Nur, wie Verkehrssicherheit gestärkt werden soll, werden wir vielleicht später noch hören; denn wenn es um etwas Substanzielles geht, werden die Fehlstellen bei der AfD offenkundig. Hier würden wirklich sozialpolitische Prinzipien deutlich werden.
Was erleben denn die Menschen in Sachsen-Anhalt? - Sie erleben ein Land der Pendler, der schlecht bezahlten Frühaufsteher, Termindruck vom Chef, Just-in-time-Lieferungen, Zunahme von Paketdienstleistungen zu unwürdigsten Arbeitsbedingungen und einen ausgedünnten ÖPNV, der das Auto für mehr als 75 % der auf dem Land lebenden Leute unverzichtbar macht.
Also, hier gilt es, Lösungen zu finden, wie Verkehr auf der Straße konkret vermieden oder verlagert werden kann. Und genau das leistet Ihr Antrag nicht.
Schlussendlich ist die Ankündigung von Bundesminister Scheuer interessant, den Ländern vorzuschlagen, drohende Fahrverbote bei Tempoüberschreitung durch höhere Bußgelder zu ersetzen, sprich: sich freikaufen zu können vom Fahrverbot, wenn man denn genug Geld hat. Das ist nicht nur ungerecht, das ist asozial.
Für die politische Bewertung dieses populistischen Rückziehers vom Sachverstand seines eigenen Ministeriums sind übrigens die Darstellungen in der ZDF-Sendung „Heute-Show“ vom 22. Mai dieses Jahres interessant. Ich empfehle wieder einmal die Nutzung der Mediathek.
Bevor ich nun die Ablehnung dieses Antrages durch meine Fraktion ankündige - wir halten auch eine Überweisung in den Ausschuss für nicht erforderlich -, möchte ich ausdrücklich den Ausführungen des zuständigen Ministers zustimmen. Herzlichen Dank dafür.
Dem Einbringer des Antrags möchte ich noch den Hinweis geben, dass Bußgelder unter anderem dafür verwendet werden, die Verkehrssicherheitswachten, die Verkehrswachten zu unterstützen und die Verkehrssicherheitserziehung voranzubringen, um das Ziel einer Vision Zero, nämlich null Verkehrstote, zu erreichen. Das brauchen wir. Darum lehnt meine Fraktion den Antrag ab.
Ich sehe keine Fragen. Dann danke ich Herrn Henke für den Redebeitrag. Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich jetzt Frau Lüddemann das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Das Ziel dieses Landes - das ist Beschlusslage - heißt Vision Zero; das bedeutet null Verkehrstote. 2019 starben auf den Straßen in Deutschland 3 059 Menschen. Das sind mehr als acht Menschen pro Tag. Das heißt, jeden Tag klingeln an acht Türen im Land Polizeibeamte und müssen die denkbar schlimmste Nachricht überbringen, dass ein Angehöriger aus dem Leben gerissen wurde. Das ist inakzeptabel, und wir in Sachsen-Anhalt versuchen, alles dagegen zu tun.
Hier starben im Jahr 2019 137 Menschen. Das ist, bezogen auf unsere Bevölkerungszahl, ein ziemlich trauriges Ergebnis.
Die Grundlage des Straßenverkehrs - das hat Dr. Grube schon sehr eindrücklich dargestellt - ist die Straßenverkehrsordnung. Und die Straßenverkehrsordnung ist Pflicht. Jeder muss eine Prüfung ablegen, bevor er am Straßenverkehr teilnehmen kann, insbesondere wenn er dies motorisiert tut.
Wer die Straßenverkehrsordnung nicht ausreichend kennt oder nicht bereit ist, sich an die Regeln zu halten, ist eine Gefahr für sich und vor allem für andere und darf dementsprechend kein Auto steuern. Oder er muss mit Sanktionen rechnen.
Viel zu viele Gefährdungen, wie Rasen, Drängeln, gefährliches Parken, Alkohol am Steuer im Straßenverkehr, werden immer noch als sogenannte Kavaliersdelikte behandelt. Es sind aber keine Kleinigkeiten oder gar nur Nachlässigkeiten.
Allzu oft - ich habe es eben genannt - steht am Ende eine dauerhafte Beeinträchtigung oder gar eine Beerdigung - und das meist eines schwachen Verkehrsteilnehmers. Denn - das kann man nicht oft genug sagen, weil es viele offenbar nicht wissen - die Straßenverkehrsordnung ist eine Schutzvorschrift. Es sind Schutzvorschriften, um schwächere Verkehrsteilnehmer vor den stärkeren zu schützen. Das sind Kinder, das sind Menschen mit Behinderungen, das sind Familien, die einen Kinderwagen fahren, die sich eben nicht so stark und so kräftig bewegen können.
