Protocol of the Session on July 8, 2020

Die damalige Debatte war geprägt vom Gedenken an Dr. Walter Lübcke, der kurz zuvor ermordet worden war. Inzwischen wissen wir deutlich mehr über die Tat und die mutmaßlichen Täter. Wir wissen, dass es eben kein Einzeltäter war. Wir wissen, dass Stephan Ernst zuvor schon Taten begangen hat. Wir wissen, dass der Verfassungsschutz im Hessen ihn vom Radar verloren hatte trotz guter Gründe, ihn im Blick zu haben. Wir wissen, dass es Berichte von Ernst zum Umfeld des NSU gibt. Wir wissen, dass Ernst für die rechtsextreme AfD aktiv gewesen sein soll. Dieser Fall, meine Damen und Herren, zeigt exemplarisch auf, wie die Behörden immer und immer wieder in der Verhinderung rechtsterroristischer Taten und rechtsmotivierter Gewalt scheitern.

Die Regierungsfraktionen hier im Haus haben damals in ihrem gemeinsamen Antrag geschrieben, die Ermordung von Dr. Walter Lübcke sei „eine Zäsur gewesen“. Die bittere Wahrheit ist, dass es eine weitere Tat in einer langen Reihe rechter Gewalt war, die schon damals mehr als 169 Menschen in der Bundesrepublik das Leben gekostet hat.

Ich will einen Blick darauf werfen, was seitdem passiert ist. Weniger als zwei Monate, nachdem meine Fraktion den umfangreichen Antrag zur Bekämpfung rechter Gewalt eingebracht hatte, versuchte ein antisemitisch und rechtsmotivierter Attentäter, die an Jom Kippur Betenden in der Synagoge in Halle zu ermorden. Durch kaum zu fassendes Glück ist ihm das nicht gelungen. Doch er tötete Jana und Kevin. Er griff nach der Synagoge den Kiez-Döner in Halle an. Er verletzte auf seiner Flucht weitere Menschen, bis er endlich gestoppt wurde. Die Aufarbeitung dieser Tat und das Agieren der Strafverfolgungsbehörden sind inzwischen Gegenstand eines parlamentarischen

Untersuchungsausschusses.

Etwas mehr als vier Monate später ermordete ein rechts und rassistisch motivierter Attentäter in Hanau Ferhat U., Mercedes K., Sedat G., Gökhan G., Hamza K., Kaloyan V., Vili P., Said H., Fatih S. und erschoss danach sich und seine Mutter. Erst vor wenigen Wochen folgten dann die Enthüllungen über „Hannibal“ und Uniter, die Enthüllungen über ein rechtsextremes Preppernetzwerk. Bei all diesen Netzwerken geht es auch um die Planung von Anschlägen und die Ermordung von Menschen.

Und, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Ermordung von Dr. Lübcke war Gegenstand vieler Debatten. Auch hier im Landtag folgte eine Debatte. Dem Anschlag von Halle folgte hier im Landtag eine Debatte. Dem Anschlag von Hanau folgte hier im Landtag eine Debatte. Den Enthüllungen über ein rechtes Preppernetzwerk folgte hier im Landtag, wie so oft, eine Debatte.

Immer und immer wieder haben die demokratischen Fraktionen betont, dass nun, im August, im Oktober, im Februar, vor einigen Wochen, nun aber wirklich etwas passieren muss. Es passierte nur nichts.

(Zuruf: Ist auch Quatsch!)

Ich spreche Ihnen überhaupt nicht ab, dass Sie das so meinen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Doch endlose Wiederholungen von Bekenntnissen ändern nicht die Realität.

(Beifall)

Und diese endlose Wiederholung von Überzeugungen, aus denen eben keine praktische Politik erwächst, ist ja auch nicht neu. Wenn Sie die er

wähnten Debatten nachlesen sollten, dann können Sie auch noch weitere nachlesen.

Ich erinnere an den Beschluss aus dem Juni 2016 „Solidarität mit allen Opfern, mit allen von Rassismus, Hetze, Bedrohung und Gewalt Betroffenen sowie mit den Opfern von politisch motivierter Kriminalität“, an die Beschlüsse des Landtags vom 4. Mai 2017 und die dazugehörigen Debatten. Es fehlt wirklich nicht an Reden und Anträgen mit Bitten an die Landesregierung. Was fehlt, sind Entscheidungen, meine Damen und Herren.

