Protocol of the Session on July 9, 2020

Frau Ministerin, bitte.

Bei dem Fachgespräch im Sozialausschuss in der letzten Woche ist sehr deutlich geworden, dass wir sehr wohl ein sehr feinmaschiges Kontrollsystem vom Bund mit dem Zoll hinsichtlich der Schwarzarbeit haben. Die haben ebenfalls Kontrollen durchgeführt und haben unser Landesamt für Verbraucherschutz an jeder Kontrolle teilhaben lassen. Deswegen konnten wir insbesondere auch in den Bereichen, in denen der Einsatz von Erntehelfern kontrolliert worden ist, Missstände aufdecken.

Wir sind auch dabei, noch einmal zu prüfen - ich denke, das sollte man auch im Parlament tun -, ob insbesondere das Wohnraumaufsichtsgesetz an der Stelle, an der es im Augenblick verankert ist, tatsächlich die notwendigen Kontrollen ermöglicht, die man vorsehen will.

Ich will das deutlich machen: Wenn eine Stadt eine eigene Wohnungsbaugesellschaft trägt, die mit Werkvertragsunternehmern Mietverträge abschließt, und danach nicht mehr kontrolliert wird, wie viele Personen sich tatsächlich in diesen Wohnungen aufhalten, dann halten wir es im Augenblick für geboten, die Kontrolle mindestens auf den Landkreis zu erstrecken. Ich wäre sogar dazu bereit, es auf die Ebene des Landesamtes für Verbraucherschutz zu heben, um zu gewährleisten, dass unabhängig von anderen Bereichen eine unabhängige Kontrolle passiert und man möglicherweise bestimmten Korruptions- und Bestechlichkeitsvorwürfen, die es in dieser Branche gibt, Einhalt gebieten kann.

Im Hinblick auf das Landesamt für Verbraucherschutz kämpfen wir im Augenblick sehr - das will ich an dieser Stelle deutlich machen - um Verstärkung, weil Kontrollen auch immer mit dem notwendigen Personal zusammenhängen. Ich werde meine Staatssekretärin nächste Woche noch einmal um Prüfung bitten, ob sie die Möglichkeit sieht, dass wir insbesondere Verstärkung im Landesamt für Verbraucherschutz bekommen, und zwar nicht für die ganzen Testungen, die wir durchgeführt haben - die haben nämlich unsere Labormitarbeiterinnen und -mitarbeiter durchge

führt -, sondern damit wir die Kontrollen besser durchführen können. Es ist immer wichtig, dass die Firmen nicht den Eindruck haben, sie könnten berechnen, wann wieder einmal eine Kontrolle erfolgt, und die Zwischenzeit ausnutzen, um sich bestimmter gesetzlicher Vorschriften zu entledigen.

Vielen Dank, Frau Ministerin. Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. - Für die AfD-Fraktion spricht jetzt der Abg. Herr Kirchner. Sie brauchen nicht so schnell zu kommen, Herr Kirchner; einen kleinen Moment dauert es wieder. Mal schauen, ob Sie Ihren Schrittzähler heute wieder eingeschaltet haben. Herr Kirchner, Sie dürfen jetzt zum Rednerpult und haben das Wort. Bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Werte Abgeordnete! Hohes Haus! Nach der Einbringung durch die GRÜNEN werde ich mein Redekonzept jetzt mal beiseitelegen und werde versuchen, meine Rede etwas kürzer zu gestalten.

Ich denke, über alle Parteien hinweg sind sich alle in diesem Raum einig, dass die Aufzucht der Tiere und der Tiertransport bis zur Schlachtung vernünftig verlaufen müssen und natürlich auch während der Schlachtung vernünftig mit den Tieren umgegangen werden muss. Ich glaube, das ist die einhellige Meinung aller. Das ist auch richtig so. Dass der Tierschutz, in Grünensprech „Tierwohl“, in die Landesverfassung aufgenommen wurde, ist auch vollkommen vernünftig und richtig.

Wir sollten aber vielleicht auch einmal bei uns anfangen; denn 60 kg Fleisch pro Einwohner im Jahr ist eine Menge. Es kann nur gelingen, etwas zu verändern, wenn man in den Köpfen der Menschen etwas verändert, wenn man das Fleisch aufwertet, sich gesünder und vielleicht auch bewusster ernährt. Denn wir wissen, dass zwei Drittel der Männer Übergewicht haben und die Hälfte der Frauen. Das ist so. Ich denke, da ist der Bezug zur regionalen Küche und zu regionalen Produkten richtig und auch herzustellen. Das hört man auch bei Köchen im Fernsehen. Das ist vollkommen normal. Das dauert zwar lange, aber da sollte es vielleicht irgendwann auch hingehen. Ich denke, dass wir auch unsere regionale Wirtschaft damit stützen.