Das hat diese Novelle in erfreulicher Weise nach oben gespült. Denn der stärkere Verkehrsteilnehmer ist nun einmal immer das Auto. Und die Autos werden immer größer und immer panzerähnlicher. Aber sie haben deswegen kein Recht, vorrangig zu fahren, sich vorrangig am Verkehr zu beteiligen oder sich gar als die besseren Verkehrsteilnehmer zu gerieren.
Der öffentliche Raum gehört nicht den Autofahrenden. Alle Verkehrsteilnehmer haben ein Recht, sich sicher fortzubewegen und sich im öffentlichen Raum risikofrei aufzuhalten.
Wer dort für eine unbotmäßige Gefahr sorgt, dem ist konsequent zu begegnen, der ist konsequent zu sanktionieren. So einfach ist das. Deswegen begrüße ich, begrüßen wir GRÜNE ausdrücklich die Verschärfung im neuen Bußgeldkatalog. An vielen Stellen hätte man durchaus weitergehen können. Der Bußgeldkatalog ist an vielen Stellen noch zu nachsichtig. Im Halteverbot zu parken kostet 25 €. Wenn man das länger als eine Stunde macht und jemanden dabei behindert, kostet es nur 50 €. Ich finde, das ist zu wenig.
Abstandsverstöße unter 80 km inklusive Sachbeschädigung kosten 35 €. Das muss man einmal gegen die Folgen setzen, die sich ergeben.
Der Bundesrat hat sich alles in allem für einen ausgewogenen und konsequenten Bußgeldkatalog ausgesprochen. Dass es immer noch besser gehen kann, ist vor die Klammer gesetzt. Dass Minister Scheuer diesen nun nach einigen Wochen wieder aufweichen will, ist schlicht eine Farce.
Er brüskiert damit den Bundesrat. Denn wenn man sich einmal mit der Genese beschäftigt, dann ist das nicht zwingend alles aus dem Haus von Minister Scheuer gekommen, sondern ist in der Bundesratsbefassung über den Sachverstand und die Kompetenz der Länder in diesen Bußgeldkatalog gekommen. Insofern ist es überhaupt nicht möglich, ihm jetzt vorzuschreiben und zu sagen, er soll geändert werden.
Es ist auch eine Frage der Verlässlichkeit der Politik, dass man jetzt bei diesem Bußgeldkatalog bleibt, ganz davon abgesehen, dass es ein schlechtes Zeichen ist, wenn der zuständige Minister seinen eigenen Bußgeldkatalog nicht
Es ist ein absolut durchschaubares Vorgehen, um eine aussterbende Klientel zu bedienen; denn der Bundesrat hat diese Verschärfung beschlossen und er muss sich selbst ernst nehmen und deswegen dabei bleiben. Deswegen bin ich sehr froh, dass es entsprechende Signale gibt.
Auch meine Fraktion hätte diesen Antrag am liebsten in Bausch und Bogen abgelehnt. Ich glaube, dafür gibt es sehr viele Gründe.
Es ist - das will ich zum Abschluss noch sagen - auch kurios, dass sich jetzt gerade diejenigen für Law and Order einsetzen, die es an anderen Stellen überhaupt nicht tun, die auf eine konsequente Rechtsauslegung pochen, wenn es beispielsweise darum geht, verlorene Ausweisdokumente zur Anzeige zu bringen, wenn es um das Schuleschwänzen geht. Dann sind sie hart auf Law and Order gepolt,
Wenn in Ihrer Begründung etwas von sozial unverträglicher Bußgelderhöhung steht, dann finde ich das ziemlich dummdreist. Wenn man sich korrekt verhält, wenn man sich an die Straßenverkehrsregeln hält - das ist Ihnen vielleicht neu -, dann ist es völlig kostenfrei, sich am Verkehr zu beteiligen. Es ist total sozialverträglich.
Ich sehe keine Fragen. Dann danke ich Frau Lüddemann für ihren Redebeitrag. Für die CDUFraktion spricht jetzt der Abg. Herr Scheurell. - Herr Scheurell, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der heutigen Gesellschaft fällt es immer wieder auf, dass sich Menschen nicht an geltende Gesetze und Regeln halten. Ferner lassen sich viele Menschen ungern etwas vorschreiben, was vermeintlich in ihre Freiheitsrechte eingreift, so auch bei der heftigen Kritik am neuen Bußgeldkatalog der Straßenverkehrsordnung.