(Beifall)

Denn Entsetzen und Anteilnahme, die immer von den demokratischen Fraktionen ehrlich gemeint waren und gemeint sein mögen

(Zurufe)

und die die Debatten immer prägten, ändern nichts zum Besseren. Damit tun wir eben nicht alles, was in der Macht dieses Landtags steht, um gegen rechten Terror und gegen die extreme Rechte vorzugehen. Genau das ist es aber, was unsere Verantwortung wäre. Diese Republik lässt sich in der Tat nicht mit Bekenntnissen und mit freundlichen Bitten an die Landesregierung verteidigen, sondern es braucht konkrete Maßnahmen. Genau solche haben wir mit unserem sehr umfangreich begründeten Antrag vorgelegt, der - das will ich an der Stelle auch sagen - ja auch nur ein Anfang hätte sein können, nur ein Teil der konkreten Maßnahmen, die notwendig sind.

Der Antrag liegt also seitdem im Innenausschuss. Einmal hat sich der Ausschuss ergebnislos damit befasst. Einmal wurde er von der Tagesordnung genommen, bevor man feststellte, dass man nichts macht. Hätte der Ausschuss die Zeit, die wir hier im Plenum schon darauf verwendet haben, uns gegenseitig zu versichern, dass nun aber auch wirklich etwas geschehen müsse, darauf verwendet, diesen Antrag zu beraten, zu beraten, was gegen die eine Maßnahme, die wir vorschlagen, spricht und was für sie spricht, dann wären wir schon deutlich weiter, hätten wir eine Beschlussempfehlung, hätten wir vielleicht sogar einen Beschluss des Landtags. Und ja, dann könnten wir über weitere Schritte beraten. Doch nichts, nichts davon ist geschehen. Und so bleiben die Versprechen an die Betroffenen rechter Gewalt und die Angehörigen der Opfer rechten Terrors hohl und leer.

Was die Betroffenen sicher wissen, ist, dass der Landtag auch nach der nächsten rechten Gewalttat eine Debatte führen wird. Leider müssen sie dann aber auch befürchten, dass danach auch nicht viel mehr geschehen wird - und das auch, weil sich die Regierungsfraktionen gegenseitig blockieren, statt Verantwortung für die größte

Herausforderung in der Innenpolitik zu übernehmen, die es gegenwärtig gibt.

(Beifall)

Meine Fraktion und ich stehen nicht erst seit Beginn dieser Legislaturperiode bereit, um konstruktiv darüber zu beraten, wie rechte Gewalt und rechter Terror bekämpft werden können und welche Voraussetzungen wir als Landtag dazu schaffen müssen.

Und ich bitte Sie, wenn wir uns die Maßnahmen, die wir mit unserem Antrag vorgeschlagen haben, anschauen, dass Leute, die auf Feindeslisten von Nazis stehen, noch nicht mal darüber informiert werden, dass die Empfehlungen der NSUUntersuchungsausschüsse nach wie vor nicht umgesetzt werden, dass Staatsanwaltschaften in Sachsen-Anhalt die Richtlinie über die Verfolgung politisch motivierter Straftäter nicht umsetzten, unvollständige Anklagen erheben, Fristen verstreichen lassen oder Gewalt einer unter Terrorverdacht stehenden Gruppe bagatellisieren und als das Übliche abtun, dann besorgt das doch nicht nur uns, sondern dann besorgt das auch Sie. Dann muss doch aber auch etwas passieren. Das erzeugt doch nicht nur Beschämung; das erzeugt auch Handlungsdruck. Zugleich zeigt es auf, was möglich wäre. Es ist doch nicht so, dass sich nichts machen ließe. Sie gehen die Schritte nicht; das ist das Problem.

(Beifall)

Das ist im Übrigen nicht nur das Problem im Umgang mit Anträgen zum Thema rechte Gewalt. Das ist das Problem, das wir hier immer und immer wieder haben. Es ist ein Problem der KeniaKoalition.

Bisher müssen wir erleben, dass die Regierungsfraktionen zwar viel zu dem Thema zu sagen haben, aber eben alles andere blockieren. Daher heute auch unser Berichterstattungsverlangen.

