Protocol of the Session on June 12, 2020

Fragen sehe ich nicht. Dann danke ich Herrn Steppuhn für den Redebeitrag. - Für die Fraktion DIE LINKE hat jetzt noch einmal Frau von Angern das Wort.

Danke, Herr Präsident.

(Zuruf: Achten Sie auf das Virus! - Heiter- keit)

- Haben Sie den Knopf berührt?

(Heiterkeit - Zurufe)

- Die Sozialministerin ist nicht anwesend.

(Zuruf: Alles in Magdeburg ist schon wieder verseucht!)

- Das ist ein wichtiger Hinweis; danke, Frau Präsidentin. Es hat natürlich bereits für Irritationen gesorgt, dass die Frau Sozialministerin gerade nicht anwesend ist. Aber aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Landeshauptstadt Magdeburg tagt jetzt natürlich der Pandemiestab.

(Unruhe)

- Ich muss üben, laut zu reden.

Herr Steppuhn, ich sage es ungern, aber ich muss es sagen: Ich war gerade sehr enttäuscht von Ihrer Rede.

(Zustimmung - Zuruf)

Ihre Botschaft war: Wir reden nicht, wir machen Politik. Damit ist aber eben auch die Botschaft verbunden: Wir reden nicht mit den Menschen. Dies halte ich für ein sehr paternalistisches Politikangebot, für ein paternalistisches Politikkonzept, das ich ausdrücklich nicht teile. Es ist wichtig, darüber zu reden und zu diskutieren, ob Maßnahmen wirklich ankommen und ob die Ziele tatsächlich erreicht werden. Das kann man am besten mit den Betroffenen tun. Ich nehme Sie diesbezüglich an anderen Stellen anders wahr. Ich sage Ihnen auch deutlich: Ein solcher Gipfel kann durchaus hart erstiegen und erklommen werden. Ich frage mich nur: Warum wird er in der Autoindustrie erklommen und bei den Kindern funktioniert das nicht?

(Beifall)

Uns geht es um Kommunikation und das Reden miteinander.

Bei der Rede der Ministerin habe ich spontan gedacht: Ach Mensch, das ist eine typische Reaktion. Ich schaue jetzt wieder den CDU-Fraktionsvorsitzenden an. Ich fand die Botschaft in der Regierungserklärung, als sich der Ministerpräsident selbst ein bisschen feierte, dass wir alte Muster auch mal

(Zuruf: Durchbrechen!)

- durchbrechen, danke - durchbrechen müssen, richtig. Alle Redebeiträge - ich beziehe mich ausdrücklich auf den von Herrn Krull, auf den von Frau Lüddemann und auch auf den der Frau Mi

nisterin - haben deutlich gemacht: Wir sind uns einig; wir wollen das, wir wollen mit den Menschen reden, wir wollen ihnen zuhören, wir wollen wissen, was sie bewegt, wir wollen ihnen auch insbesondere in dieser schwierigen Situation helfen.

Aber ich sehe darüber hinweg. Von mir aus soll dieser Antrag eine Runde im Ausschuss machen. Vielleicht belassen wir es beim Sozialausschuss, damit der Antrag schnell wieder ins Plenum zurückkommt. Denn insoweit habe ich tatsächlich einen Dissens zu der Sozialministerin: Wir und vor allem die Kinder und Jugendlichen haben keine Zeit, auf bessere Zeiten zu warten. Auf diesen Tag X, von dem wir alle noch nicht wissen, wann er sein wird, wann wir uns im öffentlichen Raum wieder näher als anderthalb Meter kommen dürfen,

(Zuruf: Oh! - Heiterkeit)

können wir nicht warten. Wir wissen nicht, wann dieser Zeitpunkt sein wird. Die Kinder, Jugendlichen und Familien sind darauf angewiesen, dass wir schnell Lösungen für sie finden. Es ist wichtig, sie zu hören. Wie man sie hört - Frau Baerbock hat es digital per Videokonferenz getan; die Bundestagsfraktion meiner Partei hat es im Reichstag unter Einhaltung des Abstandsgebotes getan -, ist unerheblich. Deutlich wird in solchen Momenten: Der Schuh drückt, er drückt die Menschen enorm, sowohl die Betroffenen als auch diejenigen, die tagtäglich mit den Betroffenen zu tun haben. Ich denke, es ist ein sehr wichtiges Moment, ihnen diesen Druck zu nehmen und mit ihnen darüber zu reden.