(Zustimmung)

Das Fachgespräch in der letzten Sitzung des Sozialausschusses war durchaus zu begrüßen und darum ist auch die Debatte zu begrüßen. Was Tönnies gesagt hat, kann man gut oder schlecht finden. Man muss sich aber auch mit den Arbeitsbedingungen der Menschen beschäftigen,

die dort arbeiten. Ich glaube, ich habe einen sehr guten Draht in die rumänische und moldawische Gemeinde in Nordrhein-Westfalen. Ich bin sehr oft in Gütersloh, Bielefeld, Harsewinkel und Warendorf, wo das alles passiert ist. Man muss feststellen, dass die Menschen in Rumänien von rumänischen Firmen angeworben werden. Teilweise sind es auch Moldawier, die nach Rumänien fahren und innerhalb von 14 Tagen plötzlich aus einem Nicht-EU-Bürger einen EU-Bürger machen.

Das nächste Problem, über das man einmal sprechen sollte: Es kann auch nicht normal sein, dass ein Nicht-EU-Bürger innerhalb von 14 Tagen ein EU-Bürger wird, wenn er in Rumänien einen Pass beantragt. Das ist ein schwieriges Thema, das ist auch nicht normal. Diese Leute werden dort angeworben, werden mit Bussen nach NRW verbracht, sprechen kein Wort Deutsch. Sie werden in Wohnungen untergebracht - ich selbst habe Miet- und Arbeitsverträge gesehen, die gar keiner von den Leuten verstanden hat -, in 15-m²-Zimmern mit zwei, drei Leuten. Dort standen drei Schränke, das war ihre Unterkunft. Für diese Unterkunft haben sie die ersten 300 € pro Mann bezahlt. Die Fahrt zum Werk und zurück kostete dann noch einmal zwischen 150 und 200 €. Die werden dort hingebracht und wieder abgeholt, weil sie gar nicht wissen, wie sie auf andere Weise dort hinkommen.

Das nächste Problem ist, dass diese Leute 1 000 € netto verdienen. Wenn man davon 500 € für Unterkunft und Fahrt abzieht, bleibt nicht mehr viel übrig. Es ist eine schwere Arbeit, die die Leute da leisten. Ich denke, die sollte auch vernünftig bezahlt werden. Ich denke, das Problem ist in NRW schwieriger als in Sachsen-Anhalt, weil wir im Burgenlandkreis nicht diese Verhältnisse haben wie im Speckgürtel um Bielefeld herum, wo die Wohnungen so teuer sind, dass man sie nicht bezahlen kann. Ich glaube, da müssen wir ran.

Ich glaube, dieser Covid-19-Ausbruch bei Tönnies in NRW hat nicht so sehr mit den Arbeitsbedingungen vor Ort zu tun, sondern mehr mit der Unterbringung und mit der Bevölkerungsschicht, die wir dort haben. Denn der Arbeitgeber weiß gar nicht, wie oft die Kollegen nach Rumänien fahren oder sonst wo unterwegs sind und dann wahrscheinlich diesen Virus mitbringen. Das haben wir ja bei den Spargelstechern auch gesehen, die sich auf Bahnhöfen angesteckt haben, weil sie eng an eng miteinander nach Deutschland gefahren sind. Das ist ein Problem, das dazu geführt, dass dieser Ausbruch bei Tönnies in NRW passiert ist.

Ich glaube, es wird wenig nützen, wenn man am Werkstor dafür sorgt, dass man jeden testet; was man natürlich gern machen kann. Die Tests sind natürlich auch problematisch, weil sie nicht hun

dertprozentig genau sind. Ich glaube, dass wir damit nicht erreichen werden, dass kein weiterer Ausbruch passieren wird. Aber es ist schon gut, wenn man diese Leute dort testet. Wir sollten aber auch dafür sorgen, dass Menschen, die für uns arbeiten, in diesem schwierigen Segment auch vernünftig entlohnt werden,

(Zustimmung)

und wir in unseren Köpfen vielleicht dahin gehend umdenken, dass wir uns bewusster und vernünftiger ernähren. Ich glaube, dann regelt das der Markt schon von alleine. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall)

Vielen Dank, Herr Abg. Kirchner. Ich sehe keine Wortmeldungen. - Die nächsten Debattenredner sind für die CDU-Fraktion der Abg. Herr Krull und der Abg. Herr Krause. Sie teilen sich auch die zur Verfügung stehenden zehn Minuten Redezeit. - Kleinen Moment noch, Herr Krull. Sie dürfen jetzt zur Tat schreiten. Sie haben das Wort, Herr Abgeordneter.