Meine Damen und Herren! Nehmen Sie die Gelegenheit wahr, Ihre Blockadehaltung aufzugeben und eben endlich die notwendigen Entscheidungen zu treffen. Wenn Sie nicht die treffen wollen, die wir treffen wollen, treffen Sie andere, aber treffen Sie welche! Damit kann man sich auseinandersetzen. Daran kann man sich orientieren. Und daran sieht man im Übrigen auch, welche Entscheidungen hier in Sachsen-Anhalt endlich gefällt werden müssen und welchen Weg dieses Land gehen kann. Die Betroffenen haben mehr verdient als unsere Worte. Der Kampf gegen Rechts braucht mehr als Bekenntnisse.

(Beifall)

Ich sehe keine Fragen. Dann danke ich Frau Quade für den Redebeitrag. Für den federführen

den Ausschuss für Inneres und Sport berichtet jetzt der Vorsitzende des Ausschusses Herr Kohl. - Herr Kohl, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Vizepräsident. - Sehr geehrte Damen und Herren! Der Antrag der Fraktion DIE LINKE mit dem Titel „Rechte Gewalt entschlossen bekämpfen! Betroffene schützen, Zivilgesellschaft stärken, Strafverfolgung intensivieren“ in der Drs. 7/4776 wurde in der 78. Sitzung des Landtages am 29. August 2019 zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Inneres und Sport überwiesen. Mitberatend wurde der Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung beteiligt.

Durch die Herbeiführung eines Beschlusses des Landtages beabsichtigt die antragstellende Fraktion, die Landesregierung unter anderem dazu aufzufordern, sich auf der Bundesebene für ein Verbot von Combat 18 Deutschland einzusetzen, die Arbeit von V-Leuten in den verschiedenen Neonazigruppierungen einzustellen sowie Personen darüber zu informieren, wenn ihr Name auf sogenannten Feindeslisten auftaucht.

In seiner 40. Sitzung am 2. Oktober 2019 befasste sich der Ausschuss für Inneres und Sport erstmalig mit dem vorliegenden Antrag und ließ sich von der Landesregierung kurz berichten. Die regierungstragenden Fraktionen kündigten an, nach einer entsprechenden Verständigung unter den drei Fraktionen dem Ausschuss einen Entwurf einer Beschlussempfehlung vorlegen zu wollen. Der Ausschuss kam überein, den Antrag erneut aufzurufen, sobald ein entsprechender Entwurf vorliege.

In der Folge wurde der Antrag regelmäßig im Rahmen der Treffen der innenpolitischen Sprecher zur Aufstellung der Tagesordnung angesprochen und aufgrund einer fehlenden Einigung unter den Koalitionsfraktionen nicht zur Beratung vorgesehen. Im Vorfeld der 46. Sitzung des Ausschusses am 12. März 2020 signalisierten die regierungstragenden Fraktionen, bis zur Sitzung den Entwurf einer Beschlussempfehlung vorlegen zu wollen, sodass der Antrag auf die Tagesordnung gesetzt wurde.

Zu der Sitzung lag jedoch kein entsprechender Entwurf vor und auf Wunsch der Koalitionsfraktionen wurde der entsprechende Tagesordnungspunkt zu Beginn der Sitzung von der Tagesordnung abgesetzt. Seitdem gab es unter den innenpolitischen Sprechern noch keine Verständigung darüber, den Antrag erneut auf die Tagesordnung zu setzen.

Sobald eine entsprechende Einigung erzielt werden kann, wird sich der Ausschuss für Inneres

und Sport erneut mit dem Antrag befassen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung)

Ich danke Herrn Kohl für die Berichterstattung. - Für die Debatte wurde folgende Redereihenfolge der Fraktionen festgelegt: CDU, AfD, SPD, GRÜNE, DIE LINKE. Die Landesregierung hat auf einen Redebeitrag verzichtet. Für die CDU-Fraktion spricht jetzt der Abg. Herr Schulenburg. - Herr Schulenburg, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Wert Damen und Herren! Der Antrag, über den wir heute erneut sprechen, wurde in erster Beratung im August des letzten Jahres verbunden mit dem Antrag der Koalitionsfraktionen mit Titel „Im Gedenken an Dr. Walter Lübcke: Gewalt- und anderen Straftaten gegen die Demokratie mit allen Mitteln des Rechtsstaates entgegentreten“ behandelt.

Nach Auffassung meiner Fraktion hätte es der Überweisung des Antrags der LINKEN gar nicht bedurft, da die Koalitionsfraktionen durch den eigenen Antrag und den darauffolgenden Beschluss des Landtages bereits hinreichend Festlegungen in der Sache getroffen haben.

