Protocol of the Session on September 9, 2020

Einige Kommunen haben bereits eine Anerkennungskultur geschaffen, indem zum Beispiel Feuerwehrleuten freier Eintritt in kommunale Schwimmbäder ermöglicht wird. In manchen Landkreisen wird diskutiert, ob man eine Ehrenamtskarte kreisweit einführt oder es besser den einzelnen Kommunen überlässt, und Städte und Gemeinden, die sich am Bundesprogramm „Engagierte Stadt“ beteiligen, haben bereits Anlaufpunkte für Menschen, die sich engagieren wollen, aufgebaut, während es so etwas in anderen Städten und Gemeinden noch nicht gibt.

Wir als Land haben die Chance, wenn nicht sogar die Pflicht, einheitliche Bedingungen zu gewährleisten. Wir haben unseren Gesetzentwurf deshalb auf zwei Säulen gestellt. Säule 1: Die ehrenamtlich tätigen Menschen selbst sollen Anerkennung erfahren. Dazu planen wir die Ehrenamtskarte landesweit, die es engagierten Menschen und deren Familien ermöglichen soll, Vergünstigungen bei Eintrittsgeldern in kommunale Ein

richtungen zu erhalten, ihnen umfassenden Versicherungsschutz zu bieten und Fortbildung zu ermöglichen.

(Beifall)

An dieser Stelle sei mir eine Randbemerkung gestattet. Unser Entwurf zur Änderung des Bildungsfreistellungsgesetzes liegt seit Januar 2019 im Ausschuss, weil sich die Koalition nicht einig wird. Würden wir damit endlich zu Potte kommen, wäre für die ehrenamtliche Bildung ein großer Schritt getan.

(Beifall)

In unseren Runden in der Zivilgesellschaft kam dieses Thema immer wieder auf den Tisch, beim Landessportbund genauso wie bei den Feuerwehren, deren Ausbildung zum Trainer oder zum Geräteführer nur in den Abendstunden oder am Wochenende stattfinden kann, weil wir es immer noch nicht geschafft haben, dieses Gesetz zu ändern.

Liebe Koalition, erleichtern wir den Vereinen doch die Nachwuchsarbeit!

(Beifall)

Aber zurück zum vorliegenden Gesetzentwurf. Für die landesweite Ehrenamtskarte wollen wir einen Fonds bilden, der die jetzt schon vorhandenen finanziellen Mittel, die in den verschiedenen Ressorts für Einzelprojekte zur Verfügung stehen, zusammenfasst. Das würde auch den Forderungen entsprechen, die sich bisher aus dem Treffen der Erarbeitungsgruppe zur Engagementstrategie ergeben haben.

Säule 2: Der Auf- und Ausbau von Strukturen vor Ort muss ermöglicht werden. Engagement entsteht vor Ort, also in unseren Städten und Gemeinden. Die Kommunen, die in den letzten Jahren am Bundesprogramm „Engagierte Stadt“ teilgenommen haben, erhielten eine Anstoßfinanzierung vom Bund, die jetzigen Teilnehmer schon nicht mehr. Wir wissen alle, wie die Haushaltslage unserer Kommunen aussieht. Da ist für freiwillige Leistungen wenig bis keine Luft mehr, und eine Besserung ist nicht in Sicht. Aber: Ehrenamt braucht Hauptamt.

(Beifall)

Diesen Satz finden wir immer wieder, sei es bei Blutspendeaktionen außerhalb von Krankenhäusern, im Bericht des Landesrechnungshofes, wenn es um die Situation der Verkehrswachten geht, ja selbst in der Demenzstrategie des Bundes. Dieser Satz meint nicht, dass jedem kleinen Verein eine hauptamtliche Schreibkraft zur Verfügung gestellt werden soll. Aber ein Anlaufpunkt bei wichtigen Fragen zum Vereinsrecht oder zur

Beantragung von Fördermitteln muss mindestens in jedem Landkreis und in jeder kreisfreien Stadt zur Verfügung stehen.

(Beifall)

Verstehen Sie mich nicht falsch, die Vereine und Initiativen schaffen es bisher auch, solche Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Die engagierten Mitglieder des Fördervereins der Stadtbibliothek Wanzleben e. V. zum Beispiel haben es geschafft, erfolgreich Fördermittel bei der Kulturstiftung des Bundes zu beantragen, um ein Projekt für die Jugendarbeit auf die Beine zu stellen. Darin steckt viel Arbeit, die nur mit Durchhaltevermögen, Hartnäckigkeit und Idealismus von Ehrenamtlichen möglich war. Eine Stelle, die solches Wissen der verschiedenen Vereine bündelt und hilft, ein Netzwerk aufzubauen, sodass die Nächsten, die ähnliche Pläne verfolgen, Ansprechpartner mit Erfahrung finden, kann doch nur förderlich sein.

Die schon jetzt in einigen Städten und Gemeinden arbeitenden Freiwilligenagenturen können gemeinsam mit der Landesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen einen wichtigen Grundstein dafür legen, dass es überall im Land solche Anlaufpunkte gibt.

