Protocol of the Session on September 10, 2020

stammung in Deutschland jeden Tag Opfer von Racial Profiling werden. Im Jahr 2019 legte die vom Europarat ins Leben gerufene Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz - ECRI - einen Bericht vor, in dem sie folgenden Hinweis gibt, den ich zitieren möchte:

„ECRI ist der Meinung, die Behörden des Bundes und der Bundesländer sollten die Frage des Racial Profiling auf systematische Weise untersuchen und bearbeiten. Sie ruft die Behörden auf, eine Studie durchzuführen, die die aktuelle Überprüfungspraxis analysiert und zu Empfehlungen führt, die nachhaltig Racial Profiling verhindert und die Zahl der unbegründeten Polizeikontrollen reduziert.“

Dieser Empfehlung, meine Damen und Herren, sollten Bund und Länder dringend nachkommen. Genau dazu bringen wir den Antrag heute ein.

(Beifall)

Denn mit einer solchen Studie soll die Grundlage geschaffen werden, rassistische Diskriminierung durch polizeiliches Handeln genauer zu erfassen und die Ursachen zu identifizieren, sodass zielgenaue Schritte zum Abbau eben dieser Diskriminierung unternommen werden können. Ich bin sehr froh, dass beispielsweise der Bund Deutscher Kriminalbeamter die Notwendigkeit einer solchen Studie ebenfalls sieht - anders als der Bundesinnenminister von der CSU, der sich mit seiner Positionierung nun wirklich komplett ins Aus geschossen hat.

(Zuruf)

Entscheidend für eine solche Studie - neben der Grundvoraussetzung, dass sie unabhängig und wissenschaftlich fundiert erstellt wird - ist, dass die konkreten Hinweise der ECRI zum Design und zum Gegenstand der Studie berücksichtigt werden, dass diskriminierende polizeiliche Maßnahmen untersucht werden und dass ergründet wird, wie es zu diesen Maßnahmen kommt. Denn dafür gibt es tatsächlich eine Reihe möglicher Gründe.

Rassistische Einstellungen handelnder Polizeikräfte können ein Grund sein. Deswegen fordern wir auch, explizit zu untersuchen, inwieweit solche Einstellungen zu Diskriminierung führen. Es kommen jedoch einige weitere Ursachen in Betracht, auch solche, denen keine rassistische oder diskriminierende Intention zugrunde liegt, die sich aber genauso auswirken. Dies kann Gesetze, Verordnungen und Ausführungsbestimmungen, aber auch Abläufe in den Behörden und die etablierte Praxis betreffen. Racial Profiling kann ebenso die Auswirkung rassistisch diskriminierend wirkender Gesetze wie beispielsweise der Residenzpflicht sein. Entsprechend muss also untersucht werden, welche Faktoren zu Diskriminie

rung führen, sodass an diesen Stellen angesetzt werden kann.

Im besten Fall tun dies Bund und Länder gemeinsam. Will der Bund jedoch hierbei seiner Verantwortung weiterhin nicht nachkommen, dann muss die Landesregierung selbst eine solche Studie für Sachsen-Anhalt in Auftrag geben.

(Zustimmung)

Genau für diesen Auftrag an die Landesregierung bitten wir heute um Ihre Zustimmung. Denn es gibt keinen Grund, auf noch mehr drängende Empfehlungen internationaler Organisationen und auf noch mehr berechtigte Forderungen von Betroffenen und Verbänden zu warten. Es gab schon bisher keinen einzigen Grund dafür außer Ignoranz. Es ist vor allem keine Option, weiterzumachen wie bisher, weiter zuzusehen, wie Menschen von rassistischer Diskriminierung aufgrund staatlichen Handelns betroffen sind.

Mit einer Studie zu Racial Profiling wollen wir die Grundlage schaffen, endlich zu handeln. Denn in der Tat können wir uns Bekundungen und das Beklagen von Rassismus sparen, wenn wir nichts tun, um rassistische Diskriminierungspraxis zu beenden. - Vielen Dank.

(Zustimmung)

Es gibt eine Intervention von Herrn Poggenburg. - Herr Poggenburg, Sie haben jetzt die Chance, diese zu tätigen.

Sehr geehrte Frau Quade, es bedarf schon großer innerer Ruhe und Nervenstärke, Ihrem Vortrag gelassen zuzuhören. Nehmen Sie doch bitte einfach einmal Folgendes zur Kenntnis: Wenn die Polizei der Meinung ist, dass irgendeine Personengruppe - nehmen wir einmal an, die Träger kurzer Hosen - häufiger kontrolliert werden sollte, weil es bei dieser in Anbetracht von Erfahrungswerten in bestimmten Bereichen vielleicht häufiger zu Kriminaldelikten kommt, dann ist das doch eine völlig legitime Polizeiarbeit, die einfach dazu dient,

(Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE)

die Sicherheit der Bürger in der entsprechenden Region zu erhöhen; nicht mehr und nicht weniger. Jeder Bürger, der sich die Wahrung von Recht, Sicherheit und Ordnung wünscht, freut sich über diese Arbeit. Wer das - -

Herr Poggenburg: Stopp!