Es ist offensichtlich, dass die Koalitionsfraktionen seit Längerem an einer gemeinsamen Beschlussempfehlung feilen. Aus meiner Sicht wäre es, bei allen unterschiedlichen Auffassungen zum Thema, mehr als ausreichend, wenn der Landtag das umfassende Maßnahmenpaket der Bundesregierung zur Bekämpfung des Rechtextremismus und der Hasskriminalität begrüßte.

Der Forderung, dass für eine konsequentere Strafverfolgung von Straftaten mit antisemitischem Hintergrund die Landesregierung sicherstellen soll, dass in der Zukunft bei einem antisemitischen Tatmotiv eine Verfahrenseinstellung aus Opportunitätsgründen ausgeschlossen wird, stehen wir ablehnend gegenüber. Wir haben dazu erhebliche rechtliche Bedenken. Denn eine derart kategorische Weisung an die Staatsanwaltschaft im Land dürfte die gesetzliche Verpflichtung der Staatsanwaltschaft zur Objektivität unterlaufen. Da auch Gerichte Einstellungen aussprechen können, wäre eine solche Vorgehensweise ein Übergriff in die Judikative.

Meine Fraktion wird auch nicht für Forderungen nach einer weiteren Verschärfung des Waffenrechts zur Verfügung stehen. Wir haben in Deutschland bereits heute einen strengen Rechtsrahmen. Vor allem mit der letzten Novellierung wurden unter anderem eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz und eine Begrenzung der

Magazingröße beschlossen. Zudem muss das Bedürfnis, eine bestimmte Waffe zu besitzen, genauer nachgewiesen werden, etwa durch regelmäßiges Training mit dieser Waffe.

Ich habe nunmehr transparent dargelegt, wie der Stand der Beratungen ist und warum es bisher nicht gelungen ist, zu Ihrem Antrag eine Beschlussempfehlung auf den Weg zu bringen und wie sich meine Fraktion zu diesen Themen positioniert. Dem Verlangen auf Berichterstattung sind wir damit mehr als ausreichend nachgekommen.

Wir werden nunmehr die Ausschussbefassung fortführen. Ich bin - auch zusammen mit unseren Koalitionspartnern - guter Hoffnung. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Ich sehe keine Fragen. Dann danke ich Herrn Schulenburg für den Redebeitrag. Für die AfDFraktion spricht der Abg. Herr Höse. - Herr Höse, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Mein Kollege Mario Lehmann fragte am 29. August 2019, also an dem besagten Tag vor einem Jahr, zum Antrag der LINKEN „Rechte Gewalt entschlossen bekämpfen“: Wer hat Siegfried Buback, Hanns Martin Schleyer, Jürgen Ponto oder Alfred Herrhausen ermordet? - Sie gaben damals keine Antwort darauf.

Bevor ich auf das Berichterstattungsverlangen zu sprechen komme, möchte ich diese Frage von damals gern etwas erweitern. Wer tötete die anderen 30 Opfer, darunter Detlev Rohwedder, einen Zollbeamten, zwei Botschaftsattachés,

zwölf Polizisten und sieben Soldaten? Wer war an der Entführung einer Air-France- und einer Lufthansa-Maschine beteiligt? Wer warf Molotowcocktails und Steine sowie schoss Stahlkugeln und Signalmunition bei den Startbahn-West-Krawallen auf die Einsatzkräfte und erschoss dabei zwei Polizisten? Wer wütete in Frankfurt vor der EZBZentrale als Einstimmung auf den G 7-Gipfel und verletzte bei diesen Gewaltexzessen 88 Polizisten? Wer plünderte und brandschatzte in Hamburg beim G 20-Gipfel, verletzte dort mehr als 230 Polizisten und verursachte Schäden in Höhe von mehr als 12 Millionen €? Wer bekämpft regelmäßig und militant am 1. Mai den Staat, seine Ordnungshüter und nicht zuletzt unser zivilisiertes Zusammenleben? Wer fackelt auch mal Behörden und Bundeswehrfahrzeuge ab, steckt militärische Liegenschaften in Brand und überfällt Polizeistationen? Wer beschädigt, beschmiert und zerstört unsere Büros oder unser Privateigentum und greift unsere Politiker körperlich an? Wer versucht auch, Zugreisende in Bahnunterführungen oder