(Beifall)

Wir wollen es aber nicht den Kommunen aufbürden, ohne die finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen. Dafür ist in unserem Gesetzentwurf ein Kommunalbudget von 50 000 € plus 50 Cent je Einwohner für jeden Landkreis und jede kreisfreie Stadt vorgesehen.

Sehr geehrte Damen und Herren! In der Antwort auf meine Kleine Anfrage vom 3. September 2020, Drs. 7/6560, stellt das Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration den aktuellen Stand und die coronabedingten Schwierigkeiten bei der Erarbeitung der Engagementstrategie dar. Wir könnten die Diskussion des von uns vorgelegten Gesetzentwurfs mit der Strategieerarbeitung verknüpfen und dabei Vertreter der Zivilgesellschaft wie die Liga der freien Wohlfahrtspflege, den Landessportbund, den Landesheimatbund, den Kinder- und Jugendring, die Landesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen

und die Vertreter der kommunalen Familie mit ins Boot nehmen. Darum bitte ich Sie um Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf. - Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall)

Ich sehe keine Fragen. Dann danke ich Frau Hildebrandt für die Einbringung des Gesetzentwurfes. - In der Debatte sind drei Minuten Rede

zeit je Fraktion vorgesehen. Für die Landesregierung spricht die Ministerin Frau Grimm-Benne. Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Herzlichen Dank. - Herr Vizepräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die Große Anfrage zum bürgerschaftlichen Engagement, welche die SPD-Landtagsfraktion im vergangenen Jahr gestellt hat, hat uns allen aufgezeigt, dass das Ehrenamt bessere Rahmenbedingungen braucht. Denn die Erkenntnis von der besonderen Bedeutung des zivilgesellschaftlichen Engagements in der derzeitigen Lage der Bedrohung durch Extremismus und der Notwendigkeit der besseren Förderung bürgerschaftlichen Engagements legt nahe, dass wir alle etwas tun müssen.

Die Fraktion DIE LINKE hat nunmehr einen Gesetzentwurf vorgelegt. Die Regierungsfraktionen sind einen anderen Weg gegangen. Vor einer endgültigen Regelung soll unter Beteiligung aller Akteure im Land eine Engagementstrategie entwickelt werden. Dazu haben wir - das haben Sie schon ausgeführt - einen Beschluss in diesem Hohen Hause gefasst.

Wir denken, es ist besser, wenn wir das Ergebnis dieser umfassenden Diskussion mit zivilgesellschaftlichen Akteuren, mit den Kommunen und mit engagierten Unternehmen abwarten, ehe wir Gesetze schaffen. Nach diesem Diskussionsprozess wird einfach klarer sein, wo die Bedarfe liegen, sodass wir die notwendigen Regelungen zielgenau erfassen und definieren können. Ob es sinnvoll ist, ein Gesetz oder Förderprogramme zu schaffen, wird sich dann zeigen. Förderprogramme könnten in vielerlei Hinsicht flexibler sein, um auf die jeweils auch in Zukunft zu regelnden Problematiken zeitnah einzugehen.

Der vorgeschaltete Partizipationsprozess kommt auch den Bedürfnissen der zivilgesellschaftlichen Akteure sowie der Gemeinden und Kreise entgegen. So haben diese doch die Möglichkeit, die künftigen Regelungen mitzubestimmen, und denken selbst intensiv über Möglichkeiten und Grenzen der Engagementförderung nach. Über die hohe Bedeutung der Partizipation sind wir uns, glaube ich, einig.

Sie haben recht; aufgrund der Coronapandemie musste der Beteiligungsprozess neu strukturiert werden. Bereits stattgefunden haben acht Dialogveranstaltungen des Sozialministeriums mit den Fachministerien. Mit relevanten Vereinen und Verbänden aus den jeweiligen Handlungsfeldern der Ressorts wurde über Ziele und Handlungsbedarfe für eine Engagementstrategie diskutiert. Dabei ging es vor allem um die Vereinfachung des För

derverfahrens, die nachhaltige Finanzierung verlässlicher Strukturen und eine bessere Anerkennung für Engagement.

Hieraus entsteht eine Bestandsaufnahme, die bis Ende 2020 vorgelegt werden soll. Im Jahr 2021 wird dann ein breiter Beteiligungsprozess in Form von Regionalkonferenzen folgen.

Allein der Prozess der Strategieentwicklung ist ein Schritt der Werbung für ehrenamtliches und bürgerschaftliches Engagement. Überall im Land wird darüber diskutiert. Eine Vielzahl von Menschen befasst sich intensiv mit den Fragestellungen. Lassen Sie uns diesen Prozess der breiten Auseinandersetzung mit der Thematik für das Ziel von mehr Engagement im Land nutzen.

