Wir waren in der letzten Wahlperiode damit schon weit gekommen, sind allerdings an Hürden gestoßen, waren uns aber einig, auch hier wieder fraktionsübergreifend, dass etwas getan werden muss. Deswegen haben wir diesen Punkt heute erneut aufgegriffen. Lassen Sie uns daran weiterarbeiten. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich habe zwei Fragen. Einmal zum Thema Adoption. Ich würde gern von Ihnen wissen, ob Sie davon ausgehen, dass ein Junge, der bei einem lesbischen Paar aufwächst, eine gesunde Geschlechtsidentität entwickeln kann?
Denn ich weiß von Entwicklungspsychologen, dass gerade gegen diese Konstellation starke Bedenken bestehen, weil lesbische Frauen ein Problem mit der Nähe des Männlichen haben, sonst wären sie ja nicht lesbisch. Wie soll ein Junge mit zwei Müttern, dem der Vater als Bezugsperson fehlt, eine stabile Geschlechtsidentität entwickeln? Das ist meine erste Frage.
Frage 2: Homo- und Transphobie. Gut, nehmen wir einmal an, es gäbe diese Geisteskrankheit. Dann wären doch diejenigen, die unter dieser Krankheit litten, in ihrem freien Willen beeinträchtigt. Sie wären geisteskrank. Dann aber könnte man sie auch nicht mehr zur Verantwortung ziehen für das, was sie sagen oder tun. Oder etwa nicht?
Zu der ersten Frage, die Sie gestellt haben. Ich finde, Sie sollten gut prüfen, ob die Literatur, auf die Sie sich beschränken, ausreichend ist.
Mehr lesen bildet mehr. Und an die vielen alleinerziehenden Mütter hier im Land möchte ich nur sagen: Sie machen einen tollen Job. Manche sind freiwillig alleinerziehend, manche unfreiwillig. Ich denke, wir sind uns darin alle einig, dass wir ihnen ihre Kinder auch nicht wegnehmen wollen, auch aus Ihrer Sicht auf die Gefahr hin, dass sie möglicherweise lesbisch werden.
Ich habe an keiner Stelle gesagt, dass Homophobie eine Geisteskrankheit ist. Entweder haben Sie mich nicht verstanden oder - -
Frau von Angern, eine Frage: Könnte man das auch umkehren? Ist vielleicht auch Ihre Literatur nicht ausreichend und Sie sollten sich einmal anderer Literatur widmen? Ganz einfache Frage, ganz einfache Antwort.
Da keine weiteren Fragen bestehen, danke ich der Abg. Frau von Angern für ihre Ausführungen. - Ich bitte jetzt für die Landesregierung Frau Ministerin Keding ans Rednerpult. Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Das gesellschaftliche Zusammenleben basiert auf einer Fülle ver
schiedenster Lebensentwürfe von Menschen, die unterschiedlich denken und fühlen. Die Offenheit für ein breites Spektrum von Meinungen und Auffassungen ist eine Grundvoraussetzung für eine freiheitliche Gemeinschaft. In der SeptemberSitzung des Landtages haben wir sehr viele Aspekte sehr ausführlich dazu diskutiert.
Der Antrag der Fraktion DIE LINKE nimmt nun eine Reihe von Punkten aus der Koalitionsvereinbarung zwischen CDU, SPD und BÜND
NIS 90/DIE GRÜNEN auf. Ich denke, Sie kennen die einschlägigen Stellen: Förderung der Gleichstellung von LSBTTI-Menschen auf Landes- und Bundesebene, Aufnahme des Merkmals der sexuellen Identität in den Gleichheitsartikel der Landesverfassung, die Rehabilitierung und Entschädigung homosexueller Strafrechtsopfer, Maßnahmen im Antigewaltbereich, zum Beispiel die Einrichtung einer Ansprechperson für homophobe Hasskriminalität bei den Staatsanwaltschaften, die Umsetzung des Aktionsprogrammes LSBTTI und die ausreichende finanzielle Absicherung dieser genannten Maßnahmen.
Meine Damen und Herren! Ich registriere und freue mich über die Unterstützung der Fraktion DIE LINKE für die Vorhaben der Koalitionsfraktionen.
Wenn keine weiteren Fragen bestehen, danke ich der Frau Ministerin für ihre Ausführungen. - Wir beginnen jetzt mit der Debatte. Für jede Fraktion
sind fünf Minuten Redezeit vorgesehen. Ich bitte jetzt von der SPD Frau Prof. Dr. Kolb-Janssen nach vorn. Sie haben das Wort.
Danke schön. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Ich bin schwul, und das ist auch gut so.“ Dieser Satz von Klaus Wowereit hat mittlerweile Geschichte geschrieben. Auch der frühere Außenminister Guido Westerwelle und viele andere Prominente haben sich mittlerweile geoutet, bekennen sich offen zu ihrer Homosexualität.
Gleichstellung in anderen rechtlichen Fragen, zum Beispiel im Steuerrecht betrifft. Und man könnte meinen, Homo- und Bisexualität wären inzwischen gesellschaftlich akzeptiert. Die Realität ist aber leider immer noch eine andere.