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie stehen schon länger in der Kritik. Noch stärker in den Fokus der öffentlichen Betrachtung ist die Situation durch den Massenausbruch des Covid-19-Virus in einem Schlachthof in Nordrhein-Westfalen mit mehr als 1 500 Infizierten gekommen.

Es gab auch immer wieder gesetzgeberische Initiativen mit dem klaren Ziel, die Situation zu verbessern. Erinnert sei an das Gesetz zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte in der Fleischwirtschaft - kurz: GSA Fleisch - aus dem Jahr 2017.

Es ist ganz offensichtlich, dass die bisherigen Regelungen zu kurz greifen. Ich vermute, dass wir alle die entsprechenden Berichte in der jüngsten Vergangenheit wahrgenommen haben. Ich will aber auch ehrlich sein: Hier wurden schnell Vorwürfe gegen überörtliche Unternehmen, insbesondere aus der Tönnies-Gruppe, erhoben. Es wäre für mich ein Leichtes, in diesen Chor einzustimmen. Ich mache das aber bewusst nicht; denn neben der Verantwortung der Unternehmen für ihre Beschäftigten, inklusive derer mit Werkverträgen, sehe ich uns alle hier im Saal ebenso in der Verantwortung, genauso wie alle Menschen, die als Verbraucher mit ihrem Konsumverhalten auch hier über ein Machtinstrument verfügen. Ich mache niemandem, der sich beim Kauf von Fleisch am Preis orientiert, in irgendeiner Weise

einen Vorwurf. Aber dann muss man sich auch bewusst sein, wie eine solche Preisbildung zustande kommt.

Schauen wir uns einmal die Situation in unserem Bundesland an. Wir verfügen in Sachsen-Anhalt über unterschiedliche Standorte in der Schlachtung und Verarbeitung, die man grob der sogenannten Fleischindustrie zuordnen kann, so in Haldensleben, Möckern, Reuden, Zerbst, Halberstadt, Könnern, Osterfeld und Weißenfels. Gerade der letztgenannte Standort war in letzter Zeit besonders öffentlich präsent, gerade weil er zur Tönnies-Gruppe gehört, die derzeit unter starkem öffentlichen Druck steht.

Auf Anweisung des zuständigen Landrates wurden alle Beschäftigten einem Coronatest unterzogen, nachdem eine Person, die dort arbeiten wollte, positiv getestet worden war. Alle bisherigen Testergebnisse waren negativ, genauso wie die Tests, die durch die Unternehmensgruppe selbst initiiert worden sind. Ich persönlich hätte es als positives Signal der Unternehmensführung gesehen, wenn sie auch die Kosten für die durch den Landkreis veranlassten Testungen übernommen hätte.

Am vergangenen Mittwoch hatten wir ein schon lange geplantes Fachgespräch über die Arbeitsbedingungen der Fleischindustrie im Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration. Meine Vorrednerinnen und Vorredner sind bereits darauf eingegangen. Dabei wurde geschildert, dass von den 2 200 Beschäftigten ca. 1 700 mit Werkverträgen dort tätig sind, die bei insgesamt elf Werkvertragsunternehmen arbeiten. Es wurde die Aussage getroffen, dass es dort keine Subverträge gebe.

Besonders in Erinnerung sind mir die Schilderungen der Vertreter des Projektes „Beratung migrantischer Arbeitskräfte“ geblieben, die an einem Beispiel deutlich gemacht haben, unter welchen Bedingungen die Arbeitskräfte dort tätig sind.

Deshalb ist es mehr als begrüßenswert, dass es jetzt die Selbstverpflichtung gibt, dass es im Kernbereich des Unternehmens ab dem 1. Januar 2021 keine Werkvertragsbeschäftigten mehr geben soll.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Vergangenheit hat deutlich gemacht: Es ist nicht mit Selbstverpflichtungen getan. Deshalb ist es wichtig, dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales das Eckpunktepapier „Arbeitsschutzprogramm für die Fleischwirtschaft“ vorgelegt hat, welches vom Bundeskabinett bereits beschlossen worden ist.

