Protocol of the Session on June 11, 2020

(Zuruf: Das ist ein Signalhammer!)

was Sie hier nachgezeichnet haben und was ich in den allermeisten Passagen nur unterstreichen kann, zeigt auch, wie wichtig in akuten Krisenzeiten die Fähigkeit von Demokratinnen und Demokraten ist, zum Konsens im Grundsätzlichen und zum Kompromiss im Detail zu kommen.

Denn so groß wie die Bereitschaft der Bevölkerung war und ist, in der Krise zusammenzustehen, so groß war in den hinter uns liegenden Monaten die Fähigkeit der Ressorts der Landesregierung und der sie tragenden Parteien und Fraktionen, unter großer Anspannung und in schwierigen Entscheidungsprozessen gemeinsame Ergebnisse zu erzielen. Jede Eindämmungsverordnung war die Verhandlung eines kleinen Koalitionsvertrages. Die bisherigen Ergebnisse in SachsenAnhalt zeigen, dass es sich gelohnt hat.

Für diese Fähigkeit zum Zusammenraufen und zum ergebnisorientierten Handeln danke ich ausdrücklich allen Beteiligten.

(Beifall)

Und ich will auch ausdrücklich sagen, ich schließe die demokratische Opposition wegen ihrer konstruktiven Kritik und Mitwirkung in diesen Dank ein.

(Zuruf: Haben wir gern gemacht, danke!)

Doch je mehr sich nicht nur unser Alltag wieder normalisiert, sondern sich auch in der politischen Debatte der Blick wieder nach vorn richtet, je mehr wir uns also über die Perspektive unter

halten, die über den Inhalt der heutigen Regierungserklärung hinausgeht, desto deutlicher werden auch die Unterschiede zwischen den Parteien und ihren Konzepten hervortreten. Und das ist gut und notwendig.

Meine Damen und Herren! Wenn wir uns auf den Weg aus der Krise machen, dann werden wir Richtungsentscheidungen für Veränderungen treffen müssen. Es sind Richtungsentscheidungen, die unser Land stärker machen und für künftige Herausforderungen besser wappnen.

Ich beginne mit dem Nächstliegenden, der Gesundheitspolitik. Wie wichtig ein funktionierendes Krankenhaussystem ist, dürfte seit der Covid-19Pandemie nun wirklich jeder und jede wissen; denn alles, was wir in den letzten Monaten an Beschränkungen auf uns genommen haben, diente ja dem Ziel, die Pandemie so weit wie möglich einzugrenzen, sodass unser Gesundheitssystem nicht überfordert wird, so wie es in Italien, Spanien, Großbritannien und in weiten Teilen der USA geschehen ist.

Deshalb liegt es für mich auf der Hand, dass wir strukturelle Probleme, die wir schon vor der Pandemie gesehen haben, jetzt nicht auf die lange Bank schieben dürfen. Im Klartext: Um den Investitionsstau in unseren Krankenhäusern wirksam zu bekämpfen, werden die im Doppelhaushalt verankerten 50 Millionen € nicht reichen, auch nicht zusammen mit den 25 Millionen €, die im Nachtragshaushalt dafür vorgesehen sind. Wir schlagen deshalb vor, als Teil eines Antikrisenpaketes weitere 600 Millionen € in den Jahren 2021 bis 2025 aufzubringen, um Investitionen in die Krankenhäuser schnell und zielgerichtet voranzubringen. Vielleicht kann man da sogar die Mittel, die uns jetzt durch die angehobene Übernahme der AAÜG-Mittel zum Teil vom Bund zufallen, dafür nutzen, das auf Jahresscheiben aufzuteilen.

Dabei geht es um alles andere als um die Verteilung mit der Gießkanne. Vielmehr geht es darum, bei der Umsetzung des Krankenhausplanes der Landesregierung passgenaue regionale Lösungen umzusetzen, die auf medizinische Qualität, übergreifende Kooperationen und flächendeckende Zugangsmöglichkeiten zu hochwertiger medizinischer Versorgung setzen.

Das bedeutet natürlich auch - das will ich angesichts des Aufmachers der heutigen „Volksstimme“ ganz deutlich sagen -, flächendeckend den Zugang zu Kinderheilkunde in unseren Krankenhäusern zu erhalten.

Gerade die Konstruktion des Altmarkklinikums mit der Beteiligung des Landes und der Kommunen bietet alle Möglichkeiten, diese Versorgung so

zu organisieren, dass sie dem Bedarf vor Ort gerecht wird.