Eines will ich noch einmal ganz deutlich sagen: Ja, in den letzten Wochen und Monaten sind tatsächlich viele verschiedene Ideen und Konzepte entwickelt worden, insbesondere von Menschen, die in der freien und öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe tätig sind, von Schulsozialarbeiterinnen und von Lehrerinnen. Dazu kann ich nur sagen: Hut ab - es ist toll, was von euch bzw. von Ihnen in den letzten Wochen und Monaten geleistet wurde.

(Beifall)

Herr Krull und Frau Grimm-Benne - sie wird es anschließend hören -, Ihre beiden Reden habe ich als Zusage zu unserem Antrag bzw. als Zusage zu dem Wunsch, einen Kinder- und Familiengipfel abzuhalten, verstanden. Ich glaube, das ging allen hier im Saal so. Insofern: Das nächste Mal dürfen Sie ruhig sagen, dass es ein guter Antrag ist.

Eine letzte Bemerkung. Ich danke Frau Lüddemann ausdrücklich dafür, dass auch sie hier im Plenum das Thema Kindergrundsicherung genannt hat. Das ist tatsächlich das Thema der Zu

kunft. Ich sage mit Blick darauf, dass es die aktuelle Koalition im Bundestag bis zum Ende dieser Wahlperiode mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht schaffen wird, das im Koalitionsvertrag verankerte Versprechen einzulösen, Kinderrechte ins Grundgesetz aufzunehmen, ganz deutlich: Das treibt mich so richtig an, für andere Mehrheiten sowohl im Bund als auch im Land zu kämpfen.

(Beifall)

Frau von Angern, Sie haben gesehen: Herr Steppuhn hat sich noch zu Wort gemeldet.

Verehrte Kollegin von Angern, das, was Sie zuletzt gesagt haben, kann ich unterstreichen: Es lohnt sich, auch für Mehrheiten zu kämpfen, die sich vielleicht anders zusammensetzen als die jetzigen.

(Heiterkeit)

Darin will ich Ihnen ausdrücklich beipflichten. Ich bin ja nicht der einzige Sozialdemokrat,

(Zuruf)

der sich in dieser Richtung geäußert hat.

(Unruhe)

Aber ich will dem Eindruck entgegentreten, dass die Politik aktuell nichts für Familien und Kinder tut. Wenn man sieht - ich habe das zumindest in meinem politischen Leben noch nicht erlebt -, wie schnell jetzt in der Krise politische Entscheidungen sowohl im Land als auch im Bund getroffen worden sind, dann stellt man fest, dass es so etwas - zumindest aus meiner Sicht - noch nicht gegeben hat. Wir haben an vielen Stellen viel Geld ausgegeben und geben noch Geld aus. Man kann darüber streiten, ob die damit verbundenen Maßnahmen immer punktgenau und richtig sind.

Aber ich möchte Ihnen ausdrücklich in einem Punkt widersprechen. Denn Sie haben ein bisschen den Eindruck vermittelt, dass wir nicht mit den Bürgerinnen und Bürgern darüber reden wollen. Ich glaube, gute Politiker - das sind, glaube ich, die meisten hier in diesem Parlament - reden tagtäglich mit den Bürgerinnen und Bürgern, sind mit ihnen im Gespräch, kennen die Probleme. Ich habe erlebt - Sie sicherlich auch -, dass es sehr viele Bürgeranfragen gibt, in denen gefragt wird: Wie komme ich an dieses Programm, wie bekomme ich eine Unterstützung? - Ich glaube, viele Politiker in diesem Parlament haben diesbezüglich einen guten Job gemacht. Ich erwarte von guten Politikern, dass sie jeden Tag mit den Bürgerinnen und Bürgern im Gespräch sind. - Danke schön.

Sie können darauf antworten.