Kernpunkte sind unter anderem eine verstärkte Kooperation von Zoll-, Arbeitsschutz- und wei

teren Behörden sowie die Aufsicht mit dem Ziel der Stärkung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes für alle Beschäftigten und die Schaffung verbesserter Möglichkeiten zur Kontrolle der Wohnsituation der Beschäftigten, weil es hierbei erhebliche Probleme im Bundesgebiet gibt. An dieser Stelle sei an die Möglichkeiten des Wohnungsaufsichtsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt hingewiesen; dies klang heute schon mehrfach an.

Weiter zu nennen ist das Verbot von Werkverträgen und Arbeitnehmerüberlassungen ab 1. Januar 2021 für den Kernbereich der entsprechenden Unternehmen. Hier möchte ich für eine Lösung werben, die auch weiterhin unter bestimmten engen Umständen die Möglichkeit zur Leiharbeit unter Einhaltung deutscher Standards und Vorschriften ermöglicht.

Ein weiterer Kernpunkt ist die Fortführung des Projektes „Faire Mobilität“. Auch hier wäre zu prüfen, ob das Projekt der Beratung migrantischer Arbeitskräfte in unserem Bundesland fortgesetzt werden kann.

Wichtig ist auch eine verbesserte Kontrolle der Arbeits- und Ruhezeiten; denn es kann nicht sein, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass wir zwar den Weg der Kuh aus dem Stall bis zum Produkt im Kühlregal nachverfolgen, aber nicht sagen können, wie lange der Zerleger an einem Tag gearbeitet hat.

Als letzten Kernpunkt möchte ich die Erhöhung der entsprechenden Bußgelder nennen.

Als Partei der sozialen Marktwirtschaft stehen wir daneben natürlich auch für eine starke Interessensvertretung der Beschäftigten und für den Abschluss eines entsprechenden Tarifvertrags.

Auch wäre es sinnvoll, wenn Arbeitsschutzaufsichten dauerhaft in den Unternehmen eingesetzt würden. Die jeweilige Kostenerstattung wäre dann über Gebühren zu regeln.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Beschäftigte in Deutschland - egal, woher sie kommen - haben einen Anspruch auf faire Arbeitsbedingungen und die Einhaltung von arbeitsschutzrechtlichen und hygienischen Mindeststandards.

Zum Thema Tierwohl darf ich jetzt das Wort an meinen Kollegen Dietmar Krause übergeben.

Vielen Dank. - Herr Krause, Sie können schon langsam nach vorn kommen. Der Kollege ist bereits auf dem Weg zurück, er hat einen flinken Fuß. - Aber keine Angst, wir haben auch schon bei Frau Frederking und Frau Lüddemann

die Zeit angehalten, während das Redepult gereinigt wird. Das geht nicht von der Redezeit ab.

Vier Minuten habe ich noch.

4:44 Minuten. - Sie haben das Wort. Bitte.

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte heute einmal mit einem Zitat beginnen:

„Die religiöse Ehrfurcht vor dem, was unter uns ist, umfasst natürlich auch die Tierwelt und legt den Menschen die Pflicht auf, die unter ihm entstehenden Geschöpfe zu ehren und zu schonen.“

Das ist von Johann Wolfgang von Goethe.

Jedes höher entwickelte Tier hat seinen Eigenwert, der zu dessen besonderer Schutzwürdigkeit führt und den Menschen eine hohe Verantwortung abfordert. Die Versorgungskette vom Stall bis auf den Teller muss dabei in Zukunft verstärkt in den Fokus genommen und dem Wert des Tieres durch mehr Tierwohl und Stallumbauten Rechnung getragen werden. Dieser Mehraufwand ist nicht kostenlos. Aufgabe der Politik muss es daher sein, dem Verbraucher bewusst zu machen, dass ein erhöhter Preis für das Nahrungsmittel Fleisch Ausdruck von Tierwohl, Nachhaltigkeit, einer fairen Wertschöpfungskette, angemessenen Sozialstandards und Wertschätzung des Lebensmittels Fleisch ist.

Handelsketten stehen in einem ruinösen Preiskampf gegen ihre jeweilige Konkurrenz. Es findet ein Konzentrationsprozess sowohl bei den Handelsketten als auch bei den Erzeugern statt. Über die damit einhergehende geballte Einkaufsmacht üben sie über die Einkaufspreise einen Preisdruck auf die Erzeuger aus. Bei dem Erzeuger, dem Bauern in der Landwirtschaft, kommt hingegen nicht das an, was er zur Deckung aller Kosten und zur Ermöglichung eines alle Seiten zufriedenstellenden Zustandes benötigt. Daher ist eine Neujustierung der Tierhaltung in Deutschland erforderlich.