(Beifall)

Meine Damen und Herren! Zur Gesundheitsversorgung gehört auch die Vorsorge für künftige Pandemien und andere Katastrophensituation, eine Vorsorge, die uns im Ernstfall unabhängig macht von internationalen Lieferketten.

Ich begrüße ausdrücklich, was der Ministerpräsident zur Herstellung von Schutzausrüstungen im eigenen Land und zur notwendigen Bevorratung gesagt hat. Ich halte es in diesem Zusammenhang für richtig, auch die Herstellung von pharmazeutischen Produkten in Sachsen-Anhalt zu unterstützen. Meine Fraktion hat zum Thema „Vorratshaltung“ schon vor Corona eine ganze Reihe von Vorschlägen erarbeitet, die jetzt so aktuell sind wie nie.

Genauso wichtig wie die Frage nach einem zukunftstauglichen Krankenhaussystem ist die Herausforderung, unsere Wirtschaft nach dem tiefen konjunkturellen Einbruch wieder in Schwung zu bringen.

Die Bundesregierung hat in den vergangenen Tagen auf die Herausforderungen eine Antwort gegeben, wie sie es in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland noch nie gegeben hat. Mit einem Volumen von 130 Milliarden € ist das Konjunkturprogramm eine beeindruckende Antwort auf den durch die Pandemiemaßnahmen verursachten wirtschaftlichen Rückgang.

Ich begrüße ganz ausdrücklich, dass mit diesem Programm nicht einfach wahllos Geld in die vorhandenen Systeme gepumpt wird. Wenn der Staat so viel Geld einsetzt, dann ist es richtig, es an die Förderung von Zukunftstechnologien zu koppeln, anstatt mit Instrumenten der Vergangenheit zu hantieren.

(Beifall)

Für unser Land ist es jetzt entscheidend, dass wir den „Wumms“ aus Berlin positiv unterstützen.

(Beifall)

Deshalb hoffe ich sehr, dass wir auch in der Koalition ganz klar und einig darin sind, dass die Unterstützung des Konjunkturprogramms des Bundes auch die Anforderung an das Land beinhalten muss, die nötige Kofinanzierung sicherzustellen. Ich hoffe sehr, dass wir den Antrag, der gerade immer noch zwischen uns gemeinsam abgestimmt wird, in dieser Richtung morgen auch in den Landtag einbringen können.

Neben der Kofinanzierung für das Bundesprogramm muss es auch darum gehen, was wir als Land selber tun können, um positive Anschübe für

die Konjunktur zu geben. Für die SPD steht dabei im Mittelpunkt, dass wir Effekte bei kleinen und mittelständischen Unternehmen vor Ort erzielen wollen und dass wir zugleich die Kommunen stärken wollen. Es geht um das aktive Gegensteuern gegen den Konjunktureinbruch. Denn gerade Familien müssen im Moment sehr genau darauf achten, was sie sich leisten können. Herr Ministerpräsident hat vorhin den Anteil von Kurzarbeit bei den Beschäftigten erwähnt, 20 %.

Viele Menschen werden ihr Geld zusammenhalten und sich entscheiden, Anschaffungen oder private Investitionen auf später zu verschieben, gerade wenn sie nicht wissen, wie es mit der eigenen Beschäftigung weitergeht, oder sie gerade mit weniger Geld in der Tasche ihr Leben organisieren müssen.

Mit öffentlichen Mitteln können wir das teilweise ausgleichen, nämlich über ein kommunales Investitionsprogramm. Gleichzeitig können wir so den Investitionsstau in den Städten und Gemeinden abbauen und dafür sorgen, dass seit Langem aufgeschobene Baumaßnahmen an Schulen, Kitas und vielen anderen kommunalen Einrichtungen endlich angepackt werden.

(Beifall)

Es geht hier vordergründig nicht um den Bau einer neuen Schulsporthalle, sondern es geht um das Streichen von Fluren, von Instandsetzen von Umzäunungen, das Instandsetzen von Grünanlagen, all diese Sachen, die in der Kommunalpolitik gerne verschoben werden, weil das Geld dafür nicht reicht. Diesen Impuls müssen wir setzen.