Eine Anmerkung habe ich noch zum vorliegenden Gesetzentwurf. Wir meinen, jedenfalls nach der ersten Durchsicht auch in den Fachabteilungen, dass er nur rechtlich selbstständige Strukturen wie Vereine begünstigt. Engagement findet aber zunehmend in Initiativen statt, die nicht rechtlich selbstständig sind. Denken Sie nur an die vielen jungen Menschen, die sich umfangreich engagieren, aber nicht gleich einem Verein beitreten wollen. Auch dieses Engagement sollten und wollen wir fördern.

Aber wir haben ja noch Möglichkeiten genug, um darüber zu debattieren und zu diskutieren. Ich denke nur, wir sollten abwarten und nicht bereits jetzt schon über einen Gesetzentwurf beraten und diesen beschließen. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung)

Fragen sehe ich keine. Dann danke ich der Frau Ministerin für die Stellungnahme der Landesregierung. - Für die CDU hat jetzt Frau Gorr das Wort. Frau Gorr, Sie haben das Wort.

Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Fraktion DIE LINKE bringt heute den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Ehrenamtes zur ersten Lesung ein.

Zunächst ist das Ansinnen, den Begriff Ehrenamt klar zu definieren, sehr zu begrüßen. So ist eine Abgrenzung zu nicht in Vereinen oder Verbänden organisierten engagierten Menschen überaus wichtig, um zum Beispiel Themen wie Finanzierung, Aufgaben und Verbindlichkeit rechtlich auf sichere Füße zu stellen. Ebenso bedarf es einer Klärung, inwieweit dem öffentlichen Bereich zuzurechnendes privates Engagement durch eine Art finanzielle Zuwendung honoriert werden soll.

Weitere Punkte, über die diskutiert werden muss und die geprüft werden müssen, sind zum Bei

spiel das Verhältnis von Haupt- und Ehrenamt, die ehrenamtliche Übernahme von öffentlichen Aufgaben und deren Finanzierung und vor allem auch die Sicht der kommunalen Spitzenverbände auf einzelne Aspekte des Gesetzestextes, zum Beispiel auf das Kommunalbudget.

Werte Kolleginnen und Kollegen! An dieser Stelle ist es an uns, allen engagierten Ehrenamtlichen in Sachsen-Anhalt zu danken und die große Vielfalt der Betätigung in unserem Land zu würdigen.

(Zustimmung - Zuruf: Jawohl!)

- Danke. - Die Engagementstrategie des Landes Sachsen-Anhalt ist ein Baustein; die Ministerin erwähnte es. Ich schließe mich als Mitglied einer der Koalitionsfraktionen ausdrücklich den Ausführungen von Frau Ministerin Grimm-Benne an. - Ja, genau, ich schließe mich also der Frau Ministerin an.

Frau Hildebrandt hat in ihrem Wortbeitrag erwähnt, dass es im Land Sachsen-Anhalt bereits zahlreiche Initiativen und Unterstützungsmöglichkeiten in vielen Landkreisen und Kommunen gibt, wo das ehrenamtliche Engagement punktuell gewürdigt wird. Aber es gibt in dem Sinne keine direkte gemeinschaftliche Strategie. Das wäre etwas, worüber auch zu diskutieren ist. Diese Vielfalt und die sehr vielen jungen und alten Menschen sowie die Menschen im mittleren Alter in unserer Region spiegeln vor allen Dingen auch den Wunsch nach Partizipation wider. Das ist etwas, was wir als Parlament hier in jedem Fall begrüßen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Über die Vorschläge, die im Gesetzentwurf enthalten sind, ist daher in jedem Fall intensiv zu diskutieren und ergebnisoffen zu beraten. Dies muss vor allen Dingen in den Ausschüssen geschehen, die davon betroffen sind. Das Finanzierungstableau, das im Gesetzentwurf enthalten ist, zeigt, dass fast jeder Ausschuss in gewisser Weise von ehrenamtlichem Engagement in positiver Weise betroffen ist. Deswegen beantrage ich die Überweisung des Gesetzentwurfs zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Soziales sowie zur Mitberatung in den Ausschuss für Bildung und Kultur, in den Ausschuss für Finanzen, in den Ausschuss für Inneres und Sport und in den Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien.

Ich denke, es wird am Ende wichtig sein, die Ergebnisse aus diesen einzelnen Ausschüssen - den Ausschuss für Inneres und Sport hat Frau Hildebrandt angesprochen - zusammenzutragen. Die Landeszentrale für politische Bildung hat auch einen sehr großen Anteil am Engagement.

Ich hoffe, dass wir am Ende gute und intensive Beratungen haben werden für das Wohl und die

Vielfalt im ehrenamtlichen Bereich auch in Zukunft. - Vielen Dank.

(Zustimmung)

Ich danke Frau Gorr. - Ich bitte darum, wenn es zur Abstimmung kommt, noch einmal die einzelnen Ausschüsse zu benennen. So schnell konnte ich sie jetzt nicht aufschreiben.

(Angela Gorr, CDU: Kein Problem, machen wir!)