Herr Steppuhn, ich habe aus Ihren Ausführungen auch eine Frage herausgehört. Sie geben mir dadurch die Möglichkeit, ein paar Dinge zu bewerten, die gerade auch bundespolitisch eine Rolle spielen.

Ja, Sie haben recht: Es sind zurzeit Dinge verändert und beschlossen worden, die wir vor ein paar Monaten - das muss man ehrlicherweise sagen - nicht für möglich gehalten haben. Stichwort Schuldenbremse.

Aber erlauben Sie mir auch einen Blick auf das aktuelle Konjunkturpaket, dieses große Konjunkturpaket der Bundesregierung, mit dem sehr, sehr viele Milliarden Euro lockergemacht worden sind. Ich möchte dabei nur auf drei Maßnahmen eingehen.

Die erste Maßnahme sind die 300 €, die Familien als Soforthilfe erhalten sollen. Wir haben das begrüßt. Auch unsere Bundestagsfraktion hat das begrüßt. Aber ehrlicherweise muss man klar und deutlich sagen: Das ist auch eine Maßnahme, um die Wirtschaft anzukurbeln; es ist nichts Nachhaltiges. Damit bin ich wieder bei Frau Lüddemann: Nachhaltig wäre eine Kindergrundsicherung. Ich hätte mir übrigens gewünscht, dass es im Bundestag eine kluge Koalition gegeben hätte, die es geschafft hätte, dieses Zeitfenster für dieses wichtige Projekt der Kindergrundsicherung zu nutzen.

Ein zweites Beispiel ist die Mehrwertsteuerabsenkung in einem Umfang von 20 Milliarden €. Wo werden die Gelder tatsächlich landen? Selbst diejenigen Vertreter aus der Wirtschaftspolitik und aus der Wirtschaftswissenschaft, die diese Maßnahme zunächst begrüßt haben, stellen jetzt ehrlicherweise - auch aufgrund des Konsumverhaltens der Menschen in Deutschland - fest: Das Geld wird vor allem bei denen landen, die während der Coronapandemie eben gerade nicht gelitten haben. Es wird also nicht bei Kindern, Jugendlichen und Familien landen. Denn ich denke nicht, dass das Kilo Kartoffeln oder der Liter Milch ab dem 1. Juli preiswerter sein werden. Vielmehr wird das Geld im Onlinehandel landen. Und der Onlinehandel ist, wie wir alle wissen, nicht der Verlierer der Coronapandemie.

Ein letztes Beispiel - das will ich uns allen nicht ersparen -: Ich war tatsächlich überrascht, dass man dieses Konjunkturpaket nutzt, um die Rüstungsindustrie zu stärken. Das ist schäbig.

(Beifall)

Ich sehe keine Fragen. Dann danke ich Frau von Angern für ihren Beitrag.

Wir kommen jetzt zum Abstimmungsverfahren. Wir stimmen über den Antrag der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 7/6082 ab. Es wurde der Vorschlag unterbreitet, den Antrag an den Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration zu überweisen. Wer dieser Überweisung seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das ist das komplette Haus einschließlich eines fraktionslosen Abgeordneten. Wer stimmt dagegen? - Ich sehe keine Gegenstimmen. Stimmenthaltungen? - Sehe ich auch nicht. Damit ist dieser Antrag an den genannten Ausschuss überwiesen worden und der Tagesordnungspunkt 5 ist erledigt.

Frau Dr. Pähle möchte als Fraktionsvorsitzender das Rederecht eingeräumt bekommen. Sie haben jetzt das Wort, Frau Dr. Pähle.

Vielen Dank, Herr Vizepräsident. - Ich möchte die Chance nutzen, da der Plenarsaal jetzt gut gefüllt ist, um auf einen Umstand hinzuweisen, der in der Debatte über den letzten Tagesordnungspunkt vor der Mittagspause eingetreten ist. Vielleicht ist er durch die Aufregung um 20 km/h zu viel, 21 km/h zu viel - worüber reden wir eigentlich -, ein wenig untergegangen.

Ein Abgeordneter dieses Hohen Hauses hat klargemacht, dass er bereit ist, sich an die Front einer Gruppe von Menschen zu stellen, die Politikern mit Fackeln und Mistgabeln begegnen wollen.

(Zuruf: Och, nee!)