Dafür wollen wir, einschließlich der vorhin genannten Krankenhausinvestitionen, insgesamt

2 Milliarden € zusätzlich in die Hand nehmen. Drei Viertel davon sollen für kommunale Aufgaben eingesetzt werden.

Damit wir den konjunkturellen Effekt solcher Investitionen nicht an anderer Stelle wieder zunichtemachen, ist es wichtig, dass diese Investitionen zusätzlich erbracht werden. Für meine Fraktion ist jedenfalls klar, dass die Vorhaben, die wir mit dem Landeshaushalt 2021/2021 beschlossen haben, wie zum Beispiel die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge, nicht zur Disposition stehen.

(Beifall)

Meine Damen und Herren! Die dritte große Herausforderung für mich ist diese: Wie kommen unsere Schulen aus dem Krisenbewältigungsstatus heraus? Wie schaffen wir es, dass aus den dramatischen Entwicklungen der letzten Monate so etwas wie ein Aufbruch in die digitale Zukunft wird? - Die Ansätze für qualitative Veränderun

gen sind durchaus da. Aber ich sage auch: Mit weiteren Signalen von Angebotskürzungen in zwei Schulformen, Abbau und Benachteiligung, die damit verbunden sind, wird aus dem Aufbruch nichts. Das ist nicht nur schade, das ist wirklich ein Fiasko.

Denn es ist faszinierend zu sehen, wie viel Kreativität viele Lehrerinnen und Lehrer in den Wochen der Schulschließungen in andere Unterrichtsmodelle gesteckt haben, in die Nutzung digitaler Lernplattformen und in die Onlinebetreuung ihrer Schülerinnen und Schüler, die von zu Hause aus lernten.

In vielem davon steckt Potenzial, das eben nicht nur in Krisenzeiten genutzt werden kann. Um dieses Potenzial zu nutzen, brauchen wir weit mehr als nur die Umsetzung des Digitalpaktes oder Endgeräte für alle Schülerinnen und Schüler. Wir brauchen dafür vor allem viele kreative Impulse, einen intensiven Erfahrungsaustausch und ganz, ganz viel Unterstützung für Lehrerinnen und Lehrer, die noch nicht digitalaffin sind.

(Beifall)

Denn die gibt es auch - und nicht zu knapp.

Ich halte den Vorschlag, den Kollegen Digitalmentoren an die Seite zu stellen, für eine sehr gute Idee. Digitalmentoren, die den Schulen helfen, ihr eigenes Programm zur Digitalisierung zu entwickeln, Lehrerinnen und Lehrern beratend zur Seite stehen, ist ein Weiterbildungsprogramm der Hochschule Merseburg, das ich ausdrücklich fördern möchte. Voraussetzung für all das ist ein Ministerium, das sich an die Spitze des Wandels stellt, ihn anreizt und unterstützt.

Meine Damen und Herren! Ich bin überzeugt, wir werden uns schon bald darüber unterhalten müssen, wie wir diese Herausforderungen von Corona mit einem weiteren Nachtragshaushalt bewältigen. Und da - auch wenn Herr Gallert jetzt der Präsident ist und damit keine Fragen stellen kann - ich nicht in die Verlegenheit komme, heute, ich glaube, zum vierten Mal gefragt zu werden, wie ich mir die Aufbringung dieses staatlichen Finanzbedarfes vorstellen, will ich es gleich sagen: Ja, die solidarische Antwort auf Corona muss sein, dass vermögende Bürgerinnen und Bürger mehr beisteuern müssen als andere.

(Beifall)

Und nein, ich will mit dem, was das Land tun kann und muss, nicht darauf warten, bis in Berlin einmal eine große Steuerreform angegangen wird. Deshalb werden wir um eine weitere vorübergehende Schuldenaufnahme nicht herumkommen. Denn investieren wir heute nicht, dann riskieren wir eine anhaltende wirtschaftliche Krise und noch mehr soziale Spaltung, die auch Nähr

boden für Demokratiefeindlichkeit und Verschwörungstheorien ist. Diese Spaltung hat es auch in unserem Land schon vor Corona gegeben. Eine weitere müssen wir zwingend verhindern; denn klar ist: Auch die Bewältigung dieser Krise geht nur gemeinsam. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall)

Danke. Frau Pähle, ich kann Ihnen keine Fragen stellen; das ist richtig. Aber es gibt andere Kolleginnen und Kollegen, die das tun können. - Der erste Kollege, der das tun kann, ist der Kollege Raue.

Das ist eine Kurzintervention. - Frau Dr. Pähle, jedes Mal - -

Herr Raue, wir haben jetzt die zweite Sitzung mit einer neuen Geschäftsordnung.