Protocol of the Session on June 11, 2020

In Sachsen-Anhalt trat die erste Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Virus am 18. März in Kraft, wieder Tage und Wochen, nachdem in anderen Ländern bereits ein neuer Normalzustand erzielt wurde. Dabei betrug der sogenannte R-Wert, die Reproduktionszahl im Kampf gegen das Virus, bereits Tage zuvor weniger als 1. Ob dieser Wert nun wichtig ist oder wenig ausgesagt, darüber streitet nicht nur der MDR in seiner Berichterstattung. Beim MDR sieht man das am 8. April nämlich einmal als wichtig und am 12. Mai einmal als wenig aussagekräftig.

Bei uns folgten über die Zeit vier weitere Eindämmungsverordnungen bis hin zur sechsten am 26. Mai, was nun auch schon wieder ein paar Tage zurückliegt. Begleitet wurde die Sechste Eindämmungsverordnung durch den sogenannten Sachsen-Anhalt-Plan der Landesregierung, zu welchem Sie, Herr Ministerpräsident, soeben wohlwollend und ausführlich ausführten.

Zu den vorgenannten Eindämmungsverordnungen sollten zwei Dinge nicht unerwähnt bleiben; auf diese gehe ich kurz ein. Zwar stieg die Anzahl der von der neuartigen Atemwegserkrankung Covid-19 Betroffenen nach der Ersten und der Zweiten Eindämmungsverordnung noch an, doch spätestens nach der dritten Verordnung vom 2. April 2020 gingen die Zahlen zurück.

Mit den Verordnungen Nrn. 4 bis 6 setzte sich der Trend fort, und zwar - das sage ich an dieser Stelle bewusst - mit den Zwangsmaßnahmen, nicht aufgrund der Zwangsmaßnahmen.

Denn dass sich das Virus und die Krankheit in Sachsen-Anhalt nicht schneller und weiter ausbreiteten, hat viele andere Gründe. Hier nenne ich beispielsweise nur, dass insbesondere die Bürger unseres Landes durch ihr fast ausnahmslos umsichtiges Verhalten nach Bekanntwerden, dass das Virus auch hier angekommen ist, eine weite Verbreitung unmöglich machten. Ferner ist Sachsen-Anhalt abgesehen von den drei Oberzentren ein Flächenland. Bekanntlich ist die Ausbreitung des Virus in der Fläche weitaus geringer als in Ballungszentren. Diese und andere Punkte, die spezifisch das Land Sachsen-Anhalt betreffen, hätte die Regierung beachten und diesen unsäg

lichen Shutdown bereits vor Wochen beenden müssen.

Das führt mich zum zweiten Punkt. Die Landesregierung regiert in den letzten Wochen am Gesetzgeber vorbei. Ob und inwiefern dies ein Bruch verfassungsrechtlicher Grundsätze ist, müsste man im Nachhinein klären.

Fest steht, dass der Landtag und insbesondere die parlamentarische Opposition zu keiner Zeit tatsächlich in die Erarbeitung der Maßnahmenpakete eingebunden waren. Dabei hat die Opposition, also meine Kollegen der AfD und auch die Kollegen der Fraktion DIE LINKE, das in der Landesverfassung verankerte Recht auf Chancengleichheit im Parlament, siehe Artikel 48 Abs. 2.

(Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Wenn nun aber die Regierung das Parlament komplett ausschaltet und nur mit Verordnungen agiert, dann nützt auch solch ein Verfassungsrahmen gar nichts mehr.

Meine Damen und Herren! Ich möchte noch einmal kurz beim Thema der Maßnahmen verweilen und dabei auf die Bundesebene blicken. Bekanntlich stimmten Sie, Herr Ministerpräsident, sich regelmäßig mit Frau Merkel und anderen Länderchefs ab. Da wird Ihnen sicherlich ein Papier des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat nicht unbekannt sein. Es trägt den Titel „Wie wir Covid-19 unter Kontrolle bekommen“, hat 17 Seiten und wurde erst auf Druck eines investigativen Medienportals öffentlich gemacht.

Kurzer Exkurs: Genau das ist der Auftrag investigativer Medien und Politjournalisten. Er lautet: Kontrolle über und Kritik an der Regierung, nicht Hand in Hand mit den Regierenden als Einheitsfront gegen die diversen Oppositionen.

Zurück zum 17-Seiten-Papier des Bundesinnenministeriums. Darin finden sich hinsichtlich der Coronapandemie unterschiedliche Entwicklungsszenarien. Eines davon wird als Worst Case beschrieben, und davon wird bzw. wurde ausgegangen. Dabei rechnete man mit stetig steigenden Infiziertenzahlen bis Mitte Mai und schlussendlich knapp 1,2 Millionen Coronatoten im Land.