Ja.

Wir haben eine Regel. Die gibt es inzwischen seit drei Sitzungsperioden des Landtages. Sie besagt: Bei Dreiminutendebatten sind Interventionen und Fragen auf eine Redezeit von einer Minute beschränkt. Ich ging jetzt eigentlich davon aus, dass wir das inzwischen gelernt haben. Diese eine Minute ist nun vorüber.

Okay.

Damit sind wir am Ende der Intervention angelangt. Ich sehe bei Frau Quade nicht das Verlangen, auf diese zu reagieren.

(André Poggenburg, fraktionslos: Gut!)

Weitere Wortmeldungen dazu gibt es nicht. Deswegen hat jetzt der Innenminister in der nun folgenden Dreiminutendebatte das Wort. - Bitte sehr, Herr Stahlknecht

Herr Präsident, vielen Dank. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann es eigentlich relativ kurz machen. Wir sind uns zunächst einmal darin einig, dass Racial Profiling grundrechts- und menschenrechtswidrig ist. Dafür bedarf es der Debatte nicht.

Es hat in unserem Land vereinzelt Beschwerden über rassistische Diskriminierung bei der Polizei gegeben. Im Jahr 2019 gab es die Beschwerde eines russischen Staatsbürgers wegen rassistischer Diskriminierung im Rahmen einer Kontrolle. Im Ergebnis der Beschwerde konnte ein Fehlverhalten des beteiligten Beamten übrigens nicht festgestellt werden. Wir haben einige wenige Fälle zu verzeichnen, in denen es zu extremistischen Äußerungen gekommen ist. Dazu sind entsprechende Disziplinarverfahren eingeleitet worden. Die Zahl der bekannt gewordenen Verdachtsfälle im Gesamtkontext lag im Jahr 2019 im einstelligen Bereich. Im Jahr 2020 wird das auch so sein, und das bei 6 000 Beamten. Das zeigt, wie gering diese Zahl ist. Es gibt überhaupt keine Anhaltspunkte dafür, dass es hier flächendeckendes Racial Profiling gibt, meine Damen und Herren.

(Zuruf)

Wir bilden die Landpolizei im Rahmen der zentralen Fortbildung hinsichtlich dieser Themenkomplexe aus. Wir schauen bei den Neueinstellungen sehr genau hin, dass keine Menschen mit extremistischen Einstellungen eingestellt werden. Das Beschwerdemanagement der Polizei funktioniert sehr gut. Auch in Führungskräftebesprechungen

wird auf das Thema hingewiesen und dementsprechend geschult.

Wir haben vor, allgemeine Studien zu erstellen, aber eine wissenschaftliche Untersuchung zu Racial Profiling würde uns hier im Land nur bedingt weiterhelfen. Wir sollten den Fokus daher lieber auf die konsequente Bekämpfung extremistischer Bestrebungen richten. Ich möchte in aller Deutlichkeit sagen - - Ich hatte nach den Vorkommnissen in Amerika ein bisschen das Gefühl, dass hier eine Debatte ausgelöst wurde, die gesamte Polizei der Bundesrepublik Deutschland sei rassistisch eingestellt. Dagegen verwahre ich mich.

(Zustimmung)

Unsere Polizeibeamten erarbeiten sich hier jeden Tag einen ganz hervorragenden Ruf.

Auch dieses Beispiel aus Halle, das Sie gewählt haben - ich will das jetzt nicht weiter vertiefen, sonst werfen Sie mir das nachher noch vor -, hatte einen ganz bestimmten Grund, warum genau diese Personengruppen damals kontrolliert worden sind. Da gab es nämlich einige Kriminalitätsschwerpunkte, die auf eine ganz bestimmte Personengruppe zurückzuführen sind. Dafür kann auch ich nichts, wenn es genau diejenige war. Insofern wird dann auch entsprechend ermittelt.

Das hatte nichts mit Racial Profiling zu tun. Sie haben ja jetzt so getan, als habe man dort am Riebeckplatz ganz bewusst aus reiner Schikane nur dunkelhäutige Menschen kontrolliert. Liebe Frau Quade, so war das nun wirklich nicht. Insofern bleibt dieses Beispiel, das Sie angeführt haben, vielleicht für Sie ganz chic, aber es war an sich untauglich. - Herzlichen Dank.

