderjähriger zu bekämpfen braucht mehr als Ressentiments. Genau deshalb haben wir einen Alternativantrag vorgelegt, der sich durch Besonnenheit und die vollumfängliche Einbeziehung der Ergebnisse der BundLänder-Arbeitsgruppe zum Thema auszeichnet. Diesen werden wir umsetzen. Dieser Koalition geht es um das Kindeswohl und nicht um Ressentiments gegen Menschen, die zu uns gekommen sind. - Vielen Dank.