Das ist ein Szenario, welches durch die Realitäten der letzten Wochen mehr als widerlegt wurde. Bis Anfang dieser Woche hatten wir bei uns 184 500 Fälle und 8 711 Tote, die mit Corona gestorben sind. Diese knapp 9 000 Toten sind nicht einmal 1 % von dem, wovon das Bundesinnenministerium im März dieses Jahres ausging.

In Sachsen-Anhalt haben wir ca. 1 700 gemeldete Fälle und 55 Verstorbene. Auf die Gesamtbevölkerung unseres Landes gerechnet liegt die Quote der Infizierten bei unter 0,08 %. Und da

für all die Maßnahmen, all dieser Wahnsinn? - Ich wiederhole: Ausgangssperren, Kontaktverbote, Shutdown des Wirtschaftslebens und des öffentlichen Lebens, geschlossene Schulen, Universitäten, Bars, Gaststätten, Hotels, Unterkünfte, Altersheime und Mindestabstand sowie Maskenpflicht.

Meine Damen und Herren! Da sage ich: Nein. Das, was wir hier erleben, stand und steht in keinem Verhältnis zur Wirklichkeit. Einmal mehr muss man sagen: leider einmal mehr.

Noch mal kurz zu diesem BMI-Papier. Blättert man darin bis zu Seite 13 und schaut sich die Schlussfolgerungen an, muss man bestenfalls staunen. Eigentlich stockt einem der Atem. Es geht darum, wie man eine gewünschte Schockwirkung erzielen und verdeutlichen kann. Dazu sollen menschliche Urängste geschürt werden. Oder man soll darüber nachdenken, wie sich Kinder fühlen - Zitat -, „wenn sie dann ihre Eltern anstecken und einer davon qualvoll zu Hause stirbt und sie das Gefühl haben, Schuld daran zu sein, weil sie zum Beispiel vergessen haben, sich nach dem Spielen die Hände zu waschen.“

Meine Damen und Herren! Wer ein Bundesinnenministerium hat, das zum einen so weit an der Realität vorbeiplant und zum anderen mit solcher Agitation operiert, braucht sich nicht zu wundern, wenn in Krisenzeiten sein Land gegen die Wand gefahren wird.

(Beifall)

In Sachsen-Anhalt haben wir also nun einen Plan - jetzt also, Anfang Juni, fünf Monate, nachdem das Virus in Deutschland erstmals nachgewiesen wurde. Wie sieht dieser Plan aus? Ist das die Rückkehr zum Normalzustand oder etwa die Förderung der Wirtschaft im Land, Unterstützung der vielen Menschen, welche unter dem Lockdown zu leiden hatten? - Leider nein.

Für mich ist es Kosmetik; denn es steht ja bereits auf Seite 1 des Papiers - Zitat -:

„Dieser Plan beschreibt zudem für einen Teil der auch nach der Sechsten Eindämmungsverordnung weiter bestehenden Eindämmungsmaßnahmen, wann und unter welchen Voraussetzungen diese ebenfalls gelockert werden können und für welche Maßnahmen momentan noch keine diesbezüglichen Erleichterungen absehbar sind.“

Ein Plan, der die Überschrift „Plan“ verdient, sieht für mich wahrlich anders aus.

Meine Damen und Herren! Meine Fraktion, die AfD in den Parlamenten von Bund und Ländern, sowie eine sehr große Zahl von Bürgern im Land, fordern die sofortige Beendigung aller „Showdown-Maßnahmen“ - so möchte ich sie mal nen

nen - und die Rückkehr zu einer gern auch neuen Normalität, einer Normalität ohne Alltagsmasken, wie diese Dinger mittlerweile ja bereits genannt werden.

Wir fordern eine Zukunft, in der sich Regierungen vornehmlich um jene kümmern, die in den letzten Wochen und Monaten zum Opfer ihrer irrigen Politik wurden.

Wie meinte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier von der CDU noch im März? - Er versprach, alles dafür zu tun, damit kein Arbeitsplatz wegen Corona verloren gehe und kein gesundes Unternehmen schließen müsse.

Mittlerweile hatten wir im Mai dieses Jahres fast 600 000 Arbeitslose mehr als im Mai des letzten Jahres. Zudem hatten wir zwischen März und Mai über zehn Millionen Beschäftigte, für die konjunkturelle Kurzarbeit angezeigt wurde. Und dabei steht uns die Krise erst noch bevor.

Entsprechend einer ifo-Szenario-Rechnung belaufen sich die volkswirtschaftlichen Kosten des Shutdowns bei einer Dauer von drei Monaten auf bis zu 729 Milliarden €, was einen Einbruch der Wachstumsrate von ca. 20 Prozentpunkten bedeuten würde. Die tatsächlichen Kosten könnten aber auch weitaus höher liegen. Die prognostizierten Kosten für einen dreimonatigen Shutdown belaufen sich einschließlich der deutschen Haftung bei EZB und ESM auf bis zu 1,8 Billionen €. Aus diesen wenigen Zahlen ergibt sich die zwingende Notwendigkeit, das Wirtschaftsleben sofort wieder aufzunehmen.