Ich sehe keine Wortmeldungen dazu. Deswegen können wir jetzt in die Dreiminutendebatte der Fraktionen eintreten. Für die SPD-Fraktion spricht der Abg. Herr Erben, nachdem der Tisch gereinigt worden ist. - Herr Erben, Sie haben jetzt das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Um es vorwegzunehmen, ich halte die Durchführung einer solchen Studie grundsätzlich für sehr sinnvoll. Gerne will ich meine drei Minuten Redezeit dazu nutzen, das auch zu begründen.

Die Polizei selbst steht in der Mitte der Gesellschaft und sie kommt aus der Mitte der Gesellschaft. Als Trägerin des Gewaltmonopols muss sie aber auch in besonderer Weise Vorbild sein und sich natürlich auch der Kritik stellen.

Deswegen haben auch Extremismus und Rassismus in der Polizei nichts zu suchen und dürfen dort auch nicht geduldet werden. Das sehen auch die Polizeigewerkschaften so, zumal sich zwei von drei Polizeigewerkschaften für die Durchführung einer Studie einsetzen. Denn auch sie sehen eine solche Studie als Schritt für mehr Transparenz und Offenheit an. Es gibt aber auch eine berechtigte Grundbedingung vonseiten der beiden Gewerkschaften: Die Studie muss fair sein und sie muss auch unter Beteiligung der Gewerkschaften konzipiert werden.

Ich kann mich sehr gut erinnern: Vor etwa zehn Jahren gab es auch schon einmal eine bundesweite Studie zur Frage der Gewalt gegen Polizeibeamte. Und funktioniert hat sie dann am Ende auch nur und erst dann, als sie gemeinsam mit den Polizeigewerkschaften aufs Gleis gesetzt worden ist. Ich glaube, eine solche Studie, über die wir hier reden, würde vielleicht auch ganz gut zur Analyse der Frage dienen, wie die zumindest in Teilen Deutschlands gestiegene Zahl von Gewalttaten gegen Polizeibeamte einzuordnen ist.

Eine Studie vom Bund allein, wie manchmal gefordert, halte ich für wenig aussagefähig, weil sie sich nur mit der Bundespolizei beschäftigen würde. Ich glaube, die Bundespolizei würde wegen ihres eingeschränkten Aufgabenbereiches kein ausreichendes Bild geben. Eine Studie für das Land Sachsen-Anhalt ist auch wenig zweckmäßig. Präferieren müssen wir eine länderübergreifende Studie, damit wir auch wirklich aussagekräftige Zahlen bekommen.

Ich glaube, das würde am Ende auch deutlich zur Versachlichung der Debatte beitragen. Denn es ist nun einmal so, dass bei der Polizeiarbeit, wie bei jeder anderen beruflichen Tätigkeit, die Gefahr besteht, Stereotypen zu erliegen. Gleichzeitig handelt es sich aber nicht automatisch um solche Stereotypen, falls bestimmte Personengruppen gezielt kontrolliert wurden. Es hat dazu eben die Debatte zwischen dem Herrn Minister und der Kollegin Quade gegeben.

Wir sind also für eine solche Studie, denn es geht gerade nicht darum, Polizeibeamte zu stigmatisieren, sondern um eine Verbesserung ihrer Arbeit.

Die deutsche Polizei - das ist meine feste Überzeugung - ist kritik- und auch lernfähig. Deswegen muss die Polizei vor einer solchen Studie auch keine Angst haben. - Herzlichen Dank.

(Beifall)

Ich sehe auch hierzu keine Wortmeldungen. Deswegen müssen wir jetzt nur warten, bis der Tisch gereinigt sein wird. Dann wird für die AfD-Fraktion

der Kollege Kohl sprechen, der in dieser Debatte das Wort erhält. - Sie haben jetzt das Wort.

Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Fraktion DIE LINKE beantragt, eine Studie zu Racial Profiling durch die Polizei von Bund und Ländern durchzuführen. So weit, so schlecht, weil dieser Antrag nicht nur rein ideologiegetrieben, sondern auch völlig unzeitgemäß und diskriminierend gegenüber unserer Polizei ist.

(Beifall)

„Advent, Advent - ein Bulle brennt“, heißt es in einem Lied der Punkband Harlekins aus dem Jahre 1997. Am Bass saß seinerzeit Katja Meier, die aktuelle grüne Justizministerin in Sachsen, die sich heute, wenn auch unglaubwürdig, von dieser Liedzeile distanziert.

Am 6. September, also am dritten Tag der jüngsten Ausschreitungen in Leipzig, bei welcher Linksextremisten die Polizei mit Steinen, Flaschen und Brandsätzen attackierten, hielt es die LinksJugend Leipzigs wohl für eine gute Idee, in Leipzig einen Aufkleber genau mit dieser Liedzeile „Advent, Advent - ein Bulle brennt“ zu verteilen.