Eine Studie der EU-Grundrechte-Agentur aus dem Jahr 2013 zeigt, dass sich in Deutschland immer noch 46 %, also fast die Hälfte, wegen ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert fühlen. Damit liegt Deutschland im EU-Durchschnitt, was es nicht besser macht; denn dieser liegt bei 47 %.
Ob in der Schule, beim Arzt oder am Arbeitsplatz, in allen Lebensbereichen gehören Benachteiligungen, verbale sowie körperliche Gewalt zum Alltag. Besonders betroffen von allen Anfeindungen - das sagen die Studien - sind mit 55 % lesbische Frauen.
Studien zur Lebenssituation von homo- und bisexuellen Jugendlichen belegen, dass diese eine erhöhte psychische und soziale Belastung erleiden müssen. Sie leiden unter Negativwahrnehmung oder Nichtwahrnehmung ihrer sexuellen Orientierung und wählen teilweise destruktive Bewältigungsstrategien, um ihre innere Zerrissenheit und Unzufriedenheit aushalten zu können.
Eine andere Studie, der Europäische MSM Internet Survey, hat über 55 000 schwule und bisexuelle Männer europaweit, aber auch in Deutschland befragt und zeigt ein erschreckendes Ausmaß an Gewaltbetroffenheit. 13 % aller Befragten sind Opfer physischer Gewalt geworden. Bei den Jugendlichen sind es sogar 15 %. Und das, obwohl seit 2006 in Deutschland Ungleichbehandlung aus Gründen der sexuellen Orientierung verboten ist.
Wir müssen aber feststellen, dass das, was in Gesetzen vorgeschrieben wird, und die Realität etwas anderes sind. Deshalb muss der Staat dort, wo er diese Diskrepanz feststellt, aktiv werden und handeln.
Das haben wir gemacht. Der Landtag hat in der letzten Legislaturperiode das Ministerium für Justiz und Gleichstellung aufgefordert, einen Ak
tionsplan für die Akzeptanz von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgendern, Transsexuellen und Intersexuellen zu erarbeiten. Das hat das Ministerium getan. Jetzt ist es an der Zeit, das umzusetzen. Es gibt unterschiedliche Handlungsfelder, Bildung und Aufklärung, öffentlicher Dialog, gewalt- und vorurteilsmotivierte Kriminalität und gesetzliche Grundlagen.
Aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE ergibt sich, dass das Ministerium in diesem Jahr den Schwerpunkt auf die Öffentlichkeitsarbeit legt. Das finden wir auch richtig und wichtig. Ich war allerdings etwas verwundert, dass angesichts der Zahlen, die ich eben zitiert hatte, was die Gewaltbetroffenheit angeht, das Ministerium diesen Schwerpunkt erst ab 2019 in den Fokus nehmen will.
Tatsächliche Selbstbestimmung und Akzeptanz von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgendern und intergeschlechtlichen Menschen heißt für mich zunächst erst einmal, ein gewalt- und diskriminierungsfreies Leben. Deshalb besteht aus meiner Sicht hierbei eine hohe Priorität und dringender Handlungsbedarf.
gleichgeschlechtliche Lebensweisen, die es bei den Polizeibehörden schon gibt. Hier wird beispielsweise vorgeschlagen, eine engere Kooperation mit den entsprechenden Vereinen und Verbänden zu ermöglichen. Man könnte sich einmal im Jahr treffen, man könnte grundsätzliche Fragen, was den Umgang mit entsprechenden Strafanzeigen betrifft, und das Verfahren noch einmal bereden. Wir haben in anderen Bereichen damit gute Erfahrungen gemacht. Denn wenn man sich kennt und unterschiedliche Befindlichkeiten kennt, erleichtert das manchmal auch den Umgang miteinander.
Auch ein Internetauftritt, wie es ihn in RheinlandPfalz und Berlin bereits gibt, wäre ein erster Schritt, um bekanntzumachen, wer Ansprechpartner ist, wie man diese erreicht und auch was es an Beratungsangeboten gibt.
Wenn ich eben die Frau Ministerin richtig verstanden habe, soll es jetzt auch die Ansprechpartnerinnen bei der Staatsanwaltschaft hier in Magdeburg geben, weil die Polizei die eine Seite ist, wir aber auch im Bereich der Justiz Ansprechpartnerinnen brauchen. Ein Vorschlag dieses Aktionsprogrammes ging dahin, dass sich die Staatsanwaltschaft Magdeburg auf diese homophoben Straftaten spezialisieren soll.
Der Aktionsplan wird umgesetzt, er muss umgesetzt werden. Frau von Angern hat es auch in ihrer Rede dargestellt, das braucht bestimmte Strukturen. Dazu steht in der Koalitionsvereinbarung, dass eine unabhängige Koordinierungsstelle
eingerichtet wird. Frau Ministerin hat mir auf meine Kleine Anfrage mitgeteilt, dass derzeit eine Konzeption erarbeitet wird. Es ist eine Arbeitsgruppe zur Begleitung der Umsetzung des Aktionsprogrammes eingeleitet worden.
Ich gehe davon aus, dass auch die Mitglieder dieser Arbeitsgruppe und insbesondere der LSVD, der einen besonderen Sachverstand mitbringt, in die Erarbeitung der Konzeption einbezogen werden. - Herzlichen Dank.