Hilfszahlungen an Branchen und Unternehmen dürfen nicht an Bedingungen wie etwa die CO2Neutralität oder die angebliche Klimaverträglichkeit gebunden werden, so meinen wir. Diese Koppelung würde das Massensterben deutscher Betriebe nur weiter befeuern. Es darf nicht vergessen werden, welche Auswirkungen ein Zusammenbruch des Wirtschaftslebens für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung, die Gesundheit der Bevölkerung und das gesamte öffentliche Leben haben könnte.

Bei diesen Summen hilft auch das 130-Milliarden-€-Paket der Bundesregierung nur marginal. Es hilft insbesondere dann nur marginal, wenn hier wieder Gelder in die Kanäle gelenkt werden, die zu den Lieblings- bzw. Prestigeobjekten ökosozialistischer Planwirtschaftler gehören. Zu der jetzt nötigen Förderung der deutschen Wirtschaft, unter anderem mit Konjunkturhilfen, wird mein Kollege Farle morgen noch ausführen.

Fakt ist, dass wir ohne eine sofortige Rücknahme aller jetzt noch bestehenden einschränkenden Maßnahmen, für die es mittlerweile keine plausible Erklärung mehr gibt, täglich tiefer in diese Krise rutschen. Jeder Tag, den wir verlieren, jeder

Tag, an dem wir die vollständige Lockerung weiter hinausschieben, ist ein verlorener Tag zum Schaden unserer Wirtschaft und zum Schaden unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens. Seien wir ehrlich: Der Schaden ist schon da, aber die große Krise wird erst noch kommen. Machen wir es nicht noch schlimmer, als es jetzt schon ist.

Sie, Herr Ministerpräsident, sprechen im Sachsen-Anhalt-Plan-Papier selbst davon, dass die Coronakrise für unser Land die größte Herausforderung seit der Wiedergründung vor 30 Jahren darstellt. In diesem Sinne fordern wir Sie auf: Besinnen Sie sich. Ich begann eingangs mit den Worten: Baue auf und reiße nieder. Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sorgen Sie dafür, dass Sachsen-Anhalt in der Coronakrise keinen Totalabriss erleben muss. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung)

Damit können wir in der Aussprache zur Regierungserklärung in der Redereihenfolge fortfahren. Für die SPD-Fraktion spricht die Abg. Frau Dr. Pähle. Sie haben das Wort.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde, der Kontrast konnte zu Beginn oder jetzt in der Fortsetzung dieser Debatte nicht stärker sein, und er war bezeichnend. Auf der einen Seite ist der Herr Ministerpräsident, der in eindrucksvollen Worten und in eindrucksvoller Weise noch einmal die Line nachgezeichnet hat, die die Landesregierung während des ganzen Verlaufs der Pandemie durchgehalten hat. Auf der anderen Seite ist der Fraktionsvorsitzende der AfD, der noch einmal die trostlose Rolle dieser Partei in der Krise unter Beweis gestellt hat.

(Zustimmung)

Die AfD ist zwischen Seuchenpanik, „Ausgangssperre zu spät verhängt“, „das hätte man alles früher wissen müssen“ und Verschwörungswahn, „jetzt aber ist alles eingetütet und jetzt muss aber alles aufgegeben werden“, zwischen „alles zu“ und „alles auf“ hin und hergeschwommen, was bei Ihnen aber immer unter der Überschrift steht: Egal, was gemacht wurde, es ist auf jeden Fall zu spät gewesen.

(Zurufe: Genau!)

Ich sage Ihnen ganz deutlich: Sie haben in der Logik einer Pandemie und in der Frage, wie man mit Dingen umgeht, die man noch nicht 100 Mal erlebt hat, nichts, aber auch gar nichts verstanden.

(Zustimmung)

Es ist gut, dass Sie weder hier im Land noch an einer anderen Stelle der Bundesrepublik in Verantwortung sind; denn Politik erlebt dauernd Situationen, die man noch nie vorher erlebt hat. Wenn Sie so in dieser Situation agieren würden, dann sage ich ganz deutlich: Gute Nacht, Deutschland! Sie sind und Sie werden nie entscheidungs- und regierungsfähig sein.

(Zustimmung)

Sie haben nichts, absolut nichts zur Eingrenzung der Pandemie beigetragen. Sie haben nur das beklagt, was passiert ist. Sie haben nichts zur Bekämpfung ihrer Folgen und zur Gestaltung des Öffnungsprozesses beigetragen.

(Zuruf: Doch, auch!)

Sie haben nur gesagt, es muss alles gemacht werden.

(Zuruf: Pfui! 31 Anträge, wurde gesagt, 31 Stück!)

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

(Zuruf: Das ist ein Signalhammer!)